Traditionelle Chinesische Medizin in Baden

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Transkript:

Traditionelle Chinesische Medizin in Baden Autor(en): Objekttyp: Bonjour, Marianne Article Zeitschrift: Badener Neujahrsblätter Band (Jahr): 79 (2004) PDF erstellt am: 12.02.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-324787 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch

Traditionelle Chinesische Medizin in Baden Marianne Bonjour Auf unsere Dolmetscherin! Auf Dr. Li und ihr Sprachtalent! Auf unsere Gastge ber! Auf die Schweiz und ihre Schneelandschaften! Auf Genf und die Vereinten Nationen! Auf die Neutralität! Auf das Rote Kreuz! Auf den schweizerischen öf fentlichen Verkehr! Auf die Schweizer Uhren! Auf die schwierige deutsche Spra che Auf die tiefe Kriminalitätsrate Auf die Alphornmusik Diese Trinksprüche wurden an unserem Tisch ausgetauscht, als wir das Team der Ärztinnen und Ärzte eines der zwei Badener Zentren für Traditionelle Chine sische Medizin (TCM) in Begleitung einer Dolmetscherin einluden. Die Chinesen prosten sehr gern viel zu. Es ist eine Art, das Eis zu brechen. Schnell kann auch eine fröhliche Stimmung entstehen, da es dazu gehört, dass man möglichst vor jedem Schluck auf jemanden oder auf etwas zutrinkt. Die zitierten Trinksprüche beziehen sich sowohl auf einige der Vorzüge der Schweiz in den Augen unserer Gäste wie auch auf die in China bekannten Kli schees der Schweiz. Folgendes haben wir an diesem Abend erfahren: Das TCM-Ärzte-Team Seit einigen Jahren praktizieren in Baden zwei chinesische Teams mit Ärztinnen und Ärzten, die für zwei Jahre in die Schweiz kommen, um uns die TCM und ihre sanften und ganzheitlichen Behandlungsformen näher zu bringen. Ihre Familie las sen sie in der Regel für diese Zeit zurück, es sei denn, es sind gemeinsame Ferien in der Schweiz möglich. In diesem Fall kommt die Familie für eine kurze Zeit nach. Es sind meistens zwei Personen: der Partner oder die Partnerin und ein Kind. Obwohl man sich in China - viel mehr als bei uns - offenbar kaum ein Leben ohne Nach wuchs vorstellen kann, bleibt auch nach Maos Tod die politisch korrekte Ein-Kind- Familie die Norm. Diese Ärztinnen und Ärzte werden in China von einem Schweizer Manager paar rekrutiert unter der zweifachen Voraussetzung, dass sie in China einige Jahre Berufserfahrung gesammelt haben und sehr gute Qualifikationen besitzen. Die 68

meisten kommen aus einem grossen, bekannten Pekinger Krankenhaus. Sie haben alle eine doppelte neunjährige Ausbildung in Schulmedizin und chinesischer Medi zin, mit Schwerpunkt TCM. Es geht dabei nicht ausschliesslich um Akupunktur, sondern auch um Kräutertherapien, Massagen, Schröpfbehandlungen oder Wär meapplikationen. Nur ein Teil der ganzen Kunst Die erste Sprechstunde im TCM-Zentrum findet in der Regel mit dem Schweizer Zentrumsarzt statt. Erst die anschliessenden Stunden werden von einem chinesi schen Arzt oder einer chinesischen Ärztin übernommen, und zwar immer in Be gleitung einer Dolmetscherin, da nur die wenigsten TCM-Ärzte Englisch können, geschweige denn Deutsch. Einige erteilen auch Tai-Chi-Stunden, eine Sportart, die auch an der Universität gelehrt wird und die, wenn sie regelmässig und richtig ge übt wird, wesentlich zur Gesundheitsförderung beitragen kann. Im Gegensatz zu China, wo der TCM-Arzt durchaus die erste Anlaufstelle im Krankheitsfall sein kann, kommen viele Schweizerinnen und Schweizer erst zum TCM-Arzt, nachdem vorgängige Behandlungen nicht zum Ziel geführt haben. Die TCM ist bei uns immer noch eine reine alternative oder gar zusätzliche The rapieform. Ausserdem konsultiert man bei uns die chinesischen Ärzte meistens wegen lästigen, aber nicht unbedingt lebensgefährlichen Gesundheitsproblemen. Deshalb sind die Badener TCM-Ärzte manchmal enttäuscht, sich auf einen Teil ihrer Kunst beschränken zu müssen und höchst selten im Stande zu sein, die gan ze Palette ihrer therapeutischen Möglichkeiten einzusetzen. Dass sie aufgrund von Zollbestimmungen nicht alle ihre chinesischen Arzneimittel in die Schweiz im portieren dürfen, sondern auf manche sehr wirksamen Spezialkräuter verzichten müssen, enttäuscht sie auch und lässt sie schlussfolgern. dass die Schweiz ein über reglementiertes Land ist (mit allen Vor- und Nachteilen, wie sie beifügen). Ein grosses und bei uns noch nicht entdecktes Potenzial der TCM sei die Behand lung von Altersgebrechen, die besonders gut mit chinesischer Medizin zu lindern seien. Diese Zurückhaltung von Seite der Schweizerinnen und Schweizer liegt wahr scheinlich daran, dass die TCM nur unter die vom Krankenversicherungsgesetz an erkannten obligatorischen Leistungen fällt, wenn sie von Ärzten mit schweizerisch anerkannten Diplomen praktiziert wird, und auch, weil viele zuerst zum schulme dizinischen Familienarzt gehen, weil die Schulmedizin trotz Kritik immer noch das grössere Prestige geniesst. Dies ist in China nicht so: Heutzutage existieren Schulund TCM-Medizin absolut gleichberechtigt nebeneinander. Die Schulmedizin hat in China Einzug gehalten und wird in gewissen Fällen sogar als überlegen angese- 69

hen, in vielen anderen Fällen werden jedoch die Vorzüge der chinesischen Medizin voll anerkannt oder neu entdeckt. Wahrgenommene kulturelle Unterschiede Wir wollten auch Näheres über die Art und Weise erfahren, wie die Ärztinnen und Ärzte Baden und seine Bevölkerung erleben. Sie akzeptierten enthusiastisch unse re Einladung, da sie offenbar nicht viele Gelegenheiten haben, Schweizerinnen und Schweizer näher kennen zu lernen. Es scheint nicht nur an der Sprache zu liegen, die einige sehr wohl zu lernen probieren, sondern vor allem daran, dass sie alle un sere Kultur als sehr fremd erleben. Schon nur unser Umgang mit Schmerz deutet nach ihrer Meinung auf einen Unterschied: Der Arzt wird bei uns viel mehr aufgrund von Schmerzen konsultiert als in China. Nicht, dass die schweizerischen Patientinnen und Patienten sensibler oder wehleidiger seien als die chinesischen. Diese Schmerzempfindlichkeit hat laut chinesischer Medizin damit zu tun, dass es in unserem Land viel mehr windet als in Peking. Die Nähe von vielen und hohen Bergen soll auch eine Rolle spielen. Die Ärztinnen und Ärzte erleben uns als sehr freundlich und gradlinig, aber auch ziem lich ernshaft und zurückhaltend und, ja, irgendwie auch peinlich materialistisch. Viele von ihnen müssen sich immer wieder die Frage gefallen lassen, ob sie wegen des Geldes in die Schweiz kommen! Eine Frage, welche die Chinesinnen und Chi nesen verletzt, da es ihnen in erster Linie darum geht, sozusagen TCM-Botschafterinnen und -Botschafter zu sein; die Schweiz wollen sie bloss in ihrer Freizeit ent decken. Die Schweiz wird von vielen Chinesinnen und Chinesen nicht als bedeutendes europäisches Land wahrgenommen, sondern immer noch als das kleine, schöne, be sondere und spezielle Land mit Schneelandschaften und/oder mit dem Sitz der Vereinten Nationen. Klischees haben auch im grossen China ein hartnäckiges Leben Die Schweiz ist daher oft nicht die erste Wahl für viele von ihnen. Viele gin gen gern in erster Linie in ein anderes europäisches Land. Sie kommen aber trotz dem gern, wenn sich bei uns eine Stelle anbietet, und sie sind dann sehr neugierig, unsere so vielseitigen Landschaften mit eigenen Augen zu entdecken. Diese grosse Vielfalt auf so kleinem Raum ist für Angehörige eines riesigen Landes wie China wohl sensationell. Wie nehmen sie ihre Pekinger Kultur im Vergleich zur unsrigen wahr? Sie stel len unsere Kultur als ausgesprochen familienfreundlich und sehr fröhlich dar. Ob wohl die Ein-Kind-Familie immer noch die Regel ist, bleiben Blutsverwandte sehr wichtig. Anders als bei uns, wo der Freundeskreis oft mehr Bedeutung gewinnt als die Familie. In China gibt es zum Beispiel immer noch viele so genannte Familien- 70

Clubs : Das sind Vereine, wo einzig Menschen Zutritt haben, die den gleichen Fami lienamen tragen. Eine Frau, die auf ein Kind verzichten will zugunsten einer Kar riere oder weil sie keine Lust auf eigene Kinder hat, wird nicht verstanden. Die Idealfrau muss und wird ein Kind wollen. Es mag mit einer zum Teil noch etwas «machohaften» Sicht der Frau zu tun zu haben, obwohl es heute in Peking absolut selbstverständlich ist, dass Frauen eine Ausbildung absolvieren und mehr als bei uns anspruchsvolle Stellen bekleiden. Diese klare Errungenschaft des Kommunis mus scheint stark verankert zu sein. Genug Krippen und die immer noch sehr ver breitete Hilfe der Grosseltern mögen auch dazu beitragen. Und apropos Pekinger Heiterkeit: Die chinesische Sprache soll diesbezüglich sehr viele Sprichwörter ken nen : Traurigkeit bringt weisse Haare Lach einmal, werde 10 Jahre jünger Diese Begegnung mit dem TCM-Team liess uns ahnen, dass es trotz Globalisie rung immer noch sehr grosse kulturelle Unterschiede und verschiedene Sensibili täten und Wahrnehmungen gibt zwischen den Völkern der Erde. Hätten wir mehr Zeit, uns auf unsere Gäste einzulassen, und gäbe es vor allem keine Sprachproble me, so würde sich uns eine einmalige Gelegenheit bieten, auszutauschen und vieles zu erfahren über andere Länder, über die Art und Weise, wie wir wahrgenommen werden. Es wäre auch eine Gelegenheit, um Klischees, Selbst- und Fremdbilder zu korrigieren. Globalisierung im guten Sinn. Last but not least gäbe es im Fall einer Reise nach Peking die Gelegenheit, bei Freunden abzusteigen, die sich gern revan chieren würden. TCM in Baden ist eine konkrete, wenn auch diskrete und verborgene Folge einer schon fortgeschrittenen Globalisierung. Es wird kaum Werbung für diese TCM-Zentren gemacht.wer zum Beispiel chinesisch lernen möchte und dabei auch bereit wäre, nach der so genannten Tandem-Spracherwerb-Methode etwas deutsch zu unterrichten, findet bei uns fleissige, interessante und offene Partnerinnen und Partner. Ihre Art ist aber unauffällig und zurückhaltend (haben sie nicht auch ge sagt, wir seien zurückhaltend?), nicht überheblich oder penetrant. Sie werden auch nicht den ersten Schritt tun. Vielleicht, weil sie in der Regel nur für eine beschränk te Zeit in der Schweiz sind, bei uns Vollzeit arbeiten, gern unter sich bleiben und viel Zeit verbringen, um die Schweiz zu bereisen. Wenn wir uns öffnen möchten für die chinesische Kultur und auch Zeit dafür investieren können, brauchen wir nicht sofort nach China zu fliegen. 71