Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher Abgrenzungsvereinbarungen Jette Joop, Pelican/Pelikan, and beyond

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Transkript:

Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.v. -- Bezirksgruppe West 24. Oktober 2016 Vors. Richter am BGH a.d. Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Bornkamm Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher Jette Joop, Pelican/Pelikan, and beyond 1

Vorbemerkung Drei BGH-Entscheidungen Jette Joop (Dez. 2010) Pelican/Pelikan (Dez. 2015) Peek & Cloppenburg (Urt. V. 12. Juli 2016, KZR 69/14)

BGH, Urt. v. 7.12.2010 KZR 71/08, GRUR 2011, 641 = WRP 2011, 768 = NJW-RR 2011, 835 Jette Joop Klägerin: JOOP! GmbH (gegründet von Modeschöpfer Wolfgang Joop) Beklagte: Henriette (Jette) Joop, Designerin und Tochter von Wolfgang Joop Klägerin ist Inhaberin der Marke für Klasse 25 (Bekleidungsstücke) Priorität: 1981 Beklagte gründete 1995 eigenes Unternehmen, zunächst nur Schmuckdesign, später Ausdehnung auf Design für Bekleidung etc. Vereinbarung 1995. Streitig, ob sich Beklage verpflichtet hat, ihr Zeichen Jette Joop außerhalb des Bereichs (Mode-)Schmuck zu unterlassen. Nach Anmeldung der Wortmarke Jette Joop Schreiben der Beklagten, dass Sie die Marke Jette Joop für alle Waren außer Schmuck nicht benutzen und löschen werde; Bestätigung durch die Klägerin

Vertriebspartnerin der Beklagten verwendet Klage auf Unterlassung und Schadensersatz LG Hamburg hat verurteilt. OLG Hamburg weist Klage ab. OLG: Eine Abgrenzungsvereinbarung sei kartellrechtlich nur dann zulässig, wenn objektiv begründeter Anlass zu der Annahme bestehe, der begünstigte Vertragspartner habe einen entsprechenden Unterlassungsanspruch, so dass im Fall eines Rechtsstreits mit der gerichtlichen Untersagung derjenigen Markenverwendung zu rechnen wäre, auf die durch die Abgrenzungsvereinbarung verzichtet werde. Daran fehle es im Streitfall. Mangels Verwechslungsgefahr und wegen des Einwands aus dem Recht der Gleichnamigen sei nicht ernstlich mit einer gerichtlichen Untersagung der Benutzung des angegriffenen Zeichens der Beklagten für Bekleidung zu rechnen gewesen.

BGH lässt Revision zu, hebt BU auf und stellt LGU wieder her. Begründung: Maßgeblich: Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung Vereinbarung kartellrechtlich unbedenklich Daher Erfüllungsanspruch der Klägerin aus der Abgrenzungsvereinbarung Kernsätze: Bornkamm, Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher Rn. 19: Derartige wurden nach der Rechtslage im Jahre 1995 nur dann als kartellrechtlich unzulässig angesehen, wenn sie entweder eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten oder bei ihrem Abschluss kein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme bestand, dem begünstigten Vertragspartner stehe ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu. Daraus kann ein Regel-Ausnahme-Verhältnis gelesen werden ( Kartellrechtlich zulässig, es sei denn ) Rn. 20: Für bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sei nichts ersichtlich. Markenrechtliche Beurteilung des BG fehlerhaft. Nicht auszuschließen, dass Verwechslungsgefahr bejaht worden wäre (Hinweis auf BGH Caren Pfleger: Verkehr orientiert sich am Nachnamen) Rn. 29: Bei Abschluss der Vereinbarung 1995 bestand vor diesem Hintergrund darüber hinaus ein ernstzunehmendes Risiko, dass die Klägerin der Beklagten die Verwendung der Marke "Jette Joop" auch für Schmuck und Modeschmuck untersagen könnte. Unter den hier vorliegenden Umständen erschien es jedenfalls ernsthaft möglich, eine zur Bejahung von Verwechslungsgefahr ausreichende Ähnlichkeit zwischen Bekleidung einerseits und Schmuck sowie insbesondere Modeschmuck andererseits anzunehmen.

Kernsätze ( ): Bornkamm, Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher Rn. 30: Die Beklagte konnte daher durch den Abschluss der Abgrenzungsvereinbarung nicht lediglich (insbesondere im Hinblick auf die Verwendung ihres Namens als Marke für Bekleidung) in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten beschränkt werden. Sie konnte vielmehr Rechtssicherheit gewinnen, die Marke "Jette Joop" weltweit für Waren und Dienstleistungen im Bereich Schmuck und Modeschmuck zu benutzen. Darin liegt eine Stärkung des Wettbewerbs. Rn. 33: Die Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien folgt nicht - vom Berufungsgericht offengelassen - aus einem Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen des Unionsrechts. Nach der schon vor 1995 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union waren, durch die im beiderseitigen Interesse der Parteien der jeweilige Benutzungsumfang ihrer Zeichen festgelegt wird, um Verwechslungen und Konflikte zu vermeiden, nach Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag grundsätzlich zulässig, sofern mit ihnen nicht zugleich auch Marktaufteilungen oder andere Wettbewerbsbeschränkungen bezweckt wurden (EuGH, Urteil vom 30. Januar 1985 - Rs. 35/83, Slg. 1985, 363 = WuW/E EWG/MUV 674 - Toltecs/Dorcet II). Aus dieser Rechtsprechung konnten sich bei Abschluss der Vereinbarung der Parteien keine weitergehenden kartellrechtlichen Anforderungen als nach deutschem Recht ergeben.

Kritik: Bornkamm, Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher BGH versäumt es, an die durchaus umfangreiche eigene Rspr zu den alliierten Dekartellierungsbestimmungen anzuknüpfen oder sie auch nur zu berücksichtigen. Die fraglichen Bestimmungen des Dekartellierungsrechts haben Eingang ins GWB gefunden: Durch vertragliche Vereinbarungen durften auf keinen Fall immaterialgüterrechtliche Ausschließlichkeitsrechte auf Gegenstände oder Leistungen erstreckt werden, die nicht mehr Gegenstand des fraglichen Schutzrechts waren. Vgl. 20 GWB (bis 1998) {galt für Austausch-, insbes. Lizenzverträge}: Verträge über Erwerb oder Benutzung von Patenten, Gebrauchsmustern, Topographien oder Sortenschutzrechten sind unwirksam, soweit sie dem Erwerber oder Lizenznehmer Beschränkungen im Verkehr auferlegen, die über den Inhalt des Schutzrechts hinausgehen. Umkehr des Regel-Ausnahmeverhältnisses: BGHZ 16, 296, 304 Rote Herzwandvase: Nur wenn strengste Anforderungen an die Darlegungs- und Beweispflicht des angeblichen Rechtsinhabers gestellt werden, der auf Grund eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Ausschließlichkeitsrechtes seinen Vertragspartner an einer vergleichsweise übernommenen Wettbewerbsbeschränkung festhalten will, kann der Gefahr einer Umgehung der Verbotsbestimmungen der Dekartellierungsgesetze entgegengewirkt werden. Andernfalls könnte nahezu jede wettbewerbsbeschränkende Abrede aus dem Anwendungsbereich der Dekartellierungsbestimmungen herausgebracht werden, indem als Grund für die Abrede die Bereinigung eines Streites über ein in Wahrheit nicht gegebenes Ausschließlichkeitsrecht angeführt wird. Der angebliche Inhaber eines gesetzlichen Monopolrechts muss deshalb nicht nur den Nachweis erbringen, dass die fragliche Abmachung allein darauf abzielte, einen ernsthaften Streit über den Bestand des von ihm in Anspruch genommenen Schutzrechts zu bereinigen, sondern er muss darüber hinaus beweisen, dass auch bei objektiver Beurteilung Zweifel über den Bestand des Schutzrechts berechtigt waren und er bei Abschluss der Vereinbarung in der Vorstellung handelte, aus seinem angeblichen Ausschließlichkeitsrecht keine weitergehenden Rechte herzuleiten, als sie ihm das Gesetz zubilligt.

Kritik ( ): Bornkamm, Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher Aussage, dass es sich bei dem Wettbewerbsverbot nicht um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung isv Art. 101 I AEUV handelt, ist me nicht richtig. Senat erläutert nicht, was eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ist. Wettbewerbsverbote bezwecken immer den Wettbewerb, weil sie stets auf eine Einschränkung des Wettbewerbs gerichtet sind; sie gehören also in die object box. In die effect box gehören dagegen nur solche Vereinbarungen, die für sich genommen nicht bereits auf eine Einschränkung des Wettbewerbs hinauslaufen - wie zb Vereinbarungen über Informationsaustausch, Mindestabnahmemengen, die zur Folge haben können, dass ein wichtiger Nachfrager aus dem Markt genommen wird, vor allem wenn der Bündeleffekte durch gleichartige Mindestabnahmemengen in vielen anderen Lieferverträgen hinzukommen.

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan Beklagte: Günther Wagner AG, Hersteller von Büroartikeln, insbes. Schreibgeräte und Druckerzubehör Klägerin (Pelican Products, Inc., gegründet 1976 in Kalifornien): USamerikanische Herstellerin von speziellen- insbesondere wasserdichten - mobilen Sicherheits- und Taschenlampen sowie wasser- und bruchfesten Schutzkoffern für die Aufbewahrung und den Transport sensibler Ausrüstung für die Einsatzbereiche Marine, Militär, Polizei und Industrie Beklagte ist Inhaberin der deutschen Wortmarke Pelikan (Priorität 1955) sowie der Wort-Bildmarke (Priorität 1993) u.a. für Beleuchtungsapparate und Spezialbehälter (Etuis, Futterale, Gehäuse, Staubschutzhauben) Beklagte war ferner Inhaberin von Marken mit dem Bestandteil Peli. Beklagte erwirkte ab 1988 Unterlassungstitel wegen Vertriebs von Taschenlampen und Ausrüstungsbehältern, die unter Pelican oder PELI vertrieben worden waren.

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan ( ) Vertragshändlerin der Beklagten meldete 1990 in der Schweiz Wortmarke Pelican Products, Inc. sowie 1991 Bildmarke für die Waren "schockabsorbierende und wasserdichte Plastikbehälter für elektronische, wissenschaftliche Mess- und Kommunikationsapparate sowie Jagdwaffen" und "Taschenlampen für die Benutzung im Wasser und in explosiver Umgebung Antrag auf Schutzerstreckung für halb Europa, u.. DE Schutz für DE wurde der Klägerin verweigert. Februar 1994 Abgrenzungsvereinbarung: Beklagte überlässt de Klägerin PELI. Verpflichtet sich aber PELICAN oder PELIKAN in Europa nicht mehr zu benutzen und entsprechend Marken löschen zu lassen 2008 reut die Klägerin offenbar der Abschluss der Abgrenzungsvereinbarung Sie meldet 2008 Wort- und Bildmarken mit dem Wortbestandteil PELICAN in Alicante an (für "Soft-sided and hard-sided cases for carrying, protecting and storing equipment") Klägerin hält Vereinbarung für nichtig, erhebt Klage und beantragt entspr. Feststellung. LG Hamburg weist Klage ab, OLG Hamburg gibt der Klage im Wesentlichen statt. BGH stellt klageabweisendes Urteil des Landgerichts wieder her.

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan ( ) Begründung/Kernsätze BGH Rn. 23 (Textbaustein aus Jette Joop, dort Rn. 19): Derartige waren nach der Rechtslage im Jahr 1994 nur dann kartellrechtlich unzulässig, wenn sie entweder eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten oder eine solche deshalb bewirkten, weil bei ihrem Abschluss kein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme bestand, dem begünstigten Vertragspartner stehe ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu. Rn. 30: Konkrete Tatsachen, die es als objektiv naheliegend erscheinen ließen, die Beklagte werde auf den Märkten für Sicherheits- und Taschenlampen oder wasserund bruchfeste Schutzkoffer für sensible Ausrüstung mit der Klägerin in Wettbewerb treten, hat das Berufungsgericht für das Jahr 1994 nicht festgestellt. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kommt dem Umstand, dass die Parteien die Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, keine erhebliche Bedeutung für die Frage zu, ob zwischen ihnen potentieller Wettbewerb bestand. Ein ausreichender Grund für eine Abgrenzungsvereinbarung liegt vor, wenn zumindest eine der Parteien berechtigten Anlass zu der Annahme hat, der anderen Partei stehe gegen sie ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Das hat das Berufungsgericht im Streitfall angenommen. Dieser Umstand sagt jedoch nichts darüber aus, ob die Parteien Wettbewerber im Sinne des Kartellrechts sind.

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan ( ) Begründung/Kernsätze BGH ( ) Leitsätze: a) Dem Umstand, dass Unternehmen eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, kommt regelmäßig keine erhebliche Bedeutung für die Beurteilung der Frage zu, ob zwischen ihnen potentieller Wettbewerb besteht. b) Für die Frage, ob eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung den Wettbewerb beschränkt, kommt es nicht auf den Schutzbereich der Marken der Parteien, sondern darauf an, ob sie nach allgemeinen Grundsätzen aktuelle oder potentielle Wettbewerber sind. c) Beschränkt eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung zwischen Nichtwettbewerbern einen der Vertragspartner im Wettbewerb mit Dritten, weil er eine auf den Drittmärkten bereits benutzte Marke dort nicht weiter verwenden darf, bedarf die Feststellung der Spürbarkeit einer solchen Wettbewerbsbeschränkung sorgfältiger Prüfung. Bornkamm, Kartellrechtliche Grenzen kennzeichenrechtlicher

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan ( ) Kritik: Nichtberücksichtigung älterer Senatsentscheidungen (s.o.) Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses (s.o.) Zu Ls a): Wer sagt, dass eine Abgrenzungsvereinbarung nur dann kartellrechtlichen Bedenken begegnen kann, wenn die Vertragsparteien zumindest potentielle Wettbewerber sind? Wer sagt, dass die Parteien eines unzulässigen Kartells miteinander im Wettbewerb stehen müssen? Zu Ls a) und b): Der Umstand, dass Kartellanten im Allgemeinen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen, begründet kein entsprechendes Tatbestandsmerkmal

BGH, Urt. v. 15.12.2016 KZR 92/13, GRUR 2016, 849 = NZKart 2016, 276 Pelican/Pelikan ( ) Kritik ( ): Zu Ls c): Senat hätte berücksichtigen müssen, dass die Frage der Spürbarkeit in Entscheidunge, in denen markenrechtliche für kartellrechtswidrig gehalten wurden, niemals thematisiert worden idst. Das gilt auch für die vom Senat angeführte EuGH-Entscheidung Toltecs/Dorcet, die obwohl die zur Prüfung vorliegende Abgrenzungsvereinbarung für kartellrechtswidrig gehalten wurde das Thema Spürbarkeit mit keinem Wort berührt. Die damals insoweit ohne Erfolg angefochtene Kommissionsentscheidung hat die Spürbarkeit dagegen geprüft und - mit folgenden Worten bejaht (Entsch. der Kommission.v 16.12.1982 82/897/EWG, Amtsblatt 1982 L 379/19 = GRUR Int. 1983, 294, unter II 4 Toltecs/Dorcet): Die Einschränkung des Wettbewerbs und ihre unmittelbaren Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Warenverkehr sind auch spürbar. Die Kommission hat schon in ihrer Entscheidung 75/297/EWG Sirdar/Phildar (GRUR Int. 1975, 320 Sirdar/Phildar) darauf hingewiesen, dass das Ausweichen von einer benutzten Marke auf ein anderes Zeichen wegen des damit verbundenen Wegfalls der Werbewirkung der Marke und sonstiger tatsächlicher Schwierigkeiten problematisch, wenn nicht wirtschaftlich unmöglich ist. Im vorliegenden Fall ist das Warenzeichen Toltecs seit einigen Jahren benutzt worden und unter diesem Zeichen fast ein Drittel der Tabakwarenherstellung Segers nach Deutschland im Jahre 1977 ausgeführt worden. Seit dieser Zeit ist die Produktion von Segers erheblich gestiegen, dagegen seine Exporte nach Deutschland aufgrund der Geltendmachung der Vereinbarung durch die BAT seit 1978 praktisch zum Erliegen gekommen, obwohl in Deutschland die Nachfrage nach niederländischem Feinschnitt ständig ansteigt.

BGH, Urt. v. 12.7.2016 KZR 69/14, GRUR 2016, *** = NZKart 2016, *** = BeckRS 2016, 17764 Peek & Cloppenburg Zwei voneinander unabhängige Unternehmen Peek & Cloppenburg KG Klägerin mit Sitz in Hamburg ist mit ihren Filialen im Norden Deutschlands sowie in Nord-SachsenAnhalt und Ost-Sachsen (mit Dresden und Chemnitz) tätig. Die Beklagte, die ihren Sitz in Düsseldorf hat, betreibt Kaufhäuser im Westen und Süden Deutschlands sowie in Berlin, Brandenburg, Süd-Sachsen-Anhalt, WestSachsen und Thüringen. Grundlage dafür ist eine 1992 bestätigte Übereinkunft der Parteien aus dem Jahr 1990, nach der das Bundesgebiet in die Wirtschaftsräume Nord und Süd aufgeteilt ist und keine Partei am Standort der anderen Partei Bekleidungshäuser eröffnet. Die Parteien haben für ihre Geschäfte überwiegend unabhängig und getrennt geworben. Lediglich von 1996 bis Februar 2000 haben sie gemeinsam bundesweit Werbung in überregionalen Zeitschriften und Zeitungen geschaltet. Nach Ende dieser Zusammenarbeit begann die Beklagte Werbeaktivitäten, die in den Wirtschaftsraum Nord hineinreichten.

BGH, Urt. v. 12.7.2016 KZR 69/14, GRUR 2016, *** = NZKart 2016, *** = BeckRS 2016, 17764 Peek & Cloppenburg ( ) Auf Markenrecht (Recht der Gleichnamigen) gestützte Klagen hatten nur teilweise Erfolg (je nach Hinweis der Beklagten auf den Umstand der Gleichnamigkeit) Zurückverweisung an OLG Hamburg hins vertraglicher Ansprüche aus Abgrenzungsvereinbarung OLG weist Klage mit diesen vertraglichen Ansprüchen wegen Kartellrechtswidrigkeit der Abgrenzungsvereinbarung ab (Urt. v. 30.4.2014 3 U 139/10, Kurzdarst. In GRUR-Prax 2015, 312 [Knaak] BGH weist Revision zurück mit der Begründung, dass Vereinbarung nur die Eröffnung neuer Filialen, nicht dagegen die Werbung für die bestehenden Filialen regle

BGH, Urt. v. 12.7.2016 KZR 69/14, GRUR 2016, *** = NZKart 2016, *** = BeckRS 2016, 17764 Peek & Cloppenburg ( ) Begründung BGH: Rn. 14: Es kann dahinstehen, ob die von den Parteien vereinbarte Gebietsaufteilung einschließlich der Einbeziehung der neuen Bundesländer kartellrechtlich zulässig ist und ob das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang den Einschätzungsspielraum der Parteien zutreffend bestimmt hat, der im Hinblick auf die zeichenrechtliche Beurteilung der Kollisionslage bei Abschluss einer kennzeichenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 71/08, WuW/E DE-R 3275 Rn. 19 - Jette Joop). Denn schon auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin zum Inhalt der Vereinbarung kommt ein vertraglicher Unterlassungsanspruch gegen die beanstandete Werbung nicht in Betracht. Rn. 15: Vertragliche Ansprüche sind allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Vereinbarung mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt das Schriftformerfordernis des bis zum 31. Dezember 1998 geltenden 34 GWB af nicht erfüllt, was die Nichtigkeit wegen Formmangels ( 125 BGB) zur Folge hätte. 34 GWB af gilt nicht für kennzeichenrechtliche. Das Schriftformerfordernis erfasst ausdrücklich nur Kartellverträge und Kartellbeschlüsse ( 2 bis 8 GWB af) sowie Verträge, die Beschränkungen der in den 16, 18, 20 und 21 GWB af bezeichneten Art enthalten. Soweit zeichenrechtliche mit 1 GWB vereinbare Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, handelt es sich indes um eine tatbestandliche Reduktion des Kartellverbots. Soweit ein Verstoß gegen Kartellrecht vorliegt, ist eine Abgrenzungsvereinbarung bereits nach 1 GWB af unwirksam.

BGH, Urt. v. 12.7.2016 KZR 69/14, GRUR 2016, *** = NZKart 2016, *** = BeckRS 2016, 17764 Peek & Cloppenburg ( ) Begründung BGH: Schriftformerfordernis des 34 GWB af: 1 Kartellverträge und Kartellbeschlüsse ( 2 bis 8) sowie Verträge, die Beschränkungen der in den 16, 18, 20 und 21 bezeichneten Art enthalten, sind schriftlich abzufassen. 2 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet Anwendung. 3 Es genügt, wenn die Beteiligten Urkunden unterzeichnen, die auf einen schriftlichen Beschluß, auf eine schriftliche Satzung oder auf eine Preisliste Bezug nehmen. 4 126 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung. Vorsicht gegenüber großzügiger Aussage des BGH in Rn. 15 des Urteils geboten. Es widerspräche diametral dem Normzweck des Schriftformerfordernisses, wenn gerade Kartellverträge ausgenommen wären. Die Klägerin hat vorgetragen, die Parteien hätten sich in den Jahren 1990 und 1992 gemäß der ohnehin schon gelebten, auf mündliche Absprachen zurückgehenden Praxis darauf geeinigt, zur Vermeidung von Irreführungen und kennzeichenrechtlichen Auseinandersetzungen im Einzelhandel mit Bekleidung und Accessoires unter den Unternehmenskennzeichen "Peek & Cloppenburg" und "P&C" in Alleinstellung nur in ihren jeweiligen Wirtschaftsräumen tätig zu werden. Diese Vereinbarungen seien jeweils in Gestalt einer Landkarte festgehalten worden. Eine Einigung der Parteien darüber, im Einzelhandel mit Bekleidung und Accessoires jeweils unter einem ganz anderen Namen oder nur unter "Peek & Cloppenburg" und "P&C" in Verbindung mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz aufzutreten, habe dagegen nicht erzielt werden können.