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Umweltinstitut München e.v. Landwehrstr. 64a 80336 München An das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Postfach 810 140 81901 München Landwehrstr. 64a 80336 München Telefon: (089) 30 77 49-0 Telefax: (089) 30 77 49-20 www.umweltinstitut.org Als gemeinnützig anerkannt Steuer-Nr. 143/223/20222 FA München für Körperschaften Vereinsregister: Amtsger. Mchn VR 11808 Ihr Zeichen Unser Zeichen Durchwahl Direkt-E-Mail München (089)307749-11 ch@umweltinstitut.org 21. August 2014 Zur Weiterleitung an das Umweltministerium der Slowakischen Republik Stellungnahme im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung am grenzüberschreitenden Verfahren zur Prüfung der Umweltauswirkungen des geplanten Neubaus einer neuen Kernkraftanlage am Standort Bohunice, Slowakische Republik Wir bitten das Bayerische Staatsministerium um Weiterleitung an das Umweltministerium der Slowakischen Republik. Vielen Dank! Sehr geehrte Damen und Herren, das Umweltinstitut München e.v. bezieht zum geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Bohunice um ein oder zwei weitere Reaktorblöcke in der Slowakei wie folgt Stellung: Das Umweltinstitut München e.v. lehnt das geplante Bauvorhaben ab, da es dafür keine energiepolitische Notwendigkeit gibt, sie aber die Bewohner in der Slowakei und den Nachbarländern, darunter auch Deutschland, aufs höchste bedrohen. In Bohunice würde durch den Zubau mit einer geplanten Reaktorleistung von 1700 MWe bis zu 2400 MWe die momentan installierte Leistung (1000 MWe) mehr als verdoppelt. Damit würde sich das Gefährdungspotenzial enorm erhöhen. Grenzüberschreitende Auswirkungen wären auch für die deutsche Bevölkerung nicht auszuschließen. Die Entfernung der Reaktoranlage zu Deutschland beträgt etwa 440 km. Tschernobyl, das mehr als 1500 km entfernt liegt, hat Teile Süddeutschlands stark belastet, so dass auch heute noch hohe Cäsium-Werte in Waldprodukten zu finden sind. Die Katastrophe von Fukushima und ihre Auswirkungen werden in der Studie mit keinem Wort erwähnt, offensichtlich wurden sie in die Betrachtungen bezüglich der Sicherheitsanforderungen nicht einbezogen. Gerade hinsichtlich einer Anlage mit mehreren Blöcken, sowie es in Bohunice geplant ist, sind die Lehren aus Fukushima ein wichtiger Aspekt. Bank für Sozialwirtschaft: BLZ 700 205 00 Kto.-Nr. 88 311 00 Postbank München: BLZ 700 100 80 Kto.-Nr. 472 400 800 IBAN: DE97 7002 0500 0008 8311 00 BIC: BFSWDE33MUE Stadtsparkasse München: BLZ 701 500 00 Kto.-Nr. 272 328 00

Seite 2 von 8 Im Fall einer Weiterführung des UVP-Verfahrens fordern wir, dass die gesetzlich bindenden Regeln der EU-weiten Öffentlichkeitsbeteiligung auf Basis der Aarhusund Espoo-Konventionen eingehalten werden und der EU-UVP-Richtlinie voll umfänglich entsprechen wird. Weiter fordern wir, dass die Umweltauswirkungen des gesamten Pfades, vom Uranabbau, der Anreicherung, der Brennstoffherstellung, über den Betrieb der Anlage bis zum Abfallmanagement und der Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle in tiefen geologischen Formationen betrachtet werden. Außerdem fordern wir für das grenzüberschreitende UVP-Verfahren die Betrachtung folgender Aspekte: FEHLENDE NOTWENDIGKEIT Es besteht keine energiepolitische Notwendigkeit für die Erweiterung der Atomkraftwerke Bohunice. Bereits mit der angeblich baldigen Inbetriebnahme der im Bau befindlichen Atomkraftwerke in Mochovce wird die Slowakische Republik Überkapazitäten an Strom erzeugen, also mehr als im eigenen Land gebraucht wird. Selbst unter Einbeziehung der prognostizierten Erhöhung des Strombedarfs bis 2035 würde die Slowakische Republik Nettostromexporteur sein. Die geplanten neuen Meiler in Bohunice wären also nicht für den eigenen Bedarf, sondern für den Stromexport bestimmt. Die Neubauten mit steigendem Strombedarf zu begründen, ist folglich nicht richtig. Falsch ist auch die Begründung, die Atomkraft sein eine kohlenstoffarme, sogar kohlenstofffreie Energie [Studie S. 132], die damit wesentlich zur Erreichung der Klimaziele beitragen würde. Wenn der gesamte Pfad vom Uranabbau über Uran- Anreicherung, Transporte und Endlagerung der radioaktiven Abfälle samt Konditionierung betrachtet wird, kann der CO2-Ausstoß ähnlich hoch sein wie bei einem Gaskraftwerk und ist höher als bei den erneuerbaren Energien. Mit abnehmendem Urananteil im Erz verschlechtert sich auch die Klimabilanz des Atomstroms. Schon heute wird Atomstrom mit 120 g CO2/kWh belegt, wenn das Uran z.b. aus Südafrika stammt. Das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien in Europa wird vollständig negiert. So beträgt z.b. in Deutschland der Anteil der Erneuerbaren am Strom heute bereits 28 Prozent. Die Machbarkeit einer Stromversorgung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien bis 2050 wurde in verschiedenen Untersuchungen, z.b. vom Sachverständigenrat der Bundesregierung, Umweltbundesamt und weiteren, für Deutschland bestätigt. Selbst eine vollständige Versorgung Europas mit Energie aus regenerativen Quellen ist machbar. Ein solches Energiesystem ist genauso stabil und nicht wesentlich teurer als Energiesysteme mit einem Anteil von 40, 60 oder 80 Prozent an erneuerbaren Energien. Dies ist das Ergebnis einer Studie mit dem Titel Fahrplan 2050: Ein praktikabler Weg für ein reiches Europa, die von der Unternehmensberatung McKinsey, auch unter Beteiligung von Energiekonzernen, erstellt und im April 2010 von der European Climate Foundation in Brüssel vorgestellt wurde.

Seite 3 von 8 Eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit der AKW-Neubauten muss detailliert begründet werden. Es muss auch aufgezeigt werden, inwieweit die schwerfälligen Atomkraftwerke im Lastfolgebetrieb gefahren werden können, um die Schwankungen im Stromnetz bei Zunahme der erneuerbaren Energien, was EU-weit gefordert wird, ausgleichen zu können. ALTERNATIVENBETRACHTUNG Alternativenbetrachtungen sind essenzieller Bestandteil einer UVP. Ein Novum in diesem UVP-Verfahren ist, dass das Slowakische Umweltministerium dem Wunsch der Antragstellerin nachgekommen ist, auf die Ausarbeitung von konkreten Alternativvarianten zu verzichten. Es werden lediglich potentielle Referenz-Energien aufgezählt und dazu die Gründe, warum diese keine Alternativen zur Atomkraft sind. Diese sind sehr oberflächlich gehalten und zum Teil unzutreffend. Außerdem fehlt eine Betrachtung der Kombination von verschiedenen erneuerbaren Energie-Systemen, die eine zuverlässige Dauervollversorgung gewährleisten kann. Schließlich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass nur der geplante Neubau eines Atomkraftwerks "für die Slowakei die am besten geeignete und vorteilhafteste Alternative für die Absicherung der energetischen Sicherheit" ist. Dies stellt eine grobe Verletzung der UVP-Richtlinie 2011/92/EU dar, die Studie muss deshalb zurückgewiesen werden. BLACK-BOX-VERFAHREN Bislang ist völlig unklar, welche Reaktortypen zum Einsatz kommen werden, weshalb eine Beurteilung der davon ausgehenden Risiken auf Mensch und Umwelt nicht möglich ist. Ein so genanntes Black-Box-Verfahren erlaubt keine Bewertung der möglichen Umweltauswirkungen und muss deshalb abgelehnt werden. Als mögliche Reaktortypen werden Druckwasserreaktoren der Generation III+ mit einer Laufzeit von 60 Jahren in Erwägung gezogen: - AP 1000 der Firma Westinghouse, 2004 genehmigt von der staatlichen Aufsichtsbehörde U.S. NRC, der in China und den USA im Bau ist; - EU-APWR der japanischen Gesellschaft Mitsubishi Heavy Industries, der derzeit im Lizenzierungsverfahren ist und noch nirgendwo in Bau ist; - MIR-1200 eines tschechisch-russischen Konsortiums, eine Weiterentwicklung des russischen VVER-1000, in Russland im Bau; - EPR der Firma Areva, der in Finnland (Kraftwerk Olkiluoto) und in Frankreich (Kraftwerk Flamanville der EdF) im Bau ist; - ATMEA1 der Firmen Areva und Mitsubishi Heavy Industries Ltd. Dabei handelt es sich um einen Druckwasserreaktor der Art EPR mit verringerten Sicherheitssystemen: Die Redundanz und Kreisläufe wurden von vier auf drei reduziert, das Doppelcontainment durch ein einfaches ersetzt und das Notkühlsystem vereinfacht. In einem Abkommen zwischen der Türkei und

Seite 4 von 8 Japan wurde 2013 beschlossen, dass dieser Typ in der Türkei gebaut werden soll; - APR1400 der Firma Korean Hydro and Nuclear Power, der in Südkorea und in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Bau ist. Keiner der sechs genannten Reaktortypen ist derzeit irgendwo auf der Welt in Betrieb, es gibt keine Betriebserfahrungen und auch keine nennenswerten Risikostudien. Erfahrungen aus dem Probebetrieb sind aber zwingend für eine Beurteilung erforderlich. Bekannt ist, dass die im Bau befindlichen EPR- Druckwasserreaktoren von Pannen, Verzögerungen und Kostensteigerungen überschattet sind. Fast das Dreifache der ursprünglichen Kostenschätzung soll der Reaktorneubau im finnischen Olkiluoto bereits kosten, 8,5 Mrd. Euro statt der anfänglich prognostizierten 3 Mrd. Euro. Die geschätzten Kosten für den Neubau in Bohunice werden pauschal mit vier bis sechs Mrd. Euro beziffert. Es ist also davon auszugehen, dass auch diese Schätzung zu niedrig angesetzt ist. Mit einer Fertigstellung des finnischen Reaktors wird nicht vor 2017 gerechnet, womit die Bauzeit mindestens zwölf Jahre betragen wird. Die Fertigstellung des französischen EPR in Flamanville ist noch offen. Es ist davon auszugehen, dass die für Bohunice geplante Bauzeit von sechs Jahren bei weitem nicht ausreichen wird. Bekannt ist auch, dass die britische Aufsichtsbehörde, ebenso die finnische und französische, 2009 schwerwiegende Mängel bei den Sicherheitssystemen der EPR- Reaktoren aber auch ernsthafte Mängel bei den AP-1000-Reaktoren von Westinghouse festgestellt haben. Grundsätzliche Veränderungen im Design dieser Reaktortypen wurden angemahnt. In der Studie fehlt eine quantitative Klassifizierung der radioaktiven Abfälle, was eine Bewertung unmöglich macht. UNFALLSZENARIEN Für ein UVP-Verfahren müssen der geplante Reaktortyp samt detaillierten technischen und sicherheitsrelevanten Daten bekannt gegeben werden. Es muss der Nachweis geführt werden, dass bei einem Unfall mit radioaktiver Freisetzung Mensch und Umwelt nicht zu Schaden kommen. Nicht nur in der unmittelbaren Umgebung, sondern auch in entfernteren Gegenden und Nachbarländern, die unter Umständen betroffen sein können. Tschernobyl hat gezeigt, dass auch in großen Entfernungen erhebliche radioaktive Belastungen über lange Zeiträume auftreten können. Es müssen alle möglichen Störfälle und Unfallszenarien sowohl für Störfälle ohne Einwirkung Dritter als auch für Unfälle durch Einwirkung Dritter, also Terror- oder Sabotageangriffe für den geplanten Reaktortyp dargestellt werden (im vorliegenden Fall für alle möglichen sechs Reaktortypen), auch auslegungsüberschreitende Unfälle. Es muss jeweils das radioaktive Freisetzungspotenzial angegeben werden (Angaben zu Quelltermen), ebenso müssen meteorologische Ausbreitungsrechnungen mit Zeitangaben bei einem Unfall mit radioaktiver Freisetzung durchgeführt werden.

Seite 5 von 8 Die Aussage, dass Terrorangriffe "durch Standardmittel und Vorgehensweisen des physischen Schutzes in Übereinstimmung mit den internationalen und nationalen legislativen Vorschriften gelöst und eliminiert" werden, reicht nicht aus. Ebenso kann die pauschale Aussage, dass alle genannten Reaktortypen gegen Flugzeugabsturz gesichert sind, nicht akzeptiert werden. Bislang wurde die Militärmaschine "Phantom" als Referenzflugzeug betrachtet, seit den Terroranschlägen 9/11 2001 müssen aber auch große, vollbesetzte Verkehrsflugzeuge wie z.b. der Airbus 380 in Betracht gezogen werden. Hinsichtlich der geplanten 60-jährigen Laufzeit der neuen Meiler müssen sogar noch größere, in Entwicklung befindliche Flugzeugtypen betrachtet werden. All diese Betrachtungen fehlen in der Studie. Die potenziellen Auswirkungen eines Unfalls mit radioaktiver Freisetzung, die auch Deutschland betreffen können, können also nicht bewertet werden. WECHSELWIRKUNG MIT WEITEREN ANLAGEN Am Standort Bohunice befinden sich neben den zwei aktiven Atomkraftwerken drei abgeschaltete: Die Anlage Bohunice V1, die nach einem Unfall mit Kernschmelze 1977 stillgelegt wurde, und zwei Reaktoren, Bohunice 1 und 2, die wegen ihrer Gefährlichkeit 2006 und 2008 als Bedingung für den EU-Beitritt stillgelegt wurden. Weiter befindet sich dort das Zwischenlager (Nasslager) für abgebrannte Brennelemente und das Zentrum zur Aufbereitung und Behandlung von radioaktiven Abfällen. Die Betriebserlaubnis der aktiven Meiler, die 1984 bzw. 1985 in Betrieb gingen, wurde bereits einmal verlängert, eine weitere Verlängerung wird diskutiert, was das Unfallrisiko durch Alterung und Versprödung des Materials deutlich erhöht. Die Anlagen waren nur für eine Betriebszeit von maximal 30 Jahren vorgesehen. Durch die hohe Anzahl der Anlagen birgt der Standort ein besonders hohes Risiko. Insbesondere bei Unfällen, die durch externe Ereignisse herbeigeführt werden, ist das Gefahrenpotenzial der radioaktiven Freisetzung extrem hoch. Zu beachten ist auch das Zwischenlager, ein Nasslager, da bei Kühlmittelverlust des Lagerbeckens mit massiven Freisetzungen von Radioaktivität zu rechnen ist. Dies wird in der Studie jedoch nicht berücksichtigt. Insbesondere die bestehenden Anlagen sind aufgrund der geringen Wandstärke äußerst schlecht gegen Flugzeugabsturz oder Terrorangriffe geschützt. Außerdem liegt das Nasslagerbecken für abgebrannte Brennelemente außerhalb des Containments, was im Falle einer Beschädigung mit Kühlwasserverlust zu erheblichen radioaktiven Freisetzungen kommen kann. ABSICHERUNG VON SCHÄDEN Der Betreiber muss nachweisen, dass Schäden, die durch einen Unfall mit radioaktiver Freisetzung entstehen, vollumfänglich abgesichert werden, auch Schäden in betroffenen Nachbarländern. Basis hierfür ist ein Entschließungsantrag des EU-Parlaments vom 14. März 2013, in dem gefordert wird, dass AKW-Betreiber gemäß dem Verursacherprinzip alle Kosten übernehmen müssen, für die sie nach einem Unfall verantwortlich gemacht werden.

Seite 6 von 8 Die Autoren der Studie gehen aber davon aus, dass grenzüberschreitende Auswirkungen "praktisch ausgeschlossen bzw. sehr unwahrscheinlich" sind. Auch eine Haftungssumme für die Reaktoren wird nicht genannt. Die Folgekosten der Katastrophe in Fukushima werden heute bereits auf mehr als 150 Mrd. Euro geschätzt. BERÜCKSICHTIGUNG DER STRESSTESTS Im selben Entschließungsantrag wird auch gefordert, dass die empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen nach den Risiko- und Sicherheitsbewertungen, den so genannten AKW-Stresstests, EU-weit umgesetzt werden müssen. Der Betreiber muss darstellen, dass die sicherheitsrelevanten Ergebnisse aus den EU-Stresstests sowie die Erkenntnisse aus der Fukushima-Katastrophe beim geplanten Reaktortyp berücksichtigt sind. Dies fehlt in der Studie völlig. NICHT GESICHERTE VERSORGUNG Die Slowakische Republik betreibt bislang keinen eigenen Uranabbau und ist deshalb zu 100 Prozent von Auslandslieferungen abhängig. Es gibt zwar ein Abkommen mit einem kanadischen Unternehmen, dass nahe der zweitgrößten Stadt Kosice Uran abgebaut werden soll, aber der Widerstand gegen das Projekt ist groß. Die Uranminen fördern derzeit jährlich nur zwei Drittel des weltweiten Bedarfs. Der Rest des jährlichen Bedarfs wird aus Lagerbeständen der 1950er bis 1980er Jahre gedeckt. Fachleute prognostizieren ein Aufbrauchen dieser Lager bis etwa 2015 und eine folgende Uranverknappung. Bis neue Lagerstätten erschlossen sind, vergehen 10 bis 20 Jahre. Die Versorgungssicherheit der Atomkraftwerke in der Slowakischen Republik ist also nicht gesichert, zumal Laufzeitverlängerungen der bestehenden Reaktoren bereits beschlossen und weitere geplant sind und die Betriebsdauer der neuen Anlage in Bohunice mit 60 Jahren angegeben wird. Ebenso gibt es in der Slowakischen Republik keine Urananreicherungsanlage, auch hier besteht eine 100-prozentige Abhängigkeit vom Ausland. FEHLENDE ENTSORGUNG VON ATOMMÜLL Auch in der Slowakischen Republik gibt es kein betriebsbereites Endlager für hochradioaktive Abfälle. Der Nachweis der sicheren Endlagerung muss aber vor Baubeginn erbracht werden. Gemäß EU-Richtlinie Nr. 2011/70 Euratom müssen die EU-Staaten bis August 2015 nationale Programme mit konkreten Zeitplänen für den Bau, die Umsetzung und die Kosten von Endlagern vorlegen. Es ist gemäß Studie offenbar noch nicht einmal klar, ob ein Endlager im eigenen Land oder im Verbund mit mehreren Staaten gesucht wird. In der Studie wird erwähnt, dass in der Slowakischen Republik abgebrannte Brennelemente "nicht implizit als radioaktiver Abfall" angesehen werden, sondern als "ausnutzbare Quelle", die aufbereitet werden kann, oder "zur Ablage (Endlagerung)

Seite 7 von 8 bestimmt werden" kann, wenn er zu radioaktivem Abfall erklärt wurde. Dies entbindet aber nicht von der Verpflichtung, ein Endlager für hochaktive Abfälle zu bestimmen. Weiter ist nicht klar, wo die abgebrannten Brennelemente zwischengelagert werden. Ebenso der weitere Umgang damit: Dies würde auf Staatsebene gelöst, so schreiben die Autoren der Studie. Das Konzept sieht offenbar eine Zwischenlagerung für alle abgebrannten Brennelemente im bestehenden Nasslager in Bohunice vor, das aber heute schon zu 70 Prozent gefüllt ist und trotz Erweiterung voraussichtlich nicht ausreichen wird. Wo ein neues Lager errichtet werden soll und welcher Art es sein wird, ist unbekannt. Ebenso unklar ist, wo das geplante trockene Zwischenlager lokalisiert werden soll. IONISIERENDE STRAHLUNG Sinngemäß heißt es auf Seite 91 der Studie: Die Pflicht des Betreibers sei es, nicht nur die festgesetzten Richtwerte einzuhalten, sondern auch gemäß dem ALARA- Prinzip sicherzustellen, dass die radioaktiven Freisetzungen auf einem möglichst niedrigen Niveau gehalten werden. Der Grenzwert für die effektive Dosis beträgt 0,25 msv/jahr jeweils für die radioaktiven Ableitungen über die Abluft oder das Abwasser, wobei die zuständige Behörde für bestimmte Anlagen auch niedrigere Werte für die effektive Dosis festlegen kann. Derzeit beträgt der Richtwert für die Ableitungen aller Anlagen am Standort in der Summe 0,082 msv/jahr. Dieser im Sinne des Minimierungsgebots festgelegte Richtwert für den Standort wird mit dem Neubau von einem Reaktorblock oder sogar zwei Reaktorblöcken bezogen auf den Abwasserpfad nicht mehr einzuhalten sein. Der angegebene zulässige Grenzwert für Tritium wird aller Voraussicht nach überschritten und möglicherweise auch der Grenzwert für Korrosions- und Spaltprodukte. Dies geht aus den radioaktiven Ableitungen, welche die Lieferanten der Referenz-Reaktortypen angegeben haben, hervor. Schließlich soll im Vergleich zum bereits existierenden Reaktor JE V2 in etwa das Doppelte an elektrischer Leistung zugebaut werden. Die Brennelemente werden eine höhere Anreicherung haben und die Anlage wird mit einem höheren Abbrand gefahren. Außerdem wird von einer sehr hohen Verfügbarkeit der Anlage von 90 100 % ausgegangen. Dies betrifft insbesondere die 20 Jahre des geplanten parallelen Betriebs und würde im Falle einer Betriebsverlängerung von JE V2 sogar einen noch längeren Zeitraum betreffen. Die Ende 2007 veröffentlichte KiKK-Studie (Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken) hat aufgezeigt, dass im 5-km-Nahbereich der AKWs bei Kindern unter 5 Jahren die Krebsrate um 60 Prozent und die Leukämierate um 118 Prozent erhöht ist. Die Zunahme des Erkrankungsrisikos ist kaum anders zu erklären als mit der Nähe zum Reaktor. Die KiKK-Studie löste in Deutschland, England, Frankreich und der Schweiz die Durchführung weiterer ökologischer Studien aus, die aber weniger aussagekräftig sind als Fall-Kontroll-Studien. Sie lieferten nach Aussage der Autoren keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko. Jedoch mit einer gemeinsamen Auswertung der Daten aus

Seite 8 von 8 den vier Studien konnte gezeigt werden, dass das Leukämierisiko signifikant mit der Nähe zum AKW zunimmt und für Kinder unter 5 Jahren im 5-km-Nahbereich signifikant um 44 Prozent erhöht ist. Die neuen Studien bestätigen somit die erhöhten Leukämieraten bei Kleinkindern in der Nähe von Atomkraftwerken. FAZIT Der Neubau von Atomkraftwerken trägt weder zu einer langfristig angelegten, nachhaltigen Energieversorgung, noch zum Schutz des Klimas bei. Anstatt in die riskante Atomkraft viel Geld zu investieren, sollte besser der Ausbau der erneuerbaren Energien gefördert werden. In Deutschland boten die Atomkonzerne der Bundesregierung kürzlich an, alle Atomkraftwerke an den Staat abzugeben. Damit würden sie auf die restlichen Gewinne der längst abgeschriebenen Atomkraftwerke freiwillig verzichten. Hintergrund sind die milliardenschweren Abriss- und Entsorgungskosten, die nun auf die Konzerne zukommen. Dies ist ein Offenbarungseid der Konzerne und der beste Beweis, dass Atomkraft nicht wirtschaftlich ist. Atomkraft ist nur "rentabel", wenn sie massiv subventioniert wird. Ohne Unterstützung ist Atomstrom extrem teuer. Wir fordern deshalb die Slowakische Regierung auf, die Pläne für neue AKW-Bauten sowie für Laufzeitverlängerungen bestehender Atomkraftwerke aufzugeben und stattdessen ein nachhaltiges, kostengünstiges, umwelt- und menschenfreundliches Energiesystem basierend auf erneuerbaren Energien aufzubauen. Laut Studie wird es einen Folgebericht über die Bewertung der projektierten Tätigkeit geben. Hiermit melden wir an, diesen Bericht zur weiteren Bewertung zu bekommen. Wir behalten uns vor, diese Einwendungen zu ergänzen und auf dem Erörterungstermin ausführlich darzustellen. An dieser Einwendung hat Frau Dipl. Phys. Karin Wurzbacher mitgewirkt. Mit freundlichen Grüßen, Christina Hacker (Vorstand) Harald Nestler (Vorstand)