- Zusammenfassung der durchgeführten Untersuchungen und technisch-wirtschaftliche Bewertung der Verfahrenstechnik -

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Transkript:

PFI Planungsgemeinschaft Hannover Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik Leibniz Universität Hannover Institut für Siedlungswasserwirtschaft Technische Universität Braunschweig Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der Kläranlage Gifhorn Abschlussbericht - Zusammenfassung der durchgeführten Untersuchungen und technisch-wirtschaftliche Bewertung der Verfahrenstechnik - September 2012

Verfasser des Berichts: PFI Planungsgemeinschaft Hannover Dipl.-Ing. Oliver Hermanussen Prof. Dr.-Ing. Johannes Müller-Schaper PFI Planungsgemeinschaft Karl-Imhoff-Weg 4 30165 Hannover E-Mail: mueller-schaper@pfi.de, hermanussen@pfi.de Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik Leibniz Universität Hannover Dipl.-Ing. Emma Haun Dr.-Ing. Dirk Weichgrebe Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Rosenwinkel Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität Hannover Welfengarten 1 30167 Hannover E-Mail: weichgrebe@isah.uni-hannover.de Institut für Siedlungswasserwirtschaft Technische Universität Braunschweig Dr.-Ing. Timur Esemen Prof. Dr.-Ing. Thomas Dockhorn Prof. Dr.-Ing. Norbert Dichtl Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig Pockelsstr. 2a 38106 Braunschweig E-Mail: t.dockhorn@tu-bs.de

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... 1 1 Einleitung... 3 2 Die Seaborne-Technologie auf der Kläranlage Gifhorn... 6 2.1 Die Verfahrenstechnik der Seaborne-Anlage... 7 2.2 RoHM-Modul... 9 2.2.1 Extraktion... 10 2.2.2 Schwermetallfällung... 10 2.3 NRS Module... 11 2.3.1 NRS 1 Nährstoffrückgewinnung durch chemische Fällung... 11 2.3.2 NRS 2 Stickstoffrückgewinnung durch NH 3 -Strippung... 12 3 Während der wissenschaftlichen Begleitung gesammelte Betriebsdaten und erfahrungen... 13 3.1 Beschreibung des Anlagenbetriebs... 14 3.2 Auswertung der Betriebsdaten... 19 3.3 Analyse des erzeugten Fällprodukts... 23 4 Betriebsbegleitende Laboruntersuchungen... 26 4.1 Untersuchung der Anlagentechnik... 26 4.1.1 Rücklösung in der Extraktionsstufe... 26 4.1.2 Säureverbrauch in der Extraktion... 28 4.1.3 Fazit der Versuche zur Untersuchung der Anlagentechnik... 29 4.2 Untersuchungen zur technischen Optimierung der Anlagentechnik... 30 4.2.1 Sulfidische Eisenfixierung... 30 4.2.2 Untersuchung der Ablagerungen Im Stripper... 37 5 Großtechnische Umsetzung von entwickelten Optimierungsmaßnahmen... 43 5.1 Probebetrieb zur Untersuchung der Umsetzbarkeit der geplanten Optimierungsmaßnahmen... 44 5.2 Dauerbetrieb und Untersuchung der modifizierten Verfahrenstechnik... 48 5.2.1 Betriebsmittel und -daten... 49 5.2.2 Auswertung der Untersuchungsergebnisse... 51 5.2.3 Bilanzierung der Prozessstufen... 57 5.3 Einfluss der Anlagenmodifizierung auf die Prozessströme der Kläranlage... 62 5.3.1 Messprogramm für den Abwasserpfad der Kläranlage Gifhorn... 62 5.3.2 Auswertung der Ergebnisse... 64 5.4 Wirtschaftlichkeitsanalyse der modifizierten Verfahrensweise... 74 5.4.1 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung... 74 1

5.4.2 Betriebskosten... 75 5.4.3 Investitions- und Kapitalkosten... 77 5.4.4 Unterhaltungs- und Wartungskosten... 78 5.4.5 Erlöse und Einsparungen... 79 5.4.6 Gesamtwirtschaftlichkeit... 80 6 Zusammenfassung... 82 7 Literatur... 84 8 Verzeichnis der Berichte... 85 9 Verzeichnis der Publikationen im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Seaborne-Verfahrens... 86 10 Anhang... 89 2

1 Einleitung Auf der Kläranlage Gifhorn wurde erstmalig eine großtechnische Anlage zum Ausschleusen von Schadstoffen und gezielter Rückgewinnung von Nährstoffen aus Klärschlamm in Betrieb genommen. Das unter dem Namen Seaborne installierte Verfahren stellt einen alternativen Behandlungs- und Verwertungspfad für Klärschlämme an Stelle der bekannten Wege der Klärschlammentsorgung dar. Mithilfe dieser Technologie sollen Nährstoffe aus dem Klärschlamm in Form von vermarktbaren Dünger-Produkten recycelt werden. Die installierte Verfahrenstechnik hat eine Schwermetallausschleusung einerseits sowie primär die Rückgewinnung der Wertstoffe Stickstoff und Phosphor zum Ziel. In drei verschiedenen Prozessstufen werden aus dem Klärschlamm zunächst Nähr- und Schadstoffe remobilisiert, Schadstoffe ausgefällt und anschließend mittels Nährstofffällung Magnesiumammoniumphosphat und in einer zweiten Nährstoff- Recycling-Stufe in einem Stripper Diammoniumsulfat zurückgewonnen. Das primäre Ziel der Implementierung des Seaborne-Verfahrens auf der Kläranlage Gifhorn war die Untersuchung der großtechnischen Eignung der von der Firma Seaborne im halbtechnischen Maßstab entwickelten Verfahrenstechnik. Das gesamte Vorhaben wurde von der PFI Planungsgemeinschaft Hannover, dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig und dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität Hannover wissenschaftlich begleitet. Nach der Grundlagenermittlung in der Projektphase 0 wurde in der Phase 1 eine intensive Messphase vor Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage zur Bilanzierung der Prozessströme der Kläranlage durchgeführt. Es wurden Analysen aller Stoffströme vorgenommen und Bilanzen der Parameter Kohlenstoff, Stickstoff sowie Phosphor erstellt. Zudem wurden einmalig ausgewählte Kennwerte der Schlammbeschaffenheit (Partikelgrößenverteilung, Zetapotential, Polymerbedarf), eine Analyse von anorganischen und organischen Schadstoffen aller Ströme sowie eine mikroskopische Untersuchung vom Belebt- und Faulschlamm vorgenommen, um hiermit den Anlagenbetrieb zu erfassen und mit späteren Betriebszuständen der Gesamtanlage vergleichen zu können. In Phase 2 wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Anlage die einzelnen Prozessstufen bei unterschiedlichen ph-werten in Bezug auf ihre Funktionalität untersucht. Der gezielte dauerhaft stabile Betriebszustand, in dem alle Anlagenteile gleichzeitig in Betrieb genommen werden konnten, war aufgrund von unterschiedlichen Betriebsstörungen in dieser Projektphase nur zeitweise möglich. Unterschiedliche Prozessstufen mussten modifiziert und angepasst werden. Daher unterscheidet sich die auf der Kläranlage Gifhorn errichtete Seaborne-Anlage in einigen Merkmalen von dem ursprünglich unter dem Namen Seaborne-Technologie bekannt gewordenen Verfahren. Nach wie vor basiert das Konzept der Klärschlammaufbereitung auf den Modulen 3

RoHM (Removal of Heavy Metal) und NRS (Nitrogen Recycling System), doch einige Module sowie diverse Verknüpfungen unter den einzelnen Modulen wurden modifiziert bzw. ausgetauscht. Die in Phase 2 durchgeführten Untersuchungen konzentrierten sich auf die Bewertung der modifizierten Anlagenteile sowie die Ursachenuntersuchung verschiedener Störungen im Betriebsablauf. Um die optimalen Randbedingungen für die einzelnen Verfahrensschritte zu ermitteln, wurden ergänzende Laborversuche durchgeführt. Untersucht wurden u.a. die Schwermetalllöslichkeit bei unterschiedlichen ph-werten, die Reaktionsdauer bei der Schwermetallfällung sowie die Zugabe unterschiedlicher Mengen an H 2 O 2 zur Oxidation organischer Bestandteile, die als Träger für Schwermetalle dienen. Zur Bestimmung der Randbedingungen (ph-wert, Schlammanfall) des Schwermetallfällungsprozesses sowie zur Ermittlung des Einflusses der Natriumsulfiddosierung auf andere Parameter (P, N, CSB) wurden begleitende Untersuchungen im Labormaßstab durchgeführt. Desweiteren wurden Laborversuche durchgeführt mit dem Ziel der Fixierung der gelösten Eisenionen, welche während der Extraktionsstufe zusammen mit den Nährstoffen remobilisiert werden und durch Ausfällung in der Nährstofffällungsstufe die Fällproduktqualität negativ beeinträchtigen. Die Effizienz der MAP-Fällung in der NRS 1 Stufe wurde ebenfalls überwacht. Hierbei erfolgte mehrfach eine Untersuchung des dort gewonnenen Fällprodukts. Ableitend aus diesen Ergebnissen wurden Möglichkeiten zur Optimierung der Verfahrenstechnik und Verbesserung der Fällproduktqualität im Hinblick auf eine landwirtschaftliche Verwertung ausgearbeitet. Aus den Erkenntnissen der Laborversuche in der Phase 2 wurde schließlich eine modifizierte Betriebsweise entwickelt, welche zu einem dauerhaften und stabilen Betrieb der Anlage führen sollte. Die im Labormaßstab entwickelte Verfahrensweise wurde in Phase 3 auf die Großtechnik übertragen und wissenschaftlich-technisch untersucht. Unmittelbar vor der Umsetzung der neuen Verfahrensweise wurde zunächst eine Erfassung des Ist-Zustandes der Kläranlage vorgenommen. Um die durch die Modifizierung hervorgerufenen Veränderungen quantifizieren zu können, wurden die Prozessströme der Kläranlage nach Umsetzung der Optimierungsmaßnahme erneut untersucht. In diesem Abschlussbericht wird der wissenschaftlich begleitete Betrieb der Seaborne- Anlage erläutert und die dabei gesammelten Betriebserfahrungen dokumentiert. Die zur Anlagenoptimierung und Verfahrensuntersuchung durchgeführten Labor- und großtechnischen Versuche werden zusammengefasst und die zuletzt auf der Anlage umgesetzte Verfahrenstechnik vorgestellt. Zudem wird die Betriebsweise, die zu einem dauerhaften und stabilen Betrieb führte, anhand der Ergebnisse einer mehrwöchigen Intensivmessphase und durchgeführten Wirtschaftlichkeitsanalysen technisch-wirtschaftlich bewertet. Die Auswirkungen der endgültigen Verfahrenstechnik auf den Betrieb der Kläranlage werden ebenfalls diskutiert. Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse der Phasen Phase 0, Phase 1 und Phase 2 finden sich in den entsprechenden Einzelberichten (sie- 4

he Verzeichnis der Berichte). Die Ergebnisse wurden in zahlreichen Publikationen verbreitet (siehe Verzeichnis der Publikationen) und waren Basis mehrerer Promotionsarbeiten an den beteiligten Universitäten. 5

2 Die Seaborne-Technologie auf der Kläranlage Gifhorn Die Seaborne-Anlage befindet sich auf der Kläranlage Gifhorn, welche aus einer mechanischen und anschließenden biologischen Reinigungsstufe (Belebtschlammverfahren) besteht und auf 50.000 EW ausgelegt ist (vgl. Abb. 2-1). Die Kläranlage verfügt über Nitrifikations- sowie simultane Denitrifikationsstufen und ist für die Phosphorelimination mit einer Bio-P-Anlage ausgestattet. Mittels Eisenchloridsulfat wird neben der biologischen Phosphoreliminierung eine simultane Phosphorfällung durchgeführt. Die auf der Anlage anfallenden Primär- und Überschussschlämme werden nach der Eindickung zusammen in einer anaeroben Stabilisierungsanlage im mesophilen Temperaturbereich ausgefault. Der Faulung werden als Co-Substrate Fette aus Fleischereibetrieben der Region zugeführt (ca. 30 m 3 /d). Täglich fallen auf der Kläranlage ca. 120 m 3 Faulschlamm an, welcher vollständig der Seaborne-Anlage zugeführt wird. Abb. 2-1: Aufbau der Kläranlage Gifhorn [2] Das Verfahrensschema der Schlammbehandlung der Kläranlage Gifhorn ist in Abb. 2-2 dargestellt. Der Überschussschlamm wird auf einer Siebbandpresse (Twinbelt II) eingedickt und anschließend mit dem Primärschlamm, der aus dem Vorklärbecken in einen Pumpensumpf und von dort über Pumpen weitergeleitet wird, vermischt. Dieses Primärschlamm-Überschussschlamm-Gemisch wird in den Faulturm (V = 1800 m³) gefördert und bei einer Temperatur von 35 C über ca. 21 d ausgefault. Die Durchmischung im Faulturm wird über eine extern angeordnete Umwälzanlage gesichert. Vor der Installation der Seaborne-Anlage wurde der ausgefaulte Faulschlamm in einen 500 m³ großen Zwischenspeicher gefördert und anschließend auf einer Siebbandpresse (Twinbelt 6

Prozesswasse r Rohschlamm th. Energ. Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht I) entwässert. Der eingedickte Faulschlamm wurde in einen Schlammspeicher gepumpt und von dort zur landwirtschaftlichen Verwertung abgegeben. Seit 2006 wird der Faulschlamm der installierten Seaborne-Anlage zugeführt und vollständig dort behandelt. Die Fette aus Sand-/Fettfang, sowie Fette aus einer Wurstwarenfabrik werden in einer separaten Fettannahmestation zwischengespeichert und dosiert der Faulung zugeführt. Das bei der anaeroben Faulung entstehende Faulgas wird nach einem Gasfilter einem Faulgasspeicher zugeführt und anschließend energetisch in einem BHKW verwertet. Überschüssiges Faulgas kann über eine Fackel verbrannt werden. Primärschlamm Überschussschlamm maschinelle ÜSS-Eindickung chem./therm.- Zellaufschluss Anaerobstufe Klärgas Blockheizkraftwerke el. Energie Fette Fettannahme- Station Thermalölanlage th. Energ. Fremdfette Extraktion Dickschlamm Trocknung Verbrennung Asche Schwermetallfällung Metallsulfidschlamm Brüdenkondensation Einstellung Kläranlage Äquivalenz- Nährstofffällung 1 Fester mineralischer Dünger (MAP) Magnesium-Ammonium-Phospat Alkalisierung Calciumfällung CaC03 + Rest-MAP Nährstofffällung 2 Flüssigdünger (DAS) Di-Ammonium-Sulfat Kläranlage Abb. 2-2: Verfahrensschema der Klärschlammbehandlung auf der KA Gifhorn [2] Die auf der Kläranlage Gifhorn installierte Verfahrenstechnik zum Nährstoffrecycling wurde ursprünglich von der Firma Seaborne entwickelt, jedoch während der Planungsund Bauphase sowie nach Inbetriebnahme der Anlage mehrmals in ihrer Funktionsweise verändert. Trotz der Abweichungen von der als Pilotanlage in Owschlag (Firmenstandort Seaborne) gebauten Verfahrensweise wird im Folgenden die in Gifhorn installierte Anlage weiterhin als Seaborne-Anlage bezeichnet. 2.1 Die Verfahrenstechnik der Seaborne-Anlage Die Verfahrenstechnik der Seaborne-Anlage sieht vor, dass aus dem ausgefaulten Klärschlamm in vier verschiedenen Prozessstufen zunächst die Schadstoffe entfernt 7

und anschließend die Nährstoffe mittels MAP-Fällung sowie Ammoniakstrippung zurückzugewonnen werden. Die Anlage besteht aus folgenden Komponenten: Extraktionsstufe: Rücklösung der festen mineralischen Schlamminhaltsstoffe durch Ansäuerung, anschließende Fest/Flüssig-Trennung durch eine Zentrifuge Schwermetallfällung: Anhebung des ph-wertes und sulfidische Fällung der Schwermetalle, anschließende Fest/Flüssig-Trennung durch einen Filter Nährstoffrückgewinnungsstufe 1 (NRS 1): MAP-Fällung durch Anhebung des ph- Wertes und Mg-Zugabe, anschließende Fest/Flüssig-Trennung (Zentrifuge) Nährstoffrückgewinnungsstufe 2 (NRS 2): Ammoniakstrippung und saure Wäsche zur Rückgewinnung des Ammoniakgases als Diammoniumsulfat Abb. 2-4 stellt die installierte Verfahrenstechnik der Seaborne-Anlage in Gifhorn schematisch dar. Ausgefaulter Klärschlamm RoHM N 2 S (alternativ Biogas) NRS 1 Extraktion Schwermetall-Fällung Nährstoff-Fällung Synthese N-P-Dünger Feststoff pelletiert zur Verbrennung (ggf. Biogas (entschwefelt) Metallsulfide abgetrennt Düngerprodukt (fest) NRS 2 Synthese N-Dünger Düngerprodukt (flüssig) Ablauf zur Kläranlage Abb. 2-3: Verfahrenskonzept der Seaborne-Anlage Der Faulschlamm wird in der Seaborne-Anlage in der ersten Prozessstufe (Extraktion) mittels Schwefelsäure angesäuert. Die Ansäuerung findet in luftdicht verschlossenen Edelstahlbehältern statt, welche jeweils ein Volumen von 16 m 3 aufweisen. Um das gasförmige, während der chemischen Reaktionen entstehende Kohlendioxid und ggf. Ammoniak auffangen zu können, verfügen alle Behälter der Seaborne-Anlage über eigene Abzugseinrichtungen. Die Schwefelsäuredosierung wird über ein Online-pH- Messgerät reguliert, welches mit einer am unteren Drittel des Behälters installierten ph- Sonde verbunden ist. Die 96%ige Schwefelsäurelösung wird dem Behälter solange zugeführt, bis die Sonde den Ziel-pH-Wert anzeigt. Während der Säurezugabe wird der Faulschlamm ständig mit Hilfe eines Rührwerks gemischt. Die saure Extraktion führt dabei zur Rücklösung der im Klärschlamm gebundenen Nährstoffe und Metalle. Anschließend sieht die Verfahrenstechnik die Ausfällung der Schwermetalle mittels Natri- 8

umsulfidzugabe vor. Nach der Schwermetallfällung sollen gelöste Phosphor- und Stickstoffverbindungen vollständig zurückgewonnen werden. Dazu wird zunächst eine MAP- Fällung (bei ph 9) mittels Magnesiumhydroxidzugabe und anschließend eine Ammoniakstrippung (bei ph 11) verbunden mit einer sauren Wäsche des Ammoniakgases (in Schwefelsäure) durchgeführt. Zur Einstellung des jeweils erforderlichen ph-wertes wird in allen Stufen Natronlauge verwendet. Die Recyclingprodukte der Seaborne-Anlage sind Magnesiumammoniumphosphat und Diammoniumsulfat. Ein Fließbild des Seaborne Verfahrens ist in Abb. 2-4 dargestellt. Im Folgenden werden die einzelnen Verfahrensstufen der Seaborne-Anlage näher erläutert. Abb. 2-4: Schematische Darstellung der Verfahrenstechnik der Seaborne Anlage 2.2 RoHM-Modul Das RoHM-Modul, dargestellt in Abb. 2-5, besteht aus der Extraktion, einer Fest- /Flüssigtrennung und der eigentlichen Schwermetallfällung mit Natriumsulfid. 9

Abb. 2-5: Fließschema der RoHM-Stufe. 2.2.1 Extraktion Während der Extraktion soll durch Zugabe von Schwefelsäure (H 2 SO 4 ) der ph-wert im Faulschlamm auf ca. ph 3 ggf. auch ph 2, abgesenkt werden, so dass vor allem anorganische komplexe Verbindungen aufgelöst und dadurch gebundene Nährstoffionen und zusätzlich Schwermetallionen freigesetzt werden. Die nicht säurelösbaren Feststoffe setzen sich vorwiegend aus organischen Bestandteilen zusammen und werden anschließend durch Zentrifugen abgetrennt. Der Verfahrensschritt der Extraktion besteht aus 4 parallel betriebenen Reaktoren, die mit Rührwerken ausgestattet sind. Ein Behandlungszyklus setzt sich aus dem Füllen eines Behälters (40 min), der Extraktions-Reaktion (4 Std.) und dem Leeren des Behälters (50 min) zusammen. Ein weiterer Behälter dient als Vorlage für die Zentrifugen zur Feststoffabtrennung für die zwei Dekanter des Typs Z4E-4 (HTS) der Firma Flottweg mit einer Durchsatzleistung von jeweils 15 bis 30 m³/h. Zur Unterstützung der Fest- /Flüssigtrennung wird dem angesäuerten Faulschlamm ein Flockungshilfsmittel hinzugegeben. 2.2.2 Schwermetallfällung Im Zentrat der Extraktionsstufe (Ablauf Extraktion) liegen die zuvor extrahierten Nährstoff- und Schwermetallionen in gelöster Form vor. Für die Gewinnung eines marktfähigen Pflanzendüngers ist es jedoch essentiell, zunächst die Schwermetalle zu entfernen. Dies erfolgt über eine Fällungsreaktion zu schwerlöslichen Schwermetall- 10

sulfiden. Hierzu wird in das Zentratwasser zunächst Natronlauge zur ph-wert Anhebung dosiert. Bei einem ph-wert von ph 4,5 werden mit einer Natriumsulfiddosierung (Na 2 S) die im Zentratwasserstrom enthaltenen Schwermetalle als Metallsulfide ausgefällt. Die Trennung der ausgefällten Schwermetalle erfolgt nach Flockungshilfsmittelzugabe über einen Leiblein-Filterfließapparat von 40 µm Porengröße. Der auf diese Weise von Schwermetallen befreite Zentratwasserstrom gelangt als nächstes in die Nährstofffällung. 2.3 NRS Module Das NRS-Modul besteht insgesamt aus zwei verschiedenen Verfahren, die zur Nährstoffrückgewinnung eingesetzt werden. Zunächst wird der gesamte Phosphor und ein Teil des Stickstoffs als Magnesiumammoniumphosphat (MAP) aus dem Zentratwasser gefällt. Eine Zentrifuge trennt das MAP-Fällprodukt vom Zentratwasserstrom. In einem zweiten Schritt wird überschüssiger Stickstoff gezielt über eine Strippung aus dem Strom entfernt. Das so um Nährstoffe und Schwermetalle abgereicherte Zentratwasser wird dem Zulauf zur Kläranlage beigemischt. Abb. 2-6: Fließschema der NRS-Stufe. 2.3.1 NRS 1 Nährstoffrückgewinnung durch chemische Fällung In der NRS-1-Stufe wird das Prozesswasser aus der vorangegangenen RoHM-Stufe über Wärmetauscher auf eine Temperatur von 30 bis 35 C erwärmt. In der Äquivalenzeinstellung (AEE) als ersten Schritt der NRS 1-Stufe wird Magnesium in Form von Magnesiumhydroxid zudosiert. Ziel ist es, ein gleiches Molverhältnis von Magnesium- und 11

Phosphationen einzustellen, so dass diese in Verbindung mit dem im Überschuss vorhandenen Ammonium als Magnesium-Ammonium-Phosphat ausfallen. Hierzu ist die Einstellung eines zur MAP-Fällung geeigneten ph-wertes erforderlich. Zunächst bewirkt die Dosierung von Magnesiumhydroxid eine Anhebung des ph-wertes. In einem zweiten Reaktor wird der ph-wert auf ph 9 angehoben. Abb. 2-7: Verfahrensschritt NRS 1 der Nährstoffrückgewinnung durch chemische Fällung Mit Erreichen des angestrebten ph-wertes (ph 9) wird das Prozesswasser in den anschließenden Zwischenspeicher umgepumpt. Das eingebaute Rührwerk sorgt dafür, dass ausgefällte Phosphatverbindungen in Schwebe gehalten werden. Aus dem Speicher- bzw. Vorlagebehälter wird der nachfolgende Dekanter beaufschlagt. Durch eine Zentrifuge des gleichen Typs, wie sie auch für die Separation der Feststoffe nach der Extraktion eingesetzt wird, erfolgt die Abtrennung des Fällproduktes. Dieses wird über ein Förderband in einen Container transportiert. 2.3.2 NRS 2 Stickstoffrückgewinnung durch NH 3 -Strippung Nach der Schwermetallfällung und der MAP-Fällung verbleibt ein Zentratwasser in dem Ammonium, das nicht zur MAP-Reaktion benötigt wurde, gelöst ist. Um den noch vorhandenen Stickstoff als Nährstoff zurückzugewinnen, wird dieses im NRS 2-Prozess weiter behandelt. Aus einem Vorlagebehälter wird die Ammoniakstrippung kontinuierlich beschickt. Zunächst wird das in Wasser gut lösliche Ammonium in das vergleichsweise leicht flüchtige Gas Ammoniak umgewandelt. Anschließend wird dieses durch Belüftung aus dem Wasser ausgetrieben und anschließend chemisch gebunden. Dies erfolgt über eine Strippkolonne, die mit einer Schüttung aus Polypropylen-Ringen gefüllt ist. Sie bestehend aus einer Desorptions- und einer Absorptionskolonne. Vor Eintritt in die Kolonne wird das Prozesswasser mittels Wärmetauscher auf etwa 55 C erwärmt. Weiterhin wird der ph-wert durch die Dosierung von Natronlauge auf 12

10,5 bis 11 erhöht, wobei die Zugabe der Lauge ph-wert abhängig erfolgt. Dadurch wird das Dissoziationsgleichgewicht soweit verschoben, dass Ammoniak nahezu vollständig als Gas vorliegt und mittels Wäsche herausgefiltert werden kann. Das derart vorbereitete Prozesswasser wird am Kopf der Strippkolonne zugeführt. Wasserdampfgesättigte Luft (10.000 m³/h) wird im Gegenstrom zur Flüssigkeit durch die Desorptionskolonne geleitet und nimmt dabei das ausgetriebene leichtflüchtige Ammoniak auf. Abb. 2-8: Verfahrensschritt NRS 2 - Stickstoffrückgewinnung durch NH 3 -Strippung Die ammoniakhaltige Luft tritt am Kopf der Desorptionskolonne aus und wird in die folgende Absorption gegeben. Zur Rückgewinnung der noch vorhandenen Wärme wird mittels Wärmetauscher ein Teil auf den Stripperzulauf übertragen. In der Absorptionskolonne nimmt eine Waschlösung aus Schwefelsäure (H 2 SO 4 ) das in der Luft enthaltene Ammoniak auf. Etwa 10 m³ Waschlösung werden dafür bei einem ph-wert von ca. 2 im Kreislauf geführt. Es bildet sich eine Diammoniumsulfatlösung ((NH 4 ) 2 SO 4 ), die im Sumpf der Absorptionskolonne abgezogen als Dünger verwendet werden kann. 3 Während der wissenschaftlichen Begleitung gesammelte Betriebsdaten und erfahrungen Aus verschiedenen wirtschaftlichen, technischen und betrieblichen Gründen musste die ursprünglich geplante Verfahrenstechnik der Seaborne-Anlage während der nachfolgend erläuterten Betriebsphase teilweise angepasst und verändert werden. Insbesondere aufgrund des hohen Betriebsmitteleinsatzes, aber auch einiger technischer Anforderungen wurden die einzelnen Anlagenstufen jeweils an die entsprechenden Randbedingungen vor Ort angepasst. Im Folgenden werden die im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung dieser Technologie aufgenommenen Betriebsdaten (08.12.2008 bis 13

10.03.2010) ausgewertet und die auf der Anlage vorgenommenen Veränderungen erläutert. Viele der im Folgenden dargestellten Untersuchungen wurden im Rahmen der Dissertationsarbeit von Herrn Esemen vorgenommen und sind ebenfalls in seiner Dissertationsschrift zu finden [3]. 3.1 Beschreibung des Anlagenbetriebs Faulschlammansäuerung und -entwässerung Die ursprünglich geplante Ansäuerung des Faulschlamms auf ph 2 führte neben erhöhtem Säureverbrauch zu Problemen während der Fest/Flüssig-Trennung durch die installierte Zentrifuge. Bei diesem niedrigen ph-wert konnte mit dem anfangs vorgesehenen Flockungshilfsmittel keine effektive Fest/Flüssig-Trennung durchgeführt werden. Nach verschiedenen Versuchsreihen mit unterschiedlichen Flockungsmitteln wurde schließlich eine gute Abtrennung bis zu ph 3 gewährleistet (Polymerverbrauch: 14 gws/kg TR). Außerdem wurde festgestellt, dass für eine effektive Feststoffabscheidung bei ph- Werten unterhalb ph 3 eine duale Flockung erforderlich war. Der ph-wert für die Ansäuerung des Faulschlamms in der Extraktionsstufe wurde aufgrund des hohen Säureverbrauchs sowie der schlechten Entwässerbarkeit im Laufe des Betriebs sukzessive erhöht und lag im Betrachtungszeitraum (2008 bis 2010) im Mittel zwischen ph 5 und ph 5,5. Bei diesen ph-werten lag der Polymerverbrauch für unterschiedliche Flockungshilfsmittel (RF 1208 A, RF E 84 F, RF 800) zwischen 18 und 20 g WS/kg TR. Der TR-Gehalt des untersuchten Faulschlamms betrug im Mittel 1,6 % und der Glühverlust 59 %. Durch die Entwässerung wurde im Mittel ein TR-Gehalt von 23 % erreicht. Zwischen dem angesäuerten und nicht angesäuerten Faulschlamm konnte in Bezug auf den erforderlichen Polymereinsatz kein wesentlicher Unterschied festgestellt werden. Calcium und Magnesiumkonzentrationen in den einzelnen Prozessstufen Calcium- und Magnesiumionen ließen sich während der Extraktion, im Vergleich zu den anderen Komponenten, wesentlich leichter in Lösung bringen. Auf der Anlage durchgeführte Analysen haben ergeben, dass diese Mineralien bereits bei geringer Ansäuerung des Klärschlamms größtenteils in Lösung gegangen sind, wobei die Calciumkonzentration im Ablauf der Extraktionsstufe mit ca. 310 mg/l (Mittelwert) deutlich höher lag als die Magnesiumkonzentration mit ca. 55 mg/l. Die in Abb. 3-1 dargestellten Magnesiumund Calciumkonzentrationen wurden zwischen dem 08.12.2008 und dem 10.03.2010 im Ablauf der Extraktionsstufe ermittelt. 14

mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 500 450 400 Calciumkonzentration Magnesiumkonzentration 350 300 250 200 150 100 50 0 Abb. 3-1: Magnesium- und Calciumkonzentrationen im Ablauf der Extraktionsstufe [3] Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass neben Magnesium auch gelöste Calciumionen während der Nährstofffällung mit Phosphationen reagierten und größtenteils als Calciumphosphat ausfielen. Die gelöste Phosphorkonzentration in dieser Prozessstufe war allerdings nicht ausreichend, um Calciumionen vollständig zu fällen. Durchgeführte Analysen belegten, dass sich daher im Ablauf dieser Verfahrensstufe im Mittel eine Calciumkonzentration von ca. 92 mg/l nachweisen ließ (Abb. 3-2). Ein Verzicht auf die Magnesiumdosierung hätte die Calciummenge, die ausgefällt wurde, weiter erhöht. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, dass statt MAP nur noch Calciumphosphat als Recyclingprodukt zurückgewonnen würde. Dies kam nicht in Betracht, da die MAP-Bildung das Entwässerungsverhalten des entstandenen Fällprodukts signifikant verbesserte. Dies ist vermutlich auf die ausgeprägte kristalline Struktur des MAP zurückzuführen. Scheinbar führen Calciumphosphatausfällungen unter diesen Betriebsbedingungen überwiegend zu amorphen und somit für eine Zentrifuge schlechter abscheidbaren Strukturen. Parallel zu den erhöhten Calciumkonzentrationen im Ablauf der Nährstoffrückgewinnungsstufe wurde festgestellt, dass die Anzahl der erforderlichen Spülungen der Stripperkolonnen im Laufe der Zeit rapide zunahm. Die Strippanlage musste schließlich außer Betrieb genommen werden, da sie vollständig verblockt war. Dies wurde durch weiße Verkrustungen am Kopf des Strippers sowie auf den Füllkörpern hervorgerufen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Seaborne-Technologie wurden Untersuchungen zu möglichen Ursachen durchgeführt. Identifiziert wurden die Ablagerungen, die sich in der Stripperkolonne bildeten und zu einer vollständigen Verblockung führten, als Carbonate der überschüssigen Calciumionen. Diese sind durch die prozessbedingt weitere Erhöhung des ph-wertes während des Strippvorgangs in Form von Calci- 15

mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht umcarbonat ausgefallen. Bei einer Überdosierung des Magnesiums während der MAP- Fällung waren auch Magnesiumcarbonatausfällungen zu beobachten. 200 175 150 Calciumkonzentration Magnesiumkonzentration 125 100 75 50 25 0 Abb. 3-2: Magnesium- und Calciumkonzentrationen im Ablauf der Nährstofffällung [3] Entwässerung nach der Schwermetallfällung Neben der Strippanlage konnte ebenfalls die Schwermetallfällung nicht auf Dauer betrieben werden. Die Probleme dieser Verfahrensstufe traten überwiegend während der Fest/Flüssig-Trennung auf. Die installierte Filteranlage war offensichtlich für die Trennung der sehr feinen Metallsulfide, die während dieser Prozessstufe entstehen, nicht geeignet. Während die Filter sehr schnell mit Feststoffen belegt waren und sehr häufig ersetzt werden mussten, waren sie gleichzeitig nicht ausreichend fein und konnten die Metallsulfide nicht vollständig von dem Prozessstrom trennen. Abb. 3-3 zeigt die während des Betriebs der Anlage ermittelte mittlere Partikelgrößenverteilung dreier Proben, die dem Ablauf der Schwermetallfällung entnommen wurden. Etwa 80 % der Feststoffe wiesen in diesem Prozessstrom kleinere Partikelgrößen als 80 µm auf. Mutmaßlich konnten daher viele der feinen Feststoffpartikel nicht durch den Filter erfasst werden. Diese Sulfidverbindungen wurden dann vermutlich erst während der Fest/Flüssig- Trennung der MAP-Stufe durch die installierte Zentrifuge aus dem Prozessstrom getrennt. 16

Summe [%] Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 Partikelgröße [µm] Abb. 3-3: Partikelgrößenverteilung im Ablauf der Schwermetallfällung (Mittelwerte dreier Proben) [3] Eisenkonzentrationen in den Prozessströmen Wie bereits erläutert, wurde die Anlage aufgrund des hohen Chemikalienverbrauchs und der Probleme bei der Fest/Flüssig-Trennung statt bei ph 2, wie ursprünglich geplant, bei ph 5 (Anfangs-pH-Wert der Extraktion) betrieben. Bei dieser Betriebsweise verursachte der Ausfall der Schwermetallfällung keinen wesentlichen Nachteil, da die Schwermetalle bei ph 5 ohnehin nur in sehr geringen Mengen aus dem Faulschlamm rückgelöst wurden und daher auch im weiteren Anlagenabschnitt keine Verunreinigung der Fällprodukte bewirken konnten. Ein großer Nachteil dieser Verfahrensweise lag vielmehr darin, dass die Eisenionen, welche sich bei funktionierender Schwermetalltrennung aus dem Prozessstrom abtrennen ließen, weiterhin in gelöster Form vorlagen und während der Nährstofffällung unerwünschte Konkurrenten zu Magnesium- und Calciumionen darstellten (bezüglich der Phosphorfällung). Bevor die Schwermetallfällung außer Betrieb genommen wurde, konnte festgestellt werden, dass in dieser Stufe neben Schwermetallen auch Phosphationen ausgefällt wurden. Die unter anaeroben Bedingungen zweiwertigen Eisen(II)-Ionen wurden vermutlich im Anschluss der Extraktionsstufe während der Entwässerung teilweise zu Eisen(III) aufoxidiert. Bei der Schwermetallfällung wurde durch die Zugabe von Natronlauge und Natriumsulfid (das zudosierte Natriumsulfid reagiert ebenfalls basisch) der ph-wert erhöht. Infolgedessen reagierte das Eisen(III) mit Phosphor und fiel als Eisenphosphat aus. Zum Teil reagierte der Phosphor bei dem erhöhten ph-wert mutmaßlich auch mit Calcium und fiel in Form von Calciumphosphat ebenfalls während der Schwermetallfällung unerwünscht aus. Dadurch wurden in dieser Stufe signifikante Phosphorfrachten aus dem Prozessstrom getrennt, wodurch sie für die anschließende Rückgewinnung nicht mehr zur Verfügung standen. Auf diese Weise gingen ca. 30 bis 40 % des während der Extraktion remobilisierten Phosphors verloren. 17

Durch den Ausfall der Schwermetallfällung fand bei der veränderten Betriebsweise keine Ausschleusung des Eisens statt. Das während der Extraktion gelöste Eisen reagierte somit während der MAP-Fällung ebenfalls mit einem Teil der Phosphationen und fiel in Form von Eisenphosphat aus. Dies geschah simultan zu der Ausfällung der beiden anderen Fällprodukte Magnesiumammoniumphosphat und Calciumphosphat. Hinsichtlich der Düngewirksamkeit des hergestellten Recyclingprodukts wurde die Ausfällung des Eisens als eine Verunreinigung eingestuft. Die technischen Anforderungen, die zur Veränderung der ursprünglich geplanten Betriebsweise führten, können wie folgt zusammengefasst werden: Der Säureverbrauch zur Einstellung des ursprünglich vorgesehenen ph-wertes war signifikant hoch. Zusätzlich war ein hoher Laugeeinsatz zur Einstellung des ph-wertes für die Nährstoffrückgewinnung erforderlich. Der Faulschlamm ließ sich unter ph 3 sehr schwer entwässern. Während des Betriebs konnte kein geeignetes Flockungshilfsmittel gefunden werden, um die Anforderungen einer wirtschaftlichen und effektiven Fest/Flüssig-Trennung durch die installierte Zentrifuge zu erfüllen. Das zur Fest/Flüssig-Trennung nach der Schwermetallfällung installierte Filtersystem (Fließbandfilter mit maximaler Porenweite von 80 µm) war für die Trennung der sehr feinen Metallsulfide nicht geeignet. Zudem waren die Vliesfilter aufgrund der hohen Feststoffkonzentration sehr schnell belegt und mussten häufig ausgetauscht werden. Ein Teil des Phosphors fiel während der Schwermetallfällung überwiegend als Eisenphosphat aus und konnte nicht zurückgewonnen werden. Die insgesamt auf der Anlage für einen Dauerbetrieb erforderliche erste Veränderung der Betriebsweise ergab sich aus den oben genannten Erkenntnissen. In diesem Zusammenhang wurde der ph-wert der Extraktionsstufe von ph 2 auf ph 5 erhöht und die Schwermetallfällungsstufe außer Betrieb genommen. Durch den ersten veränderten Betriebszustand ergaben sich jedoch weitere Nachteile und eine erforderliche zweite Veränderung in der Betriebsweise. Die bei ph 5 betriebene Extraktion erlaubte maximal eine 35%ige Rücklösung und dementsprechend eine nur maximal 35%ige Rückgewinnung des Phosphors. Wegen der geringeren Phosphatrücklösung in der Extraktionsstufe fielen Calciumionen während der Nährstofffällung nicht vollständig aus. Im Ablauf dieser Stufe befanden sich erhebliche Calciumfrachten, welche anschließend ausfielen und die Strippanlage verblockten. Daraus resultierte die Abschaltung der Ammoniakstrippung. Die insgesamt durch die erläuterten, notwendigen Maßnahmen veränderte Betriebsweise ist in Abb. 3-4 dargestellt. 18

Faulschlamm H 2 SO 4 Extraktion Polymer ph 5 FFT Ablauf Extraktion (vor Polymerzugabe) Mg(OH) 2 Feststoffe nach Extraktion MAP-Fällung NaOH Rückführung zur KA Ablauf Seaborne Flüssigphase nach MAP-Fällung FFT Polymer ph 8,9 MAP + FePO 4 + Ca 3 (PO 4 ) 2 Ablauf MAP-Fällung (vor Polymerzugabe) Abb. 3-4: Veränderte Verfahrensweise der Seaborne-Anlage [3] 3.2 Auswertung der Betriebsdaten Die oben dargestellte Verfahrensweise konnte zwischen dem 08.12.2008 und dem 10.03.2010 mit Ausnahme einiger Ausfalltage im Dauerbetrieb eingehalten werden. In diesem Zeitraum wurden der Anlage regelmäßig Proben entnommen, welche auf die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff sowie auf die Härtebildner Magnesium und Calcium untersucht wurden. In Tab. 3.1 sind die Analyseergebnisse aus insgesamt 76 Messwerten zusammengefasst. Die angegebenen Werte sind Mittelwerte der analysierten Parameter. Im Mittel wurden der Seaborne-Anlage täglich 109,1 m 3 Faulschlamm mit einem Trockenrückstandsgehalt von 1,83 % zugeführt. Tab. 3.1: Phosphor, Stickstoff, Calcium- und Magnesiumkonzentrationen unterschiedlicher Prozessströme der Seaborne-Anlage [3] Prozessstrom ph PO 4 -P NH 4 -N Ca Mg [-] [mg/l] [mg/l] [mg/l] [mg/l] Zulauf 7,5 734,0* 1519,7 667,7 86,9 Ablauf Extraktion Ablauf Nährstofffällung 5,6 297,3* 623,2 307,4 55,3 9,0 20,0 584,2 92,3 30,1 Gefällte Menge in mmol/l 9,0 2,8 5,4 2,2** *Gesamtkonzentration im Faulschlamm, als P ges bzw. TKN gemessen **Zusätzliche Magnesiumdosierung: 2 Liter 53%ige Mg(OH) 2-Lösung auf 16 m 3 = 27,4 mg/l 19

Im Mittel wurde während der betrachteten Betriebsperiode der ph-wert des Faulschlamms in der Extraktionsstufe von ph 7,5 auf ph 5,6 gesenkt. Trotz eines relativ einheitlichen ph-wertes des Faulschlamms waren während der Extraktion starke Schwankungen innerhalb der erreichten ph-werte (nach der Ansäuerung) zu beobachten. Wie bereits erläutert, wurde dem Faulschlamm während der Extraktion Schwefelsäure zugegeben, bis die installierte ph-sonde den eingestellten ph-wert aufzeigte. Da die Dosierung der Säure am oberen Ende und die ph-wert-messung am unteren Ende der Behälter stattfanden, war eine gewisse Verzögerung zwischen der Säuredosierung und der ph-einstellung trotz intensiver Durchmischung unvermeidbar. Durch die Säurezugabe bildete sich auf dem Faulschlamm zudem eine Schaumschicht, welche zunächst einen Teil der zugegeben Säure daran hinderte, den eigentlich durchmischten Teil des Faulschlamms zu erreichen. Es wird vermutet, dass die ph-sonde teilweise den vorprogrammierten ph-wert zu spät registrierte und die Säuredosierung zeitverzögert beendet wurde. Ein Teil der vor der Unterbrechung zugegebenen Säuremenge reagierte erst nach dem Beenden der Säuredosierung mit Faulschlamm und so sank der ph-wert durch entsprechendes Vermischen weiter ab. Dies führte einerseits dazu, dass der angezeigte ph-wert nicht immer der zugeführten Säuremenge entsprach, andererseits waren durch diese Verzögerung der Regeltechnik Schwankungen bezüglich der erreichten ph-werte unvermeidbar. Abb. 3-5 zeigt den großtechnisch gemessenen Säureverbrauch in Korrelation zum erreichten ph-wert. Ein Vergleich mit dem im Labor ermittelten Säurebedarf zeigt, dass der großtechnische Säureverbrauch geringfügig höher als der unter Laborbedingungen lag. Bei den Laborversuchen wurde für ph 5 ein Säureverbrauch von ca. 4,9 kg/m 3 (H 2 SO 4 (96 %)) ermittelt. Bei der Gegenüberstellung der großtechnisch aufgezeichneten ph-werte und der entsprechenden Säureverbräuche wird für ph 5 im Mittel ein Säureverbrauch von 5,2 kg/m 3 ermittelt. In der betrachteten Periode betrug der Säureverbrauch der Anlage 4,63 kg/m 3 (Mittelwert). Neben dem leicht höheren Säureverbrauch sind allerdings die großtechnisch erreichten Rücklöseraten für Phosphor ebenfalls höher als die Laborwerte. Im Mittel konnten im Betrachtungszeitraum 41 % des Gesamtphosphors in Lösung gebracht werden. Für ph-werte oberhalb von ph 5 wurden unter Laborbedingungen maximale Rücklöseraten von 30 % erreicht. Dies könnte darauf hinweisen, dass auf der Anlage teilweise niedrigere ph-werte erreicht wurden als durch die installierte ph-sonde aufgezeichnet. Für eine Optimierung der Mess- und Regeltechnik wäre eine zwei- oder dreistufige Säuredosierung durchaus sinnvoll. So könnte die Säure chargenweise mit entsprechenden Reaktionszeiten zudosiert werden, um einheitliche und stabile ph-werte gewährleisten zu können. Die stufenweise Dosierung der Säure würde auch die Schaumbildung verringern. Der Schaum, der während der Ansäuerung des Schlamms entsteht, ist überwiegend auf die Kohlendioxidbildung zurückzuführen. Die plötzliche Absenkung des ph-wertes in einem Schritt führt zur Bildung der maximalen Kohlendioxidmenge in einem kurzen Zeitraum. Durch die zeit- 20

PO 4 -P mg/l ph Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht verzögerte Ansäuerung des Schlamms könnte das jeweils stufenweise entstehende Kohlendioxid effektiver durch die installierte Abzugsvorrichtung abgesaugt werden. 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 H 2 SO 4 -Verbrauch (96 %) [kg/m 3 ] Abb. 3-5: Schwefelsäureverbräuche und ph-werte während des Anlagenbetriebs [3] Abb. 3-6 stellt die im Ablauf der Extraktionsstufe und die im Anschluss der Nährstofffällung ermittelten Phosphorkonzentrationen für den gesamten Betrachtungszeitraum dar. Es wird deutlich, dass der gelöste Phosphoranteil nach Ansäuerung trotz schwankender Konzentrationen während der Nährstofffällung fast vollständig zurückgewonnen werden konnte. Diese Prozessstufe erreichte im Mittel eine Fällungsrate von 93,3 % und konnte bis auf wenige Ausfälle stabil und konstant betrieben werden. 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Ablauf Extraktion Ablauf Nährstofffällung Abb. 3-6: Phosphatkonzentrationen im Ablauf der Extraktion und der Nährstofffällung [3] 21

Aus den Daten, die während der Betriebsphase gesammelt wurden, wurden Massenbilanzen für die Stoffströme der einzelnen Stufen erstellt, die in Abb. 3-7 zusammengefasst sind. Während der Betriebsdatensammlung wurden an drei Stellen der Anlage, die in Abb. 3-7 gekennzeichnet sind, jeweils flüssige Proben entnommen und auf Phosphor, Stickstoff, Calcium und Magnesium untersucht. Die in den Massenbilanzen angegebenen Feststofffrachten wurden anhand dieser gelösten Konzentrationen kalkulatorisch bestimmt. Dabei sind für alle Parameter die Mittelwerte aus insgesamt 78 Analysen angegeben. Die Mengenangaben beziehen sich auf die jeweils aufgezeichneten, mittleren Durchflussmengen, die auf der Anlage ermittelt wurden. Die Ansäuerung des Faulschlamms fand im Betrachtungszeitraum im Mittel auf ph 5,6 statt. Bei diesem ph-wert befanden sich etwa 37 % des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors und 43 % des Calciums bzw. 59 % des Magnesiums in Lösung. Für Stickstoff lag der Anteil in der gelösten Phase bei ca. 50 %. Dieser lag jedoch vor der Ansäuerung des Faulschlamms in der gleichen Größenordnung bereits in der gelösten Phase vor. Q d : 109,1 m 3 /d TR: 1,83 % ph: 7,48 P: 80,2 N: 165,8 Ca: 72,8 Mg: 9,5 kg/d 1 2 3 : Probenahmestellen H 2 SO 4 (96 %) 508 kg/d fest Q = 8,3 m 3 /d TR: 23,6 % f/f-trennung P: 50,2 62,6 1 N: 103,0 62,1 100 % kg/d % ph: 5,59 Reaktionszeit für H 2 SO 4 : 1 h 2 flüssig ph: 5,59 Q d : 100,8 m 3 /d P: 30,0 N 62,8 Ca: 31,0 Mg: 5,6 kg/d Ca: 41,8 Mg: 3,9 37,4 37,9 42,6 58,9 % 57,4 41,1 NaOH (50 %) 246,4 kg/d Mg(OH) 2 (53 %) 13,6 kg Q d : 99 m 3 ph: 8,99 P: 2,0 N: 57,8 Ca: 9,1 Mg: 3,0 kg/d 2,5 34,9 12,5 31,4 % 3 flüssig f/f-trennung fest Q d : 1,8 m 3 TR: 24,2 % MAP + FeP + CaP P: 28,0 N: 5,0 Ca: 21,9 Mg: 5,6 kg/d 34,9 3,0 30,1 58,9 % Abb. 3-7: Auf der Seaborne Anlage bei angepasster Verfahrensweise ermittelte Massenbilanzen für relevante Nährstoffe (Extraktions-pH-Wert: ph 5,59) [3] 22

Die erstellte Massenbilanz belegt, dass durch die eingesetzte Recyclingtechnologie täglich im Mittel 28 kg Phosphor zurückgewonnen wurden. Dies entspricht ca. 35 % der insgesamt im Faulschlamm enthaltenen Gesamtmenge Phosphors. Neben Phosphor konnten täglich 21,9 kg Calcium und 5 kg Stickstoff ebenfalls aus dem Faulschlamm zurückgewonnen werden. Auf die erläuterten Betriebserfahrungen und ausgewerteten Betriebsdaten aufbauend wurden zur Erreichung eines dauerhaften Betriebs in allen Anlagenstufen unterschiedliche Optimierungsmaßnahmen in Laborversuchen untersucht. Schließlich konnte eine im Labormaßstab entwickelte Verfahrensweise auch großtechnisch umgesetzt werden. In Kapitel 6 werden zwei Intensivmessphasen vorgestellt und ausgewertet, die nach der Umsetzung der entwickelten Optimierungsmaßnahme durchgeführt wurden. Dabei wird auch das weitere Potenzial zur Nährstoffrückgewinnung der oben dargestellten Verfahrensweise deutlich gemacht. 3.3 Analyse des erzeugten Fällprodukts Die während der Nährstofffällung entstandenen Feststoffe wurden während der wissenschaftlichen Begleitung des Anlagenbetriebs regelmäßig auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass das Fällprodukt überwiegend aus Calcium-, Magnesium-, Phosphor-, Stickstoff- und Eisenverbindungen bestand (Tab. 3.2). Tab. 3.2: Inhaltsstoffe des Fällprodukts der Seaborne-Anlage [3] P Mg Al Fe N Ca Na [g/kg] [g/kg] [g/kg] [g/kg] [g/kg] [g/kg] [g/kg] 160,02 19,35 0,45 63,61 1,8 199,5 5,82 Das Fällprodukt der Seaborne-Anlage wurde außerdem im Rahmen eines BMELV- Forschungsprojekts 1 auf seine Pflanzenverfügbarkeit, sowohl im Vergleich zu herkömmlichen mineralischen Phosphatdüngemitteln als auch zu anderen ebenfalls aus Abwässern oder Klärschlämmen zurückgewonnen Phosphatdüngern, untersucht. Verglichen wurden ein reines MAP-Fällprodukt, das Fällprodukt der Seaborne-Anlage, drei Dünger aus Tiermehlprodukten und zwei thermochemisch aufbereitete Produkte aus Klärschlammaschen. Der durchgeführte Pflanzenversuch bestand dabei aus 3 Ernteperioden (Ernte 1 nach 16 Tagen, Ernte 2 nach 29 Tagen und Ernte 3 nach 43 Tagen). Diese modifizierte, kurzzeitige Neubauer und Schneider Methode sieht die Verwendung von Pflanzenwurzeln als Medium vor, um die Menge an pflanzenverfügbaren Boden- bzw. Düngernährstoffen zu bestimmen. Zusätzlich wurden für alle untersuchten Düngemittel die Löslichkeiten in Wasser und in unterschiedlichen Extraktionsmitteln bestimmt [4] [5]. 1 BMLEV-Forschungsprojekt Vereinheitlichung von Phosphatanalytik und -kennzeichnung bei Düngemitteln, durchgeführt vom Julius Kühn Institut [4] 23

Die Ergebnisse der Studie bezüglich des Fällprodukts aus der Seaborne-Anlage können wie folgt zusammengefasst werden: Die Löslichkeit des Fällprodukts (in Bezug auf Phosphor) im Wasser ist mit 0,4 % (in Prozent vom Gesamtphosphorgehalt (als P 2 O 5 ) der Probe) im Vergleich zu mineralischen Düngern (53 bis 96 %) deutlich geringer, jedoch vergleichbar mit anderen Phosphorrecyclingprodukten, deren Löslichkeiten zwischen 0,13 und 0,99 % liegen. Reines MAP weist mit 0,99 % im Vergleich zum Fällprodukt der Seaborne- Anlage eine höhere Wasserlöslichkeit auf. Die Löslichkeiten des Fällprodukts in Zitronensäure und im neutralen Ammoniumcitrat sind mit 84 bzw. 88 % höher als die der anderen Recyclingprodukte, jedoch niedriger als die des reinen MAP (100 bzw. 92 %). Das Seaborne- Fällprodukt erreichte mit 80 % im alkalischen Ammoniumcitrat die höchste Löslichkeit unter den Recyclingprodukten (4,8 bis 70 %) und lag in der gleichen Größenordnung der Löslichkeiten der Mineraldünger. Das Fällprodukt der Seaborne-Anlage erreichte mit 51% zusammen mit dem reinen MAP-Produkt (50%ige Phosphoraufnahme) die höchsten Werte für die Phosphoraufnahme durch Versuchspflanzen unter den Recyclingprodukten (40 bis 47 %). Insgesamt wiesen mineralische Phosphordünger höhere Netto-P-Aufnahmeraten (65 bis 92 %) als Recyclingprodukte auf. Mineralische Phosphordünger wiesen am Anfang der Pflanzenversuche deutlich höhere mittlere Netto-P-Aufnahmen auf als Recycling-Produkte. Allerdings wurde der Unterschied zwischen den beiden Produktgruppen mit voranschreitender Versuchsdauer immer geringer. Schließlich war die mittlere Netto-P-Aufnahme zwischen den Produkten in der letzten Erntephase (Ernte 3) nach 43 Tagen nahezu ausgeglichen. Basierend auf den Ergebnissen der Studie kann festgehalten werden, dass das auf der Seaborne-Anlage erzeugte Fällprodukt einen signifikanten, von der Testpflanze aufnehmbaren Phosphoranteil (51 %) enthielt. In Bezug auf Löslichkeit und Düngewirkung wies das reine MAP-Produkt bessere Eigenschaften auf. Vermutlich vermindert der Eisenanteil die Löslichkeit und die Pflanzenverfügbarkeit des erzeugten Produkts. Hinsichtlich der Produktqualität sind, neben den Nährstoffgehalten und der Pflanzenverfügbarkeit, die Schwermetallgehalte des Fällprodukts ebenfalls von entscheidender Bedeutung. In Tab. 3.3 sind die Schwermetallkonzentrationen des Fällprodukts aus der Seaborne-Anlage in Gifhorn mit den Grenzwerten der Düngemittelverordnung vergleichend dargestellt. Zu erkennen ist, dass die Konzentrationen der Schwermetalle im Fällprodukt der Seaborne-Anlage deutlich unter den Anforderungen der Düngemittel- 24

verordnung sind. Außer Zink und Mangan sind im Fällprodukt der Seaborne-Anlage weitere Schwermetalle kaum nachweisbar, wobei die Konzentrationen der genannten Stoffe ebenfalls weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten liegen und als unbedenklich eingestuft werden können. Die Seaborne-Anlage wurde im Betrachtungszeitraum bei ph-werten zwischen ph 5,5 und 6 betrieben. Mutmaßlich enthält daher das Fällprodukt sehr geringe Schwermetallfrachten. Tab. 3.3: Gegenüberstellung der Grenzwerte der Düngemittelverordnung und der Schwermetallgehalte des Fällprodukts der Seaborne-Anlage [3] Seaborne Fällprodukt Düngemittelverordnung Kennzeichnungspflicht Grenzwert [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] Mn 610 - - Ni 10,63 40 80 Cu 15,53 500 20 % Toleranz Zn 63,2 1000 - Cr 5,08 300 50 % Toleranz Cd 0,13 20 50 Pb 8,50 100 150 Hg < BG 0,5 1,0 25

P-Rücklösung [%] Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 4 Betriebsbegleitende Laboruntersuchungen Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Seaborne-Anlage wurden zur Untersuchung und Modifizierung der Anlagentechnik unterschiedliche Laborversuche durchgeführt. Eine im Labormaßstab entwickelte Verfahrenstechnik wurde schließlich zum Erreichen eines stabilen Dauerbetriebs auf die Großtechnik übertragen. Die großtechnische Umsetzung dieser neu entwickelten Verfahrensweise wird in Kapitel 5 ausführlich erläutert. Im Folgenden werden die Versuchsergebnisse bezüglich der Untersuchung bzw. Optimierung der Anlagentechnik vorgestellt. 4.1 Untersuchung der Anlagentechnik 4.1.1 Rücklösung in der Extraktionsstufe Welche Rücklöseraten bei verschiedenen ph-werten erreicht werden können, wurde in mehreren Versuchsreihen untersucht. Bei jedem Versuch wurden 2 l Faulschlamm in einem luftdicht verschlossenen Glasreaktor mittels Schwefelsäure (40 %) auf den jeweiligen ph-wert angesäuert. Die Reaktionszeit betrug bei jedem Ansatz eine Stunde. Nach der jeweiligen Ansäuerung entnommene Proben wurden über 0,45 µm-filter filtriert und das Filtrat mittels Küvettentests auf PO 4 -P analysiert. Für die Ermittlung des Rücklöseverhaltens wurden die Konzentrationen an Gesamtphosphor des unbehandelten Schlamms bestimmt. Der TR-Gehalt der Schlammproben lag dabei im Mittel bei 1,84 %, der mittlere ph Wert bei ph 7,43 (Werte zwischen ph 7,32 und 7,55). Abb. 4-1 zeigt die bei verschiedenen ph-werten ermittelten Phosphorrücklöseraten. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 ph Abb. 4-1: Phosphorrücklöseraten während der anaeroben Extraktionsversuche bei unterschiedlichen ph-werten [3] 26

Rücklösung [%] Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht Da die Versuche über mehrere Wochen verteilt stattfanden, waren gewisse Schwankungen sowohl bei der Gesamtphosphormenge des Schlamms als auch beim Rücklöseverhalten in der gelösten Phosphorkonzentration zu beobachten. Doch der näherungsweise lineare Anstieg der rückgelösten Phosphormenge mit sinkendem ph-wert ist deutlich zu erkennen. Neben Phosphor wurden weitere Inhaltsstoffe auf ihr Rücklöseverhalten bei unterschiedlichen ph-werten näher untersucht. Abb. 4-2 und Abb. 4-3 fassen die Ergebnisse zusammen. 100 90 80 70 60 Fe Al Ca Mg N 50 40 30 20 10 Abb. 4-2: Erreichte Rücklöseraten für Eisen, Aluminium, Calcium, Magnesium und Stickstoff durch Faulschlammansäuerung bei unterschiedlichen ph-werten [3] Calcium und Magnesium ließen sich durch die chemische Ansäuerung, im Vergleich zu den anderen Komponenten, wesentlich leichter extrahieren. Diese Mineralien gingen bereits bei ph 4 größtenteils in Lösung (ca. 70 %). Eisen verhielt sich ähnlich wie Phosphor und erreichte dementsprechend vergleichbare Rücklöseraten. Bei ph 3 war eine 70%ige Rücklösung des Eisens zu beobachten. Durch die Ansäuerung unter Luftausschluss geht vermutlich Eisen leichter in Lösung. Aluminium ging bei den Ansäuerungsversuchen erst unterhalb von ph 4 in die gelöste Phase über, wobei der signifikante Anstieg der Rücklöserate erst unterhalb von ph 3 zu beobachten war. Bei Stickstoff wurde durch die Ansäuerung keine nennenswerte Steigerung der gelösten Konzentration erreicht. Die ph-absenkung von ph 7 auf ph 2 bewirkte eine Erhöhung der Rücklöserate um lediglich 6 %. 0 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 ph 27

Rücklösung [%] Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 100 90 80 70 60 Pb Cd Cr Cu Ni Zn Abb. 4-3: Erreichte Rücklöseraten für einige Schwermetalle durch Ansäuerung des Faulschlamms bei unterschiedlichen ph-werten [3] Generell deuteten die chemischen Rücklöseversuche darauf, dass die Schwermetalle, mit Ausnahme des Nickels, durch eine Ansäuerung relativ schwer rückgelöst wurden. Zink und Chrom scheinen erst ab ph 3 in signifikanten Mengen in Lösung zu gehen. Kupfer und Cadmium erreichten bei ph 2 maximale Rücklöseraten von < 10 %. Auch für Quecksilber fiel die Rücklöserate mit maximal 18 % sehr gering aus. Nur bei Nickel wurden auch bei ph-werten > ph 3 bereits hohe Rücklöseraten erreicht. Bei ph 4 war bereits 30 % des Nickels in Lösung. Die vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass sehr niedrige ph-werte für eine erhöhte Rücklösung der Schwermetalle erforderlich sind. 50 40 30 20 10 0 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 ph 4.1.2 Säureverbrauch in der Extraktion Zur Bestimmung des Säureverbrauchs, der für die Einstellung eines bestimmten ph- Wertes im Faulschlamm auf der Seaborne-Anlage erforderlich ist, wurde in Rücklöseversuchen (unter Luftausschluss) jeweils die verwendete Säuremenge in Abhängigkeit des erreichten ph-wertes aufgezeichnet. Die TR-Gehalte der verwendeten Schlammproben lagen zwischen 16 und 24 g/l. Zur Verdichtung der Datengrundlage wurden zusätzlich zwei Titrationen, für ph-werte zwischen ph 1,5 und ph 7, unter der Verwendung derselben Schlammproben (ebenfalls mit einer 40%igen Schwefelsäure) unter Luftausschluss durchgeführt. Alle gesammelten Daten werden in Abb. 4-4 vorgestellt. Zum besseren Vergleich der Verbrauchsmengen mit der großtechnischen Anwendung wurde die Säuremenge auf eine 96%ige Lösung hochgerechnet. 28

Liter H 2 SO 4 (96%)/m 3 Faulschlamm Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 y = -0,1244x 3 + 1,6911x 2-8,0867x + 16,641 R² = 0,9214 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 ph Abb. 4-4: Säureverbrauch in Abhängigkeit des einzustellenden ph-wertes bei der Ansäuerung des Faulschlamms [3] Das Diagramm zeigt, dass besonders zwischen ph 5,5 und ph 3,5 ein effektiveres Verhältnis von Säureeinsatz zu ph-wert-absenkung vorliegt. In diesem ph-wert-bereich ist die Pufferkapazität des Faulschlamms geringer. Demnach kann der ph-wert bereits durch Zugabe von ca. 1,1 Liter Schwefelsäure (96 %) pro Kubikmeter Faulschlamm von ph 5,5 auf ph 3,5 reduziert werden. Besonders für niedrigere ph-werte unterhalb ph 3 steigt der Säureverbrauch sehr deutlich an, so dass zur Verschiebung des ph-wertes von ph 3,5 auf ph 2 etwa weitere 2,5 l Schwefelsäure (96 %)/m 3 eingesetzt werden müssen. 4.1.3 Fazit der Versuche zur Untersuchung der Anlagentechnik Die Rücklöseversuche aus dem Faulschlamm haben gezeigt, dass bei ph 3 eine Phosphorrücklösung bis zu 70 % erreicht werden kann. Gleichzeitig werden bei diesem ph- Wert die Schwermetalle nur begrenzt zurückgelöst. Besonders hinsichtlich der erreichbaren maximalen Phosphorrücklösung ist eine möglichst weitgehende ph-absenkung erstrebenswert. Jedoch hat die vermehrte ph-absenkung auch einen erhöhten Säureeinsatz zur Folge, welcher mit entsprechend höheren Kosten verbunden ist. Außerdem muss der ph-wert für die anschließende Rückgewinnung der Nährstoffe erneut angehoben werden. Je niedriger der Anfangs-pH-Wert, desto höher sind Verbrauch und Kosten für die erforderliche ph-wert-erhöhung. Zudem werden durch die Ansäuerung auf sehr tiefe ph-werte die Schwermetallrücklöseraten deutlich erhöht. Eine vollständige Rücklösung und ggf. Trennung der Schwermetalle kann jedoch nicht erreicht werden, da sich einige Schwermetalle trotz starker ph-absenkung sehr schlecht oder gar nicht rücklösen lassen. In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und die Produktqualität des Verfahrens (geringe Schwermetallbelastung) kann eine anfängliche Ansäuerung auf 29

etwa ph 3 bis 4 im Rahmen einer Nährstoffrückgewinnung aus Faulschlämmen vorteilhaft sein, da in diesem ph-wert-bereich der Säureverbrauch und die Schwermetallrücklösung deutlich reduziert werden. Daher wird dieser ph-wert-bereich zur Faulschlammextraktion bei großtechnischen Untersuchungen, die in Kapitel 5 vorgestellt werden, auf der Seaborne-Anlage näher untersucht und anschließend wirtschaftlich bewertet. 4.2 Untersuchungen zur technischen Optimierung der Anlagentechnik 4.2.1 Sulfidische Eisenfixierung In der nachfolgend vorgestellten Versuchsreihe wurde untersucht, ob es möglich ist, die Eisenionen nach einer Ansäuerung des Faulschlamms durch eine sulfidische Fällung im Schlamm zu fixieren und somit während der Fest/Flüssig-Trennung zusammen mit anderen Feststoffen aus dem Prozessstrom auszuschleusen. Die sulfidische Fällung des Eisens ist ein bereits bekanntes Verfahren, doch die simultane Fällung dessen unmittelbar nach der Ansäuerung und noch vor der Trennung der Feststoffe stellt eine neue Verfahrensmodifikation dar. Im ersten Versuchskomplex sollten Fällungsversuche in Bechergläsern (1 Liter) die optimalen Randbedingungen für die simultane Eisenfällung während der Extraktion bestimmen. Dazu wurden jeweils 800 ml des verwendeten Faulschlamms angesäuert und anschließend wieder neutralisiert, wobei während der Anhebung des ph-wertes regelmäßig bei verschiedenen ph-werten Proben gezogen und auf gelöstes PO 4 -P bzw. Eisen analysiert wurden. Dadurch sollte identifiziert werden, in welchem ph- Spektrum die Ausfällung des Eisenphosphats bevorzugt stattfindet. Desweiteren wurden in mehreren Batchansätzen jeweils 800 ml Faulschlamm zunächst angesäuert und anschließend mit unterschiedlichen Natriumsulfidmengen (15%ige Lösung) versetzt. Die Fällungsversuche wurden für verschiedene ph-werte wiederholt. Der zweite Versuchskomplex diente der Untersuchung der technischen Umsetzbarkeit der Maßnahme als Teil eines gesamten Rückgewinnungsverfahrens. Dabei wurden die großtechnisch erforderlichen Verfahrensschritte im Labormaßstab nachgestellt. Für die Fällungsversuche wurden 3-Liter-Bechergläser eingesetzt und die Fest/Flüssig- Trennung mittels einer Laborzentrifuge durchgeführt. Im ersten Becherglasversuch wurde der Faulschlamm auf ph 3 angesäuert, der ph- Wert anschließend stufenweise mittels Natronlauge erhöht und die ph-abhängige Ausfällung von Phosphat- und Eisenionen beobachtet. Abb. 4-5 stellt die nach jeder ph- Wert-Einstellung ermittelten, gelösten PO 4 -P- und Eisenkonzentrationen dar. 30

mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 700 600 500 400 300 200 100 PO4-P (gelöst) Fe (ges) (gelöst) Abb. 4-5: Gelöste PO 4 -P- und Eisenkonzentrationen während der ph-wert-erhöhung des auf ph 3 angesäuerten Faulschlamms [3] Die Versuchsergebnisse verdeutlichen, dass die gelöste Phosphatkonzentration ab einem ph-wert von 4,5 signifikant abnahm. Während bei ph 5,8 etwa 23 % des gelösten Phosphats erneut in die Feststoffphase überführt wurden, fielen bei ph 6,2 die Phosphationen scheinbar zusammen mit den Eisenionen fast vollständig aus. Um zu überprüfen, ob die Phosphatausfällungen auch bei Anwesenheit von Sulfidionen im gleichen Umfang eintreten, wurden Fällungsversuche mit unterschiedlichen Natriumsulfidzudosierungen speziell bei einem ph-wert von 5,7 durchgeführt. Dabei wurde nach der Faulschlammansäuerung auf ph 3 Natriumsulfid zudosiert und anschließend der untersuchte ph-wert von 5,7 mittels Natronlauge eingestellt. Für jede Dosiermenge wurde ein separater Ansatz verwendet. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe, welche in Abb. 4-6 zusammengefasst sind, belegen, dass bei ph 5,7 und einem stöchiometrischem Verhältnis zwischen Sulfid und Eisen von 1,3 : 1 (S : Fe) 95 % des Eisens ausgefällt wurden. Desweiteren zeigen die Ergebnisse, dass die gelöste Phosphatkonzentration mit zunehmender Natriumsulfiddosierung zunahm. Mutmaßlich führte die Zugabe des Sulfids teilweise auch zur Rücklösung der Eisenionen aus Eisenphosphatverbindungen, da die Löslichkeit des Eisensulfids unter den untersuchten Bedingungen (ph 5,7) geringer ist als die des Eisenphosphats. Vermutlich wurde dadurch zusätzlich Phosphor remobilisiert, so dass sich der gelöste Phosphoranteil trotz gleichbleibendem ph-wert erhöhte. Der unerwünschte Effekt, dass zuvor remobilisierte Phosphorionen während der Erhöhung des ph-wertes erneut mit Eisen ausfallen, wurde demzufolge verhindert. 0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 ph 31

mol Fe gefällt : mol Na 2 S zudosiert mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 450 400 350 300 250 200 Fe (ges) PO4-P 150 100 50 0 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 ml Na 2 S-Lösung (12,5 %) / l Faulschlamm Abb. 4-6: Gelöste Eisen- und Phosphatkonzentrationen während der sulfidischen Fällungsversuche bei ph 5,7 für unterschiedliche Dosiermengen [3] In weiteren Fällungsversuchen wurde das stöchiometrische Verhältnis zwischen Sulfid- und Eisenionen näher untersucht, welches für eine effektive sulfidische Eisenfixierung erforderlich ist. Gleichzeitig sollte der optimale ph-wert-bereich der Reaktion weiter eingegrenzt werden. Dazu wurden in mehreren Ansätzen Faulschlammproben angesäuert und unterschiedliche Natriumsulfidmengen zudosiert. Für die Auswertung (Abb. 4-7) wurde jeweils die gefällte Menge Eisenionen zu der eingesetzten Natriumsulfidmenge für unterschiedliche ph-werte ins molare Verhältnis gesetzt. 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 3,4 3,6 3,8 4,0 4,2 4,4 4,6 4,8 5,0 5,2 5,4 5,6 5,8 6,0 ph Abb. 4-7: Molares Verhältnis zwischen zudosierten Natriumsulfid- und gefällten Eisenionen bei unterschiedlichen ph-werten [3] 32

Zu erkennen war, dass die simultane Eisenfällung offensichtlich erst bei ph-werten oberhalb ph 5,2 effektiv durchzuführen ist. Um die Menge erforderlichen Fällmittels (Natriumsulfid) möglichst gering zu halten, sollte die sulfidische Eisenfixierung in einem ph-wert-bereich zwischen ph 5,5 und 5,8 durchgeführt werden. Die Ergebnisse des ersten Versuchs, welche in Abb. 4-5 vorgestellt sind, belegten, dass die simultane Eisenfällung möglichst bei ph-werten unterhalb ph 5,5 durchgeführt werden sollte, um die Eisenphosphatausfällungen zu minimieren. In der zweiten Versuchsreihe wurde jedoch festgestellt, dass die Phosphatausfällung durch die Natriumsulfidzugabe verhindert wurde und die Eisenfixierung bei ph 5,7 effektiv durchgeführt werden konnte. Zusammen mit den Ergebnissen dieser Versuchsreihe kann also der ph-wert- Bereich, der insgesamt sowohl für die technische als auch für die wirtschaftliche Umsetzbarkeit der untersuchten Maßnahme erforderlich ist, zwischen ph 5,5 und 5,7 identifiziert werden. Dabei führen in diesem Bereich höhere ph-werte zu niedrigerem Fällmitteleinsatz und somit zu geringeren Kosten. Doch je näher die Fällung an ph 5,7 durchgeführt wird, desto höher ist die Gefahr, dass auch Eisenionen ungewollt mit Phosphationen ausfallen. Da der ph-wert-bereich ohnehin sehr eng liegt, ist bei einer großtechnischen Umsetzung der untersuchten Methode auf größte Sorgfalt und Präzision bei der ph-wert-einstellung zu achten. Desweiteren wurde bei den durchgeführten Fällungsversuchen festgestellt, dass Natriumsulfid bei der Zudosierung alkalisch reagiert und den ph-wert signifikant erhöht. Da der ph-wert sowohl bei der Fixierung des Eisens im Schlamm als auch bei der späteren Nährstoffrückgewinnung ohnehin erhöht werden muss, wurde die durch Natriumsulfidzugabe erreichbare ph-wert-erhöhung zusätzlich untersucht. Die bereits durchgeführten Versuche belegten, dass der erhöhte Einsatz des Natriumsulfids die Fixierung des Eisens positiv beeinflusst und gleichzeitig dafür sorgt, dass höhere Phosphormengen zurückgelöst werden. Somit könnte eine überstöchiometrische Dosierung des Natriumsulfids trotz des erhöhten Chemikalienverbrauchs insgesamt vorteilhaft sein. Um die Laugeersparnis und damit die Gesamtwirtschaftlichkeit besser beurteilen zu können, wurde in einem weiteren Versuch die in Abb. 4-8 dargestellte ph-wert-verschiebung im Faulschlamm infolge der Natriumsulfidzugabe ermittelt. Dazu wurden 3 Liter Faulschlamm in einem Glasbehälter zunächst mittels Schwefelsäure (40 %) auf ph 3 angesäuert. Anschließend wurde dem Faulschlamm kontinuierlich Natriumsulfid (15%ige Lösung) zudosiert und der ph-wert, der sich bei jeder Zugabe ergab, aufgenommen (nach jeweils ca. 10 Minuten Reaktionszeit). 33

ph Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 mmol S 2- / l Faulschlamm Abb. 4-8: ph-wert-verschiebung im Faulschlamm durch Natriumsulfidzugabe [3] Bei ph 3 wurde in dem verwendeten Faulschlamm eine gelöste Eisenkonzentration von 327 mg/l gemessen. Um ca. 90 % des Eisens fixieren zu können, war bei einem stöchiometrischen Verhältnis von 1 : 1,2 (Fe : S) eine Natriumsulfiddosierung von ca. 3,8 ml Natriumsulfid (15 %)/l Faulschlamm erforderlich. Die Ergebnisse in Abb. 4-8 zeigen, dass diese Fällmittelzugabe den ph-wert bereits von ph 3 auf ph 4 erhöhte. Die Verdopplung der zudosierten Menge führte dazu, dass ph-werte oberhalb von ph 5 erreicht wurden und somit der für die Eisenfixierung erforderliche zusätzliche Laugeeinsatz signifikant verringert wurde. Insgesamt belegten die Ergebnisse des ersten Versuchskomplexes, dass die untersuchte Maßnahme in einem ph-wert-bereich von ph 5,5 bis ph 5,7 durchaus effektiv durchgeführt werden kann. Neben dem empfohlenen ph-wert-bereich konnte auch für den erforderlichen Fällmitteleinsatz ein Bereich von 0,8 bis 1,3 Mol Sulfid pro Mol vorhandenen Eisens angegeben werden. Falls Eisenionen nicht vollständig aus dem Prozessstrom entfernt werden müssen, kann die Sulfidzugabe bis auf ein stöchiometrisches Verhältnis von 0,78:1 (S:Fe) verringert werden. Bei dem entsprechenden Fällmitteleinsatz werden immerhin noch 65 % des Eisens erneut im Schlamm fixiert. Nach der Untersuchung der Betriebsparameter, die für eine simultane Fixierung des Eisens während der Extraktion erforderlich sind, wurden diese in einer weiteren Versuchsreihe als Teil eines Gesamtverfahrens zur Nährstoffrückgewinnung im Labormaßstab umgesetzt. Diese labortechnische Untersuchung diente zur Simulation und Vorbereitung der großtechnischen Umsetzung der vorgestellten Methode, worauf in Kapitel 5 näher eingegangen wird. Die jeweils verwendeten Chemikalien inklusive Mengenangaben, relevante Schlamminhaltsstoffe und die in den einzelnen Stufen der Versuchsreihe 34

erzielten Ergebnisse sind gemeinsam mit einer schematischen Darstellung in Abb. 4-9 zusammengefasst. Faulschlamm TR g/kg ph Ca 2+ mg/l Mg 2+ mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l P ges mg/l PO 4 -P mg/l gelöste Stoffe 25,63 7,61 137,8 39,4 1,37 1,9-188,8 Aufschluss mit K TR g/kg ph Ca 2+ mg/l Mg 2+ mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l P ges mg/l PO 4 -P mg/l Königwasser n. b. 1 944,6 n. b. 632,4 669,8 926,5 788,8 1. Stufe: ph mittels H 2 SO 4 (40 %) auf ph 3,8 1 Stunde Reaktionszeit Faulschlamm H 2 SO 4 Probemenge vor Versuchsbeginn: 2000 g 7ml Probemenge nach Versuchsende: 2013 g Probe nach TR g/kg ph Ca mg/l Mg mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l PO 4 -P mg/l NH 4 -N mg/l Stufe 1 32,65 3,8 873 n. b. 428 490 685 780 2. Stufe: Na 2 S-Zugabe (15 %) bis ph 5,7 1 Stunde Reaktionszeit Na 2 S (15 %) Probemenge vor Versuchsbeginn: 20013 g Menge:10,13 g Probemenge nach Versuchsende: 2080,5 g anschließende Fest/Flüssig-Trennung Die erhaltene Flüssigphase wurde auf zwei Ansätze verteilt. Probe nach TR g/kg ph Ca mg/l Mg mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l PO 4 -P mg/l NH 4 -N mg/l Stufe 2 82,33 5,56 822 160 1,44 1,64 675 772 Stufe 3a: Soda- und Mg-Zugabe: Erst Mg-Zugabe dann mit Soda auf ph 9,2 1 Stunde Reaktionszeit Mg(NO 3 ) 2 x 6H 2 O Na 2 CO 3 Menge:765 mg (Lsg. 100 g/l) Menge: 12,0 ml Probemenge vor Versuchsbeginn: 793 g Probemenge nach Versuchsende: 817,65 g Probe nach TR g/kg ph Ca mg/l Mg mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l PO 4 -P mg/l NH 4 -N mg/l Stufe 3.a 20,02 9,2 216 218 1,22 1,55 1,43 510 Stufe 3b: NaOH-, Soda- und Mg-Zugabe: Erst Mg, dann mit NaOH auf ph 8,8 dann NaOH (Lsg. 400 g/l) mit Soda auf ph 9,2 Mg(NO 3 ) 2 x 6H 2 O Menge: 8,5 ml 1 Stunde Reaktionszeit Menge:765 mg Probemenge vor Versuchsbeginn: Probemenge nach Versuchsende: 793 g 814,15 g Probe nach TR g/kg ph Ca mg/l Mg mg/l Fe 2+ mg/l Fe ges mg/l PO 4 -P mg/l NH 4 -N mg/l Stufe 3.b 18,51 9,2 496 256 1,52 1,64 5,146 504 Abb. 4-9: Aufbau, Verbrauchsmengen und Ergebnisse der Versuchsreihe zur labortechnischen Simulation eines Nährstoffrückgewinnungsverfahrens [3] Für den Versuch wurden 2 Liter Faulschlamm in einem luftdicht verschlossenen Behälter eingangs mittels Schwefelsäure (40 %) auf ph 3,8 angesäuert. Anschließend wurde 35

dem Faulschlamm bis zum Erreichen von ph 5,7 eine 15%ige Natriumsulfidlösung zudosiert. Die Ergebnisse zeigen, dass infolge der Ansäuerung und Sulfidzugabe ca. 74 % des im Faulschlamm befindlichen Phosphors in die gelöste Phase übergegangen sind. Eisen wurde dabei vollständig ausgefällt (99,9 %). Nach der chemischen Extraktion und der simultanen Eisenfällung wurden die Feststoffe durch eine Laborzentrifuge vom flüssigen Prozessstrom getrennt. Aufgrund der auffällig hohen Calciumkonzentrationen kam neben Natronlauge auch Soda als alkalisierende Chemikalie zum Einsatz, um zu überprüfen, ob so die gelösten Calciumionen wieder ausgefällt und in das Fällungsprodukt einbezogen werden können. Vermutet wurde, dass durch den Einsatz von Soda neben Calciumphosphat auch Calciumcarbonatverbindungen entstehen und ausfallen würden. Durch Verringerung der Menge Calciumionen, die mit Phosphat reagieren, sollte sich der Anteil Magnesiumammoniumphosphats im Fällungsprodukt erhöhen. Zudem stellte der Einsatz von Soda auch betriebswirtschaftlich eine günstige Alternative zur Natronlauge dar. Der Prozessstrom, der nach der zweiten Stufe bei der Fest/Flüssig-Trennung erhalten wurde, wurde daher auf zwei Parallelansätze verteilt (jeweils 793 ml). Bei beiden Ansätzen wurden, um die für eine MAP-Fällung fehlenden Magnesiumionen zu kompensieren, 765 mg Magnesiumnitrat zudosiert. Im ersten Ansatz (in Abb. 4-9 als Stufe 3.a bezeichnet) wurde mittels Soda (10%ig) der für die Fällung gewählte ph-wert von ph 9,2 eingestellt. Die nach Abschluss dieser Stufe erreichte PO 4 -P-Konzentration von 1,43 mg/l belegt, dass in der Extraktionsstufe remobilisierte Phosphorionen fast vollständig zurückgewonnen werden konnten. Die Verringerung der Calciumkonzentration von 822 mg/l auf 226 mg/l weist darauf hin, dass sich im Fällungsprodukt neben MAP auch signifikante Mengen an Calciumverbindungen befanden. Bei dem Vergleichsansatz (3.b), bei dem der ph-wert zunächst mittels Natronlauge (40%ig) auf ph 8,8 und anschließend mittels Soda (10%ig) auf ph 9,2 eingestellt wurde, lag die Calciumkonzentration nach Versuchsende bei 496 mg/l. Der hohe Unterschied zwischen den erreichten Calciumkonzentrationen weist darauf hin, dass der erhöhte Sodaeinsatz zur Ausfällung von Calciumcarbonat führte. Doch trotz einer überstöchiometrischen Dosierung von Natriumcarbonat konnten die Calciumionen nicht vollständig gefällt werden. Insgesamt wurden im Ansatz 3.a 11,3 mmol Natriumcarbonat zudosiert und 5,7 mmol Calcium gefällt (zusätzlich zu dem Ansatz ohne Soda). Wie hoch der Anteil von Calciumphosphat bzw. Calciumcarbonat insgesamt im Fällungsprodukt war, konnte nicht identifiziert werden, da keine Analyse der Feststoffproben stattfand. Bei der großtechnischen Umsetzung der hier vorgestellten Verfahrensweise wurden die Inhaltsstoffe der erhaltenen Fällprodukte mittels ICP aufgeschlüsselt und werden in Kapitel 5 ausführlich vorgestellt. Zusammenfassend für die hier vorgestellten Versuchsreihen wird festgehalten, dass es nach einer chemischen Extraktion durchaus möglich ist, das Eisen weiterhin im 36

Schlamm zu fixieren. Die simultane Fällung der Eisenionen mittels Natriumsulfid konnte unter Laborbedingungen erfolgreich durchgeführt werden. Zudem wurde im Labormaßstab belegt, dass diese Maßnahme problemlos in ein Nährstoffrückgewinnungsverfahren integriert werden kann. 4.2.2 Untersuchung der Ablagerungen Im Stripper Nach der Inbetriebnahme der Strippung, wurde festgestellt, dass die erforderlichen Intervalle zum Spülen des Strippers mit voranschreitender Betriebsdauer deutlich kürzer wurden. Die Druckunterschiede zwischen den Messstellen am Kopf und am Boden des Strippers zeigten einen deutlich erhöhten Differenzdruck, was auf ein Verstopfen des Strippers hindeutete. Ein Öffnen des Strippers zeigte, dass feste, weiße Ablagerungen die Füllkörper und auch die Lamellen des Strippers überzogen haben. Bilder der Ablagerungen sind in Abb. 4-10 dargestellt. Abb. 4-10: Verblockungen im Stripper der Seaborne Anlage auf der Kläranlage Gifhorn (Aufnahmen vom 26.06.2007) Proben aus der Vorlage zur Strippung, der Rohrleitung zur Strippung sowie nach der Strippung zeigten nach Natronlaugezugabe, dass sich nach ph-wert Anhebung ein milchiger watteähnlicher Bodensatz in den Gefäßen bildete, der für die Ablagerungen im Stripper verantwortlich sein musste (Abb. 4-11). 37

Vorlage nach ph-wert Ablauf Strippung Anhebung Strippung Abb. 4-11: Proben aus der Vorlage, nach ph-wert Anhebung und aus dem Ablauf der Strippung Zur Ursachenuntersuchung wurde in den Prozessströmen der Anlage Karbonat über den Zeitraum vom 08.05.07 bis 30.05.07 gemessen. Die Proben wurden am Prozesswasserweg bis zur Strippung entlang entnommen. Die Strippung war zum damaligen Zeitpunkt wegen einer Störung, bedingt durch Ablagerungen von Calcium, nicht in Betrieb. Tab. 4.1: Änderung des Karbonatgehalts im Verlauf des Prozesswasserwegs Datum: 08.05.2007 Parameter Einheit Flüssigphase nach Extraktion Ablauf RoHM Ablauf AEE Ablauf NRS 1 ph 4,10 7,16 7,09 Karbonat (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) Karbonat, gelöst (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) Datum: 15.05.2007 [mmol/l] 15,37 10,31 12,43 [mmol/l] 14,40 4,79 4,73 Parameter Einheit Flüssigphase nach Extraktion Ablauf RoHM Ablauf AEE Ablauf NRS 1 Zulauf NRS 2 Zulauf NRS 2 Ablauf Seaborne Ablauf Seaborne ph 3,03 3,18 6,78 8,82 8,76 8,00 Karbonat (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) Karbonat, gelöst (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) Datum: 30.05.2007 [mmol/l] 28,91 15,83 12,35 20,12 18,76 15,56 [mmol/l] 22,61 18,55 5,51 8,17 6,45 5,67 Parameter Einheit Flüssigphase nach Extraktion Ablauf RoHM Ablauf AEE Ablauf NRS 1 Zulauf NRS 2 Ablauf Seaborne ph 3,40 3,33 7,48 9,01 8,82 8,40 Karbonat (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) Karbonat, gelöst (CO 2/HCO - 3 /CO 2-3 ) [mmol/l] 54,25 17,00 14,60 24,75 217,25 18,50 [mmol/l] 40,40 0,60 4,70 13,90 11,40 14,15 38

Die Karbonatverteilung zeigt, dass trotzt einer erheblichen Ausfällung von Carbonat im Dekanter 2 (NRS 1) etwa 6 bis 14 mmol /l an Carbonat (72 bis 168 mg/l Carbonat-C) bis zur Ammoniakstrippung (NRS 2) gelangte. Vermutlich fällt dieses zusammen mit dem Calcium in der Ammoniakstrippung (NRS 2) aus und verursacht so die Betriebsstörung in dieser Stufe. In weiteren Becherglasversuchen wurden die Ablagerungen näher untersucht. Zunächst wurden jeweils die zu behandelnden Proben in Bechergläser eingefüllt und gerührt. Durch die Zugabe von Natronlauge wurden in zwei Ansätzen unterschiedliche ph-werte untersucht. Im ersten Ansatz erfolgte die ph-wert Verschiebung in einer Probe aus dem Ablauf der Schwermetallfällung (SMF) vom 27.06.2007, die vorab im Labor zentrifugiert wurde. Durch die Verwendung des Zentrats würden mögliche Fällungsreaktionen besser ersichtlich. Im weiteren Versuchsverlauf wurden die ph-werte entsprechend der großtechnischen Einstellungen für die MAP-Fällung (ph 8,7) sowie für die Strippung (ph 11,0) eingestellt. Jeweils nach Erreichen des jeweiligen ph-wertes erfolgte eine Probenahme. Die Proben wurden als homogenisierte Probe und auch als Filtrat (0,45 µm) analysiert, um die gelösten wie auch die als Feststoff vorliegenden Anteile zu bestimmen. In einem zweiten Versuch wurde eine Probe aus der Vorlage zum Stripper (ph 9,5) weiter im Labor auf die ph-werte 10, 10,5 und 11 angehoben, um eine exakte Aussage über mögliche Fällreaktionen direkt vorm Stripper treffen zu können. Auch hierbei erfolgte bei jedem ph-wert eine Probenahme und eine Analyse auf feste und gelöste Anteile von Calcium und Magnesium. Die Messwerte an Calcium und Magnesium, sowohl in der homogenisierten Probe, als auch im Filtrat bei den unterschiedlichen untersuchten ph-werten sind in Abb. 4.12 dargestellt. Durch die Analyse von homogenisierter und filtrierter Probe wurde sowohl bei Magnesium als auch bei Calcium eine durch die Verschiebung des ph-wertes ausgelöste Verlagerung von gelösten hin zu partikulären Anteilen sichtbar. Während im Zentrat des Ablaufes der SMF, der einen ph-wert von ph 3,3 hat (die SMF war zum Zeitpunkt der Probenahme außer Betrieb), sowohl Magnesium als auch Calcium ausschließlich in gelöster Form vorliegen, fallen diese Stoffe mit Anhebung des ph-wertes zunehmend aus. Bei ph-wert 8,7 liegen bereits 70 % des Calciums in fester Form vor, während Magnesium noch zu 70 % gelöst vorliegt. Noch stärker verlagert sich das Verhältnis von gelöstem zu ungelöstem Anteil bei ph 11. Hier liegen über 85 % vom Magnesium und sogar 90 % vom Calcium in ausgefällter Form vor. Die Ergebnisse der Ca- und Mg-Analysen in der homogenisierten wie auch in der gelösten Phase sind in Abb. 4-12 dargestellt. 39

Mg im Filtrat Mg im Feststoff Ca im Filtrat Ca im Feststoff Abb. 4-12: Magnesium und Calciumkonzentrationen im Ablauf SMF (Originalprobe) sowie nach ph-wert Verschiebung auf ph 8,7 sowie ph 11 40

Wie beschrieben wurden in einem zweiten Versuch die ph-wert Verschiebungen, die in der Großtechnik unmittelbar vor der Strippung erfolgen, in einem Laborversuch nachgestellt. Hierzu erfolgte die Probenahme in der Vorlage zur Strippung und dann eine ph- Wert Anhebung auf ph 10, ph 10,5 und ph 11. Mg im Filtrat Mg im Feststoff Ca im Filtrat Ca im Feststoff Abb. 4-13: Gelöste und feste Anteile der Magnesium- und Calciumkonzentrationen während der ph-wert Verschiebung von ph 9,5 bis ph 11 41

Während die Mg-Konzentrationen, die in Abb. 4-13 dargestellt sind, in einer vergleichbaren Größenordnung sind, wie die in Abb. 4-12 dargestellten Mg-Konzentrationen im Ablauf der SMF, sind die Ca-Konzentrationen bereits um ca. 75 % im Vergleich zu der Konzentration der Proben aus dem Ablauf SMF verringert. Grund hierfür wird die Ausfällung von u.a. Calciumphosphat in der NRS 1-Stufe sein. Die Magnesiumkonzentrationen bleiben hiervon vermutlich unberührt, weil Verbindungen aus Magnesiumphosphat und/oder Magnesiumammoniumphosphat in dem Fällprodukt der NRS 1-Stufe vermutlich in der Größenordnung des zusätzlich in der Äquivalenzeinstellung dosierten Magnesiumhydroxyds liegen. In Abb. 4-13 wird zudem ersichtlich, dass eine erneute, spontane Ausfällung von Magnesium und Calcium bei einem ph-wert zwischen ph 10,5 und ph 11 erfolgt. Im Versuch wurde dieser Übergang durch spontanes Entstehen von weißen Feststoffen sichtbar. Im großtechnischen Prozess kommt es dann vermutlich zur Ablagerung dieser Partikel im Bereich des Strippers. Aufgrund der ph-wert Änderung konnte in den Untersuchungen bei Calcium- und Magnesium eine Verlagerung vom gelösten hin zum ausgefällten Anteil festgestellt werden. Dementsprechend ist anzunehmen, dass die Ablagerungen im Stripper der großtechnischen Seaborne-Anlage aus Calcium und Magnesium bestehen. Dieses wird auch durch eine Analyse des Fällproduktes, welches aus dem Stripper entnommen wurde, bestätigt. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Tab. 4-2: Analyse der Ablagerungen im großtechnischen Stripper auf der KA Gifhorn Ablagerungen im Stripper TR [%] 80,1 Ca [mg/kg TR] 340.000 Mg [mg/kg TR] 16.700 Die Untersuchungen zeigten eindeutig dass die im Stripper zu erwartenden Ablagerungen erst ab einem ph-wert von 11 auftreten. In dem ph-wert-bereich zwischen ph 10 und 10,5 treten die Calciumionen offenbar überwiegend in der gelösten Phase auf und gehen erst bei höheren ph-werten unlösliche Verbindungen ein. Daher wird für den Betrieb der Seaborne-Anlage empfohlen die installierte Ammoniak-Strippung bei ph- Werten < 11 zu betreiben. In Abb. 4-14 ist das Dissoziationsgleichgewicht zwischen Ammonium und Ammoniak, in Abhängigkeit des ph-wertes sowie der Temperatur dargestellt. Zu erkennen ist, dass in einem ph-wert-bereich zwischen ph 10 und 10,5 sowie bei Temperaturen zwischen 20 und 30 C über 90 % des Ammoniums zu Ammoniakionen umgewandelt werden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die 42

Stripperkolonnen auch in dem genannten ph-werten-bereich durchaus effektiv betrieben werden können. Abb. 4-14: Dissoziationsgleichgewicht zwischen Ammoniak- und Ammoniumionen in Abhängigkeit von Temperatur und ph-wert [1] 5 Großtechnische Umsetzung von entwickelten Optimierungsmaßnahmen Die technischen Anpassungen, die während des Betriebs der untersuchten, großtechnischen Anlage stattfanden, wurden bereits in Kapitel 4 ausführlich erläutert. Wie beschrieben, konnte die zweite Nährstoffrückgewinnungsstufe der Anlage (Ammoniakstrippung) nicht betrieben werden, da überschüssige Calciumionen, die während der Nährstofffällung nicht ausgefällt werden konnten, in der Stripperkolonne zu unkontrollierten Ausfällungen führten und diese vollständig verblockten. Desweiteren wies das Fällprodukt der Nährstofffällungsstufe einen hohen Eisengehalt auf, welcher die Produktqualität deutlich herabsetzte. Die hohe Eisenkonzentration in dieser Stufe führte zwangsläufig zu einem weiteren, entscheidenden Nachteil, da die Eisenionen während der Nährstofffällung als Konkurrenten zu Calcium- und Magnesiumionen auftraten und ebenfalls mit Phosphor reagierten. Folglich war es nicht möglich, die Calciumionen vollständig auszufällen und im Fällprodukt zu binden. Als mögliche Optimierungsmaßnahme zur Lösung dieser Probleme wurde eine Verfahrenstechnik in Laborversuchen untersucht und schließlich großtechnisch umgesetzt. Dazu wurde unmittelbar nach der Ansäuerung des Schlamms eine simultane Fixierung der Eisenionen durch die Zugabe von Natriumsulfid durchgeführt. Um insgesamt die 43

Phosphorkonzentrationen in den Prozessströmen der Anlage zu erhöhen und somit eine höhere Produktausbeute zu ermöglichen, wurde die Extraktion bei ph-werten < 5 durchgeführt. Um die Ablagerungen in den Stripperkolonnen zu minimieren wurde die Strippung bei ph-werten < 11 betrieben. Da die Veränderung der Verfahrenstechnik der großtechnischen Anlage mit Umbaumaßnahmen und Kosten verbunden war, wurde die Prozessumstellung in zwei Schritten durchgeführt. Zunächst wurde bei einem Probebetrieb mit möglichst geringer Veränderung der installierten Anlagentechnik überprüft, ob die geplante Maßnahme erfolgversprechend war. Für die ph-wert-erhöhung mittels Natronlauge während der sulfidischen Eisenfixierung hätte eine neue Mess- und Regeleinrichtung installiert werden müssen. Eigene Vorversuche ergaben jedoch, dass die Natriumsulfidzugabe ebenfalls zu einer signifikanten ph-wert-erhöhung führt. Aufgrund dieser Erkenntnis und der fehlenden Dosiereinrichtung für Natronlauge wurde im Probebetrieb der ph-wert durch die überstöchiometrische Dosierung des Natriumsulfids eingestellt. Zudem sollte die überstöchiometrische Natriumsulfiddosierung eine möglichst effiziente Eisenfixierung und somit einen stabilen Betrieb der geplanten Verfahrensweise gewährleisten. Die Strippanlage wurde im Probebetrieb nicht in Betrieb genommen. Der anschließende Dauerbetrieb sowie die zugehörige Intensivmessphase sollten nur bei erfolgreicher Durchführung des Probebetriebs stattfinden. Während des Dauerbetriebs sollte dann der Chemikalienverbrauch optimiert und die Strippanlage ebenfalls in Betrieb genommen werden. Im Folgenden werden beide Betriebsphasen vorgestellt und zugehörige Ergebnisse ausgewertet. 5.1 Probebetrieb zur Untersuchung der Umsetzbarkeit der geplanten Optimierungsmaßnahmen Der nachfolgen beschriebene Probebetrieb wurde an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Insgesamt fand bei 5 Chargen die großtechnische Umsetzung der im Labor untersuchten Optimierungsmaßnahmen statt. Während des Probebetriebs wurde der Faulschlamm im Extraktionsbehälter auf ph 3,8 angesäuert. Anschließend wurde dem angesäuerten Schlamm bis zum Erreichen des erforderlichen ph-wertes von ph 5,7 eine 15%ige Natriumsulfidlösung zugegeben (Reaktionszeit ½ h). Im Mittel wurden bei jeder Charge 120 Liter Natriumsulfid zudosiert (auf 16 m 3 Faulschlamm). Die anschließende Magnesiumzugabe in der NRS1-Stufe wurde aufgrund der zu erwartenden höheren Menge gelösten Phosphors von ursprünglich einem Liter Magnesiumhydroxid (50 %) pro 16 m 3 Prozessstrom auf zwei Liter Magnesiumhydroxid (50 %) pro 16 m 3 für den Probebetrieb erhöht. Danach wurde der ph-wert in einem weiteren Behälter mittels Natronlauge (50 %) auf ph 8,9 eingestellt und somit die Nährstofffällung abgeschlossen. 44

In Abb. 5-1 ist die Verfahrensweise der Seaborne-Anlage schematisch dargestellt, die für den Probebetrieb modifiziert wurde (vgl. die ursprünglich geplante Verfahrensweise der Seaborne-Anlage in Abb. 2-4). Faulschlamm 1. Stufe: H 2 SO 4 (96 %) ph auf ph 3,8 2. Stufe: Na 2 S-Lösung (15 %) ph auf ph 5,7 Extraktion und simultane Eisenfällung ph 1 3,8 ph 2 5,7 Polymer FFT Ablauf Extraktion (vor Polymerzugabe) Feststoffe nach Extraktion Nährstofffällung Mg(OH) 2 NaOH Polymer Rückführung zur Kläranlage Flüssigphase nach Nährstofffällung FFT MAP + CaP ph 8,9 Ablauf MAP-Fällung (vor Polymerzugabe) Abb. 5-1: Modifizierte Verfahrensweise zur Durchführung des Probebetriebs [3] Eine eingebaute ph-sonde reguliert auf der Seaborne-Anlage online die Zugabe von Schwefelsäure und beendet nach Erreichen des eingestellten ph-wertes automatisch die Zufuhr. Vor dem Probebetrieb kam es vermehrt vor, dass die Schwefelsäuredosierung durch schlechte Durchmischung oder Kurzschlussströmungen nicht optimal durchgeführt werden konnte. Da der ph-wert, wie bei vielen chemischen Vorgängen und Verfahren, von entscheidender Bedeutung ist, wurde bei dem Probebetrieb angestrebt, die Einstellung dieses Parameters mit möglichst hoher Genauigkeit durchzuführen. Die stark schwankenden End-pH-Werte dieser Stufe und die dementsprechenden Schwankungen der Phosphorkonzentrationen während des Anlagenbetriebs wurden bereits erläutert. Daher wurde im Probebetrieb eine 2-Stufen-Ansäuerung durchgeführt. Diese bewirkte zunächst eine Ansäuerung auf ph 5 und nach einem 15minütigen Rührbetrieb eine weitere Absenkung des ph-wertes auf ph 3,8. Insgesamt betrug die Reaktionszeit für die Schwefelsäure im Mittel 1 Stunde. Die zusätzliche Reaktionszeit und die zweistufige Einstellung sorgten für einen stabileren ph-wert in der Extraktionsstufe. Die online eingestellten und die in den entnommenen Proben ermittelten ph-werte zeigten keine signifikanten Unterschiede. 45

Die Dosierung des Natriumsulfids fand während des Probebetriebs stark überstöchiometrisch statt. Der im Mittel verzeichnete Verbrauch entsprach ca. der 3,8 fachen Menge der in Laborversuchen ermittelten, für die Eisenfällung erforderlichen Natriumsulfidmenge. Die Einstellung des ph-wertes sollte aus wirtschaftlichen Gründen über eine Zugabe von Natronlauge (oder Soda) erfolgen. Da jedoch zum Zeitpunkt des Versuchs für diese Maßnahme an dem Extraktionsbehälter keine weitere Anschlussstelle vorhanden war, wurde die basisch reagierende Natriumsulfidlösung überstöchiometrisch zudosiert. Zur Überprüfung der Einflüsse der umgesetzten Maßnahmen wurden aus dem Extraktionsbehälter jeweils vor und nach der Ansäuerung sowie nach der Natriumsulfidzugabe Proben entnommen und analysiert. Außerdem wurden die Abläufe der beiden Dekanter der Extraktionsstufe und der Nährstofffällung beprobt und untersucht. Aus den ermittelten Konzentrationen wurden Frachten bestimmt (Mittelwerte), welche zur Massenbilanzierung für eine Charge von 16 m 3 Faulschlamm eingesetzt wurden (Abb. 5-2). Die angegebenen Feststofffrachten wurden anhand der gelösten Konzentrationen kalkulatorisch bestimmt. fest 2stufig 1. H 2 SO 4 (96 %) 2. Na 2 S (15 %) P ges : 5,9 Fe ges : 13,7 Ca: 5,4 Mg: 0,4 kg 44,0 99,6 45,2 32,2 % flüssig fest ph: 7,42 P ges : 13,3 Fe ges : 13,8 Ca: 12,8 Mg: 1,4 kg 100 % ph: 5,5 P ges : 8,1 Fe ges : 0,1 Ca: 7,7 Mg: 1,1 kg 61,0 0,8 60,4 74,7 % 5,2 13,7 5,1 0,3 kg 39,0 99,2 39,6 25,3 % f/f-trennung flüssig ph 1 : 3,8 ph 2 : 5,5 Reaktionszeiten: H 2 SO 4 : 0,5 h Na 2 S: 1 h ph: 5,7 P ges : 7,4 Fe ges : 0,1 Ca: 7,2 Mg: 1,0 kg 56,0 0,4 54,8 67,8 % NaOH (50 %) 1,1 kg Mg(OH) 2 (53 %) ph: 8,9 P ges : 0,4 Fe ges : 0,0 Ca: 0,5 Mg: 0,7 kg 2,8 0,1 3,8 5,0 % flüssig f/f-trennung fest MAP + Ca 3 (PO 4 ) 2 P ges : 7,0 Fe ges : 0,1 Ca: 6,7 Mg: 1,4 kg 52,2 0,3 51,0 100 % Abb. 5-2: Ermittelte Massenbilanzen des großtechnischen Probebetriebs [3] Wie erwartet, wurde während des Probebetriebs durch die Faulschlammansäuerung auf einen niedrigeren ph-wert der gelöste Phosphoranteil im Prozessstrom deutlich erhöht. 46

Im Mittel wurde eine 61%ige Phosphorrücklösung erreicht. Etwa 5 % des in Lösung gebrachten Phosphors wurden anschließend während der Fest/Flüssig-Trennung aus dem Prozess ausgeschleust, da sich ein Teil des gelösten Phosphors im Flüssiganteil der getrennten Feststoffe befand. Ein weiterer geringer Anteil fiel vermutlich aufgrund lokaler ph-erhöhungen während der Fest/Flüssig-Trennung mit gelösten Calcium- bzw. Magnesiumionen aus. Diese verfahrensbedingten, geringfügigen Verluste waren nicht zu vermeiden. Die erreichte, erhöhte Phosphorkonzentration im Prozessstrom führte dazu, dass Calciumionen zusätzlich zu Magnesium überwiegend während der Nährstofffällung ausgefällt werden konnten. 93 % des während der Extraktion gelösten Calciums konnte schließlich ausgefällt und zurückgewonnen werden. Die Calciumkonzentrationen, die sich jeweils bei verschiedenen Chargen im Ablauf der NRS1-Stufe ergaben, lagen zwischen 32,3 und 39,8 mg/l und somit deutlich unter den im Normalbetrieb verzeichneten Konzentrationen. Die Magnesiumkonzentration fiel mit im Mittel 5 mg/l trotz der Verdopplung der Zugabemenge Magnesiumhydroxids sehr gering aus. Beide Konzentrationsbereiche können hinsichtlich eines Einflusses auf einen eventuellen Stripperbetrieb vernachlässigt werden. Analyseergebnisse belegen, dass die Natriumsulfidzugabe nach der Ansäuerung des Faulschlamms zu einer fast vollständigen Eisenfällung führte. Durch seine Eliminierung stellte Eisen keine Konkurrenz mehr zu den Calcium- und Magnesiumionen dar. Die Entfernung der Eisenionen in Verbindung mit der erhöhten Phosphorkonzentration führte zu höheren Fällungsraten für MAP sowie Calciumphosphat. Bei einem ExtraktionspH-Wert von 3,8 und durch eine simultane Eisensulfidfällung bei ph 5,7 konnten insgesamt ca. 52,2 % des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors zurückgewonnen und über 99 % des Eisens aus dem Prozessstrom entfernt werden. Da in dieser Stufe die Fällung des Phosphors nahezu vollständig abgeschlossen war, war der Verlust während der Fest/Flüssig-Trennung mit 2,8 % im Vergleich zur ersten Entwässerung geringer. Neben Phosphor wurden auch signifikante Calciummengen aus dem Faulschlamm zurückgewonnen, die sich auf 51 % der anfänglich im Klärschlamm enthaltenen Gesamtmenge beziffern lassen. Durch die Eisenentfernung ließ sich vermutlich ein eisenfreies Fällprodukt produzieren, welches mutmaßlich eine wesentlich höhere Pflanzenverfügbarkeit aufwies. Der Eisenanteil im Fällprodukt wurde beim anschließenden Dauerbetrieb näher untersucht und wird im Folgenden erläutert. Dadurch, dass die sulfidische Fällung, welche zuvor in einer separaten Stufe durchgeführt wurde, in die Extraktion umgelagert wurde, wurden zudem die entstandenen Sulfidverbindungen effektiv durch die Zentrifuge der Extraktionsstufe aus dem Prozessstrom abgetrennt. Wie bereits in Kapitel 4 erläutert, war der installierte Fließbandfilter für die Fest/Flüssig-Trennung der Metallsulfide nicht geeignet. Während der Versuchsreihe konnte augenscheinlich keine Verschlechterung der Abscheideleistung der beiden Zentrifugen festgestellt werden. Der niedrigere ph-wert und 47

die sulfidische Eisenfällung schienen keinen negativen Einfluss auf die Entwässerbarkeit der anfallenden Feststoffe zu haben. Durch den Einsatz der Zentrifuge wurde nach der Extraktion im Mittel ein Trockenrückstandsgehalt von 24,2 % erreicht, welcher nicht signifikant von dem im Normalbetrieb erreichten Entwässerungsgrad abweichte (23,6 %). Zusammenfassend wurde durch die Versuchsreihe belegt, dass die simultane Eisenfällung in der Extraktionsstufe großtechnisch ebenfalls ohne Probleme umgesetzt werden konnte. 5.2 Dauerbetrieb und Untersuchung der modifizierten Verfahrenstechnik Die im Labormaßstab entwickelten und im großtechnischen Probebetrieb erfolgreich getesteten Maßnahmen zur Nährstoffrückgewinnung aus Faulschlämmen wurden für einen Dauerbetrieb auf die Seaborne-Anlage übertragen. Dazu mussten an der bestehenden Anlagentechnik einige Modifizierungen durchgeführt werden. Wie bereits erläutert wurde im Probebetrieb die ph-wert-einstellung, die für die Eisenfixierung erforderlich ist, durch die überstöchiometrische Dosierung des Natriumsulfids erreicht. Im Dauerbetrieb wurde der Natriumsulfidverbrauch an die Eisenkonzentration im Schlamm angepasst und die ph-wert-erhöhung mittels Natronlauge durchgeführt, da diese im Vergleich zu Natriumsulfid deutlich kostengünstiger ist. Desweiteren war die installierte Mess- und Regeltechnik der einzelnen zur Verfügung stehenden Behälter auf der Anlage für die gleichzeitige Umsetzung der Extraktion und Natriumsulfiddosierung sowie der anschließenden ph-wert-anpassung im selben Behälter nicht geeignet. Daher wurden diese Prozesse auf zwei Behälter verteilt. So fand im ersten Behälter eine Ansäuerung auf ph 3,8 statt und in einem weiteren Behälter die Natriumsulfiddosierung sowie die anschließende ph-wert-anhebung auf ph 5,7. Nach der Extraktion und der simultanen, sulfidischen Eisenfällung wurden die Feststoffe in der Zentrifuge abgetrennt und die Flüssigphase in den ersten Behälter der Nährstofffällung geleitet. In diesem Behälter fand zunächst die Magnesiumhydroxiddosierung statt (150 ml Magnesiumhydroxid (50 %)/m 3 Faulschlamm). In einem zweiten Behälter wurde der ph-wert mittels Natronlauge (50 %) auf ph 9,0 erhöht und somit die Nährstofffällung abgeschlossen. Nach erneuter Fest/Flüssig-Trennung wurde die Flüssigphase zu einer Strippkolonne weitergeleitet, in der eine Ammoniakstrippung bei ph 10 stattfand. Die Anlage konnte mit der beschriebenen Verfahrensweise mehrere Wochen stabil betrieben werden. Im Rahmen eines durchgeführten Intensivmessprogramms wurde die Anlage in dieser Zeit insgesamt an 9 Betriebstagen durch Beprobung sowohl der festen als auch der flüssigen Stoffströme näher untersucht. Um bezüglich der Effizienz der umgesetzten Maßnahmen zu belastbaren Aussagen zu gelangen, wurden für den Dauerbetrieb Stoffstrombilanzierungen erstellt, die im folgenden Kapitel präsentiert werden. Sämtliche entnommene Proben wurden mittels ICP-Analyse auf Nährstoffe, Metalle und 48

Schwermetalle untersucht. Organische Kohlenstoffverbindungen wurden mithilfe eines TOC-Analysers quantifiziert. Die folgenden Ergebnisse sind Mittelwerte aus neun Messungen. Eine Übersicht zu der umgesetzten Verfahrensweise sowie den untersuchten Stoffströmen und zugehörigen Probeentnahmestellen gibt Abb. 5-3. Extraktion H 2 SO 4 Eisenfixierung 2-stufig 1. Na 2 S 2. NaOH P1 Zulauf P2 P3 F/F-Trennung flüssig P4 fest ph 3,8 ph 1 = 4,2; ph 2 = 5,7 P5 Mg(OH) 2 NaOH ph 10 P6 MAP + CaP NaOH Ablauf H 2 SO 4 P7 P8 (NH 4 ) 2 SO 4 Ammoniakstrippung flüssig fest F/F-Trennung Nährstofffällung ph 9,0 P1: Zulauf P2: nach Ansäuerung P3: nach Eisenfixierung P4: Feststoffe nach der Extraktionsstufe P1: Flüssigphase nach der Extraktionsstufe P2: Flüssigphase nach der Nährstofffällung P3: Feststoffe nach der Nährstofffällung P4: Ablauf Abb. 5-3: Umgesetzte Verfahrensweise und zugehörige Probeentnahmestellen für die Intensivmessphase [3] 5.2.1 Betriebsmittel und -daten Die anfängliche Extraktion des Faulschlamms sollte planungsgemäß bei einem ph-wert von 3,8 durchgeführt werden. Die tatsächlich gemessenen ph-werte wichen jedoch von diesem Wert leicht ab und unterlagen Schwankungen, so dass die Ansäuerung des Schlamms zwischen ph 4,1 und 4,9 stattgefunden hat. Die tägliche Schlammzufuhr unterlag ebenfalls einer gewissen Schwankung (76 bis 127 m 3 /d) und betrug im Mittel 107 m 3 /d. Der vorgesehene ph-wert für die sulfidische Eisenfällung lag bei ph 5,7, wobei auch dieser im Betrieb nicht immer präzise eingehalten werden konnte, so dass 49

Werte zwischen ph 4,9 und 6,1 detektiert wurden (Mittelwert ph 5,7). Dagegen konnte die Nährstofffällung zwar leicht über dem Planwert, jedoch sehr konstant bei ph 9,3 umgesetzt werden. Die anschließende Ammoniakstrippung fand bei ph 9,7 statt. Abb. 5-4 fasst die während der Messphase ermittelten Chemikalienverbräuche und die jeweils in den einzelnen Stufen erreichten ph-werte zusammen. H 2 SO 4 (96 %) 2,83 l/m 3 2-stufig 1. Na 2 S (15 %) 2,68 l/m 3 2. NaOH (50 %) 0,54 l/m 3 Q = 107 m 3 /d TR = 17 g/l F/F-Trennung flüssig fest Ablauf ph 4,1-4,9 Reaktionszeit: 0,5 h NaOH (50 %) 0,4 l/m 3 H 2 SO 4 ph 9,7 (NH 4 ) 2 SO 4 ph 1 : ph 4,9-5,2; ph 2 : ph 4,9 6,1 Reaktionszeiten: Na 2 S: 0,5 h NaOH: 0,5 h flüssig MAP + CaP fest F/F-Trennung Mg(OH) 2 (53 %) 0,15 l/m 3 ph 6,0 6,5 Reaktionszeit: 0,5 h NaOH (50 %) 1,74 l/m 3 ph 9,3-9,4 Reaktionszeit: 0,5 h Abb. 5-4: Schema der Verfahrensweise für den großtechnischen Dauerbetrieb [3] Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. und Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. fassen die Inhaltstoffe des während der Messphase verwendeten Faulschlamms zusammen. Zu erkennen ist, dass im Zulauf der Anlage sämtliche Schwermetalle sowie Calcium, Magnesium, Eisen und Aluminium überwiegend in den Feststoffen gebunden vorlagen. Natrium und Kalium waren hingegen vollständig in der gelösten Phase anzutreffen. Stickstoff lag zu 42 % und Phosphor zu 14 % in der gelösten Phase vor. Diese Anfangskonzentrationen bildeten bei den Untersuchungen die Basis zur Bestimmung des Einflusses der jeweiligen Anlagenstufe auf den Übergang der Ionen von der festen in die gelöste Phase. Sämtliche Prozentangaben im Folgenden beziehen sich auf die Gesamtmenge des jeweiligen Elements im Faulschlamm. 50

Tab. 5.1: Gelöste und Gesamtkonzentrationen an Nährstoffen, Metallen und organischen Kohlenstoffverbindungen im verwendeten Faulschlamm [3] TOC N P Mg Ca K Na Fe Al mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l Gesamt 5.380,6 1687,6 732,2 157,5 679,4 203,5 526,9 612,6 156,0 Gelöst 155,5 710,2 106,2 17,4 53,3 196,6 518,6 0,9 0,2 Tab. 5.2: Gelöste und Gesamtkonzentrationen an Schwermetallen im verwendeten Faulschlamm [3] Cd Cr Co Ni Pb Hg Mn Cu Zn µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l Gesamt 13,6 561,7 84,2 441,7 533,7 13,5 4.335,2 8.303,5 15.739,9 Gelöst < 0,4 4,9 7,0 19,1 14,9 < 0,2 0,01 79,3 174,6 5.2.2 Auswertung der Untersuchungsergebnisse Im Folgenden wird auf die einzelnen Stufen der untersuchten Anlage näher eingegangen und anschließend eine zusammenfassende Auswertung der gesamten Anlage vorgenommen. Dabei wird neben einer Gegenüberstellung der Anlagenstufen auch eine Bilanzierung der untersuchten Schlamminhaltsstoffe auf Basis der Tagesfrachten vorgestellt. Faulschlammansäuerung Die jeweils vor und nach der Extraktion des Faulschlamms in gelöster Phase ermittelten Nährstoff- und Metallkonzentrationen sind in Abb. 5-5 zugehörigen Gesamtkonzentrationen im Faulschlamm gegenübergestellt. Zu erkennen ist, dass durch die Ansäuerung des Faulschlamms insbesondere die gelösten Phosphor-, Calcium-, Magnesium- und Eisenkonzentrationen deutlich erhöht wurden. Bei Stickstoff wurde mit ca. 3 % eine nur sehr geringe Erhöhung der gelösten Konzentration erzielt. Für Aluminium war im herrschenden ph-wert-milieu (ph 4,1 bis 4,9) keine signifikante Rücklösung zu beobachten. Da Natrium und Kalium bereits vor der Extraktion vollständig in gelöster Form vorlagen, war bei diesen Stoffen keine Veränderung der gelösten Konzentration zu erwarten, was in den Analysen bestätigt wurde. Die nur sehr geringen Unterschiede zwischen den Analyseergebnissen der Proben, hinsichtlich dieser beiden Stoffe, weisen auf eine hohe Messgenauigkeit hin. 51

µg/l mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 1800 1600 1400 gesamt vor der Extraktion in Lösung nach der Extraktion in Lösung 1200 1000 800 600 400 200 0 N P Mg Ca K Na Fe Al Abb. 5-5: Gelöste Nährstoff- und Metallkonzentrationen nach der Extraktionsstufe im Vergleich zu den Gesamtkonzentrationen [3] Das im Labor beobachtete Rücklöseverhalten der Schwermetalle konnte ebenfalls großtechnisch bestätigt werden, wie die in Abb. 5-6 dargestellten Ergebnisse belegen. Beim Vergleich der gelösten Konzentrationen vor und nach der sauren Extraktion ist zu erkennen, dass nennenswerte Konzentrationserhöhungen lediglich bei Zink und Nickel erreicht wurden. Zwar wurde bei anderen Schwermetallen wie Chrom, Blei und Kupfer auch eine Erhöhung der gelösten Konzentration beobachtet, doch fielen die insgesamt rückgelösten Mengen im Vergleich zu deren Gesamtkonzentration sehr gering aus. Bei Quecksilber, Mangan und Cadmium wurde keine Rücklösung beobachtet. Die maximalen Rücklöseraten wurden mit 24 % bei Nickel und 17 % bei Kobalt erreicht. Für die anderen genannten Schwermetalle lagen die Rücklöseraten unter 4 %. 20 18 16 14 12 vor der Extraktion nach der Extraktion 105,6 304,6 10 8 6 4 2 0 < 0,4 < 0,2 0,01 Cd Cr Co Ni Pb Hg Mn Cu Zn Abb. 5-6: Gelöste Schwermetallkonzentrationen vor und nach der sauren Extraktion [3] 52

Sulfidische Fixierung der Eisenionen Bei der sulfidischen Fixierung des Eisens war der ph-wert von entscheidender Bedeutung für den Prozess. Wie bereits in Kapitel 5.3.3 erläutert, sollte der ph-wert für eine effektive Eisen-Fällung in einem Bereich von ph 5,5 bis 5,8 eingestellt werden. Höhere ph-werte haben zur Folge, dass signifikante Phosphormengen zusammen mit Eisen und teilweise mit Calcium erneut ausgefällt werden. Somit tritt ein Verlust gelöster Phosphorionen auf, was für den Gesamtprozess einen entscheidenden Nachteil darstellt. Die während des Betriebs der großtechnischen Anlage aufgezeichneten Daten zeigen, dass der geplante ph-wert in der Stufe der Eisenfixierung, ähnlich wie in der Extraktion, nicht durchgängig eingehalten werden konnte. In Tab. 5.1 sind die an 9 Messtagen ermittelten ph-werte und die jeweils vor und nach der sulfidischen Eisenfixierung analysierten gelösten Phosphatkonzentrationen zusammengefasst. Tab. 5.1: Phosphatkonzentrationen und ph-werte vor bzw. nach der Eisenfixierung [3] ph PO 4 -P gelöst [mg/l] vor Eisenfällung PO 4 -P gelöst [mg/l] nach Eisenfällung PO 4 -P gelöst [%] nach Eisenfällung 5,87 502 366 52 5,72 427 394 56 5,78 452 402 55 5,74 528 436 55 5,96 469 356 48 4,94 480 473 62 6,13 494 356 47 6,07 508 357 48 5,46 499 468 69 Mittelwert für ph 5,5 5,8 59 % Mittelwert für ph 5,9 6,1 49 % Die Auswertung der Daten zeigt, dass im Vergleich zu ph-werten zwischen ph 5,9 und ph 6,1 im ph-wert-bereich von ph 5,5 bis 5,8 im Mittel eine 10 % höhere gelöste Phosphorkonzentration erreicht wurde. Da die Anlagenbeprobung stichprobenartig und die Bilanzierung der Stoffströme über Mittelwerte erfolgte, kann der ph-wert-verlauf einer einzelnen Charge im Nachhinein nicht nachvollzogen werden. Daher kann nicht gesondert ausgewertet werden, welchen Einfluss der in dieser Stufe erreichte oder nicht erreichte ph-wert einer Charge während des Durchlaufens weiterer Stufen ausübt. Deshalb werden die Auswertungen im Folgenden weiterhin auf Basis der Mittelwerte fortgeführt. Die tabellarische Gegenüberstellung der einzelnen ph-werte und der zugehörigen Phosphorkonzentrationen soll jedoch verdeutlichen, dass die erreichte Phosphorrücklöserate in dieser Stufe durch eine präzisere ph-wert-einstellung weiter optimiert werden kann. Demzufolge könnte die Phosphorrückgewinnung im Verlauf des 53

µg/l mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht gesamten Prozesses ebenfalls weiter erhöht werden. In Abb. 5-7 und Abb. 5-8 sind die Nährstoff-, Metall- und Schwermetallkonzentrationen, die in dieser Stufe nach der Eisenfixierung bzw. nach der anschließenden Fest/Flüssig-Trennung in der gelösten Phase ermittelt wurden, im Vergleich zu den während der Extraktion erreichten Konzentrationen dargestellt. 1000 900 800 700 vor der Eisenfixierung nach der Eisenfixierung nach F/F-Trennung Eisenfixierung bei ph 5,5-5,7 600 500 400 300 200 100 0 N P Mg Ca K Na Fe Al Abb. 5-7: Gelöste Nährstoff- und Metallkonzentrationen vor und nach der Eisenfixierung sowie nach der Fest/Flüssig-Trennung [3] 110 100 90 80 vor der Eisenfixierung nach der Eisenfixierung nach F/F-Trennung 304,6 132,6 70 60 50 40 30 20 10 0 < 0,4 < 0,2 Cd Cr Co Ni Pb Hg Mn Cu Zn Abb. 5-8: Gelöste Schwermetallkonzentrationen vor und nach der Eisenfixierung sowie nach der Fest/Flüssig-Trennung [3] Wie in Abb. 5-7 zu erkennen, gelang es im Mittel 85 % des im Faulschlamm befindlichen Eisens durch eine sulfidische Fällung zu fixieren und zusammen mit den Feststoffen aus dem Prozess auszuschleusen, während die Nährstoffe überwiegend in der ge- 54

lösten Phase verblieben. Bei Phosphor, Calcium, Magnesium und Kalium wurde während der Eisenfixierung eine Verringerung der gelösten Konzentrationen beobachtet. Wie bereits erwähnt wird vermutet, dass die teilweise Überschreitung des Ziel-pH-Werts in dieser Stufe für die unkontrollierten Ausfällungen verantwortlich ist. Da Aluminium, Cadmium und Quecksilber während der Extraktion kaum rückgelöst wurden, waren diese wie erwartet auch nach der Eisenfixierung in der gelösten Phase nicht detektierbar. Die übrigen Schwermetalle, insbesondere Zink und Nickel, wurden durch die Sulfidzugabe zum Teil gebunden und aus der Flüssigphase abgetrennt. So konnten ca. 60 % des gelösten Zinks und 30 % des gelösten Nickels während der Eisenfixierung ausgefällt werden. In dieser Stufe wurde lediglich bei Kupfer ein Anstieg der gelösten Konzentration beobachtet, welcher nicht erklärt werden kann. Möglicherweise führt die Ansäuerung des Faulschlamms zur Lösung des Kupfers aus den eingesetzten Behältern, Rohren und eventuell der Zentrifuge. Da es sich jedoch hier um einen Anstieg von ca. 10 bis 15 µg/l handelt, kann die Erhöhung der Kupferkonzentration im Rahmen des Nährstoffrückgewinnungsprozesses vernachlässigt werden. Für die eingesetzte Anlagentechnik wären weitergehende Untersuchungen bezüglich der Kupferlösung aus Aggregaten jedoch sinnvoll. Die Abb. 5-7 und Abb. 5-8 lassen zudem erkennen, dass bei fast allen analysierten Elementen (außer bei Kupfer) während der Entwässerung eine Verringerung der gelösten Konzentrationen zu verzeichnen war. Diese Verringerung ist durch den Wassereintrag zu erklären, der sich durch den Einsatz des Flockungshilfsmittels ergab. Die Auswertung der Konzentrationsunterschiede zeigte, dass für alle Stoffe (mit Ausnahme von Zink) jeweils Verringerungen zwischen 13 und 17 % stattgefunden haben. Der Wasserverbrauch dieser Stufe lag während der Intensivmessphase im Mittel bei 16,9 m 3 /d. Somit ergab sich bei einem mittleren Schlammeinsatz von 106,9 m 3 /d im Mittel eine 15,8%ige Verdünnung des Prozessstroms, welche durch das während der Entwässerung eingetragene Wasser hervorgerufen wurde. Diese Verdünnung war offensichtlich für die Verringerung der gelösten Konzentrationen verantwortlich. Da diese Verdünnung bei den Massenbilanzierungen Berücksichtigung fand, wird darauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Nährstoffrückgewinnung Ziel der beiden Stufen zur Nährstoffrückgewinnung war es, die gelösten Phosphor- und Ammoniumionen aus dem Prozessstrom zu trennen und in landwirtschaftlich verwertbaren Produkten zu binden. Wie in Abb. 5-9 zu erkennen, konnte dieses Ziel weitestgehend erreicht werden. Während der Nährstofffällung gelang es durch die Magnesiumzugabe, 93 % des in der Extraktionsstufe gelösten Phosphors und 12 % des Stickstoffs zurückzugewinnen. Die anschließende Ammoniakstrippung und die zugehörige saure Wäsche hatten zur Folge, dass 87 % des restlichen Stickstoffs aus der gelösten Phase in Diammoniumsulfat überführt werden konnten. 55

µg/l mg/l Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht 650 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 vor der Nährstoff-Fällung nach der Nährstoff-Fällung nach der Ammoniak-Strippung N P Mg Ca K Fe Al Abb. 5-9: Gelöste Nährstoff- und Metallkonzentrationen vor und nach der Nährstofffällung sowie nach der Ammoniakstrippung [3] 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 vor der Nährstoff-Fällung nach der Nährstoff-Fällung nach der Ammoniak-Strippung Cd Cr Co Ni Pb Hg Mn Cu Zn Abb. 5-10: Gelöste Schwermetallkonzentrationen vor und nach der Nährstofffällung sowie nach der Ammoniakstrippung [3] Neben Phosphor und Stickstoff wurde während der Nährstofffällung ebenfalls Calcium, das einen weiteren, aus dem Faulschlamm zurückgelösten Wertstoff darstellt, aus der Flüssigphase getrennt und fast vollständig (91 %) zurückgewonnen. Das erzeugte Fällprodukt bestand somit überwiegend aus Calciumphosphat- und Magnesium- (Ammonium)-Phosphat-Verbindungen, wie die in Tab. 5.2 dargestellten Analyseergebnisse belegen. Das während der sulfidischen Fixierung nicht erfasste Eisen wurde ebenfalls bei der Nährstofffällung ausgefällt. Insgesamt betrug der Eisenanteil im Fällprodukt 1,6 %. Geringe Mengen Kalium (ca. 0,2 %) konnten ebenfalls nachgewiesen werden. Die Cadmium-, Blei-, Kobalt- und Quecksilberkonzentrationen im Fällprodukt lagen hingegen unterhalb der Nachweisgrenze. Die übrigen analysierten Elemente 56

(Zink, Nickel, Chrom und Kupfer) wiesen ebenfalls, jeweils knapp über der Nachweisgrenze, sehr geringe Konzentrationen auf. Insgesamt konnte daher im Fällprodukt keine signifikante Schwermetallbelastung nachgewiesen werden 2 [3]. Tab. 5.2: Inhaltsstoffe des erzeugten Fällmittels [3] TOC N P Ca Mg K Na Fe Al [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] [g/kg TR] < 0,25 22,94 120,25 129,38 38,06 1,67 6,72 16,29 0,26 Mn Co Zn Ni Pb Cu Cr Cd Hg [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] [mg/kg TR] 412,13 < 1,00 23,74 1,65 < 1,00 11,46 1,51 < 0,20 < 0,20 Grenzwerte DüMV* - 80 150 - - 1,5 1 Kennzeichnung ab* - 40 100-300 1,0 0,5 Grenzwerte AbfKlärV** 2500 200 900 800 900 10 8 * Düngemittelverordnung; ** Klärschlammverordnung 5.2.3 Bilanzierung der Prozessstufen In Abb. 5-11 und Abb. 5-12 sind die gelösten Konzentrationen, die in den einzelnen Stufen der untersuchten Anlage ermittelt wurden, jeweils in Bezug auf deren Gesamtkonzentration im Faulschlamm dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass 42 % des Stickstoffs bereits im Zulauf der Anlage in gelöster Form vorlagen. Durch die Extraktion wurde die gelöste Stickstoffkonzentration im Schlamm lediglich um 3 Prozentpunkte erhöht. Die Extraktion übte auch auf die Kaliumkonzentration nur einen sehr geringen Einfluss aus, da Kalium bereits vor der Extraktion fast vollständig in gelöster Form vorlag. Aluminiumionen ließen sich durch die Ansäuerung ebenfalls nicht in die gelöste Phase überführen. Dahingegen wurden bei Phosphor mit 66 %, bei Eisen mit 60 % und bei Calcium sowie Magnesium mit jeweils 80 % hohe Rücklöseraten erreicht. Während der sulfidischen Eisenfixierung konnten schließlich 45 % des Eisens, welches während der Ansäuerung rückgelöst wurde, erneut an die Feststoffe gebunden und somit aus dem Prozessstrom entfernt werden. In dieser Stufe wurden jedoch gleichzeitig jeweils 8 bis 15 % des Calciums, Magnesiums und Phosphors aus der Flüssigphase in die Feststoffphase überführt. Da diese leichten Verluste zur Verringerung des Rückgewinnungspotentials der Anlage führen, stellen sie einen Nachteil für das gesamte Verfahren dar. Um diese Verluste minimieren bzw. eventuell vollständig vermeiden zu können, muss der für diese Stufe vorgesehene ph-wert (ph 5,5 bis 5,7) präzise eingehalten werden. Als weitere Maßnahme zur Verringerung der Verluste könnte die Natri- 2 mit Ausnahme von Mangan; für dieses existiert jedoch weder in der DüMV noch in der AbfKlärV ein Grenzwert 57

[%] [%] Wissenschaftliche Begleitung der großtechnischen Anwendung der Seaborne-Technologie auf der KA Gifhorn Abschlussbericht umsulfiddosierung erhöht werden, was zu einer höheren Eisenabscheidungsrate führen und somit den Verlust gelöster Phosphorionen verringern könnte. 100 90 80 70 Zulauf Extraktion Eisenfixierung Nährstoffrückgewinnung 60 50 40 30 20 10 0 N P Mg Ca K Fe Al Abb. 5-11: Prozentuale, gelöste Nährstoff- und Metallkonzentrationen im Ablauf der einzelnen Stufen der Seaborne-Anlage während der Intensivmessphase [3] 24 22 20 18 16 Zulauf Extraktion Eisenfixierung Nährstoffrückgewinnung 14 12 10 8 6 4 2 0 Cd Cr Co Ni Pb Hg Mn Cu Zn Abb. 5-12: Prozentuale, gelöste Schwermetallkonzentrationen im Ablauf der einzelnen Stufen der Seaborne-Anlage während der Intensivmessphase [3] Die Auswertung der Abb. 5-11 macht deutlich, dass die gelösten Nährstoffe in den beiden Stufen der Nährstoffrückgewinnung erfolgreich aus der Flüssigphase zurückgewonnen werden konnten. Jeweils über 90 % der gelösten Phosphor-, Calcium sowie Magnesiumionen und 6 % des gelösten Stickstoffs wurden während der Nährstofffällung in das Fällprodukt überführt. Während der anschließenden Ammoniakstrippung konnten weitere 87 % des gelösten Ammoniums in Ammoniakgas überführt und schließlich durch die saure Wäsche als Diammoniumsulfat zurückgewonnen werden. 58

Abb. 5-12 zeigt, dass die Schwermetallrücklösung in der Extraktionsstufe insgesamt gering ausgefallen ist. Cadmium, Quecksilber und Mangan konnten nahezu gar nicht, Zink, Blei, Chrom und Kupfer nur in sehr geringen Konzentrationen in die Flüssigphase überführt werden. Lediglich bei Kobalt mit ca. 8 Prozentpunkten und bei Nickel mit ca. 20 Prozentpunkten wurden nennenswerte Rücklöseraten erreicht. Die insgesamt geringe Rücklösung der Schwermetalle stellte sich für die umgesetzte Verfahrensweise jedoch keineswegs nachteilig dar. Da in der modifizierten Anlage (siehe dazu die ursprüngliche Anlagentechnik in Kapitel 4) nun keine Schwermetallfällung, sondern lediglich eine Eisenfixierung durchgeführt wurde und die Entsorgung der Schwermetalle zusammen mit dem Schlamm stattfinden sollte, waren die geringen gelösten Schwermetallkonzentrationen in Bezug auf die Qualität der erzeugten Produkte sogar von großem Vorteil. Einen weiteren, entscheidenden Vorteil für die Produktqualität hat auch die sulfidische Eisenfixierung. Aus Abb. 5-12 wird ersichtlich, dass durch die Natriumsulfiddosierung neben Eisen auch Schwermetalle in den Feststoffen fixiert und ausgeschleust wurden. Dabei wurde die gelöste Konzentration der beiden teilweise rückgelösten Stoffe Kobalt und Nickel um 6 bis 8 Prozentpunkte verringert. Insgesamt hatte die sulfidische Eisenfixierung zur Folge, dass die ohnehin geringen Schwermetallkonzentrationen weiter verringert werden konnten. Wie in Abb. 5-14 zu erkennen, sind die Schwermetallfrachten, die im erzeugten Fällprodukt ermittelt wurden, daher sehr gering ausgefallen. Die Abb. 5-13 und Abb. 5-14 zeigen die ermittelten Massenbilanzen für alle aufgenommenen Parameter auf Basis der Tagesfrachten. Zu erkennen ist, neben der geringen Schwermetallbelastung im Fällprodukt, dass täglich insgesamt ca. 38 kg Phosphor, 40 kg Calcium, 10 kg Magnesium und 66 kg Stickstoff (52 kg im DAS, 14 kg im MAP) aus dem Faulschlamm zurückgewonnen und in landwirtschaftlich verwertbare Produkte überführt werden konnten. 59

gelöste Phase vor Ansäuerung TOC 16,59kg/d 2,87% P 11,27kg/d 14,40% N 76,03kg/d 41,91% Mg 1,85kg/d 10,97% Ca 5,74kg/d 7,85% K 21,10kg/d 97,06% Fe 0,09kg/d 0,14% Al 0,02kg/d 0,11% gelöste Phase nach Ansäuerung TOC 25,22kg/d 4,36% P 51,79kg/d 66,18% N 81,12kg/d 44,72% Mg 13,60kg/d 80,50% Ca 58,85kg/d 80,58% K 23,40kg/d 107,67% Fe 39,36kg/d 60,32% Al 0,08kg/d 0,51% gelöste Phase nach Eisenfixierung TOC 22,58kg/d 3,90% P 43,21kg/d 55,21% N 80,10kg/d 44,16% Mg 12,64kg/d 74,83% Ca 47,56kg/d 65,12% K 22,40kg/d 103,05% Fe 10,22kg/d 15,66% Al 0,01kg/d 0,06% Flüssigphase nach Extraktion TOC 18,46kg/d 3,19% P 40,83kg/d 52,18% N 74,61kg/d 41,13% Mg 11,66kg/d 68,99% Ca 44,66kg/d 61,15% K 20,28kg/d 93,32% Fe 10,06kg/d 15,41% Al 0,04kg/d 0,23% Flüssigphase nach Nährstofffällung TOC 11,15kg/d 1,93% P 2,75kg/d 3,52% N 60,21kg/d 33,19% Mg 0,97kg/d 5,73% Ca 4,36kg/d 5,97% K 17,67kg/d 81,29% Fe 0,09kg/d 0,13% Al 0,01kg/d 0,08% Extraktion Eisenfixierung F/F-Trennung Nährstofffällung F/F-Trennung Ammoniakstrippung Faulschlamm TOC 578,37kg/d 100,00% P 78,26kg/d 100,00% N 181,38kg/d 100,00% Mg 16,90kg/d 100,00% Ca 73,04kg/d 100,00% K 21,73kg/d 100,00% Fe 65,25kg/d 100,00% Al 16,76kg/d 100,00% Feststoffe nach Extraktion TOC 559,91kg/d 96,81% P 37,43kg/d 47,82% N 106,77kg/d 58,87% Mg 5,24kg/d 31,01% Ca 28,37kg/d 38,85% K 1,45kg/d 6,68% Fe 55,20kg/d 84,59% Al 16,72kg/d 99,77% Feststoffe nach Nährstofffällung TOC 7,31kg/d 1,26% P 38,08kg/d 48,66% N 14,40kg/d 7,94% Mg 13,66kg/d 80,84% Ca 40,30kg/d 55,18% K 2,62kg/d 12,03% Fe 9,97kg/d 15,28% Al 0,03kg/d 0,16% Flüssigphase nach Ammoniakstrippung TOC 7,82kg/d 1,35% P 2,35kg/d 3,00% N 7,83kg/d 4,32% Mg 0,63kg/d 3,75% Ca 2,95kg/d 4,04% K 14,67kg/d 67,48% Fe 0,05kg/d 0,07% Al 0,01kg/d 0,08% Abb. 5-13: Bilanzierung der Nährstoffe, Metalle und des organischen Kohlenstoffs [3] 60

gelöste Phase vor Ansäuerung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 0,53g/d 0,86% Cu 9,58g/d 1,08% Ni 2,03g/d 4,27% Pb 1,62g/d 2,83% Zn 19,01g/d 1,12% Mn 1,39g/d 0,30% Co 0,75g/d 8,29% Hg 0,00g/d 0,00% gelöste Phase nach Ansäuerung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 60,90g/d 100,00% Cu 1,47g/d 0,16% Ni 11,27g/d 23,69% Pb 2,06g/d 3,60% Zn 32,93g/d 1,95% Mn 309,04g/d 66,45% Co 1,44g/d 15,98% Hg 0,00g/d 0,00% gelöste Phase nach Eisenfixierung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 1,27g/d 2,09% Cu 1,86g/d 0,21% Ni 8,21g/d 17,26% Pb 1,88g/d 3,29% Zn 14,46g/d 0,86% Mn 0,16g/d 0,03% Co 0,74g/d 8,22% Hg 0,00g/d 0,00% Flüssigphase nach Extraktion Cd 0,00g/d 0,00% Cr 1,25g/d 2,05% Cu 4,68g/d 0,53% Ni 7,24g/d 15,22% Pb 1,90g/d 3,32% Zn 4,53g/d 0,27% Mn 0,15g/d 0,03% Co 0,64g/d 7,08% Hg 0,00g/d 0,00% Flüssigphase nach Nährstofffällung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 0,18g/d 0,29% Cu 1,67g/d 0,19% Ni 5,57g/d 11,70% Pb 1,40g/d 2,44% Zn 1,34g/d 0,08% Mn 0,00g/d 0,00% Co 0,36g/d 3,95% Hg 0,00g/d 0,00% Extraktion Eisenfixierung F/F-Trennung Nährstofffällung F/F-Trennung Ammoniakstrippung Faulschlamm Cd 1,45g/d 100,00% Cr 60,90g/d 100,00% Cu 890,78g/d 100,00% Ni 47,58g/d 100,00% Pb 57,23g/d 100,00% Zn 1690,56g/d 100,00% Mn 465,10g/d 100,00% Co 9,01g/d 100,00% Hg 1,46g/d 100,00% Feststoffe nach Extraktion Cd 1,45g/d 100,00% Cr 59,65g/d 97,95% Cu 886,10g/d 99,47% Ni 40,34g/d 84,78% Pb 55,33g/d 96,68% Zn 1686,03g/d 99,73% Mn 464,94g/d 99,97% Co 8,37g/d 92,92% Hg 1,46g/d 100,00% Feststoffe nach Nährstofffällung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 1,07g/d 1,76% Cu 3,01g/d 0,34% Ni 1,68g/d 3,52% Pb 0,50g/d 0,87% Zn 3,19g/d 0,19% Mn 0,15g/d 0,03% Co 0,28g/d 3,13% Hg 0,00g/d 0,00% Flüssigphase nach Ammoniakstrippung Cd 0,00g/d 0,00% Cr 0,29g/d 0,47% Cu 0,97g/d 0,11% Ni 5,21g/d 10,95% Pb 1,14g/d 2,00% Zn 0,77g/d 0,05% Mn 0,00g/d 0,00% Co 0,26g/d 2,90% Hg 0,00g/d 0,00% Abb. 5-14: Bilanzierung der Schwermetalle [3] 61

5.3 Einfluss der Anlagenmodifizierung auf die Prozessströme der Kläranlage Bevor das modifizierte Seaborne-Verfahren in Betrieb genommen wurde, fand eine Erfassung des Ist-Zustandes der Kläranlage im Abwasserpfad statt. Nach Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage wurden die Untersuchungen im Abwasserpfad wiederholt durchgeführt, um die durch die Modifizierung hervorgerufenen Veränderungen zu quantifizieren und so die Auswirkungen der endgültigen Verfahrenstechnik auf den Betrieb der Kläranlage beurteilen zu können. 5.3.1 Messprogramm für den Abwasserpfad der Kläranlage Gifhorn Die erste Messphase (Messphase I), vor Inbetriebnahme der modifizierten Seaborne- Anlage, fand in der Zeit vom 28.02.2011-03.03.2011 statt. Die zweite Messphase (Messphase II) wurde etwa vier Wochen nach Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage gestartet, um sicherzustellen, dass die durch Seaborne-Betrieb verursachten Veränderungen im Reinigungsprozess einen stationären Zustand erreicht haben. Die zweite Messphase wurde vom 19.09.2011-22.09.2011 durchgeführt. Das Analyseprogramm beinhaltete die Bestimmung von Standardparameter Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Feststoffe, außerdem wurden Ablauf Vorklärung, Ablauf Nachklärung und Überschussschlamm auf Metallkonzentrationen analysiert. Eine Messphase umfasste die Dauer von einer Woche mit jeweils zwei Messtagen. Die Beprobung von Zulauf Kläranlage, Ablauf Vorklärung und Ablauf Nachklärung wurde zeitlich aufeinander abgestimmt, wodurch die Berücksichtigung der hydraulischen Aufenthaltszeit stattfand. Die Abbildung 5-15 zeigt das Fließschema der mechanischbiologischen Stufe der Kläranlage Gifhorn mit gekennzeichneten Messstellen. In der Tabelle 5.3 wird eine Übersicht über das Messprogramm im Abwasserpfad der Kläranlage gegeben. Abb. 5-15: Fließschema der mechanisch-biologischen Stufe der Kläranlage Gifhorn 62

Tab. 5.3: Übersicht über das Messprogramm im Abwasserpfad der KA Gifhorn vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Messphase I Mo, 28.02.2011 Di, 01.03.2011 Mi, 02.03.2011 Do, 03.03.2011 Messphase II Mo, 19.09.2011 Di, 20.09.2011 Mi, 21.09.2011 Do, 22.09.2011 Zulauf Kläranlage (1) Ablauf Vorklärung (2) Ablauf Nachklärung (3) Primärschlamm (4) Belebter Schlamm (5) 6 Stichproben 8:00-13:00 Uhr 6 Stichproben 8:00-13:00 Uhr AFS, CSB hom, CSB fil, TOC, DOC, KN, NH 4 -N, NO 3 -N, P ges, PO 4 -P, SK, LF, ph 24h-MP zeitproportional ab 10:00 Uhr 24h-MP zeitproportional ab 10:00 Uhr AFS, CSB hom, CSB fil, TOC, DOC, KN, NH4-N, P ges, PO 4 -P, SK, LF, ph CSB-Fraktionierung, Schwermetalle 24h-MP zeitproportional ab 11:00 Uhr 24h-MP zeitproportional ab 11:00 Uhr AFS, CSBhom, CSBfil, TOC, DOC, KN, NH4-N, NO 2 -N, NO 3 -N, P ges, PO 4 -P, SK, LF, ph CSB-Fraktionierung, Schwermetalle 1 Stichprobe 1 Stichprobe TS-Gehalt, Glühverlust, VSV, ISV, CSB hom, CSB fil, TOC, KN, NH 4 -N, P ges, PO 4 -P 1 Stichprobe 1 Stichprobe TS-Gehalt, Glühverlust, VSV, ISV 1 Stichprobe 1 Stichprobe Überschussschlamm (6) Schlammwasser (7) = Ablauf Überschussschlammentwässerung Flüssigphase Faulschlammbehandlung (8) TS-Gehalt, Glühverlust, VSV, ISV, CSB hom, TOC, KN, P ges Schwermetalle 1 Stichprobe 1 Stichprobe AFS, CSB hom, CSB fil, TOC, DOC, KN, NH 4 -N, NO 3 -N, P ges, PO 4 -P, SK, LF, ph 1 Stichprobe AFS, CSB hom, CSB fil, TOC, DOC, KN, NH 4 -N, NO 3 -N, P ges, PO 4 -P, SK, LF, ph Die Messergebnisse zu allen durchgeführten Untersuchungen sind in der Tab. 10.1 des Anhangs zusammengestellt. 63

Zur Frachtermittlung wurden die einschlägigen Mengenangaben den Betriebsdaten entnommen. Die Originalmessdaten aus Betriebstagebüchern wurden einer Bilanzprüfung unterzogen. Die Bedingung war wie folgt definiert: Zulauf Kläranlage = Primärschlamm + Ablauf Vorklärung + Schlammwasser + Flüssigphase aus Schlammbehandlung Ablauf Kläranlage = Überschussschlammabzug + Ablauf Nachklärung Die aufgestellte Bedingung konnte mit den Originaldaten nicht erfüllt werden, sodass eine Anpassung der Mengen erforderlich war: Laut Anlagenbetreiber ist die Mengenmessung im Ablauf der Kläranlage zuverlässig, sodass die Originaldaten dieser Messstelle zur rechnerischen Ermittlung des Ablaufs des Vorklärbeckens und des Zulaufs Kläranlage eingesetzt wurden. Die Mengenangaben für der Messstellen Überschussschlamm, Schlammwasser sowie Flüssigphase aus Schlammbehandlung wurden den Betriebsaufzeichnungen entnommen. Anschließend erfolgte die rechnerische Ermittlung der Tagesmengen für Zulauf Kläranlage und Ablauf Vorklärung. In der Tab. 5.4 sind die Mengen der Prozesswasserströme getrennt für die Messphase I und II dargestellt. Tab. 5.4: Mittlere Abwassermengen der KA Gifhorn vor und während des Seaborne- Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Messphase I Messphase II Zulauf m³/d 10.326 6.793 Primärschlamm m³/d 64 69 Ablauf Vorklärung m³/d 10.262 6.724 Überschussschlamm m³/d 334 280 Ablauf Nachklärung m³/d 9.928 6.444 Schlammwasser m³/d 297 250 Zentrat m³/d 117 105 5.3.2 Auswertung der Ergebnisse Einfluss des Seaborne-Verfahrens auf Rückbelastung mit Metallen Im Abwasserpfad der Kläranlage wurden neben den Standardparametern der Abwasseranalytik auch Untersuchungen zur Metallbelastung durchgeführt. Die unfiltrierten Abwasserproben aus Zulauf Kläranlage, Ablauf Vorklärung und Ablauf Kläranlage sowie Überschussschlamm wurden nach der Probenahme tiefgefroren und anschließend gesammelt an das Institut für Boden und Umwelt, LUFA Nord-West versandt, wo die Analysen stattfanden. 64

Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Analyseergebnisse nach Konzentrationsmengen aufgeteilt: in der Abb. 5-16 sind die Metallkonzentrationen mit einem Aufkommen von > 5 mg/l (K, Ca, Mg, Na) und in der Abb. 5-17 für Metallkonzentrationen mit einem Aufkommen von < 5 mg/l (Cu, Mn, Zn, Al, Fe) dargestellt. In der Tab. 5.5 sind die Analyseergebnisse für Metallkonzentrationen mit einem Aufkommen von < 0,5 mg/l (B, Pb, Cd, Cr, Hg, Ni, Co) zusammengestellt. In der Tab. 10.2 des Anhangs sind zu dem die Analyseergebnisse aus dem Jahr 2004 für die Messstellen Ablauf Vorklärung und Nachklärung der KA Gifhorn sowie die Grenzwerte nach Trinkwasserverordnung für die untersuchten Parameter dargestellt. Die Ablaufwerte aus dem Jahr 2004 sowie die aus der ersten und zweiten Messphase des Jahres 2011 halten, bis auf Mangan und Eisen, die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung ein. Da die Grenzwerte der TrinkwV eine Unbedenklichkeit des Mediums für den Gebrauch voraussetzen, kann davon ausgegangen werden, dass die erreichten Konzentrationen auch für Flora und Fauna des Vorfluters unschädlich sind. Eisen und Mangan sind essentielle Elemente für alle Organismen und es ist davon auszugehen, dass die in der KA Gifhorn erreichten Konzentrationen unbedenklich sind. Die AbwV fordert für Eisen-, Stahl- und Tempergießerei für die Einleitungsstelle in das Gewässer das Einhalten von 5 mg/l Eisen. Die Metallkonzentrationen von K, Ca und Mg weisen keine signifikanten Unterschiede zwischen Messphase I und II auf. Anders sieht es bei Natrium aus: in der zweiten Messphase steigt die Konzentration von Natrium an. Zum einen werden in der Seaborne-Anlage NaOH und Na 2 S mit einer Menge von ca. 110 kg Na/d zudosiert. Rechnerisch ergibt diese Na-Fracht im Zulaufstrom der Kläranlage von 6.700 m³/d eine zusätzliche Na-Konzentration von 16 mg/l. Zum anderen ist die Na-Konzentration im Abwasser aufgrund der Witterungsverhältnisse in der ersten Messphase durch Streusalzausbringung beeinflusst. Die Na-Konzentration von 117 mg/l im Zulauf Kläranlage in der ersten Messphase entspricht bei 10.300 m 3 /d einer Na-Fracht von 1.200 kg/d, diese Na- Fracht würde bei 6.700 m 3 /d einer Na-Konzentration im Zulauf von 180 mg/l entsprechen. Daraus folgt, dass die Erhöhung der Na-Konzentration durch die Seaborne- Anlage im Vergleich zum Streusalzeinfluss in den Wintermonaten gering ausfällt. Die Metallkonzentrationen für Cu, Mn, Zn, Al und Fe sind trotz geringerer Verdünnung in der zweiten Messphase geringer, die Fracht im Zulauf zur Kläranlage geht in der zweiten Messphase signifikant zurück (Tab. 10.3 des Anhangs). Die Größenordnung der Fracht an Schwermetallen im Zulauf zur Kläranlage ist jedoch weiterhin um ein Vielfaches höher als die Schwermetallfracht, die aus der Faulschlammbehandlung, ob mit oder ohne Seaborne-Verfahren, in die Kläranlage zurückgeführt wird. So werden beispielsweise ca. 20 g/d Zn aus der Flüssigphase durch die Seaborne-Technologie entfernt (Abb. 5-14), die ca. 1% der Zn-Fracht aus dem Zulauf zur KA ausmachen. Für Cu, 65

Mn, Al und Fe verhält es sich ähnlich: die durch das Seaborne-Verfahren eliminierte Schwermetallfracht liegt unter 1 % der Zulauffracht zur Kläranlage. Aus den vorhandenen Analyseergebnissen sind keine Auffälligkeiten bzgl. des Schadstoffgehaltes vor Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage zu erkennen. Durch das Seaborne-Verfahren wird die Rückbelastung mit Schwermetallen reduziert, jedoch in einer Größenordnung, die im Vergleich zur Zulauffracht sehr gering ausfällt. Abb. 5-16: Metallkonzentrationen vor und während des Seaborne-Betriebes (Messpha se I bzw. Messphase II) im Abwasserpfad der KA Gifhorn Abb. 5-17: Metallkonzentrationen vor und während des Seaborne-Betriebes (Messpha se I bzw. Messphase II) im Abwasserpfad der KA Gifhorn 66

Tab. 5.5: Metallkonzentrationen vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) im Abwasserpfad der KA Gifhorn Zulauf Kläranlage Ablauf Vorklärung Ablauf Kläranlage mg/l Messphase I Messphase II Messphase I Messphase II Messphase Messphase II B < 0,005 0,02 < 0,005 0,008 0,39 <0,005 Pb < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Cd < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 Cr < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Hg < 0,0002 0,0004 < 0,0002 0,0002 < 0,0002 0,0005 Ni 0,01 <0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Co 0,001 0,0007 0,001 0,0007 0,002 0,0012 Einfluss des Seaborne-Verfahrens auf die CSB-Fraktionen im Längsschnitt der KA Gifhorn Die CSB-Fraktionierung der Abwasserproben wurde von den Proben Ablauf Vorklärung, Ablauf Nachklärung, Schlammwasser und Flüssigphase Faulschlammbehandlung aus der ersten und zweiten Messphasen bestimmt. Die Ergebnisse dieser Analysen sind in den Abb. 5-18 bis Abb. 5-21 als prozentuelle Verteilung der CSB-Fraktionen dargestellt, in der Tab. 5.6 sind die Konzentrationen der CSB-Fraktionen zusammengestellt. Zum Zeitpunkt der zweiten Messphase war der Stripper der Seaborne-Anlage noch nicht in Betrieb, sodass der Ablauf der Seaborne-Anlage dem Prozessstrom Flüssigphase nach MAP-Fällung entspricht. Die Grundsätze der Methodik zur CSB-Fraktionierung sind bereits im Teilbericht CSB- Fraktionierung des Prozesswassers aus Projektphase 2 beschrieben. Aufgrund der großen Probenanzahl mussten die Abwasserproben durch Einfrieren konserviert und nacheinander untersucht werden. Die frischen Abwasserproben wurden auf den homogenisierten sowie filtrierten CSB analysiert, anschließend wurden die Abwasserproben durch Faltenfilter (MN 615 1/4) filtriert und dann eingefroren. Aus der Abb. 5-18 ist zu entnehmen wie durch das Seaborne-Verfahren die Verteilung der CSB-Fraktionen des Prozesswassers aus der Faulschlammentwässerung beeinflusst wird. Der Anteil an ungelöstem CSB ist von 60% in Messphase I auf 39% in Messphase II reduziert. Durch die Extraktionsstufe mit anschließender Fest-Flüssig- Trennung sowie durch die Stufe der Nährstofffällung mit anschließender Fest-Flüssig- Trennung sollte in der Seaborne-Anlage ein hoher Grad der Feststoffabscheidung erreicht werden. Der Anteil an ungelöstem CSB im Ablauf der Seaborne-Anlage (Messphase II) von 39% erscheint dabei sehr hoch. Dieses Ergebnis kann in der Art der Probenahme begründet sein: Da zu beiden Messphasen jeweils nur eine Stichprobe untersucht wurde, kann eine bereits kurzzeitige Abweichung vom Normalbetrieb die Messer- 67

gebnisse beeinflussen. Für die Untersuchung der CSB-Fraktionen wurde die filtrierte Abwasserprobe eingesetzt, sodass der erhöhte Feststoffgehalt keinen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis hat. Der leicht abbaubare CSB-Anteil des Prozesswassers aus der Faulschlammentwässerung der Messphase I ist im Vergleich zur Probe aus der Messphase II leicht zurückgegangen; diese Veränderung ist geringfügig und wird als nicht signifikant eingestuft. Dass im Ablauf der Faulschlammentwässerung überhaupt leicht abbaubarer CSB vorhanden ist, kann u.a. auf die Dosierung von Polymeren zurückzuführen sein. Der Anteil an schwer abbaubarem CSB und Rest-CSB hat sich von Messphase I zu Messphase II ebenfalls nicht signifikant verändert. Aus diesen Ergebnissen lässt sich feststellen, dass das Seaborneverfahren keinen signifikanten Einfluss auf die CSB-Fraktionen der Flüssigphase des Faulschlamms hat. Flüssigphase Faulschlammbehandlung Messphase I CSB ungelöst = 0,6 * CSB hom Messphase II CSB ungelöst = 0,39 * CSB hom Abb. 5-18: CSB-Fraktionierung der Flüssigphase aus Faulschlammbehandlung vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Mit der Rückführung von Flüssigphase aus der Faulschlammbehandlung in die biologische Stufe der Kläranlage wird unter anderem auch der inerte CSB (Rest-CSB) zurückgeführt. Vor Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage wurden in der ersten Messphase 24 kg/d Rest-CSB zurückgeführt, während des Seaborne-Betriebes in der zweiten Messphase wurden 18 kg/d Rest-CSB zurückgeführt. Im Vergleich dazu lag die Rest-CSB- Fracht im Zulauf Vorklärung der KA Gifhorn bei 190 kg/d in der ersten Messphase bzw. bei 63 kg/d in der zweiten Messphase. Somit lag der Anteil von Rest-CSB im Zulauf Vorklärung aus der Flüssigphase der Faulschlammbelastung bei 13% bzw. bei 29%. Trotz des höheren Rest-CSB-Anteils in der Rückbelastung aus der Faulschlammentwässerung in der zweiten Messphase ist der Anteil an Rest-CSB im Ablauf der Vorklärung in der ersten Messphase höher. Im Ablauf der Nachklärung ist der Rest-CSB- Anteil jedoch in der ersten Messphase niedriger als in der zweiten Messphase. Diese Unterschiede in der Verteilung der CSB-Fraktionen sind in erster Linie auf den Einfluss der Zusammensetzung des Zulaufs zurückzuführen: die Prozesswassermenge aus der Faulschlammbehandlung ist mit ca. 100 m³/d im Vergleich zur Zulaufmenge von 10.500 bzw. 7.000 m³/d zur Kläranlage relativ gering. Auch die Witterungsbedingungen müssen 68

bei Interpretation der vorliegenden Ergebnisse berücksichtigt werden: während der ersten Messphase lag die Umgebungstemperatur bei ca. 0 C, während der Messphase II dagegen bei 15 C. Der höhere Anteil an Rest-CSB im Ablauf Nachklärung in Messphase II lässt sich mit der besseren Umsatzleistung der Biozönose erklären, die bei höheren Temperaturen leistungsfähiger ist und damit möglicherweise mehr an schwer abbaubarem CSB in Rest-CSB überführt als bei niedrigen Temperaturen. Zudem ist die CSB-Schlammbelastung in der ersten Messphase mit 0,15 kgcsb/(kgts*d) etwas höher als in der zweiten Messphase mit 0,13 kgcsb/(kgts*d). Beide Messphasen weisen ein hohes Schlammalter von über 18 d auf. Ablauf Vorklärung Messphase I CSB ungelöst = 0,52 * CSB hom Messphase II CSB ungelöst = 0,46 * CSB hom Abb. 5-19: CSB-Fraktionierung von Ablauf Vorklärung vor und während des Seaborne- Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Ablauf Nachklärung Messphase I CSB ungelöst = 0,14 * CSB hom Messphase II CSB ungelöst = 0,12 * CSB hom Abb. 5-20: CSB-Fraktionierung von Ablauf Nachklärung vor und während des Seabor ne-betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Schlammwasser 69

Messphase I CSB ungelöst = 0,78 * CSB hom Messphase II CSB ungelöst = 0,72 * CSB hom Abb. 5-21: CSB-Fraktionierung von Schlammwasser vor und während des Seaborne- Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Tab. 5.6: CSB-Fraktionierung untersuchter Abwasserströme vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) mg/l Schlammwasser Zentratwasser Ablauf Vorklärung Ablauf Nachklärung Messphase I II I II I II I II CSB hom 194 134 1125 662 485 560 49,3 38 CSB ungelöst 152 97 672 261 252 255 6,7 4,5 CSB fil 42 37 453 401 233 305 42,6 33,5 CSB leicht abb. 0,0 0,0 63,0 39,0 13,0 46,0 0,0 0,0 CSB schwer abb. 7,0 5,0 186,0 192,0 201,5 250,0 11,4 3,3 Rest-CSB 35,0 32,0 204,0 170,0 18,5 9,3 31,2 30,2 Tab. 5.7: CSB-Fraktionierung untersuchter Abwasserströme vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) kg/d Schlammwasser Zentratwasser Ablauf Vorklärung Ablauf Nachklärung Messphase I II I II I II I II CSB hom 58 34 132 70 4.977 3.765 489 245 CSB ungelöst 45 24 79 27 2.586 1.715 67 29 CSB fil 12 9 53 42 2.391 2.051 423 216 CSB leicht abb. 0 0 7 4 133 309 0 0 CSB schwer abb. 2 1 22 20 2.068 1.681 113 21 Rest-CSB 10 8 24 18 190 63 310 195 70

Einfluss des Seaborne-Verfahrens auf die Rückbelastung mit C-, N- und P-Fracht Der Prozesswasserstrom aus der Faulschlammbehandlung stellt die größte Rückbelastungsquelle für die Kläranlage im Hauptstrom dar. Insofern sollte durch die Inbetriebnahme der Seaborne-Anlage ein signifikanter Einfluss auf die Zusammensetzung des Zentratwassers ausgeübt werden. In der Tab. 5.8 sind die relevanten C-, N- und P- Frachten aus der Faulschlammbehandlung für die erste und zweite Messphase dargestellt. Wie erwartet, geht die Belastung für die relevanten Parameter während des Betriebes der Seaborne-Anlage signifikant zurück. In der Abb. 5-22 ist die Frachtminderung durch die Nährstoffrückgewinnung grafisch dargestellt. Tab. 5.8: Rückbelastungsfracht aus Flüssigphase Faulschlammbehandlung vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Messphase I Messphase II (Ablauf nach Ammoniakstrippung) Q [m³/d] 117 105 AFS [kg/d] 43 6 CSB hom [kg/d] 131 33 KN [kg/d] 85 8 P ges [kg/d] 22 2 Abb. 5-22: Reduzierung der Rückbelastungsfracht aus der Flüssigphase Faulschlammbehandlung durch das Seaborne-Verfahren (Ablauf Seaborne-Anlage entspricht Ablauf Ammoniakstrippung) Im Weiteren soll die Frachtreduzierung, die durch die Seaborne-Anlage in der Rückbelastung erreicht wird, quantifiziert werden: Die Prozesswassermenge ist im Vergleich zur Messphase I nur um 10 % zurückgegangen, diese Reduzierung liegt innerhalb von Messschwankungen und wird 71

als nicht signifikant betrachtet. Durch den Betrieb der Seaborne-Anlage konnte die AFS-Fracht von 43 kg/d auf 6 kg/d um 86 % reduziert werden. Diese Reduzierung entspricht einer Jahresfracht von ca. 14 t/a. Im Vergleich zur AFS-Fracht im Zulauf Kläranlage macht diese Frachtreduzierung ca. 1-3 % aus: Während der Messphase I wurden 1.409kg/d - 43kg/d AFS und während der Messphase II 2.344 kg/d - 6 kg/d AFS im Zulauf zur Kläranlage gemessen. Die CSB-Fracht konnte durch die Seaborne-Stufe von 131 kg/d auf 33 kg/d um 75 % reduziert werden, diese Reduzierung entspricht einer Jahresfracht von ca. 36 t/a. Im Vergleich zur CSB-Fracht im Zulauf Kläranlage macht die Frachtreduzierung von 98 kgcsb/d ca. 1-2 % aus: Während der Messphase I wurden 7.357 kg/d - 131 kg/d und während der Messphase II 6.420 kg/d - 33 kg/d im Zulauf zur Kläranlage gemessen. Die Stickstoff-Fracht konnte durch die Seaborne-Stufe von 85 kg/d auf 8 kg/d um 91 % reduziert werden, diese Reduzierung entspricht einer Jahresfracht von ca. 28 t/a. Im Vergleich zur N-Fracht im Zulauf Kläranlage macht die Frachtreduzierung von 77 kgn/d ca. 10% aus: Während der Messphase I wurden 803 kg/d - 85 kg/d und während der Messphase II 696 kg/d - 8 kg/d im Zulauf zur Kläranlage gemessen. Die Phosphor-Fracht konnte durch die Seaborne-Stufe von 22 kg/d auf 2 kg/d um 91 % reduziert werden, diese Reduzierung entspricht einer Jahresfracht von ca. 7,3 t/a. Im Vergleich zur P-Fracht im Zulauf Kläranlage macht die Frachtreduzierung von 20 kgp/d ca. 23% aus: Während der Messphase I wurden 107 kg/d - 22 kg/d und während der Messphase II 92 kg/d - 2kg/d im Zulauf zur Kläranlage gemessen. Der Einfluss der Seaborne-Anlage auf die mechanisch-biologische Stufe resultiert aus dem Prozessstrom, der die Seaborne-Anlage nach der Extraktion, Schwermetallfällung und der Nährstoffrückgewinnungsstufe verlässt. Beim Durchlaufen der Stufen werden dem Prozesswasser u.a. Schwermetalle, Stickstoff sowie Phosphor entzogen. So führt die Rückbelastung aus der Seaborne-Anlage im Vergleich zum Zustand ohne Nährstoffrückgewinnung geringere Frachten an Nähr-, Schad- und Feststoffen in die mechanisch-biologische Stufe zurück. Der wesentliche Punkt des positiven Einflusses der Seaborne-Anlage auf die mechanisch-biologische Stufe ist die Verminderung der Belas- 72

tung zur Biologie aus der P- und N-Fracht von 20% bzw. 10%, die eine Einsparung an Fällmittel und Belüftungsenergie bedeuten. Einfluss des Seaborne-Verfahrens auf die Reinigungsleistung der KA Gifhorn In der Tab. 5.9 sind die Kennzahlen der Belebungsstufe während der ersten Messphase im März 2011 und der zweiten Messphase im September 2011 zusammengefasst. Die ermittelte Abbauleistung wurde auf Einwohnerwerte bezogen, die aus der CSB- Fracht im Zulauf zur Kläranlage und der einwohnerspezifischen Fracht von 120 g CSB/(E*d) ermittelt wurde. Die CSB-Fracht im Zulauf Kläranlage betrug in der Messphase I 7.357 kg/d, in der Messphase II 6.420 kg/d, so dass die normierte EW- Größe in der Messphase I 61.309 EW und in der Messphase II 53.497 EW betrug. In beiden Messphasen konnte ein hohes Schlammalter gewährleistet werden. Sowohl die CSB- als auch die N-Abbauleistung ist in der zweiten Messphase höher, was vor allem auf die besseren Witterungsverhältnisse zurückzuführen ist: die Lufttemperatur lag in der Zeit der ersten Messphase bei 0 C, in der Zeit der zweiten Messphase bei 15 C. Davon zeugen auch die höheren CSB fil - und NH 4 -N-Ablaufwerte in der ersten Messphase. Es ist davon auszugehen, dass die Zulaufzusammensetzung zur Kläranlage und die Witterungsverhältnisse während der Messphasen einen größeren Einfluss auf die Belebungsstufe hatten, als die Einflüsse aus interner Rückbelastung aus Prozesswasserströmen der Faulschlammbehandlung. Tab. 5.9: Abbauleistung und C-, N-, P-Ablaufkonzentrationen der biologischen Stufe der KA Gifhorn vor und während des Seaborne-Betriebes (Messphase I bzw. Messphase II) Messphase I Messphase II Schlammbelastung kgcsb/(kgts*d) 0,15 0,13 Schlammalter d 22 18 CSB-Abbauleistung der Belebungsstufe % 91 94 CSB-Abbauleistung der Belebungsstufe g/(ew 120 *d) 75 70 N-Abbauleistung der Belebungsstufe % 82 89 N-Abbauleistung der Belebungsstufe g/(ew 120 *d) 9,0 9,3 Erreichten Ablaufwerte CSB hom mg/l 48 37 CSB fil mg/l 42 32 NH 4 -N mg/l 5,5 1,5 NO 3 -N mg/l 4,3 4,5 P ges mg/l 1,6 1,3 PO 4 -P mg/l 1,6 1,0 73

5.4 Wirtschaftlichkeitsanalyse der modifizierten Verfahrensweise Der Betrieb der Anlage in Gifhorn hat die Möglichkeiten und Grenzen einer Rückgewinnung von Nährstoffen aus entwässertem Klärschlamm aufgezeigt. Auf Basis dieser Erkenntnisse kann aus dem ursprünglichen Seaborne-Verfahren ein Prozess abgeleitet werden, der unter technischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert ist. Da dieses Verfahren von dem ursprünglichen Seaborne-Verfahren entscheidend abweicht, erscheint es sinnvoll hierfür den Begriff Gifhorner-Verfahren einzuführen. 5.4.1 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Beim Gifhorner-Verfahren handelt es sich um ein Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor und Stickstoff. Gegenüber dem Seaborne-Verfahren entfallen somit unter anderem die Trocknung und die Verbrennung. Gemäß den in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten Optimierungsmaßnahmen ist das Gifhorner-Verfahren wie in Abb. 5.23 dargestellt aufgebaut. Der Schlamm wird mittels Schwefelsäure auf einen ph-wert von ca. 3,8 angesäuert, wobei Phosphor als Phosphat in Lösung gebracht wird. Durch die anschließende Zugabe von Natriumsulfid und eine ph-wert Anhebung mit Natronlauge fällt gelöstes Eisen als Eisensulfid aus und wird in der anschließenden Fest-Flüssig-Trennung gemeinsam mit den organischen Feststoffen abgeschieden. Für die Verwertung der Feststoffe stehen die bekannten Wege der Klärschlammentsorgung zur Verfügung. In der Flüssigphase wird durch die Zugabe von Magnesium (in Magnesiumhydroxidform) und die Anhebung des ph-wertes auf ca. 9 die Bildung von Magnesium- Ammonium-Phosphat und Calcium-Phosphat erreicht. Die Abtrennung der Fällprodukte erfolgt in Gifhorn mit einer Zentrifuge, alternativ erscheint der Einsatz eines Kristallisationsreaktors sinnvoll, da hiermit ein Produkt mit besserer Kristallstruktur und geringerem Wassergehalt zu erzeugen ist. Im letzten Prozessschritt erfolgt eine weitere Anhebung des ph-wertes auf ca. 10 und eine anschließende Abtrennung des Ammoniums durch Luft-Strippung. Aus dem Ammoniakgas wird durch Wäsche in Schwefelsäure das Produkt Di-Ammoniumsulfat gewonnen. Das nur noch gering mit Phosphor und Stickstoff belastete Abwasser wird in den Zulauf der Kläranlage geleitet. 74

Abb. 5-23: Verfahrensfließbild des Gifhorner-Verfahrens 5.4.2 Betriebskosten Teil der wissenschaftlichen Begleitung der Anlage in Gifhorn ist eine wirtschaftliche Bilanzierung und Bewertung. Für die wirtschaftliche Bewertung wird auf die im modifizierten großtechnischen Dauerbetrieb der Anlage gewonnenen (mittleren) Messwerte zurückgegriffen. Die in Gifhorn erzielten Ergebnisse wurden dabei auf eine Modell- Kläranlage mit einer Größe von 100.000 EW übertragen. Um die Vergleichbarkeit zu verbessern und die Übertragbarkeit zu vereinfachen, wurden dabei solche Bedingungen angenommen, wie sie üblicherweise auf Anlagen solcher Größe herrschen. Hinsichtlich der Investitionen und der Betriebskosten wurden ortsspezifischen Bedingungen und die in Gifhorn vorhandenen Installationen nicht betrachtet, sondern vielmehr von einem Neubau einer Anlage auf einer bestehenden Kläranlage ausgegangen. Die spezifischen Betriebsmittelverbräuche wurden auf Basis der Untersuchungs- bzw. Betriebsergebnisse in Gifhorn bestimmt, wobei quantifizierbare Optimierungspotentiale bereits berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse sind durch die Eigenschaften des Gifhorner Schlamms beeinflusst. Da es sich um einen üblichen kommunalen Faulschlamm handelt, sind auf anderen Anlagen grundsätzlich ähnliche Verbrauchswerte zu erwarten, so dass insgesamt von einer guten Übertragbarkeit der folgenden Berechnungen auf andere Kläranlagen ausgegangen werden kann. Die spezifischen Betriebsmittelverbräuche, die Tagesverbräuche für eine Anlage mit 100.000 EW sowie die Jahreskosten, wie sie sich auf Basis der bislang vorliegenden Ergebnisse ergeben, sind in der folgenden Tabelle 5.5 zusammengestellt. 75