Das Krakauer Ghetto (Vorschlag einer Wanderung)

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Was war was wird? Projekt des Lyceums im Adama Mickiewicza (Warschau) und der Integrierten Gesamtschule Bonn-Beuel Projektarbeit 2005 (Teil 2) Das Krakauer Ghetto (Vorschlag einer Wanderung) Im vergangenen Jahr haben wir uns schwerpunktmäßig mit dem Warschauer Ghetto beschäftigt. Ergebnis der Projektarbeit war eine Fotoausstellung, in der die ehemaligen Schauplätze den heutigen örtlichen Gegebenheiten gegenübergestellt werden. Schulleiter Jürgen Nimptsch bei der Eröffnung der Foto-Ausstellung Schwerpunkt unserer diesjährigen Arbeit war das Krakauer Ghetto. Anders als in Warschau, wo fast alle historischen Stätten völlig ausgelöscht wurden, ist die Spurensuche in Krakau sehr viel leichter, da sich - bis auf wenige Ausnahmen das gesamte Stadtbild so darstellt wie zur Zeit der deutschen Besatzung. Für Besucher schwer zu nachzuvollziehen ist die ehemalige Grenze des damaligen Ghettogebietes, da, bis auf ein Fragment, die gesamten das Ghetto umgebenden Mauern und Zäune abgerissen wurden. Zum geschichtlichen Hintergrund sei vermerkt, dass das Ghetto nicht mit dem historischen Wohnviertel der jüdischen Bevölkerung Kazimierz identisch ist. Es wurde auf der gegenüberliegenden Seite der Weichsel im Ortsteil Pogorze eingerichtet, bei dem es sich um ein besonders ärmliches Wohngebiet handelte. Am 20. März 1941 kam es zu einer großen Umsiedlungsaktion: Die jüdische Bevölkerung musste das Ghettogebiet beziehen, während die Nichtjuden in das wohlhabendere Kazimierz- Viertel einzogen. Dabei begegneten sich beide Bevölkerungsgruppen auf der Weichselbrücke, wobei es zu ergreifenden Szenen gekommen ist.

Ausgangspunkt unserer Besichtigung ist der westliche Eingang (einer von vier Zugängen zum Ghetto), der sich am Podgorski-Platz befand. Dieser Zugang zum Ghetto war mit einem sehr großen Davidstern und einer jiddischen Aufschrift versehen: Jüdischer Wohnbezirk. Bei dem ersten Gebäude auf der rechten Seite handelt es sich um den ehemaligen Verwaltungssitz des Ghettos, dem sog. Judenrat.. Dieses Haus steht auf der Ecke Podgorskiplatz/Tarnowskastraße. Die Straßenbahntrasse, die auch heute noch auf dieser Straße verläuft, ist historisch bedeutsam. Denn auf eben diesen Schienen durchquerten Straßenbahnen ohne Halt das Ghetto. Dieser Umstand erzeugt besondere Betroffenheit, denn es erscheibt besonders makaber erscheint, dass die Juden ständig an die Freiheit erinnert wurden.

Eine weitere Station ist das Gebäude des ehemaligen jüdischen Waisenhauses auf der Jozefinskastraße Nr. 12. Nur einige Häuser weiter finden wir in der gleichen Straße das Gebäude der ehemaligen Jüdischen Sozialen Selbsthilfe (Nr. 18), heute Niederlassung einer polnischen Bank. Weiter geht es bis zur Ecke Targowastraße, auf der wir zum Bohaterow-Getta-Platz gelangen. Dieser Platz ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen befand sich hier der Sitz der Jüdischen Kampforganisation. An der Frontwand des Hauses ist eine Gedenktafel angebracht mit dem Text: Zum Gedenken an die Helden und Märtyrer des Krakauer Ghettos, die von deutschen Barbaren ermordet wurden. In diesem Hause befand sich der Sitz der Jüdischen Kampforganisation. Die Tafel wurde am 5. Jahrestag der Ghettoliquidation am 13. März 1948 vom Bürgerkomitee eingemauert.

Zum anderen befand sich an diesem Platz an der Ecke zur Targowastraße die Apotheke Zum Adler, das einzige Gebäude eines Nichtjuden während der Ghettozeit. Sie wurde von dem polnischen Eigentümer Tadeusz Pankiewicz geführt, der als Einziger eine ständige Aufenthaltsgenehmigung besaß. Er war Kontaktperson und Anlaufstelle für wichtige Nachrichten und zugleich wichtiger Augenzeuge des alltäglichen Ghettolebens und der Deportationen der Juden im März 1943. Daneben ist dieser Platz von besonderer Bedeutung, da sich dort bei der Liquidation des Ghettos am 13. März 1943 alle Überlebenden zum Abtransport nach Auschwitz-Birkenau oder im Arbeitslager Plaszow versammeln mussten. Kinder und Kranke wurden zum großen Teil schon an Ort und Stelle ermordet. Über die Lwowskastraße verließen ca. 40000 Menschen das Ghetto in Richtung KZ. Folgt man dieser Straße, so stößt man auf der rechten Seite auf Fragmente der ehemaligen Ghettomauer. Auffallend ist die bogenförmige Gestaltung der Mauer, denn man wundert sich, dass die Nazis für eine Ghettomauer solch einen Aufwand betrieben. Doch auch diese Gestaltung hat einen menschenverachtenden Hintergrund: Sie sollte an jüdische Grabsteine erinnern, somit also an den bevorstehenden Tod.

An diesen Fragmenten ist eine Gedenktafel in polnischer und jiddischer Sprache angebracht: Hier haben sie gewohnt und gelitten und sind von Hand der Naziverbrecher gestorben. Von hier aus führte ihr letzter Weg in die Vernichtungslager. Fragment der Mauern aus dem Krakauer Ghetto 1941-1943 Dies ist gleichzeitig das Ende unserer Ghettowanderung.