Rudolf Steiner PUBLIKUM, KRITIKER UND THEATER

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Transkript:

Rudolf Steiner PUBLIKUM, KRITIKER UND THEATER Erstveröffentlichung: Dramaturgische Blätter 1898, 1. Jg., Nr. 20. GA 29, S. 125-129. Über diesen Gegenstand hat einmal Paul Bourget geschrieben. Und die guten europäischen Über-Kritiker sagen, dass Bourget das Gras auf dem Grunde der Seele wachsen hört. Also muss man schon die Ohren spitzen, wenn Bourget redet. Nun sagt Bourget: wer ein lyrisches Gedicht, eine Ballade oder einen Roman schreibt, der kümmert sich nicht um das Publikum. Sein Kunstwerk wird umso besser werden, je weniger er sich um das Publikum kümmert Er schreibt, wie es den Neigungen seiner künstlerischen Seele gemäß ist. So ist es aber durchaus nicht beim Theaterdichter Dieser muss wissen dass sein Stück für eine Anzahl von zweitausend Personen die im Theater anwesend sind bestimmt ist Er muss sich dessen bewusst sein, dass diese Menge deswegen ins Schauspielhaus geht um ein paar Stunden in an genehmer Weise hinzubringen Das Publikum hat den Tag über gearbeitet, im Büro, auf der Börse, im Parlamentssaal Dieses Publikum hat ganz bestimmte Sympathien und Antipathien Es hat «heilige Gefühle» die es nicht verletzt sehen will, und es will sich vor allen Dingen nach der harten Arbeit des Tages nicht auch noch geistig anstrengen Auch hat dieses Publikum ganz bestimmte Sitten und Leidenschaften Es wird nur Gefallen finden an Stücken die im Sinne dieser Sitten und Leidenschaften gehalten sind. Es gilt nun für den Theaterdichter, mit seinen Stucken genau das treffen was dieses Publikum gerne hört und gerne sieht Er wird Idealist sein, wenn er glaubt, ein idealistisch gesinntes Publikum im Theatersaale anzutreffen; und er wird gemein sein wenn er der Ansicht ist, dass ein gemeines Publikum berufen sein wird, ihm Beifall zu zollen oder sein Stück auszuzischen. Achte darauf was dein Publikum will und schreibe dann in diesem Sinne! Das ist das Rezept, das der feine Psychologe Paul Bourget den Theaterdichtern gibt. Ja er geht noch weiter Es gibt, meint er, religiöse und politische Moden Gegen diese darf der Theaterdichter nicht verstoßen, trotzdem sie ungefähr alle zwei bis drei Jahre wechseln Und noch mehr Es gibt Schauspie1er,

[126] die länger als politische und religiöse Moden sich in der Gunst des Publikums erhalten. Diese sind berufen, den Theaterdichtern auf die Beine zu helfen. Ihnen müssen die Dramatiker die Rollen auf den Leib schreiben. Was wird für den beliebten Schauspieler Soundso passen, müssen sie sich fragen, wenn sie diesen oder jenen Charakter dichterisch gestalten wollen. Es gibt, meint Bourget, immer einen Herrn Soundso, der so beliebt ist, dass er den Erfolg verbürgen kann. Dann bemühen sich die Dramatiker, solche Rollen zu schreiben, dass dieser beliebte Schauspieler daraus etwas machen kann. Zweierlei - um pedantisch, vielleicht auch in Lessingscher Manier zu reden - ist möglich: entweder will Bourget die ganze Frivolität einer gewissen dramatischen Produktionsart charakterisieren und stellt deshalb in paradoxer Form gerade die schlimmsten Auswüchse auf dem Gebiete dar, das er im Auge hat; oder aber er redet nicht ironisch; er meint die Sache so, wie er sie ausspricht. Im ersteren Falle hätte er sich seine ganze Rede ersparen können. Denn dann wäre sie das Überflüssigste in der Welt. Dass es Stückefabrikanten gibt, die auf der Börse des gemeinen Geschmackes der Menge spekulieren und sich prostituieren - um Geld zu verdienen, das ist längst bekannt. Das braucht uns nicht der Mann mit den feinen Ohren für die intimsten Töne der menschlichen Seele zu verkünden. Aber es kommt auch gar nicht darauf an, ob Paul Bourget Spaß oder Ernst macht. Es kommt darauf an, dass gerade Idealisten und solche, die es mit der Kunst ehrlich meinen, ihm nachsprechen, und dass es so weit gekommen ist, dass heute zahlreiche von solchen Ehrlichen, die sich die Erfolge der geschilderten Spekulanten ansehen, nicht mehr daran glauben, dass das Theater eine Kunstanstalt ist. Und die Sache liegt so einfach. Der Gegensatz, den Bourget zwischen Roman, Ballade, lyrischem Gedicht und zwischen Theaterstück sich herauskristallisiert, gilt einfach nicht. Es gibt Künstler, die Romane schreiben, wie sie ihrem Empfinden, ihrer Inspiration, ihrem Genie entsprechen, und es gibt Romanfabrikanten, die Lesefutter für eine Menge schreiben, deren Sitten, Leidenschaften

[127] und Lebensgewohnheiten sie kennen, und denen sie schmeicheln wollen. Und ebenso gibt es Dramatiker, die Stücke schreiben, wie sie ihrer künstlerischen Überzeugung gemäß sind, und Stückefabrikanten, die so schreiben, wie es das Publikum will. Es ist der Grundfehler der Bourgetschen Betrachtungen und vieler ähnlichen, dass der Betrachter von dem Standpunkt der Empfänger, der Genießer ausgeht. Das muss immer zu zweifelhaften Resultaten führen. Denn Kunstwerke, die deshalb entstehen, weil sie der Genießer in einer bestimmten Weise haben will, sind nicht wert, dass man von ihnen redet. Der Genießer, das Publikum - sie mögen die besten Tendenzen haben: sie dürfen deswegen doch auf die Qualität eines Kunstwerkes keinen Einfluss haben. Nicht die geringste Kleinigkeit eines Kunstwerkes darf so gebildet sein, wie es das Publikum will. Dieses «darf» ist eigentlich ein schlecht angewandtes Wort. Ich müsste vielmehr sagen: dem wirklichen Künstler wird es nie einfallen, die geringste Kleinigkeit an seinem Werke dem Publikum zu Gefallen zu machen. Es ist, seit es eine Kunstwissenschaft gibt, immer von Forderungen der echten Kunst gesprochen worden. Der Künstler müsse dies oder jenes so oder so machen, wurde gesagt. Es sitzt den Herren im Blute, und selbst die modernsten Geister können sich davon nicht losmachen. Ein Mensch, der plötzlich vor sie hinträte und sagte: diese Rose ist nicht richtig, die soll anders sein, den hielten sie für einen Tollhäusler. Aber dem Künstler wagen sie es alle Tage zu sagen: Du musst so oder so sein. Oh, nun höre ich die Ganz-Gescheiten schon wieder einwenden: ja, dann müsste der Kritiker zu allem Ja und Amen sagen, dann müsste er alles gelten lassen. O nein, ihr Herren! Wenn einer mit einem «Theaterstück» kommt, das gar nicht in die Kategorie der «Theaterstücke» gehört, dann behandle ich ihn ebenso wie einen Menschen, der mir ein greuliches Ding aus Papiermaché für eine wirkliche Rose anpreisen will. Zwar kennen die gestrengen Herren nicht immer die Unterschiede, die hier in Betracht kommen. Vor einigen Tagen gab man hier im Berliner Residenz- Theater ein grenzenlos langweiliges, fades Ding: «Momentaufnahmen». Am Abend jubelte das

[128] Publikum, das wahrscheinlich bei einem Stücke von Johannes Schlaf gezischt hätte. Aber erst am nächsten Tage: da konnte man seine wahren Wunder erleben. Mit wenigen Ausnahmen - unter sie gehört natürlich die stets bewährte Tante Voß - hatten die Zeitungen etwas «zum Lobe des Autors» zu sagen. Einige besonders begabte Kritiker meinten sogar, dieser selbe Autor, der bis jetzt sich nur in leichten Schwänken versucht hätte, wäre nun literarisch ernst zu nehmen. Und einige «ganz Feine» witterten, dass er das Leben richtig zu beobachten verstehe. Es ist wirklich unmöglich, dass ein Kritiker - dieses Wort als Terminus technicus gebraucht - irgend etwas, das zur Kunst gehört, auch nur einigermaßen richtig zu beurteilen vermag, der solche Ansichten und Empfindungen vom Erleben und «Richtig-Beobachten» hat. «Momentaufnahmen» ist ein - Ding, zusammengestoppelt und zusammengeschustert aus «Beobachtungen» eines Mannes, der die Menschen im Leben gar nicht zu beobachten versteht, sondern der nur das Leben auf der Bühne zu kennen scheint. Mir ist es einfach unbegreiflich, wie ein ausgezeichneter Schauspieler sich dazu herablassen kann, solch ein Ding zusammenzuleimen. Ich will wahrhaftig keine Kritik über das Stück schreiben. Denn es hat nichts mit der Literatur zu tun und braucht deshalb auch nicht in einer literarischen Zeitschrift erwähnt zu werden. Aber mir stieg die - ich weiß nicht recht was für eine - Röte ins Gesicht, als ich am nächsten Morgen die Besprechungen des Machwerkes in den verschiedenen Zeitungen las. Was haben diese Kritiker alles einzuwenden gehabt, als jüngst die «Dramatische Gesellschaft», um einer literarischen Ehrenpflicht zu genügen, Johannes Schlafs «Gertrud» aufführte! Und wie benehmen sie sich nun Herrn Jarno gegenüber? Es ist eine kulturhistorisch merkwürdige Erscheinung, dass Menschen in großen Zeitungen das Wort führen dürfen, die in einer solchen Barbarei des Geschmackes leben. Jawohl, das sind diese Leute, die nicht wissen, was eine wirkliche Rose ist, und deshalb ein Ding aus Papiermaché hinnehmen und sagen: seht, wie sie lebt. So muss die wirkliche Rose sein.

[129] Soll man nun annehmen, dass die Kritiker, die im Theater sitzen, eine auserlesene Schar bilden, die besser, vornehmer, künstlerischer als das Publikum fühlt? Dann wahrlich muss man sich über die Theorie Paul Bourgets ganz eigentümliche Ansichten bilden. Oder soll man sich ruhig eingestehen, dass das Publikum im ganzen über den Kritikern steht? Aber, was wäre das für ein Zustand! Kurz, hier liegt etwas vor, was nicht recht zu lösen ist. Es ist so merkwürdig. Ist man mit den Kritikern, deren Geistesprodukte man scheußlich findet, einmal gemütlich beisammen, so können sie ganz nett sein. Liest man sie wieder einmal, dann findet man sie entsetzlich. Da muss noch ein unbekannter Faktor im Spiel sein. Ich habe mich an den guten Bourget erinnert, als ich die Kritiken der Berliner Tageszeitungen über das Machwerk des Herrn Jarno las. Deshalb ging ich von ihm aus. Ich sagte mir, so wird ein Dramatiker, der danach fragt: wie soll ich dichten, damit ich der Menge gefalle? Nun, es ist genug. Ich denke: kein Künstler kann so denken, wie Paul Bourget es von dem Theaterdichter fordert. Oder es gibt unter den Theaterdichtern keine Künstler. Was würden Schiller, Shakespeare und so weiter dazu sagen?