Reparaturlackierung wirtschaftlich sinnvoll und technisch einwandfrei Dr. Christian Deutscher, Norbert Hermann Einleitung: Die Vielfalt an Farbtönen, die für ein Fahrzeug heute zur Auswahl stehen ist groß. Bedenkt man zusätzlich, dass kaum ein Farbton rein, d.h. als rot, blau oder grün zur Anwendung kommt, sondern durch Effektpigmente wie Metallic, Pearl, Mica oder Chromaflair optisch aufgewertet wird, wird die Farbvielfalt für den Laien schier unüberschaubar. Trotzdem wird erwartet, dass im Reparaturfall geeignete Verfahren verfügbar sind, die nicht nur die ursprüngliche Schutzfunktion der Lackierung wiederherstellen, sondern auch bei wirtschaftlicher Vorgehensweise ein optisch einwandfreies Ergebnis liefern. Bild 1: Sonderlackierung Monte Carlo Magic Entsprechend besteht die Aufgabe der Lackfachkraft darin den wirtschaftlichsten Reparaturweg auszuwählen und nach durchgeführtem Lackaufbau durch Spachteln, Füllern und Schleifen, die reparierten bzw. ersetzten Teile durch eine fachgerechte Decklackierung so zu beschichten, dass weder ein Farbton- noch ein Effektunterschied zu erkennen ist. Obwohl es durch unterschiedliche Herstellerwerke wechselnde Lacklieferanten und Lackqualitäten in der Produktion der Fahrzeuge zu Farbnuance-Abweichungen kommen kann, gibt es Möglichkeiten, den richtigen Farbton zu ermitteln. Sowohl Fahrzeughersteller als auch Reparaturlackhersteller bieten hierzu eine Reihe von Hilfsmitteln bzw. Arbeitsverfahren in ihren Lackleitfäden an. Für die eigentliche Instandsetzung stehen je nach Art und Lage der Beschädigung unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, die wirtschaftlichen und technischen Ansprüchen gleichermaßen gerecht werden.
1. Farbtondokumentation/Farbtonfindung In der Regel dokumentiert der Fahrzeughersteller den Farbton an einer Stelle im Fahrzeug (siehe Bild 2). Der Lackierer liest den Farbcode, z.b. vom Typenschild des Fahrzeuges (Bild 3 + 4) bzw. aus der Fahrzeugident-Karte und sucht diesen Farbton in der Dokumentation (z.b. Farbtonkartei) seines Lackherstellers und vergleicht diese im Reparaturbereich mit einem angrenzenden Teil (Bild 4). Auch verschlüsselte Farbcodes (z.b. Ford) können über die Computerwaage bzw. über Lackcode-Bücher entschlüsselt werden. Bild 2: Bereichsangabe Lackcode (eurotax glass) Bild 3: Lackcode Volkswagen Bild 4: Lackcode BMW Normalerweise sind bereits im Farbtonfächer ( Bild 5) verschiedene Nuancen des Farbtones hinterlegt. Beispielsweise können für einen Silberfarbton eine gelbliche, eine rötliche, eine hellere oder dunklere Variante (Nuance) hinterlegt sein. Somit kann der Lackierer zumindest die Richtung des Farbtones bestimmen und diesen an der Mischanlage ausmischen.
Bild 5: Farbtonfächer Lackhersteller Als nächster Schritt sollte ein Musterblech mit dem ausgemischten Farbton lackiert werden (Bild 6). Es ist darauf zu achten, entsprechend der anschließenden Lage der zu lackierenden Flächen (liegend oder stehend) das Musterblech auch liegend bzw. stehend zu lackieren. Ebenso sind beim Musterblech Besonderheiten des Untergrundes der Lackierung (z.b Tönfüller...) zu beachten. Idealerweise wird das Musterblech von dem Lackierer angefertigt, der anschließend die Lackierarbeiten am Fahrzeug ausführt. Mit diesem Musterblech kann nun am Fahrzeug im Reparaturbereich verglichen werden, ob die Nuance des Farbtones passt. Falls nicht, kann noch innerhalb farbtonabhängiger Grenzen nachnuanciert werden. Bild 6 Vergleich des Musterbleches mit Originallack Auch durch Verändern der Spritztechnik bzw. des Spritzdruckes kann ein Farbton zumindest in seiner Helligkeit variiert werden. Hierfür liefert ebenfalls das Musterblech wichtige Informationen. Der so vorbereitete Basislack kann in der Regel auf Stoß lackiert werden. Für den Fall, dass dies so nicht möglich ist, stehen verschiedene Methoden des Beilackierens - auch als Einblenden bekannt - zur Verfügung, die der ausgebildete Lackierer anwenden kann.
2. Beilackieren des angrenzenden Teiles bzw. der angrenzenden Teile In seltenen Fällen kann es notwendig sein, dass die an das reparierte bzw. ausgetauschte Karosserieteil angrenzenden Teile zur Farbtonangleichung beilackiert werden müssen. In diesem Fall wird das reparierte Teil im Füllerbereich mit Basislack beilackiert ( Bild 7+ 8) bzw. das Neuteil komplett mit Basislack beschichtet. Anschließend wird beim letzten Spritzgang in die angrenzenden Teile zum Zweck der Farbton- und Effektangleichung der Basislack auslaufend einlackiert (Bild 9). Diese Teile sollten vor dem Lackieren lediglich mit Schleifpad super fine geschliffen werden, um die Originalstruktur der Lackierung nicht zu zerstören. Bild 7: Reparierte Tür und Seitenwand Bild 8: Tür mit Basislack vorlackiert Der Klarlack wird dann beim ersten Spritzgang auf das reparierte bzw. ersetzte Teil komplett auf die angrenzenden Teile nur bis ca. zur Hälfte des jeweiligen Teiles gespritzt. Erst der zweite Klarlack Spritzgang wird nun auf alle Teile komplett gespritzt (Bild 10). Dies hat den Vorteil, dass an den Flächen zu den nicht mitlackierten Teilen nur eine dünne Klarlackschicht aufgetragen wird und somit weder Farbton noch Originalstruktur verändert werden. Bild 9: Basislack in Seitenwand beilackiert Bild 10: Klarlack auf beiden Teilen
Kalkulation: Für die Kalkulation des bzw. der für die Farbtonangleichung zusätzlich lackierten Teile wird der Wert des verwendeten Kalkulationssystems (AZT-Schwacke bzw. Hersteller) für die Oberflächenlackierung berechnet. Vorteil der Methode: Farbtonübereinstimmung im Reparaturbereich Nachteil: Erhebliche Kostenerhöhung, da nicht beschädigte Teile lackiert werden. Zusätzlich fallen unnötige Montagearbeiten an. 3. Beilackieren zur Begrenzung der Lackierfläche Immer dann, wenn bei einem Bauteil eine Begrenzung zum nächsten Teil durch Leisten, Sikken bzw. Spalten oder Fugen nicht gegeben ist (meist Seitenteil-C-Säulen) wird das Beilackieren des Klarlackes in der Fläche angewandt. Hierbei wird der Basislack im Bereich der Reparatur im Teil beilackiert. Danach wird auf der mit Pad großzügig ausgeschliffenen C- Säule (Bild 11) der Klarlack auslaufend beilackiert (Bild 12). Bild 11: C-Säule mit Pad geschliffen Bild 12: Klarlack beilackiert Anschließend muss die auslaufende Klarlackschicht mit Beispritzverdünnung (z.b. Löser scharf) ausgenebelt werden (Bild13). Hierbei ist darauf zu achten, dass noch ein kleiner Rest von Klarlack mit der Beispritzverdünnung in der Pistole vermischt werden sollte ( Lackherstellerangaben beachten!).
Nach der Trocknung - am besten am nächsten Tag - kann die C- Säule mit den gängigen Profipolituren und einer langsamen Poliermaschine im Bereich der Beilackierung nachgearbeitet werden. Hier wird der mattierte Bereich mit dem auslaufend lackierten Klarlack beipoliert. Selbst für ein geschultes Auge ist diese Art des Beilackierens in der Regel nicht wahrnehmbar (Bild 14). Bild 13: C-Säule mit Beispritzverdünnung Bild 14: C-Säule poliert Kalkulation: Es wird nur die Lackierzeit für die zu reparierende Seitenwand kalkuliert und ggf. ein Zuschlag für die Polierarbeiten. Vorteil der Methode: Die Reparaturlackierung beschränkt sich auf das beschädigte Teil, es müssen keine zusätzlichen Teile wie z.b. Dächer mitlackiert werden. Nachteil: Bei Pulver-Slurry-Lacken (z.b. Mercedes A-Klasse) kann es durch die Polierarbeiten zu Abrisskanten im Bereich der Beilackierung kommen. Bei Fahrzeugen die werkseitig mit Ceramiclear Klarlack (Kennzeichen C vor der Farbnummer) beschichtet sind, ist ein Beilackieren zur Zeit noch nicht ohne Probleme möglich (vornehmlich Mercedes S- Klasse).
4. Beilackieren im Teil/ Spot-Repair a) Beilackieren im Teil Die häufigste anwendbare Methode der Farbangleichung ist das Beilackieren im Teil. Dieses Verfahren kann immer dann angewendet werden, wenn die Schadenstelle in der Bauteilmitte (Bild15 + 19) bzw. am Bauteilrand (Bild 20) mit genügend Abstand (30 40 cm) zum angrenzenden Teil liegt. Zuerst wird die vom Karosseriefachmann instandgesetzte Fläche partiell geschliffen (Übergang z.b. P120), danach wird mit feinem Schleifpad der Randbereich großzügig mattiert. Nachdem die Fläche durch Spachteln und Schleifen wieder hergestellt wurde, kann der Füller partiell auf den Spachtelfleck aufgetragen werden (Bild15). Sobald die Reparaturstelle auf Fläche geschliffen ist, kann nun das gesamte Bauteil mit Schleifpad bzw. pad super fine mattiert werden. Auch hier ist es wichtig, darauf zu achten, dass nicht mit Schleifpapier oder gar mit Excenterschleifer gearbeitet wird, da auch hier die Originalstruktur der Lackierung plangeschliffen würde. Anschließend wird nun der Basislack im Füllerbereich auslaufend (Nebelgang) gespritzt und somit die Angleichung des Farbtones und des Effektes innerhalb der Fläche erreicht (Bild 16). Bild 15: Füllerfleck Bild 16: Basislack beilackiert Nach ausreichender Ablüftzeit (Angabe Lackhersteller) wird der erste Spritzgang Klarlack bis ca. 15 cm vor Ende des Bauteiles gespritzt (Bild17) erst der zweite Spritzgang Klarlack wird dann auf das gesamte Teil lackiert (Bild18). So bleibt durch den Schliff mit einem Pad und die geringe Klarlackschicht die Originalstruktur und somit der optische Originalzustand erhalten. Bild 17: Klarlack 1. Spritzgang Bild 18: Tür fertig lackiert
Allein das Schleifen der bestehenden Klarlackschicht mit Schleifpapier und das Überlackieren mit zwei vollwertigen Klarlackschichten glatter gespritzt als bei der Werkslackierung würde unter Umständen bereits die Wahrnehmung des Farbtones verändern, obwohl nur Klarlack lackiert wurde. Bild 19: Schaden am Radlauf Bild 20: Schaden an Seitenwand Kalkulation: Es wird die Lackierzeit der Reparaturlackierung bis 50 % Schadenfläche (Stufe III nach AZT Schwacke, Lack instandsetzen LI nach Audatex bzw. Stufe 2 nach DAT) für das zu lackierende Teil aus der jeweiligen Kalkulationsunterlage entnommen. Vorteil der Methode: Da eine Farbton- und eine Effektangleichung innerhalb eines Teiles stattfinden, wird das unnötige Lackieren angrenzender Teile verhindert. Ebenso fallen keine Rüst- und Montagezeiten für die angrenzenden Teile an. Nachteil der Methode: Bei einem Abstand der Füllerfläche von weniger als 30 cm zum nächsten Bauteil ist das Beilackieren im Teil nur noch vereinzelt durchführbar.
b) Spot-Repair Bei der sogenannten spot-repair handelt es sich um eine Kleinschadenreparatur, bei der die Schadenstelle (bis ca. 3,5 cm Durchmesser), die im Idealfall an einer Bauteilkante liegt, nur partiell repariert wird. Der Kleinschaden (Bild21) wird mit einem kleinen Excenter ausgeschliffen, gegebenenfalls gespachtelt und auf Fläche geschliffen. Anschließend wird die umliegende Fläche großzügig mit einem Schleifpad super fine mattiert. Auf die so vorbereitete Fläche wird im Schadenbereich wieder so klein wie möglich 2-K Füller bzw. Grundierung gespritzt. Nach dem Schleifen der grundierten Fläche wird der durch Farbmusterbleche bestimmte Basislack deckend und zum Bauteilinneren hin auslaufend lackiert (Bild 22). Hierfür verwendet man in der Regel kleine Spritzpistolen (z.b. Sata Minijet) um auch beim Lackieren die Fläche möglichst klein zu halten. Bild 21: Beschädigter Kotflügel Bild 22: Basislack partiell beilackiert Nach dem Ablüften des Basislackes wird nun der Klarlack partiell auf die mattierte Fläche gespritzt und anschließend mit Beispritzverdünnung ausgenebelt. (siehe C-Säule Beilackieren). Die gesamte Klarlackfläche sollte die Fläche einer DIN A4 Seite (30 x 20 cm, bzw. 6 dm²) nicht überschreiten (Bild 23). Nach Trocknung des Klarlackes am besten mit IR-Strahler - wird dieser Übergang von der mattierten Fläche zum beigespritzten Klarlack noch mit einer Poliermaschine und Profipolitur poliert (Bild 24). Eine fachmännisch durchgeführte spotrepair ist so, selbst für das geschulte Auge, nicht mehr zu erkennen. Bild 23: Klarlack im Teil beilackiert Bild 24: Randzonen poliert
Dieses Verfahren bietet viele Möglichkeiten der Anwendung im Bereich der kleinen Reparatur von Lackbeschädigungen. Der Anwender muss sich aber auch mit den Grenzen dieser Reparaturtechnik auseinandersetzen. Als Hilfe für die Entscheidung Pro oder Contra spot-repair wurde vom Institut für Fahrzeuglackierung (IFL) in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Fahrzeuglackierung im Maler und Lackiererhandwerk, der Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer im Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz (BFL), dem Allianz Zentrum für Technik (AZT) und dem Ausschuss Autolackierung und Oberflächentechnik im Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik (ZKF) ein Merkblatt erstellt. Das Merkblatt beschreibt die Möglichkeiten bzw. Grenzen der spot-repair, erläutert die Zoneneinteilung des Fahrzeuges, beschreibt Verfahren und Werkzeuge und liefert die genauen Werte für die Kalkulation von spot-repair. Kalkulation: Vom Allianz Zentrum für Technik wurde in Zusammenarbeit mit dem Lackbeirat eine Kalkulationshilfe spot-repair erarbeitet. Die Kalkulationstabelle sieht folgende Werte für eine spot-repair vor: Zeit (in Stunden) Material (in Euro) Vorbereitung spot-repair 0,5 h 15,80 Lack anmischen (Wasserlack) 0,3 h Musterblech (Wasserlack) 0,3 h 1,50 Spot Lackierung 0,9 h 2,42 Bei Verwendung von herkömmlichen Basislacken verringern sich die Werte für Lack anmischen bzw. Musterblech spritzen um jeweils 0,1 h. Für jede weitere spot-repair- Lackierung am gleichen Fahrzeug werden 0,9 h und 2,42 für Lackmaterial hinzu addiert. Vorteil der Methode: Die Lackierarbeiten werden nur im Schadenbereich ausgeführt und somit keine Flächen unnötig lackiert. Montagearbeiten entfallen fast völlig. Bei dem beschriebenen Beispiel des Seat Alhambra Kotflügels (Bilder 21-24) beträgt die Einsparung durch die Reparatur mit spot-repair 40% im Vergleich zu einer Reparaturlackierung entsprechend Beilackierung im Teil. Bei diesem Schadenumfang (Bild 21) würde das Beilackieren in die angrenzenden Teile (siehe Abschnitt 2) von einer ausgebildeten Lackfachkraft nicht in Betracht gezogen werden! Fazit: Der Weg zur richtigen Reparaturlackiertechnik sollte jeweils schadenabhängig festgelegt werden. Beginnend mit der Prüfung ob der Schaden mit spot-repair instandgesetzt werden könnte oder ob das Beilackieren im Teil notwendig ist, bis hin zur Überlegung ob tatsächlich das Beilackieren der angrenzenden Teile notwendig ist, um den Farbton anzugleichen. Trotz Farbenvielfalt und immer neuen Effekten bei den heutigen Autolacken sollte es der ausgebildeten Lackfachkraft bei Anwendung der Hilfsmittel und Informationen der Lackhersteller und der Automobilindustrie auch in Zukunft möglich sein, eine unsichtbare Reparaturlackierung durchzuführen, die auch wirtschaftlichen Anforderungen standhält.