Trinkwasserversorgung in Deutschland ein kurzer Abriss der Qualitätsparameter, Analyse- und Aufbereitungsmethoden

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Transkript:

Trinkwasserversorgung in Deutschland ein kurzer Abriss der Qualitätsparameter, Analyse- und Aufbereitungsmethoden Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist seit jeher untrennbar mit der Verfügbarkeit von Trinkwasser verbunden. Dabei hat neben der Quantität auch immer schon die Wasserqualität eine wichtige Rolle gespielt. Der stetige Fortschritt bei den Untersuchungsmethoden und bei der Wasseraufbereitungstechnik führt zu beständig steigenden Anforderungen an das Trinkwasser. Infolgedessen werden immer neue Maßnahmen ergriffen, um die hochwertige Qualität des Trinkwassers unter den sich verändernden Randbedingungen sicherzustellen. Von Dirk Kühlers, Markus Gruber, Matthias Maier und Karl Roth, Karlsruhe Frühe Trinkwasserversorgung D ie Bereitstellung von Trinkwasser in einer Quantität und Qualität, die über das nur ausreichende Maß hinausgeht, ist schon seit langem ein vordringliches Anliegen der Menschen. Bereits im römischen Weltreich wurden viele Städte über die bekannten Aquädukte mit qualitativ hochwertigem, fließendem Wasser versorgt, um die Lebensqualität dort zu steigern (Abb. 1). Nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft konnte die aufwendige Infrastruktur der Wasserversorgung jedoch in der Regel nicht erhalten werden, so dass die Trinkwasserversorgung in der Folgezeit im Wesentlichen durch nahe Quellen und einzelne Schöpfbrunnen stattfand. Im Allgemeinen sind erst ab etwa 1200 wieder Anlagen der Wasserversorgung dokumentiert, beispielsweise die Hebung von Wasser über Wasserräder, oder Holzleitungen zur Versorgung von Laufbrunnen aus gefassten Quellen (Merkel 2003). Eine weitere wesentliche Entwicklung in der Trinkwasserversorgung fand erst wieder im 19. Jahrhundert statt, einerseits getrieben von einer im Rahmen der Industrialisierung ständig wachsenden Bevölkerung der Städte, vom steigenden Wasserbedarf des Gewerbes (z.b. Brauereien) und nicht zuletzt zur Verbesserung der Brandbekämpfung, andererseits ermöglicht durch maschinell betriebene Pumpentechnik und druckfeste Leitungen. Als kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge wurde die Trinkwasserversorgung von deutschen Städten im Allgemeinen aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt. Abb. 1: Wasserleitungen im alten Rom (Flemming 1967: 481). Anfänge der Wasseranalytik Mit fortschreitendem Aufbau der öffentlichen Trinkwasserversorgung nahm auch das Interesse an der Qualität des verteilten Trinkwassers zu. Eine grundlegende Methode zur Beurteilung der Qualität des Wassers war seit jeher die organoleptische Untersuchung (Geschmack, Geruch, Trübung und Färbung). Die mikroskopische Untersuchung des Wassers wurde durch Antoni van Leeuwenhoek (1632-1723) 8 FORUM GEOÖKOL. 21 (3), 2010

Abb. 2: Reagentienkasten für Wasseruntersuchung am Ort der Probenahme nach Thiesing (Beninde & Thumm 1927: 2). ermöglicht, der als erster Lichtmikroskope mit geschliffenen Linsen für wissenschaftliche Untersuchungen ( Gethier im Wasser) baute. Bezüglich der chemischen Analyse von Wasserproben waren die Arbeiten von Torbern Olof Bergman (1735-1784), der als Begründer der analytischen Chemie gilt, wegweisend. Martin Heinrich Klaproth (1743-1817) führte die Waage als analytisches Standardinstrument ein und ermöglichte damit gravimetrische Methoden der Wasseranalyse. Durch die Weiterentwicklung der Maßanalyse (Titration) durch Carl Friedrich Mohr (1806-1879) als selbständigen Zweig der analytischen Chemie konnten weitere Inhaltsstoffe eines Wassers zuverlässig erfasst werden. Ebenso ist die von Wilhelm Kubel Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte Methode zur Bestimmung der organischen Stoffe in Wässern ( Oxydierbarkeit ) mittels Kaliumpermanganat (KMnO 4 ) ein Meilenstein in der Bewertung der Beschaffenheit von Trinkwässern. Kolorimetrische Methoden, die im Vergleich zur Gravimetrie relativ einfach einsetzbar Abb. 3: Robert Koch (Quelle: Wikimedia Commons). waren, wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts hin und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und vielfach eingesetzt. Durch die Fortschritte der analytischen Chemie war es um 1900 bereits möglich, ein Wasser anhand seiner chemischen Hauptbestandteile zu charakterisieren und auch erste Schadstoffe (z.b. Ammonium, Nitrat, Nitrit) darin zu identifizieren (Abb. 2). Eine Vereinheitlichung der Untersuchungsmethoden zur Wasserbeschaffenheit erfolgte jedoch erst 1935 mit dem Erscheinen der Physikalischen und Chemischen Einheitsverfahren, die heute unter dem Titel Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser und Schlammuntersuchung (DEV) als DIN-Normen vorliegen. Für Trinkwasser wurden die einzuhaltenden Anforderungen erstmals mit der 1976 in Kraft tretenden Trinkwasserverordnung vom 31.01.1975 für ganz Deutschland einheitlich definiert. Entwicklung der mikrobiologischen Untersuchungen Im 19. Jahrhundert konnte die Wissenschaft auch bezüglich der Übertragung von Krankheiten über das Trinkwasser deutliche Fortschritte erzielten. Max von Pettenkofer (1818-1901) definierte die Wissenschaft der Hygiene. Er erkannte jedoch noch nicht Bakterien als Ursache von Krankheiten, sondern führte Erkrankungen auf chemisch-physikalische Ursachen (Miasmen, Element Y ) zurück. Als Begründer der modernen Bakteriologie gelten Ferdinand Julius Cohn (1828-1898), Heinrich Hermann Robert Koch (1843-1910) und Louis Pasteur (1822-1895). Die Erkenntnis, dass Bakterien die Auslöser von Krankheiten sind, nicht deren Begleiterscheinung, wird Robert Koch zugeschrieben (Abb. 3). FORUM GEOÖKOL. 21 (3), 2010 9

1883 etablierte Robert Koch die Koloniezahl als Indikatorparameter für die mikrobiologische Wassergüte, die heute noch in der Trinkwasserverordnung verankert ist. Die Cholera-Epidemie 1892 in Hamburg konnte unter der Leitung von Robert Koch auf das als Trinkwasser genutzte, fäkal verunreinigte, unfiltrierte Elbwasser zurückgeführt werden. Diese Erkenntnis hatte deutliche Folgen für die Praxis der Trinkwasseraufbereitung, indem die Sandfiltration von Oberflächenwässern bei der Trinkwassergewinnung zur Eliminierung von Cholera-Bakterien vom Kaiserlichen Gesundheitsamt empfohlen wurde. Trinkwasseranalyse und Trinkwasseraufbereitung im 20. Jahrhundert Beginnend in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde immer häufiger Chlor zur Desinfektion des Trinkwassers eingesetzt. Um auf die zunehmende Belastung der Oberflächengewässer mit organischen Schadstoffen und beispielsweise Ammonium zu reagieren, wurde Chlor später auch zur Oxidation von unerwünschten Stoffen in den Rohwässern eingesetzt ( Knickpunktchlorung ). Seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in der Trinkwasseraufbereitung auch heute noch übliche Flockungsund Sedimentations- sowie Filtrationsverfahren eingesetzt, um Trübstoffe aus Oberflächengewässern zu entfernen. Zur Aufbereitung von reduzierten Grundwässern etablierte sich die Enteisenung und Entmanganung durch Belüftung und Sandfiltration. In den 1950er und 1960er Jahren waren insbesondere synthetische Tenside aus Waschmitteln, die auf vielen Gewässern zu Schaumbergen führten, ein weithin sichtbares Problem, von dem auch die Trinkwasserversorgung betroffen war (Abb. 4). Abhilfe schaffte erst das 1964 in Kraft getretene Detergentiengesetz, nach dem Waschmittel nur noch biologisch abbaubare Tenside enthalten dürfen. Darüber hinaus führte die steigende Motorisierung des Verkehrs ab den 1950er Jahren zu immer höheren Mineralölgehalten in Abwässern und damit zu einer zunehmenden Verölung der Gewässer. In den 1960er und 1970er Jahren wurden Summenparameter verbessert und neu entwickelt, um die Belastung der Gewässer, die oft Abb. 4: Schaumbildung ein einem Gewässer durch synthetische Tenside (Walther 1964: 152). auch als Ressource für die Trinkwasserversorgung dienten, zuverlässiger und genauer quantifizieren zu können. Bei der Bestimmung des chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) löste Kaliumdichromat (K 2 Cr 2 O 7 ) das bisher verwendete Kaliumpermanganat (KMnO 4 ) als Oxidationsmittel ab. Weiterhin wurde 1974 eine photochemische Methode zur Messung des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) entwickelt. Mitte der 1970er Jahre wurde von Kühn (1974) eine Methode zur Bestimmung von adsorbierbaren halogenierten Kohlenwasserstoffen (AOX) entwickelt. Mit dem Summenparameter AOX kann die anthropogene Belastung eines Gewässers gut abgeschätzt werden, da Halogene natürlicherweise praktisch nicht organisch gebunden vorkommen (Brauch 2010). Untersuchungen zum AOX führten in der Folge zu der Erkenntnis, dass einerseits in vielen Gewässern eine erhebliche anthropogene Belastung vorliegt, die durch die gängigen Aufbereitungsmethoden nur unzureichend entfernt wird, und andererseits die gängige Knickpunktchlorung in der Regel zusätzlich zu einer erheblichen Belastung des Trinkwassers mit halogenierten Kohlenwasserstoffen (u.a. Trihalogenmethanen) führte. Als Konsequenz wurden zum einen erhebliche zusätzliche Anstrengungen im Gewässerschutz unternommen, so dass beispielsweise die Ammoniumgehalte in Gewässern durch eine Nitrifikation in den Kläranlagen gesenkt werden konnte, wie auch die AOX-Gehalte durch geringeren Chloreinsatz in der Papierindustrie. Zum anderen gab es Änderungen in der Praxis der Trinkwasseraufbereitung, so dass zunehmend Ozon anstelle von Chlor zur Oxidation organischer Stoffe eingesetzt wurde (Baldauf 2010). Mit der Trinkwasserverordnung 1990 wurde Chlor als Oxida- 10 FORUM GEOÖKOL. 21 (3), 2010

tionsmittel in der Trinkwasseraufbereitung sogar verboten. In jüngerer Vergangenheit wird immer häufiger UV-Strahlung zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt, um ganz auf chemische Oxidationsmittel verzichten zu können. Seit den 1970er Jahren ist durch die Entwicklung und ständige Verbesserung chromatographischer und atomspektroskopischer Verfahren auch die Bestimmung einer zunehmenden Anzahl von Einzelstoffen in immer geringeren Konzentrationen möglich. Die Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) beispielsweise vereinfachte und verbesserte die Bestimmung vieler Schwermetalle, die Gaschromatographie (GC) und die Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) ermöglichten den Nachweis vieler organischer Einzelverbindungen. Dadurch konnten viele im Grundwasser vorhandene, bisher unbekannte Verunreinigungen durch Altlastenschadensfälle, beispielsweise mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) oder mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW), aufgedeckt werden. Als Folge daraus ergab sich in vielen Grundwasserwerken, bei denen bis dahin von einer einwandfreien Qualität des Rohwassers ausgegangen wurde, die Notwendigkeit einer zusätzlichen Aufbereitung, wie etwa der Einsatz von Aktivkohlefiltern oder Stripp-Anlagen. Derzeitige Themenschwerpunkte der Trinkwasserversorgung Schwerpunkt: Trinkwasser In den letzten Jahrzehnten konnte die Wasserqualität in vielen Gewässern maßgeblich verbessert werden. So ist beispielsweise die noch in den 1980er Jahren vielfach vorhandene Eutrophierung von Oberflächengewässern durch erhöhte Phosphatkonzentrationen heute in der Regel kein Thema mehr. Ebenso führten Verbote gefährlicher Substanzen (DDT, PCB, HCB etc.) zu signifikanten Verbesserungen. Trotz vieler Fortschritte beim Gewässerschutz spielt der Parameter Nitrat nach wie vor eine herausragende Rolle in der Belastung der Gewässer. Diese in hohen Konzentrationen vor allem für Säuglinge durch die Umwandlung zu Nitrit toxisch wirkende Verbindung kommt in vielen auch zur Trinkwassergewinnung genutzten Gewässern durch den Einfluss der Landwirtschaft in erhöhten Konzentrationen vor. Aufgrund der verbesserten landwirtschaftlichen Praxis lässt sich inzwischen vielerorts eine mehr oder weniger deutliche Abnahme der Nitratkonzentrationen im Grundwasser beobachten. Allerdings ist Nitrat unter sauerstoffreichen Bedingungen sehr persistent, so dass in Bereichen mit langen Grundwasserverweilzeiten und entsprechenden Randbedingungen eine schnelle Abnahme der Nitratkonzentrationen nicht zu erwarten ist. Auch heute noch müssen viele Trinkwasserversorger Maßnahmen ergreifen, um den Grenzwert der Trinkwasserversorgung bezüglich Nitrat (50 mg/l) einhalten zu können. Abb. 5: Unterschiedliche Konzentrationsbereiche in der Wasseranalytik. FORUM GEOÖKOL. 21 (3), 2010 11

Durch die Weiterentwicklungen in der chemischen Analytik können inzwischen immer mehr Verbindungen in immer kleineren Konzentrationen ( Spuren ) gemessen werden, z.b. einige perfluorierte Tenside mit einer Bestimmungsgrenze von 1 ng/l (Abb. 5). Zudem werden von der chemischen Industrie immer neue Verbindungen entwickelt, die einerseits nützliche Eigenschaften haben, deren langfristige Wirkungen in der Umwelt aber nicht absehbar sind. Daher sind derzeit, soweit keine größeren Altlasten-Schadensfälle im Einzugsgebiet einer Trinkwassergewinnungsanlage liegen und auch nicht einzelne Parameter durch geogene Randbedingungen erhöht sind (z.b. Uran, Radon), neben Nitrat oft Spurenstoffe das dominierende Thema der Trinkwasser- Qualitätssicherung. Hierzu gehören beispielsweise Pflanzenschutzmittel und insbesondere deren Metabolite, Arzneimittelrückstände und Röntgenkontrastmittel, endokrin wirksame Substanzen, synthetische Komplexbildner, Benzinzusatzstoffe (MTBE, ETBE), perfluorierte Tenside (z.b. PFOA, PFOS) und seit neuestem auch Süßstoffe. Ihre Konzentrationen liegen teilweise in einer Größenordnung von nur einigen ng/l. Gerade in Anbetracht der häufig auch im Fokus der Medien stehenden Spurenstoffe, die teilweise nur mit äußerst (kosten-)aufwendigen Methoden, z.b. Membranfiltration, aus dem Wasser entfernt werden können, wird der Ressourcenschutz ein immer wichtigerer Teil der Trinkwasser-Qualitätssicherung. Schwerpunkt: Trinkwasser Im Gegensatz zu früher stellen heute in der Regel nicht mehr die industriellen Fertigungsprozesse eine Gefährdung der Gewässer dar, da die entstehenden Abwässer inzwischen sehr gut aufbereitet werden (müssen). Stattdessen sind es die Produkte selbst (z. B. Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Imprägnierstoffe), die vom Anwender, selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, praktisch flächendeckend in die Umwelt eingetragen werden und damit u.a. die Ressource Wasser gefährden. Aus diesem Grund ist es künftig unabdingbar, bereits bei der Entwicklung von Produkten darauf zu achten, dass weder das Produkt selbst noch dessen Abbauprodukte eine Gefährdung der Umwelt darstellen. Weiterhin gilt es, schon beim Verbraucher anzusetzen, damit er beispielsweise alte Medikamente nicht über die Toilette entsorgt, sondern diese zur Entsorgung zu einer Apotheke bzw. zu einer Schadstoff-Annahmestelle bringt. Ebenso müssen Gespräche mit der Landwirtschaft und der Industrie gesucht bzw. aufrecht erhalten werden, um einen immer verträglicheren Umgang mit den Gewässern zu gewährleisten. Schließlich sind auch die Abwasser- und Kläranlagentechnik weiter auszubauen und zu verbessern. Eine immer bessere Trinkwasserqualität kann auf Dauer nur durch angewandten Umweltschutz erreicht werden. Literatur Baldauf, G. (2010): Entwicklung der Aufbereitungstechnik in den letzten vier Jahrzehnten. In: Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) (Hrsg.): Jahresbericht 2009. Beninde, M., Thumm, K. (1927): Kleine Mitteilungen für die Mitglieder des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, E. V. Berlin-Dahlem. Brauch, H.-J. (2010): Wie die Analytik die Rheinwasserqualität verbessert hat Ein Rückblick über 40 Jahre. In: Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) (Hrsg.): Jahresbericht 2009. Flemming, H.W. (1967): Weltmacht Wasser. 2., wesentlich erweiterte Auflage. Musterschmidt Verlag, Göttingen. Kühn, W. (1974): Untersuchungen zur Bestimmung von Organischen Chlorverbindungen auf Aktivkohle. Dissertation Universität Karlsruhe. Merkel, W. (2003): Wasserversorgung in Deutschland. In: Weiterbildendes Studium Wasser und Umwelt (Hrsg.): Wasserversorgungswirtschaft, Universitätsverlag Weimar. Walther, K.A. (Hrsg.) (1964): Wasser bedrohtes Lebenselement. Montana-Verlag, Zürich. Dipl.-Geoökol. Dirk Kühlers Dipl.-Geoökol. Markus Gruber Prof. Dr. Matthias Maier Dr. Karl Roth Stadtwerke Karlsruhe GmbH Daxlander Straße 72 76185 Karlsruhe dirk.kuehlers at stadtwerkekarlsruhe.de 12 FORUM GEOÖKOL. 21 (3), 2010