Erlaß betreffend den Unterricht für Kinder ausländischer Arbeitnehmer und für jugendliche ausländische Arbeitnehmer Az.: V/B 1 + B 10 2000 1. Rechtsgrundlagen 1.1 Schulpflicht Vom 10. Oktober 1977 Die im Saarland geltenden Schulpflichtbestimmungen (Gesetz Nr. 826 über die Schulpflicht im Saarland [Schulpflichtgesetz] in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 1974 [Amtsbl. S. 709 ff.]) gelten auch für ausländische Kinder und Jugendliche, die im Saarland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Berufsausbildungs- oder Arbeitsstätte haben. Die Schulpflicht besteht auch dann, wenn diese Schüler nach dem Recht ihres Heimatlandes nicht oder nicht mehr schulpflichtig sind. Ausgenommen von der Schulpflicht sind Kinder und Jugendliche, deren Erziehungsberechtigte Mitglieder ausländischer Streitkräfte sind und ausländische Kinder und Jugendliche, soweit völkerrechtliche Bestimmungen oder zwischenstaatliche Vereinbarungen entgegenstehen. Im Zweifelsfall entscheidet hierüber die oberste Schulaufsichtsbehörde. 1.2. Für die schulische Betreuung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer und für jugendliche ausländische Arbeitnehmer ist grundsätzlich der Beschluß der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 1976 maßgebend. 2. Aufnahme in die deutsche Schule 2.1. Ausländische Kinder und Jugendliche, die im Saarland schulpflichtig sind und dem Unterricht an einer deutschen Schule ohne erhebliche sprachliche Schwierigkeiten folgen können, werden grundsätzlich in die ihrem Alter oder ihren Leistungen entsprechenden Klassen der jeweiligen Schulformen bzw. Schulstufen aufgenommen. 2.2. Der Anteil der ausländischen Schüler in deutschen Klassen soll nach Möglichkeit ein Fünftel nicht übersteigen. Dieser Anteil kann dann überschritten werden, wenn es sich um ausländische Schüler handelt, die sich ohne erhebliche Schwierigkeiten am Unterricht beteiligen können. 1
Sofern örtlich die Quote der in deutschen Regelklassen aufzunehmenden Schüler ein Fünftel wesentlich übersteigt, können besondere Klassen für ausländische Schüler gebildet werden, die nach den Lehrplänen der deutschen Schule in deutscher Sprache arbeiten. 2.3. Für ausländische Schüler, die wegen erheblicher sprachlicher Schwierigkeiten dem Unterricht in einer deutschen Klasse nicht folgen können, sind entsprechend den Gegebenheiten und Möglichkeiten besondere Unterrichtseinrichtungen wie Vorbereitungsklassen, Intensivkurse, Förderstunden o. ä. zu schaffen. Diese Einrichtungen sind Bestandteile der deutschen Schule. Für die in diesen besonderen Unterrichtseinrichtungen unterrichtenden Lehrkräfte sollen Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden. 2.4. Grundsätzlich ist jedoch anzustreben, daß ausländische Schüler in möglichst allen Fächern gemeinsam mit deutschen Schülern unterrichtet werden, soweit mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache diesem Ziel nicht entschieden entgegensteht. 3. Organisation und Inhalt des Unterrichts: Hilfen bei der Eingliederung in die deutsche Schule. 3.1. Vorbereitungsklassen 3.1.1. Der Unterricht in Vorbereitungsklassen hat die Aufgabe, die Eingewöhnung der ausländischen Schüler in die deutsche Schule zu erleichtern und zu beschleunigen. Er hat darum seinen Schwerpunkt in der Vermittlung der deutschen Sprache. Für etwa 15 Schüler gleicher oder verschiedener Sprachzugehörigkeit kann eine Vorbereitungsklasse eingerichtet werden. Bei 24 Schülern ist eine Teilung der Klasse möglich. 3.1.2. Ergibt sich die Möglichkeit, aufgrund der Zahlen der ausländischen Schüler an einer Schule mehrere Vorbereitungsklassen zu bilden, so ist eine Zusammenfassung der Schüler unter Berücksichtigung von Alter und Leistungen in der deutschen Sprache zu empfehlen. Dabei soll angestrebt werden, nicht mehr als zwei Jahrgangsstufen in einer Vorbereitungsklasse zu unterrichten. 3.1.3. Die für den Unterricht in Vorbereitungsklassen zu erstellenden Lehrpläne und Stundentafeln orientieren sich an den für die deutschen Schüler geltenden Lehrplänen und Stundentafeln. 3.1.4. Der Besuch der Vorbereitungsklasse kann bis zu 2 Jahren dauern. Nach ausreichender Förderung in der deutschen Sprache sind die Schüler unter Berücksichtigung von Alter und Leistungen den Regelklassen zuzuweisen. Der Übergang erfolgt in der Regel am Ende eines Schulhalbjahres. 2
3.2. Intensivkurse Anstelle von Vorbereitungsklassen können auch Intensivkurse in Deutsch als Fremdsprache durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bildung von Vorbereitungsklassen wegen zu geringer Schülerzahl nicht möglich ist. 3.3. Förderstunden Ausländischen Schülern in Regelklassen, die noch nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, sollen Förderstunden erteilt werden. 3.4. Weitere Hilfen Zur Förderung der schulischen und gesellschaftlichen Eingliederung können auch Hausaufgabenhilfe, Spielnachmittage, vorschulische Maßnahmen u. ä. in Betracht gezogen werden. 4. Hilfen bei der Eingliederung in weiterführende Schulen. 4.1. Ausländische Schüler sollen auch in den weiterführenden Schulen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten so gefördert werden, dass sie die Bildungsangebote entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nützen können. Im Fach Deutsch sollen sie bei Bedarf ggfls. zusätzlichen Förderunterricht erhalten. 4.2. Sofern es die organisatorischen und personellen Voraussetzungen zulassen, kann Unterricht in der Muttersprache als 2. bzw. 3. Fremdsprache angeboten werden. Wenn ein solcher Unterricht in der Muttersprache nicht angeboten werden kann, kann dem ausländischen Schüler die Möglichkeit geboten werden, einen entsprechenden Qualifikationsnachweis durch eine Prüfung zu erwerben. 5. Aufnahme in Sonderschulen 5.1. Für die Aufnahme ausländischer Schüler in eine Sonderschule gelten dieselben Bestimmungen wie für deutsche Schüler. 5.2. Die Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit bei schulischem Leistungsversagen im Sinne der Schule für lernbehinderte Kinder ist wegen der eingeschränkten sprachlichen Verständigung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Mangelnde Kenntnis in der deutschen Sprache ist kein Kriterium für Sonderschulbedürftigkeit. 5.3. Um Fehlentscheidungen zu begegnen, soll der Schüler in der Regel vor der Prüfung auf Sonderschulbedürftigkeit mindestens zehn Wochen im Unterricht beobachtet werden. 5.4. In der Einzeluntersuchung durch die Sonderschule, zu der die Erziehungsberechtigten eingeladen und im Bedarfsfall sprachkundige Vermittler hinzuzuziehen sind, sind zu prüfen: 3
der deutsche Wortschatz, der Wortschatz in der Muttersprache, ggfls. die Schulkenntnisse in der Muttersprache, die Intelligenz mit sprachfreien Tests, Ausdauer und Konzentration, der Entwicklungsstand im bildnerischen Gestalten. 5.5. Ist das Untersuchungsergebnis nicht eindeutig, so ist der Besuch der bisherigen Schule zu empfehlen und bei Bedarf eine Überprüfung nach Ablauf eines Jahres vorzunehmen. 6. Berufsschule 6.1. Die Berufsschulpflicht ( 8 ff. Schulpflichtgesetz) erstreckt sich auch auf Ausländer und Staatenlose, die im Saarland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Berufsausbildungs- oder Arbeitsstelle haben. 6.2. Ausländische Berufsschulpflichtige, die wegen unzureichender Vorbildung und mangelnder deutscher Sprachkenntnisse ohne Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnis sind, sollen nach Möglichkeit Unterricht in besonderen Klassen erhalten. Dieser schließt Maßnahmen zur Förderung der Berufsbefähigung und der Bereitschaft zu einer Berufsausbildung ein. Dabei ist die Erweiterung der Kenntnisse in den allgemeinbildenden Fächern wünschenswert. Der Unterricht hat seinen Schwerpunkt in der Vermittlung der deutschen Sprache. Er soll die Fachterminologie eines angestrebten Berufsfeldes oder Ausbildungsberufs berücksichtigen. 6.3. Berufsschulpflichtige ausländische Jugendliche, denen es für einen erfolgreichen Besuch der Berufsschule lediglich an Deutschkenntnissen mangelt, sollen mit Hilfe von Intensivkursen soweit gefördert werden, dass sie den Unterweisungen der Ausbilder und dem Berufsschulunterricht in ausreichendem Maße zu folgen vermögen. Mit dem Besuch der genannten Unterrichtseinrichtungen kommt der ausländische Jugendliche der Berufsschulpflicht nach. 7. Unterricht in der Muttersprache 7.1. Um die Verbindung der ausländischen Schüler zur Sprache und Kultur ihrer Heimat zu erhalten, kann das jeweilige Konsulat mit Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde für ausländische Kinder in Regelklassen muttersprachigen Unterricht (Muttersprache, Geschichte und Landeskunde) durchführen. Dieser Unterricht umfasst in der Regel bis zu fünf Wochenstunden und kann vormittags oder nachmittags erteilt werden; wird der Unterricht nachmittags erteilt, so kann für diese Schüler der deutschsprachige Vor-mittagsunterricht entsprechend gekürzt werden, um eine Überbelastung der Schüler zu vermeiden. 7.2. 4
Muttersprachiger Unterricht kann mit einer Mindestzahl von 15 Schülern gleicher Sprachzugehörigkeit eingerichtet werden. Hierzu ist das Einvernehmen der unteren Schulaufsichtsbehörde und des Schulträgers einzuholen. 7.3 Die zur Erteilung des muttersprachigen Unterrichts einzusetzenden Lehrkräfte müssen die volle Lehrbefähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen nach dem Recht ihres Heimatlandes erworben haben. 7.4 Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten werden den konsularischen Vertretungen zur Durchführung des muttersprachigen Unterrichts seitens des Saarlandes Zuschüsse gewährt. 7.5. Die Schulträger sind gebeten, Schulräume für den zusätzlichen Unterricht der Kinder ausländischer Arbeitnehmer kostenlos zur Verfügung zu stellen. 8. Zeugnisse 8.1. Ausländische Schüler an deutschen Schulen erhalten Zeugnisse wie deutsche Schüler. 8.2. Bei der Leistungsbewertung ist auf sprachlich bedingte Erschwernisse des Lernens Rücksicht zu nehmen. 8.3. Die Leistungsbewertung im Fach Deutsch kann durch eine Bemerkung über die mündliche und schriftliche Ausdrucks- und Verständigungsfähigkeit ergänzt oder erläutert werden. Bei ausländischen Schülern in deutschen Klassen sind nicht ausreichende Leistungen im Fach Deutsch in den ersten beiden Jahren ihres Besuches einer deutschen Schule versetzungsunwirksam; diese Regelung gilt nicht bei der Versetzung in Abschlußklassen sowie bei Abschlußprüfungen. 8.4. Soweit Kinder ausländischer Arbeitnehmer den von den Konsulaten eingerichteten muttersprachigen Unterricht besuchen, besteht die Möglichkeit, mit Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde einen entsprechenden Hinweis im Zeugnis aufzunehmen. Darüber hinaus kann mit Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde auch eine Benotung aufgenommen werden. Die Genehmigung wird für die einzelnen Nationalitäten jeweils durch besondere Verfügung erteilt. Der Hinweis im Zeugnis ist unter der Rubrik Bemerkungen einzufügen und lautet: Der Schüler hat an dem vom. Konsulat durchgeführten Unterricht in der.. Sprache teilgenommen, bzw. Der Schüler hat an dem vom., Konsulat durchgeführten Unterricht in der. Sprache teilgenommen und folgende Noten erzielt.. 5
9. Schlußbestimmungen Dieser Erlaß tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft. Mit dem Inkraftreten dieses Erlasses treten der Erlaß betreffend Schulunterricht für Kinder ausländischer Gastarbeiter vom 13. Juni 1966 (Amtl. Schulblatt S. 165) sowie der Erlaß betreffend Zeugnisse von Kindern ausländischer Arbeitnehmer, welche Grund- und Hauptschulen besuchen (Aufnahme der Noten des Unterrichts in der Muttersprache), vom 10. Juni 1971 (GMBl. Saar S. 504) außer Kraft. 6