Inhalt Vorwort zur überarbeiteten Neuauflage......... 9 Einleitung........................... 11 Von ungeahnten Möglichkeiten.............. 11 Worum es in diesem Buch geht und worum nicht.... 14 Entscheiden können Die Macht der Wahlfreiheit................. 21 Ein Tag wie jeder andere.................. 21 Ein wunderbares Geschenk................. 24 Hinter selbst gewählten Gittern.............. 25 Preisvergleich........................ 28 Die kalten Duschen des Lebens............... 31 Der Mythos der Sachzwänge................. 33 Wer sitzt am Steuer?..................... 33 Opfer der Umstände?..................... 37 Spielball des Arbeitsmarkts?................. 40 Opfer-Storys......................... 46 Nachrichten aus dem Jammertal.............. 46 Jargon der Ohn-Macht................... 50 Inhalt 5
Das Pontius-Pilatus-Syndrom............... 55 Keine Zeit!.......................... 58 Mach s anderen recht!.................... 60 Welch ein Stress!...................... 62 Die anderen sind schuld!................... 65 Der Wille zur Ohnmacht................... 68 Was tue ich dazu?...................... 68 Unterlassungssünden.................... 70 Das Elend der guten Vorsätze................ 72 Der Traum vom Retter................... 74 Wünschen, Warten, Wundern............... 76 Bescheiden statt Entscheiden................ 78 In der Pflicht........................ 81 Grenzen der Freiheit...................... 87 Der Zwang zur Freiheit.................... 87 Unvermeidliches und Unwillkürliches............ 90 Entscheiden lassen Bestraft durch Belohnung................. 95 Zuckerbrot und Peitsche.................. 95 Von Menschen und Hamstern............... 96 Verlust der Lust........................ 98 Süße Drogen........................ 102 Neid und Missgunst.................... 105 Prämien für Sinnlosigkeit................. 108 Das Ende der Risikofreude.................. 111 Ausgebrannt......................... 115 Der Sirenengesang des Lobens................ 119 Verhängnisvolles Lob..................... 119 6 Die Entscheidung liegt bei dir!
Lob gegen Leistung...................... 120 Manipuliert durch Lob.................... 122 Anschlag auf die Freiheit................... 123 Beschämt durch Lob.................... 125 Kalte Nesselfetzen...................... 126 Lob verhindert Spaß am Tun................. 129 Wie denn besser?...................... 131 Fragen gestellt durch Fragen gestellt.......... 134 Nur gefragt?......................... 134 Das Warum-Spiel....................... 135 Sagen statt fragen...................... 137 Die Vorbild-Falle........................ 140 Lebende Imitate....................... 140 Zweite Sieger......................... 142 Hannemann, geh du voran!................ 144 Der Tod des Glücks..................... 146 Unvergleichliches vergleichen................ 146 Selbst-Vertrauen....................... 150 Fremdbestimmt leben.................... 152 Glück ist keine Glückssache................ 155 Entschieden leben Glück folgt der Entschiedenheit............... 159 Meister des Lebens..................... 159 Ändern statt ärgern...................... 164 Das Unglück abwählen.................... 167 100 Prozent»Ja!«...................... 172 Commitment leben...................... 174 Inhalt 7
Das Geheimnis des Glücks.................. 179 Vom Geben und Nehmen.................. 179 Von Wegen und Zielen................... 183 Nutze den Augenblick!.................... 185 Leben im Hier und Jetzt................... 191 Erfolg ist, was folgt...................... 194 Das Beste geben........................ 194 Der Münchhausen-Trick.................. 196 Die Last der Ideale....................... 198 Selbstbestimmt leben.................... 206»Ich«: ein Sich-Ent-Schließen................ 206 Das Ende der Schuldzuweisung............... 207 Der trügerische Trost der»positiven Freiheit«....... 214 Ist Willensfreiheit eine Illusion?.............. 219 Die Verwechslung von Freiheit und Zufall.......... 222 Die Trennung von Hirn und Person............. 223 Willensfreiheit ist intuitiv und praktisch.......... 224 Ausblick: Eine Kultur der Selbstverantwortung...... 228 Das egoistische Missverständnis............... 228 Macht hat, wer macht................... 235 8 Die Entscheidung liegt bei dir!
Der Mythos der Sachzwänge Wer sitzt am Steuer? Wer sitzt am Steuer Ihres Lebensautos? Sie selbst oder Ihr Chef? Sie oder Ihr Ehepartner? Sie selbst oder das Geld, das Schicksal, die Verhältnisse? Lassen Sie»die Umstände«steuern? Oder sind Sie gar Opfer einer mächtigen internationalen Verschwörung mit dem Namen»die anderen«? Sachzwänge scheinen besonders geeignet, der Freiheit eine Absage zu erteilen. Denn wer sich dem Sachzwang beugt, tut, was zu tun ist, beziehungsweise lebt so, wie alle leben. Man will ja kein Außenseiter sein. In der Tat ist der Weg der Notwendigkeit viel gebahnter als der der Freiheit. Das ist vertrautes Gelände, die Sicherheit des Bewährten. Aber gibt es Sachzwänge wirklich? Ist der Hinweis darauf nicht vielmehr eine Denkfaulheit, Bequemlichkeit, ein vorgeschobenes Argument? Meine These ist: Es gibt keine Sachzwänge.»Ich hatte doch damals keine Wahl!«, heißt es empört, und schnell sind sie zur Stelle: Familie oder Immobilie. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie gewählt haben. Sie bauen sich über Jahre und Jahrzehnte ihre Lebensumstände zusam- Der Mythos der Sachzwänge 33
men, als deren Opfer sie sich danach erleben. Richtig aber ist: Alles, was im Augenblick ist und geschieht, ist die Folge von Entscheidungen, die Sie irgendwann vorher in Ihrem Leben getroffen haben ob Ihnen das nun gefällt oder nicht. Sie haben vielleicht nicht auf genau dieses Ergebnis gezielt, das mag sein. Aber dennoch ist es eine Konsequenz Ihrer früheren Entscheidung. Vielleicht haben Sie diese Entscheidung auch nicht sehr bewusst, nicht sehr aufmerksam, nicht in klarer Sicht der Alternativen getroffen und halten sie deshalb nicht für eine Entscheidung. Oder die abgewählte Alternative erschien Ihnen so absurd, dass Sie sie nicht wirklich in Erwägung gezogen, nicht wirklich ernsthaft geprüft haben. Diesem»Nicht-wirklich-in-Erwägung-Ziehen«ist aber schon immer eine Wahl vorausgegangen, die meist eine Entscheidung für ganz bestimmte Werte oder Lebensweisen beinhaltete. So wurde Ihre Berufswahl vielleicht vom Gedanken beeinflusst:»bei einem anderen Job droht mir später doch die Arbeitslosigkeit.«Das schien Ihnen keine»wirkliche«alternative, die Sie hätten wählen können, weil Sie zuvor schon eine Entscheidung für ein Leben»jenseits der So zial hilfe«getroffen hatten. Ein Bekannter erzählte mir, er sei als kleiner Junge fasziniert von der Seefahrt gewesen. Das Meer, die großen Schiffe, die weite Welt hätten auf ihn eine ungeheure Anziehungskraft ausgeübt. Seine Eltern erzählten aber allen Bekannten schon seit er drei Jahre alt war, dass er sicher einmal Mediziner würde und die elterliche Praxis übernähme. Nach dem Abitur liebäugelte er tatsächlich kurzzeitig mit der Idee, zur See zu fahren. Die Nachricht von der drohenden Medizinerschwemme bewegte ihn stattdessen, noch eben das Studium anzuhängen. Im Urlaub am Meer, den er sich nach dem Studienabschluss gönnte, ergriff ihn wieder die Sehnsucht. 34 Die Entscheidung liegt bei dir!
Doch als er zurückkehrte und der Universitätsprofessor ihm nachdrücklich zur Promotion riet, begrub er seinen»unrealistischen«traum endgültig. Heute, mit gut gehender Praxis, erscheint ihm der Gang der Dinge irgendwie»natürlich«und»vernünftig«. Heimlich bedauert er, das Seemannsleben nie ausprobiert zu haben. Er hat aber auch nicht das Gefühl, dass jemals wirklich eine Entscheidung anstand. Was er nicht sieht: Er hat eine Wahl getroffen. Er hat sich früh entschieden, den Kampf mit den Eltern nicht aufzunehmen. Er hat sich für die Fortsetzung der Familientradition entschieden sowie für Wohlstand, soziales Ansehen und Sicherheit. Gleichzeitig hat er die Möglichkeit eines aufregenden, spannenden, abenteuerlichen Lebens, das mit vielen Unwägbarkeiten einhergeht, abgewählt. Darüber zu urteilen steht niemandem an. Aber weil er die Alternative nicht ernsthaft geprüft hat, erinnert er sich nicht mehr, dass er gewählt hat. Für viele gehört der Sachzwang einfach nur zu jener Diagonale des Erfolgs, die von links unten nach rechts oben verläuft. Viele haben sich ihren Sicherheitscontainer so luxuriös ausmöbliert, dass es ihnen geradezu absurd erscheint, etwas davon aufs Spiel zu setzen. Die Ketten aus Gold binden ebenso wie die Ketten aus Eisen. Das führt dann zu der bekannten Verfettung der Herzen und der Bankkonten. Und in der Tat kann der Preis aus der Sicht des Einzelnen außerordentlich hoch sein. Doch darum geht es mir hier gar nicht, denn keineswegs will ich jemandem leichtfertig nahe legen, seinen Wohlstand und die Sicherheit stabiler materieller Verhältnisse zu opfern. Das Problem ist, dass viele nicht bereit sind, für die Auswirkungen ihres Festhaltens Verantwortung zu übernehmen, sie als Resultat ihrer Entscheidung anzuerkennen und die Unbeweglichkeit als Preis zu zahlen. Der Mythos der Sachzwänge 35
Je mehr Dinge Sie haben, desto mehr haben die Dinge Sie. Jeder Komfort muss bezahlt werden. Es heißt ja nicht zufällig»immobilie«sie macht immobil. Und so kenne ich zahlreiche Menschen, die bereit sind, in ihrem Arbeitsleben täglich Abwertungen und Respektlosigkeiten hinzunehmen sowie ihre Würde und ihren aufrechten Gang zu opfern, die aber nicht bereit sind, auf ihren Sechszylinder zu verzichten. Dazu entscheiden sie sich täglich. Das ist ihre Wahl. Wenn Sie also sagen:»ich kann nicht!«, dann wollen Sie nicht. Anderes ist Ihnen wichtiger. Sie wollen den Preis des Wechsels nicht bezahlen. Niemandem steht es an, die Gründe Ihres Bleibens zu bewerten. Aber dann sind Ihnen die Dinge, über die Sie sich beschweren, auch nicht wirklich wichtig. Jedenfalls nicht so wichtig, dass sie Sie zum Handeln veranlassen; nicht so bedeutend, dass Sie die Angst vor dem Risiko überwinden. Gehen wir ins Extrem und jeder prüfe sich selbst: Wer hindert Sie, den Traumjob als Segellehrer in der Karibik anzunehmen? Wer hindert Sie, die fehlende Ausbildung nachzuholen, die Arbeitsgenehmigungen zu beantragen, die Einreisebestimmungen zu prüfen? Sie selbst ganz allein. Sonst niemand. Sie wollen auf die Annehmlichkeiten Ihres vollklimatisierten Sicherheitscontainers nicht verzichten. Das will ich keineswegs kritisieren. Aber beschuldigen Sie nicht Ihre Familie, die Umstände All das können Sie abwählen, wenn Sie wollen. Wenn Sie es nicht wollen und weiter so leben wie bisher, dann tun Sie es in dem Bewusstsein, diese Umstände gewählt zu haben. Damit entfällt jede Grundlage der Schuldzuweisung. Damit entfällt jede Grundlage des»ich kann ja nicht, weil «36 Die Entscheidung liegt bei dir!
Opfer der Umstände? Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion meines Vaters, als wir über den Gedanken der Wahlfreiheit sprachen. Väterlich milde und seine ganze Lebenserfahrung ausspielend, meinte er:»das hast du wohl auf der Universität gelernt. Das Leben, das sieht doch ganz anders aus.«zum Beweis verwies er auf seine Erinnerung an die NS-Zeit:»Man hätte uns doch damals an die Wand gestellt.«bums! Da war es, das Mega- Argument, von denen ich später in meinem Berufsleben noch so viele ähnliche hören sollte (neuerdings:»ich kann da als Politiker nichts machen, ich folge nur den Vorschriften aus Brüssel!«). Das Rädchen-Gerede der Manager, die Befehlsnotstands-Entschuldigung der Elterngeneration: Man verliert sich in der Bodenlosigkeit extremer existenzieller Bedrohungen, um das Prinzip der Wahlfreiheit zu widerlegen. Es steht Kindern niemals an, die Motive ihrer Eltern zu bewerten. Dazu haben sie kein Recht. Und auch mir steht es nicht zu, die Entscheidung meines Vaters, sich nicht dem Widerstand gegen Hitler angeschlossen zu haben, zu kritisieren. Aber es gab Menschen, die haben sich»an die Wand stellen lassen«. Es war wählbar. Ich sage nicht, dass das eine moralisch hochstehend, das andere feige ist. (In dieser Hinsicht sollten wir Zeitgenossen uns an die eigene Nase fassen.) Ich sage nur: So hoch der Preis auch sein mag, für die Konsequenzen seiner Entscheidung trägt mein Vater die Verantwortung. Die Freiheit ist ein wundersames Ding. Die meisten von uns sehnen sich danach, schätzen sie als höchstes Gut. Gleichzeitig aber erschreckt sie viele Menschen zu Tode. Weil aus ihr auch Schuld resultieren kann. Schauen wir uns beispielsweise an, wie in modernen Gesellschaften Verbrechen reflektiert Der Mythos der Sachzwänge 37