Die Rolle der Biogasnutzung im zukünftigen Strom(versorgungs)system Vortrag zur 23. Jahrestagung des Fachverbands Biogas Nürnberg, den 15. Januar 2014 Prof. Dr. Uwe Leprich Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES)
2 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg] Die IZES ggmbh
Zur Ausgestaltung des künftigen Stromsystems 3 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Das strompolitische Zieldreieck für D / neue Regierung 40-45% Erneuerbare bis 2025 keine Reduktion bis 2020? 25% KWK bis 2020 4 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Das künftige Stromsystem Fluktuierende Erneuerbare Energien 5 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Das künftige Stromsystem Fluktuierende Erneuerbare Energien 6 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Biogas als Flexibilitätsoption 7 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Ansatzpunkte des Biogases 8 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Flexibilisierungsziele: Überblick Das Ziel der Flexibilisierung von Biogasanlagen sollte weiter gefasst werden als nur ihre kurzfristige Anpassung an Spotmarktpreise Folgende Flexibilisierungsziele sollten als mindestens gleichrangig gelten: 1. Bereitstellung von Residuallast - an das Dargebot von FEE angepasstes Lastfolgeverhalten (Stromerzeugung oder ggf. Abregelung) bei gleichzeitig optimierter Wärmeauskopplung 2. Bereitstellung von Flexibilität im Falle negativer Börsenpreise 3. Bereitstellung von Regelenergie (Primär, Sekundär und Minutenregelenergie) 4. Bereitstellung von weiteren Systemdienstleistungen 9 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
10 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg] 1. Residuallastbereitstellung
Notwendige Mengen negativer Residuallast in 2020 gemäß BET-Studie für BEE dargestellt jeweils in %-Punkten der höchsten Residuallast in 2020 von 81,78 GW. Gemäß den Berechnungen von BET treten im Jahr 2020 94 Stunden mit FEE-bedingten negativen Residuallasten auf. Diese verteilen sich auf 23 ein-oder mehrstündige Intervalle an 23 Tagen im Jahr. Dies entspricht 0,12 % der Stunden und 6,3% der Tage. Graphik IZES auf Basis von Daten von BET 2013 11 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Residuallast für ein 100% EE-Szenario Ausgleichbedarf Arbeit: 45 TWh pro Jahr Biogas 22 TWh (IST) bis zu 53 TWh perspektivisch Ausgleichbedarf Leistung: 50GW Biogas ca. 3,2 GW (IST) 12 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Teilfazit Residuallastbereitstellung Die Bereitstellung negativer Residuallast (Abregeln/Abschalten) durch Biogasanlagen spielt bis zum Jahr 2020 nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen werden noch viele Intervalle auftreten, in denen große Teile der Biogasanlagen wegen der positiven Residuallast (inkl. der ausgekoppelten Wärme) benötigt werden. Die Bereitstellung positiver Residuallast ist in der Perspektive weniger ein Problem der zu produzierenden elektrischen Arbeit als vielmehr eines der vorzuhaltenden Kapazitäten. Diese Kapazitäten müssen sehr flexibel einsetzbar sein, um die auftretenden Gradienten sicher und rasch abfahren zu können. Biogas- BHKW sind hierfür sehr gut geeignet. Die Gesamtkapazität von Biogasanlagen wird hier nur eine untergeordnete Rolle spielen können, falls die Flexibilisierung der Anlagen durch Anlagenerweiterung nicht politisch gewollt und unterstützt wird.. 13 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
2. Flexibilität bei negativen Börsenpreisen Biogasanlagen können negative Residuallast bereitstellen, wenn negative Preise an der Strombörse (day-ahead) erwartet werden. Dies könnte die negativen Preise abschwächen. Aber: Zuerst sollte genau analysiert werden, warum negative Preise auftreten und welchen Einfluss netz- oder regelenergiebedingtes Must-run- Verhalten von fossilen und nuklearen Kraftwerken beim Auftreten negativer Preise haben. Ebenso muss analysiert werden, wer negative Preise tatsächlich zahlt und wer von ihnen profitiert. Grundsätzlich sollte die Stromproduktion aus Biogasanlagen in maximalem Umfang fossilen und nuklearen Strom ersetzen. 14 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Auftreten negativer Börsenpreise EPEX day-ahead-preis in / MWh 0-50 -100-150 -200-250 EPEX day-ahead-preis und jeweilige Residuallast im Jahr 2012 0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 Residuallast in MW (gemäß ENTSO-E-Werten) Negative Preise treten selbst bei positiven Residuallasten von mehr als 20GW auf! Graphik IZES auf Basis von Daten von www.epexspot.com & www-entso-e.net 15 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
3. und 4. Mögliche Systemdienstleistungsbereitstellung inkl. Regelenergie Systemdienstleistung angebotenes Gut bezahltes Gut Marktplatz generelle Eignung Biogas PRL MW/ MWh MW www.regelleistung.net SRL MW/ MWh MW/ MWh MRL MW/ MWh MW/ MWh Verlustenergie MWh MWh Ausschreibungen NB Blindleistung Var (=W) Vertragl. Regelungen Schwarzstartfähigkeit geregeltes Hochfahren nach Netzausfall Redispatch MWh MWh Countertrading MWh MWh Strombörsen 16 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Teilfazit Bereitstellung von Systemdienstleistungen (SDL) Biogasanlagen können zu allen Regelenergiemärkten beitragen. Gerade Biogasanlagen mit hohen Vollbenutzungsstunden wegen der Wärmeauskopplung erscheinen zur Erbringung von PRL und SRL gut geeignet, da hier hohe Abrufzahlen auftreten. Damit sind sie zusammen mit Biomasseanlagen eine sehr wichtige Option zum Ersatz der fossil-nuklearen Must-run-Kraftwerke. 17 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
http://www.martinkaessler.com/27-oktober- 2013erneuerbaren-energien-erreichen-rekordanteil-amstrommix/ Exemplarisch: Der 27. Oktober 2013 Auch hier noch: 15 GW konventionelle Kraftwerke am Netz! 18 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Teilfazit Bereitstellung von Systemdienstleistungen (SDL) Biogasanlagen können zu allen Regelenergiemärkten beitragen. Gerade Biogasanlagen mit hohen Vollbenutzungsstunden wegen der Wärmeauskopplung erscheinen zur Erbringung von PRL und SRL gut geeignet, da hier hohe Abrufzahlen auftreten. Damit sind sie zusammen mit Biomasseanlagen eine sehr wichtige Option zum Ersatz der fossil-nuklearen Must-run-Kraftwerke. Die notwendigen technischen Umrüstungen erfordern nicht unbedingt eine vollumfängliche Flexibilisierung. Sonstige SDL werden eher auf vertraglicher Basis bzw. im Rahmen bestehender Regelwerke oder Grid Codes etc. erbracht werden statt durch wettbewerbliche Allokationsmechanismen; auch hierzu können und sollten Biogasanlagen beitragen. 19 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Mögliche Flexibilisierungsbeiträge von Biogasanlagen auf der Zeitachse Quelle: IZES 2013 20 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Zur Finanzierung der Flexibilitätsoption Biogas 21 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Baseload Futurepreise 2013 bis 2017 Quelle: Hohmann 2013 22 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Positive Residuallastbereitstellung Die Börsenpreise sind in den letzten Jahren stark gesunken; es ist nicht davon auszugehen, dass sie in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Im grenzkostenbasierten Großhandelsmarkt sind Bioenergieerzeuger gegenüber den konventionellen Stromerzeugern im Hintertreffen, da sie zumeist höhere Grenzkosten aufweisen als die fossil-nuklearen Anlagen. Es ist in den allermeisten Fällen daher nicht davon auszugehen, dass ihre Finanzierung über den Großhandelsmarkt (Spot-, Terminmarkt) möglich ist. 23 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Entwicklung Marktvolumen und Preise Regelenergie Quelle: TSB 2012 24 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Quelle: Monitoringbericht 2013 Bundesnetzagentur / Bundeskartellamt Mögliche Erlöse durch Systemdienstleistungen insgesamt Summe 2012: ca. 1 Mrd. Euro 25 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Bereitstellung von Systemdienstleistungen Primärregeleistung (PRL) können Biogasanlagen i.d.r. nicht alleine erbringen. Aus Sicht der Systemtransformation bedarf es hierfür eines Zusammenspiels aus verschiedenen EE-Kraftwerken und deren Leistungselektronik und später auch Speichern. Sekundärregelleistung (SRL) hat lange Bereitstellungsfristen (1 Woche); nicht-flexibilisierte Biogasanlagen haben hier ein Marktzutrittsproblem. Minutenreserveleistung (MRL) hat deutlich kürzere Bereitstellungsfristen (4 Stunden), aber auch weitaus geringere Abrufzahlen und Preise. Selbst wenn alle Marktzutrittshemmnisse für Biogasanlagen abgeschafft werden, sind die Erlösaussichten an den Regelenergiemärkten und im Bereich der sonstigen Systemdienstleistungen eher verhalten. 26 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Fazit: Finanzierungsperspektiven von Biogas als Flexibilitätsoption Die Refinanzierung von Bioenergieanlagen allein über den Großhandelsmarkt (Spot-, Terminmarkt) erscheint aktuell und perspektivisch eher unwahrscheinlich. Erlöse aus der Bereitstellung von SDL sollten ermöglicht werden, erbringen aber keine entscheidenden Beiträge zur Refinanzierung der Anlagen. Die Kostendiskussion im Bereich der Bioenergie sollte daher dringend den zusätzlichen Nutzen aufgreifen, welcher abseits der Strombereitstellung durch sie initiiert wird (Klimaschutz im Agrarsektor, Gewässerschutz, Entwicklung ländlicher Räume, etc.). 27 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Absicherung von Biogas durch Finanzierungs-Mix Agrarsektor Entsorgungssektor Forstsektor energiewirtschaftliche Vergütungen landwirtschaftliche Zuwendungen abfallrechtliche Regelungen staatliche/ kommunale Finanzierung Quelle: IZES 2013 28 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Hochwertigkeitsgebot nach 8 Abs. 1 KrWG EEG setzt Impuls zur Implementierung hochwertiger Verwertungsstrukturen. Neuer Grundsatz gem. KrWG: im Rahmen einer Ökobilanzierung Auswahl der Verwertungsmaßnahme, welche die beste Option zum Schutz für Mensch und Umwelt darstellt. Rechtsfolge und Effekte: Grundlage für behördliche Einzelfallregelung: Verordnungsermächtigung Die Vergütungssätze des EEG reduzieren die Behandlungskosten für Bioabfall um ca. 32 /Mg (ca. 1/3) bzw. ca. 2,5 / Einwohner und Jahr 29 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Sonstige Effekte als EEG-Spinoffs Forstwirtschaft: 2000 2002 noch negative Reinerträge, ab 2003/04 deutlicher Aufschwung Quelle: BMELV, 2012 Verschiebungen im Agrarsektor: Zahlungen/Subsidien werden weniger zur Stützung von Einkommen bzw. Erzeuger- und Verbraucherpreisen und mehr zur Vergütung von Gemeinwohlleistungen und der Sicherstellung höherer Standards eingesetzt. Quelle: vti, 2012 30 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Biogas in der Systemtransformation 31 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Systemtransformation ist mehr als Marktintegration Flexibilitäten Kap.mechanismen Quelle: IZES/BET/Bofinger 2013 Großhandelsmärkte Regelenergiemärkte Netzausbau/ -intelligenz EE-System-DL 32 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Ausblick Die umfängliche Umwandlung der Biogasanlagen zu einer Flexibilitätsoption ist langfristig anzulegen (Zeithorizont 2030). Die Weichenstellungen hierfür sind jedoch heute notwendig. Dabei sollte ein zeitlich gestaffelter und an den sich wandelnden Bedürfnissen des Stromsystems angepasster Begriff von Flexibilisierung zu Grunde gelegt werden. Biogasanlagen sollten durch die Bereitstellung positiver Residuallast maximal zur Verdrängung von fossil-nuklearem Strom beitragen. Biogasanlagen sind generell zur Erbringung der notwendigen Systemdienstleistungen geeignet; für den Ersatz von fossilnuklearen Must-run-Anlagen sind sie eine sehr wichtige Option. Biogas braucht hierfür eine verlässliche Erlösperspektive, die durchaus breiter als heute angelegt sein sollte. 33 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) Altenkesselerstr. 17, Gebäude A1 66115 Saarbrücken Tel. 0681 9762 840 Fax 0681 9762 850 email: leprich@izes.de Homepage www.izes.de 34 [Leprich, 15. Januar 2014, Nürnberg]