ST. ANNA-GEMEINDE ZÜRICH Auf Christus getauft Predigt von Pfarrerin Ursina Sonderegger gehalten am 22. Juni 2014 Schriftlesung: Matthäus 28,16-20 Predigttext: Römer 6,1-11 Was folgt nun daraus? Etwa: Lasst uns der Sünde treu bleiben, damit die Gnade umso grösser werde? Gewiss nicht! Wir, die wir für die Sünde tot sind, wie sollten wir noch in ihr leben können? Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden also mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit, wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt worden ist, auch wir in der Wirklichkeit eines neuen Lebens unseren Weg gehen. Wenn wir nämlich mit dem Abbild seines Todes aufs Engste verbunden sind, dann werden wir es gewiss auch mit dem seiner Auferstehung sein. Das gilt es zu erkennen: Unser alter Mensch wurde mit ihm gekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht mehr Sklaven der Sünde seien. Denn wer gestorben ist, ist von allen Ansprüchen der Sünde befreit. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir fest, dass wir mit ihm auch leben werden. Denn wir wissen, dass Christus, einmal von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Sofern er starb, starb er der Sünde ein für alle Mal; sofern er aber lebt, lebt er für Gott. Das gilt auch für euch: Betrachtet euch als solche, die für die Sünde tot, für Gott aber lebendig sind, in Christus Jesus.
2 Einleitung zum Predigttext Der letzte Sonntag, der Sonntag Trinitatis, war der Dreieinigkeit Gottes in Vater, Sohn und Heiligem Geist gewidmet. Die folgenden Sonntage des Kirchenjahres werden alle gezählt und nummeriert als Sonntage nach Trinitatis bis und mit dem viertletzten Sonntag des Kirchenjahres. Vom Ewigkeitssonntag bis Pfingsten tragen die Sonntage jeder einen eigenen, am Heilsgeschehen orientierten Namen, vom Advent über die Passions- und Osterzeit bis hin zu Auffahrt und Pfingsten. Heute feiern wir den 1. Sonntag nach Trinitatis. Diese ganze Zeit nach Pfingsten richtet sich aus auf die Erwartung der Wiederkunft Christi. Sie zehrt von dieser Verheissung, dass er wieder kommt und lebt in der Erwartung ihrer Erfüllung. Der Geist Gottes ist uns von Christus geschenkt für die Zeit, bis Christus wieder kommt. Auf diese Verheissung hin und in dieses Heilsgeschehen hinein sind wir auch getauft. Hören sie dazu den Predigttext der heutigen Perikopenordnung, die Verse 1-11 aus dem 6. Kapitel des Römerbriefs. (Lesung Predigttext) Liebe Gemeinde Wir glauben, dass wir mit Christus leben werden (Römer 6,8) dieses Bekenntnis und diese Verheissung gibt uns Paulus als zentrale Kernaussage zur Taufe mit. Und zwar zu unserer eigenen Taufe. Uns alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind (Römer 6,3), spricht er an; da sind nicht nur die Römerinnen und Römer anno dazumal gemeint, sondern wir alle, jede und jeder von uns. Ich weiss nicht, wie wichtig Ihnen Ihre eigene Taufe ist. Und ich weiss auch nicht, wie und wann Sie getauft worden sind, ob als kleines Kind oder erst später. So oder so, die Taufe ist uns geschenkt als ein Zeichen und Bekenntnis der Verbundenheit mit
3 Christus. Eine Verbundenheit, die uns in allem und durch alles hindurch umgreift. Paulus nennt diese gegenseitige Verbundenheit das Sein in Christus. Wunderbar und höchst eindrücklich finde ich diese Verbundenheit, dieses Sein in Christus dargestellt im farbigen Glasfenster von Max Hunziker im Chor der Kirche Kappel am Albis. Da ist ein betender Mensch zu sehen und um ihn herum Christus, der ihm seine Arme um die Schultern legt, ihn umgibt und umgreift und ihn hält. Dabei steht die dreimalige Bitte: Herr, erbarme dich meiner. Aus dieser Darstellung habe ich schon oft Kraft geholt. Mich geborgen, geliebt, aufgehoben zu wissen in Christus, ja, wirklich in Christus, der grösser ist als ich selbst und mich umgreift, beschützend, tröstend, aber auch wegweisend und bestimmend, das ist mir ganz kostbar. Christus, in den der betende Mensch gezeichnet ist, umgreift uns. Wir sind in Christus eingezeichnet, haben in ihm Raum. Oder genauer: Er gibt uns Raum in ihm, er ist um uns herum; wo auch immer wir sind, was auch immer uns zustösst, was wir tun oder unterlassen, er umgibt uns. Wir fallen nicht aus ihm heraus. Und wir dürfen ihn immer wieder bitten: Erbarme dich meiner, schau auf mich, nimm dich meiner an. Unter den Füssen, quasi als Fundament, ist zu lesen: Bete ohne Unterlass. Nicht der Künstler des Glasfensters ruft uns dazu auf, sondern es ist ein Wort Jesu Christi selbst an uns. In dieser Darstellung drückt sich für mich die Gegenseitigkeit der Beziehung aus, in die uns die Taufe hineinstellt: Christus umgreift mich, und ich lasse mich von ihm umgreifen, ich bete zu ihm und lasse mich von ihm ansprechen, er ist beschützend und bestimmend zugleich, und ich sage Ja dazu.
4 Nach dem evangelisch-reformierten Verständnis der Taufe braucht es dieses aktive Ja ein Leben lang; die Taufe macht uns nicht automatisch und ohne unser eigenes Zutun zu Christen, wir sind nicht per se Christen, weil wir getauft sind. Albert Schweitzer sagt dazu: Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in die Garage geht. Nichts Äusserliches, weder der Kirchenbesuch noch die Taufe machen uns zu Christen. Es braucht eine gegenseitige Beziehung: Christus ruft, und ich antworte. Die Taufe, so hat das schon die älteste Christenheit verstanden, ist Ruf und Antwort in einem: Christus ruft uns zu sich, ruft uns bei unserem Namen, und wir sagen Ja dazu; wir lassen uns von ihm rufen, verstehen uns als ihm zugehörig und geben mit unserm Leben und Glauben, Tun und Handeln tagtäglich Antwort auf seinen Ruf. Eine so verstandene Taufe prägt uns ein Leben lang, oder besser: Wir verstehen uns durch die Taufe für unser ganzes Leben lang geprägt, und das bis hinein ins Sterben und in den Tod. Zum Leitsatz kann uns dabei mit Paulus werden: Wir glauben, dass wir mit Christus leben werden. Wir glauben, dass wir mit Christus leben werden. Wir werden mit ihm leben, denn wir sind in seinen Tod und in seine Auferstehung hinein getauft. Was das heisst, wurde mir unvergesslich bewusst bei meiner ersten Nottaufe als Spitalpfarrerin. Es war ein viel zu früh geborener Knabe, winzig klein und alles an ihm so zerbrechlich. Soeben war er auf die Welt gekommen, keine Viertelstunde war es her. Die Eltern wünschten sich die Taufe, bevor er wenige Minuten später verstarb. In diesem Moment wurde mir so klar, was es heisst, in den Tod und die Auferstehung Jesu Christi hineingetauft zu sein. Das Bekenntnis zu diesem Glauben war den
5 Eltern, gerade auch für ihr Kind, das sie nur so kurze Zeit bei sich haben durften, ganz, ganz wichtig: Christus ist für dich gestorben, und nichts, was dich und uns trennen kann von ihm, hat das letzte Wort, auch nicht dieser schmerzliche, viel zu frühe Tod, du wirst mit Christus leben, er nimmt dich in seine Arme. Die Auferstehungshoffnung, sie kann uns gerade auch im Tod aufleuchten. Christus, der am eigenen Leib erfuhr, wie schwer das Leben bisweilen ist und wie schmerzlich der Tod, er selbst kommt uns entgegen mit offenen Armen. Die Taufe verheisst uns, dass uns Christus so entgegentritt, mit offenen Armen. Offene Arme, sie können uns bergen, sie können sich um uns legen schützend, aber auch wegweisend und bestimmend. Letztlich führen sie uns durch alles hindurch dorthin, wo wir mit Christus leben werden, in die Auferstehung hineingenommen sein werden, wo nichts Trennendes mehr zwischen uns und ihm stehen wird. Paulus nennt, der biblischen Tradition folgend, alles, was uns von Gott trennt und zwischen uns steht, Sünde oder wörtlicher ein Vom-Weg-Abkommen, ähnlich wie das deutsche Wort der Fehltritt. Darunter fällt einerseits alles an unserem Tun und Unterlassen, das nicht Gottes Weisungen entspricht, andererseits auch alles, was unabhängig von unserem Tun und Unterlassen, uns von Gott trennt und unterscheidet, auch unsere Zerbrechlichkeit, unsere Versehrtheit bis hin zu Sterben und Tod; dafür können wir nichts, es gehört zu unserem Menschsein. All dies, was uns trennt und unterscheidet von Gott, das, was wir selbst zu verantworten haben und auch das, wofür wir nichts können, wird, so können wir es uns vom heutigen Bibeltext gesagt sein lassen, im Tod dann einmal von uns genommen sein, von Christus selbst.
6 Liebe Gemeinde, das ist nicht bloss ein Wort, das uns für unser Sterben oder für den Tod anderer Menschen gesagt ist. Es ist uns für unser ganzes Leben gesagt, tagtäglich soll uns diese Verheissung leiten, natürlich auch dann einmal im Sterben oder beim Tod anderer Menschen. Aber nicht erst dann, sondern hier und heute, morgen, übermorgen, Tag und Nacht! Christus wird uns leiten und für uns da sein; das ist uns in der Taufe verheissen. Und wir sollen uns von Christus leiten lassen und auf sein Da-Sein vertrauen; dazu ruft uns die Taufe. Erst wo wir uns auf beides immer wieder einlassen, auf die Verheissung und auf unsere Antwort, beginnen wir die Bedeutung der Taufe für uns selbst wirklich zu verstehen. Karl Barth hat den heutigen Bibeltext in seinem Römerbriefkommentar überschrieben mit dem Titel: Die Kraft der Auferstehung. Aus dieser und in dieser Kraft sollen und dürfen wir leben und dann einmal sterben: Nichts vermag uns von Gott in Christus zu trennen, er selbst ist bei uns, wir sind unterwegs zu ihm, er erwartet uns, hat seine Arme ausgebreitet und wird uns dann einmal hineinnehmen in die Auferstehung, in das Für-immer-bei ihm- Sein. Auf Christus auf nichts anderes sind wir getauft. Er selbst bringt in seinem Taufbefehl, seinen letzten Worten im Matthäusevangelium, die wir in der Lesung gehört haben, sowohl seine Verheissung des Mit-uns-Seins wie auch die Notwendigkeit unserer Antwort in Verbindung mit der Taufe: Tauft sie alle auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe; und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt (Matthäus 28,19-20). Ja, Christus umgreift uns, gibt uns Raum in ihm, legt seine Hände schützend, bergend, wegweisend und bestimmend um uns.
7 Gelobt sei deine Treue und deiner Liebe Licht. Stell täglich uns aufs Neue, Herr, vor dein Angesicht! Du öffnest, Herr, die Türen, lädst uns zum Leben ein; willst uns zur Freude führen, auf ewig dein zu sein. (RGB 188,3) Amen. Gebet Herr, Jesus Christus, du umgreifst uns beschützend, tröstend, wegweisend und bestimmend. Lass uns dir ganz zu Eigen sein. Wir bringen uns selbst vor dich; unseren Kummer und Schmerz. Wir bringen die Menschen vor dich, die uns lieb sind, ihren und unseren Schmerz. Wir bringen die Not der Welt vor dich; Menschen in unserer Nähe und weit weg, ihren Kummer und Schmerz. Lege du den Arm um jeden Menschen, beschützend, tröstend, wegweisend und bestimmend. In der Stille bringen wir unser persönliches Bitten und Beten vor dich. Du hörst uns, wir danken dir. Amen.
8 Lied Du öffnest, Herr, die Türen, lädst uns zur Kirche ein, willst uns zur Quelle führen, zum Wasser, frisch und rein. Du machst uns dir zu Eigen, gibst uns zum Guten Kraft, hilfst Liebe uns erzeigen; du bist s der Neues schafft. Aus deinen Quellen leben lehr uns, du guter Hirt. Du hast dein Wort gegeben, dass uns nichts mangeln wird. Die Taufe ist das Zeichen, dass du stets bei uns bist, lass uns von dir nicht weichen und mach uns treu, Herr Christ. Gelobt sei deine Treue und deiner Liebe Licht. Stell täglich uns auf Neue, Herr, vor dein Angesicht! Du öffnest, Herr, die Türen, lädst uns zum Leben ein; willst uns zur Freude führen, auf ewig dein zu sein. (RGB 188) ST. ANNA-GEMEINDE ZÜRICH St. Anna-Kapelle, St. Annagasse 11, 8001 Zürich Gottesdienste: Sonntag 10.00 Uhr, Bibelstunden: Mittwoch 15.00 Uhr Sekretariat St. Anna, Grundstrasse 11c, 8934 Knonau, Telefon 044 776 83 75