Helbling-Abendseminar 20. September 2011 Fortschrittliche Corporate Governance in privaten Unternehmen Dr. Thomas Staehelin FROMER Advokatur und Notariat, Basel
Fortschrittliche Corporate Governance in privaten Unternehmen 2
Inhaltsübersicht 1. Was ist Corporate Governance? 2. Besondere Interessenlage der privaten Unternehmen bzw. Familienunternehmen 3. Exkurs: Stiftungen 4. Besondere Bereiche der Corporate Governance für private Unternehmen 5. Fazit und Hinweis 3
1. Was ist Corporate Governance? Trennung von wirtschaftlichem Eigentum (Prinzipal) und Unternehmensführung (Agent) birgt Konfliktpotenzial und bedingt Kontrolle von VR und Management. 4
2. Besondere Interessenlage der privaten Unternehmen bzw. Familienunternehmen + kleiner Aktionärskreis + starkes Engagement der Teilhaber / Aktionäre + langfristiges Denken 5
Interessenlage bei privaten Unternehmen Führungs- und Kapitalverantwortung oft in einer Hand Zusammenfallen von Prinzipal- und Agent-Funktion = etwas andere Corporate Governance 6
Dreierlei Governance bei privaten Unternehmen Family Governance Corporate Governance Public Governance 7
Besonderheiten der Corporate Governance bei privaten Unternehmen Kontrolldefizite Selektive Informationsvermittlung Interessenkonflikte -zwischen im Unternehmen aktiven und passiven Aktionären -zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären -Ausstieg von Minderheitsaktionären schwierig 8
Unternehmensnachfolge Frühzeitige Planung Erfolgreiche Nachfolge hängt auch von einer wirkungsvollen Corporate Governance ab ACHTUNG: Erbschaftssteuerinitiative ab 1.1.2012! 9
3. Exkurs: Stiftungen Keine Eigentümer und keine Mitglieder = keine Kontrolle durch diese Rudimentäre gesetzliche Regelung Aufsichtsbehörde Grosser Handlungsspielraum für Stifter und Stiftungsorgane 10
Foundation Governance Sicherstellung einer effizienten Organisation und Führungsstruktur Verhinderung von Missmanagement Bekämpfung von Selbstbedienungsmentalität Professionelle Vermögensbewirtschaftung Transparenz nach innen und aussen 11
4. Besondere Bereiche der Corporate Governance für private Unternehmen Vereinigung der Privaten Aktiengesellschaften Family Governance Familienleitbild Vermögensstrategie Familienversammlung / Familienrat / Familien- Holding Information und Kommunikation Ausschüttungspolitik Nachfolgeregelung / Ausstiegsmöglichkeit Corporate Governance Vision und strategische Ausrichtung Strukturen und Gremien -Verwaltungsrat -Geschäftsleitung -Aktionäre Führungsinstrumente Unternehmenskultur und Kommunikation 12
Trennung Familie - Unternehmen VR und GL nach Fähigkeiten und nicht nach familiärem Verteilmodus besetzen Organfunktionen at arm's length honorieren, marktüblich Ev. Familienholding dazwischenschalten / GV wäre Familienrat Familienrat in formellem Rahmen halten, alle müssen sich gleichberechtigt äussern können, Emotionen sollten im Familienrat bleiben 13
Zusammensetzung VR Gremium so klein wie möglich und so gross wie nötig Allgemeine Kenntnisse und Branchen- oder Spezialkenntnisse Unternehmensinteresse verpflichtet Ev. Alterslimite Vertretung der nicht aktiven Aktionäre bzw. Investoren Externe VR s -sind unabhängig -Fachkompetenz hereinholen -Zünglein an der Waage, im Interesse aller Stakeholder -Möglichkeit, dass Aktionärsgruppen sich durch Dritte ihrer Wahl vertreten lassen können 14
Einsatzarten des VR Geschäftsführung Amerikanisches Board-System Französisches System: PDG Teilweise: Deutsches Aufsichtsratssystem 15
Kompetenzkatalog des VR Art. 716a Abs. 1 OR (1) Der Verwaltungsrat hat folgende unübertragbare und unentziehbare Aufgaben: 1. Die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen; 2. die Festlegung der Organisation 3. die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist; 16
Kompetenzkatalog des VR Art. 716a Abs. 1 OR (2) 4. die Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen; 5. die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen; 17
Kompetenzkatalog des VR Art. 716a Abs. 1 OR (3) 6. die Erstellung des Geschäftsberichtes sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse; 7. die Benachrichtigung des Richters im Falle der Überschuldung. 18
Führungsinstrumente Unternehmensleitbild / Strategie Jahresplanung / Budget Risikomanagement / IKS Information Aktionäre, VR, GL (Managementinformationssystem) Beurteilung der Leistung des VR und der GL Entlöhnungssystem Zeichnungsberechtigungen 19
Rechnungslegung wirkliche finanzielle Situation OR-Regeln und Aktienrecht keine sichere Basis Swiss GAAP FER, US GAAP, IFRS/IAS Finanzielle Hygiene für VR und Aktionäre 20
Ausschüttungspolitik Wenn immer möglich so, dass Steuerlast der Aktionäre bezahlt werden kann Wo sind bessere Ertragschancen: Im Unternehmen oder im Privatvermögen? Dividenden nur aus Gewinn. Daher: Ev. Ausschüttungsreserven für ertragslose Jahre, Kapitaleinlageprinzip 21
Mitbestimmung der Aktionäre / Minderheiten Der VR kann in allen Angelegenheiten Beschluss fassen, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind (Art. 716 Abs. 1 OR) Grenze der Delegation an GV / GL: Art. 716a Abs. 1 OR Konsultativabstimmungen möglich Beschlussfassungsquoren in GV / VR 22
Information Die Mitglieder des Verwaltungsrates haben die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln (vgl. Art. 717 Abs. 2 OR) Rechnungslegung Weitergehende Regelungen in Aktionärbindungsverträgen möglich (ev. mit Schweigepflicht) 23
Ausstiegsmöglichkeit (1) Ablehnung von neuen Aktionären nur möglich, wenn in Statuten wichtige Gründe angegeben (Art. 685 Abs. 1 OR) Sonst: Angebot zum wirklichen Wert (Escape Clause) Escape Clause greift nur, wenn Angebot eines Dritten vorliegt. ABER: Wer kauft schon Minderheitspaket an personalistischer AG gegen den Willen der Mehrheit? 24
Ausstiegsmöglichkeit (2) Präzises Festlegen des Verfahrens in Statuten und ABV Regeln zur Bestimmung der wirklichen Wertes in ABV Zu beachten: -latente Steuern -Kosten für Gutachten -Art der Auszahlung (Raten, Fristen) Moderate Vinkulierung 25
Aktionärbindungsvertrag (1) Der Aktionär kann auch durch die Statuten nicht verpflichtet Werden, mehr zu leisten als den für den Bezug einer Aktie bei ihrer Ausgabe festgesetzten Betrag (Art. 680 Abs. 1 OR) Für private Unternehmen nicht geeignet. Es braucht i.d.r. Verträge: -AG Aktionär: Arbeitsvertrag -Aktionär Aktionär: Aktionärbindungsvertrag 26
Aktionärbindungsvertrag (2) Zu regeln im ABV: -Ziele der AG / Strategie -Bestellung und Zusammensetzung der Organe (VR, GL, Revi) -Ausschüttungspolitik -Rechnungslegung und Transparenz -Information und Schweigepflicht -Veräusserungs- und Erwerbsberechtigungen 27
5. Fazit (1) Je kleiner das Aktionariat und je grösser der Anteil des Investierten Kapitals (gemessen am Privatvermögen), desto besser sind nicht im Unternehmen tätige Aktionäre zu informieren und in Entscheidungen einzubinden. 28
Fazit (2) Je höher die Hürden für die Veräusserung von Aktien sind, desto eher sind angemessene Ausschüttungen angebracht. Je weniger für nicht im Unternehmen tätige Aktionäre die Chance besteht, Erträge zu erhalten, desto fairer sollten die Bedingungen für die Veräusserung von Aktien sein. 29
www.vpag.ch Publikationen 30
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Thomas Staehelin Präsident der Vereinigung der Privaten Aktiengesellschaften FROMER Advokatur und Notariat St. Jakobs-Strasse 7 / Postfach 2879 CH-4002 Basel T +41 61 278 99 55 thomas.staehelin@fromer-law.com 31