Sie schickte sich an, an ihren Platz zurückzukehren, noch bevor der Juryvorsitzende sagte:»das ist korrekt.«beifall brandete auf, hob sie empor wie eine Welle und trug sie zu ihrem Klappstuhl, um sie dort abzusetzen. Sie liebte den Applaus. Wie die meisten Scharlatane. Arthur Ito, ein kleiner japanischstämmiger Junge, der Wörter wie»daguerreotypie«und»inkunabeln«gemeistert hatte und daher unschlagbar schien, trat ans Mikrofon, schob seine Brille die Nase hinauf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.»Aretalogie«, sagte Mr. King. Der Junge zwinkerte.»können Sie mir bitte die Herkunftssprache nennen?das Wort stammt aus dem Griechischen«, antwortete Mr. King.
Arthur schloss die Augen und sagte praktisch in einem Atemzug:»Aretalogie. A- R-A-T-A-L-O-G-I-E.«Nach dem kurzen, niederschmetternden Bimmeln der Glocke war hier und da ein Aufstöhnen zu hören trotz des vom Zweiten Weltkrieg herrührenden und immer noch anhaltenden Misstrauens Japanern gegenüber war das Publikum weitestgehend auf Arthurs Seite. Er schob seine Brille hoch und ging mit der gleichen ausdruckslosen Miene davon, die er auch nach einem korrekt buchstabierten Wort aufgesetzt hatte. Erst auf dem Weg zur Seitenbühne ließ er den Kopf hängen und schlug die Hände vors Gesicht. Vera, die regungslos und angriffslustig auf ihrem Klappstuhl am hinteren Rand des Podiums saß, blickte erst nach links, dann nach rechts. Jetzt waren nur noch sieben übrig. Noch hatte sie eine Chance, eine
Chance von 14,29 Prozent, um genau zu sein. Aber sie waren jetzt in der Endrunde, wo die Wörter heimtückisch wurden und die Fallen sehr viel hinterhältiger als die simple Verwechslung von E und A, die Arthur zum Verhängnis geworden war. Während sie darauf wartete, bis sie wieder an der Reihe war, versuchte sie, sich vorzustellen, wie das Leben dieser Jugendlichen, die einen festen Wohnsitz in Minneapolis, San Francisco oder Denver hatten, wohl aussehen mochte. Einerseits war sie neidisch auf die soliden Verhältnisse, in denen die anderen lebten und über die sie gern mehr gewusst hätte, andererseits ging sie davon aus, dass ihr Leben schrecklich öde sein musste. Woraus waren ihre Häuser? Waren sie schick oder schlicht? Gab es dort lange, gerade Auffahrten und Hunde, die auf dem Wohnzimmerteppich lagen?
Vera seufzte abschätzig und dachte: Was für ein langweiliges Leben. Im Geist buchstabierte sie die Wörter, die zwei weitere Kandidaten aus dem Rennen warfen»katharometer«und»krepitation«. Dann kam ein hübscher, schlanker Junge an die Reihe, fünfzehn wie sie selbst, der, wie sie gehört hatte, auch in einem Hotel wohnte, allerdings immer im selben, und zwar in diesem hier, dem luxuriösen Hawthorne in Washington, D.C., nur wenige Straßen vom Weißen Haus entfernt. Er hieß Stanley. Ein merkwürdiger Junge. Vera wusste nicht recht, was sie von ihm halten sollte. Er machte einen trägen, zurückhaltenden Eindruck und drückte sich so tief in seinen Klappstuhl, dass er regelrecht mit ihm zu verschmelzen schien, aber auf der anderen Seite strahlte er für einen Fünfzehnjährigen eine unglaubliche
Lässigkeit und eine viel zu große Selbstsicherheit aus. Wie er in seiner Tweedjacke und den übergroßen Budapester Schuhen mit federnden Schritten zum Mikrofon ging, es in die Hand nahm, sich räusperte und sich dann ganz dicht zu ihm hinbeugte, als wäre das ganz normal und keineswegs irgendwie komisch wie ein Professor am Vortragspult oder wie ein Zauberer.»Unkorrigierbar«, sagte Mr. King. Ganz genau, dachte Vera. Diesen Eindruck macht er. Und dazu vielleicht eine Spur arrogant. Unkorrigant. Das wäre ein Wort für ihn.»unkorrigierbar«, wiederholte Stanley. Er buchstabierte sorgsam, wobei er jeden Buchstaben aussprach, als handelte es sich um etwas Zartes, Empfindliches einen Welpen oder einen Schössling, wartete