Anno Domini 2015 Predigttext: Lukas 4, 16-21 Anlass: Neujahr Datum: 1. Januar 2015 Autor: Ort: Übersicht: Robert Augustin St. Michael Lukas 4, 16-21 16 Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf und wollte lesen. 17 Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und als er das Buch auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben steht (Jesaja 61,1-2): 18»Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, 19 zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«Seite 1
20 Und als er das Buch zutat, gab er's dem Diener und setzte sich. Und aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn. 21 Und er fing an, zu ihnen zu reden: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. Fortsetzung des Textes: 22 Und sie gaben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich, dass solche Worte der Gnade aus seinem Munde kamen, und sprachen: Ist das nicht Josefs Sohn? 23 Und er sprach zu ihnen: Ihr werdet mir freilich dies Sprichwort sagen: Arzt, hilf dir selber! Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind! Tu so auch hier in deiner Vaterstadt! 24 Er sprach aber: Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland. 25 Aber wahrhaftig, ich sage euch: Es waren viele Witwen in Israel zur Zeit des Elia, als der Himmel verschlossen war drei Jahre und sechs Monate und eine große Hungersnot herrschte im ganzen Lande, 26 und zu keiner von ihnen wurde Elia gesandt als allein zu einer Witwe nach Sarepta im Gebiet von Sidon. 27 Und viele Aussätzige waren in Israel zur Zeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde Seite 2
rein als allein Naaman aus Syrien. 28 Und alle, die in der Synagoge waren, wurden von Zorn erfüllt, als sie das hörten. 29 Und sie standen auf und stießen ihn zur Stadt hinaus und führten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustürzen. 30 Aber er ging mitten durch sie hinweg. Predigt Liebe Gemeinde, schauen wir noch einmal genau hin auf das spannende Evangelium aus Lukas 4: Jesus macht als Wanderprediger in Galiläa von sich reden. Eines Tages kommt er auch in seine Heimatstadt Nazareth. Es ist Sabbat und Jesus besucht den Synagogengottesdienst. Nach seiner Gewohnheit heißt es lapidar. Aha, Jesus war also Kirchgänger: regelmäßiger Kirchgänger. Ich finde diese Information interessant, weil wir sonst über das Alltagsleben von Jesus wenig hören. Und: Weil der Kirchgang als guter, sinnvoller Brauch hier bestätigt wird. Dabei hätte es Jesus nicht nötig gehabt, dass ihm irgend jemand etwas über Gott erzählt. Als Gottessohn war er diesbezüglich ja absoluter Insider. Sondern sein Motiv zum Kirchgang war wohl eher das, was der im Tempel zurückgebliebene Junge Seite 3
Jesus zu seinen besorgten Eltern sagte: Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? - Das Haus Gottes, das Wort Gottes, die Nähe Gottes: Das war ihm ein Anliegen. Geht es Ihnen auch so: Dass Sie es als gut und richtig empfinden, sich im Haus Gottes aufzuhalten, auf sein Wort zu hören und Zeit zu haben für ihn? Doch die Geschichte geht weiter. Jesus ist in der Synagoge. Und damals lud man einen Gast gern ein, die Lesung zu halten. Das war eine Ehre. Jesus, schön, dass du mal wieder hier bist. Magst du nicht die Epistel lesen und anschließend ein paar Worte an uns richten? - Zwei schöne Impulse für unseren Gottesdienst: Warum nicht mal einen Gast fragen, ob er lesen möchte? Und: Lesung und dann sofort Predigt dazu ohne irgend etwas dazwischen. Jesus steht also auf, man reicht ihm die Schriftrolle des Propheten Jesaja. Das coole bei Schriftrollen ist, dass man kein Lesezeichen braucht. Man lässt beide Spulen einfach dort, wo man aufgehört hat und dreht gegebenenfalls ein kleines Stückchen weiter. Was Jesus liest, ist also dran. Und es ist eine Weissagung auf die Heilszeit Gottes: Auf den Messias:»Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat [Messias heißt wörtlich: Der Gesalbte], zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zer Seite 4
schlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«Jesus wickelt die Schriftrolle wieder ganz zu und gibt sie dem Mesner. Jesus setzt sich. Alle schauen Jesus an. - Predigt im Sitzen: auch eine Idee - Was wird Jesus sagen? Schön, mal wieder zu Hause zu sein und euch alle zu sehen... - Nein er kommt gleich zur Sache und hält die kürzeste mir bekannte Predigt. Sie lautet: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. Ein Raunen geht durch die Reihen. In der Bibel heißt es: Und sie gaben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich, dass solche Worte der Gnade aus seinem Munde kamen, und sprachen: Ist das nicht Josefs Sohn? Vermutlich war die Hauptfrage: Wer ist der, das der so reden kann! Und man sammelte erst einmal, was man über Jesus wusste: Sohn des Josef. Ungebildet. Unbescholten. Handwerker. Andere wussten wohl: Er soll Kranke geheilt und Wunder vollbracht haben. Und die Vorsteher der Synagoge werden sich auch gefragt haben: Weiß der eigentlich, was er da gesagt hat? - Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. - Das heißt ja im Klartext: Der Messias, auf den Israel seit Jahrhunderten wartet, ist jetzt da. Das Reich Gottes ist da. Ich bin der Messias. Und wer so etwas behauptet, der lästert ganz klar Gott: Stellt sich an die Stelle Gottes. Darauf steht Seite 5
die Todesstrafe. Und während sie noch gerätselt haben dürften, ob Jesus das vorsätzlich so gesagt hat, oder ob er - der nichtstudierte Handwerkersohn vielleicht gar nicht verstand, was er da gesagt hatte und folglich unschuldig war, redet Jesus weiter. Er lässt keinen Zweifel: Ich habe verstanden, was ich da gesagt habe! Und er sprach zu ihnen: Ihr werdet mir freilich dies Sprichwort sagen: Arzt, hilf dir selber! Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind! Tu so auch hier in deiner Vaterstadt! Er sprach aber: Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland. Jesus besucht seine Heimatstadt und sagt: Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland. - Jesus vergleicht sich also mit einem Propheten, z.b. Jesaja, aus dessen Rolle er gerade gelesen hat. Er hält sich für von Gott erleuchtet. Und dann mischt er seine Zuhörer auch noch auf, indem er zwei Beispiele gibt, die Unmut erzeugen müssen: Aber wahrhaftig, ich sage euch: Es waren viele Witwen in Israel zur Zeit des Elia, als der Himmel verschlossen war drei Jahre und sechs Monate und eine große Hungersnot herrschte im ganzen Lande, und zu keiner von ihnen wurde Seite 6
Elia gesandt als allein zu einer Witwe nach Sarepta im Gebiet von Sidon. Will sagen: Der großen Propet Elia wurde zu keinem Israeliten, sondern zu einer ausländischen, nichtjüdischen Witwe gesandt. Und ein anderer Prophet, Elisa, heilte keinen Juden, sondern ausgerechnet einen Ausländer: den Syrer Naeman vom Aussatz: Und viele Aussätzige waren in Israel zur Zeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde rein als allein Naaman aus Syrien. Da braucht Jesus sich nicht wundern, dass die Stimmung in der Synagoge umkippt. Die braven Kirchgänger sind empört: Jesus, der Zimmermann, erklärt sich hier zum Gottessohn, und das mit voller Absicht. Sie packen Jesus, stoßen ihn aus der Synagoge, jagen ihn aus der Stadt und treiben ihn auf einen Berg zu, der einen Steilhang besitzt und wollen ihn zu Tode stürzen. Und jetzt kommt zum Abschluss ein wunderbarer Satz: Aber er ging mitten durch sie hinweg. Liebe Gemeinde, der Anspruch, den Jesus in der Synagoge von Nazareth stellt, wenn er sagt: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren ruft bis heute Wut und Ärger hervor. Heute sind es aber nicht die Besucher der Synagoge, sondern andere: Eine Seite 7
Mehrheit der Medien. Jesus als rätselhaft-interessante Figur der Vergangenheit: Ja. Jesus als Messias und Gottes Sohn Der wird von den Redakteuren und Programmdirektoren im hohen Bogen aus dem Programm geschmissen. Das schöne ist nur: Aber er ging mitten durch sie hinweg. Sie kriegen ihn nicht tot! Eine Mehrheit der wissenschaftlichen Theologen der letzten zwei Jahrhunderte: Jesus als besonders begabter Mensch: Ja. Jesus als wahrer Gott und Wundertäter: nein. Das versuchen die meisten Fachleute anders zu erklären. Und viele in der Kirche auch. Das schöne ist nur: Aber er ging mitten durch sie hinweg. Sie kriegen ihn nicht tot! Dabei wird das, was unser Predigttext bezeugt, von vielen anderen Stellen des NT bestätigt: Mt 11, vor 14 Tagen von meiner Frau gepredigt: Der Täufer lässt Jesus fragen: Bist du es, der da kommen soll? Jesus antwortet: Mach doch die Augen auf: bline sehen, Lahme gehen... Ja, ich bins! Oder die Emmausjünger in Lukas 24: Sie grübeln über das Alte Testament. Und Jesus erklärt ihnen, dass dort von ihm geredet wird. Und Paulus im zweiten Korintherbrief: Auf alle Gottesverheißungen ist in ihm [Jesus] das Ja. Kann man ein so breites und klares biblisches Zeugnis, dass Jesus der verheißene Messias, der Sohn Gottes ist, einfach so wegwischen? Ich möchte Ihnen Mut machen, dem Lukas, dem Seite 8
Matthäus, dem Paulus und Jesus zu vertrauen und das unerhörte, was Jesus da sagt, zu hören und tief ins Herz aufzunehmen: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. Jesus stand nicht nur damals in der Synagoge und verkündete das. Er steht auch heute hier bei uns am Neujahrstag des Jahres 2015 und verkündet: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. Und das hat Konsequenzen. In der Lesung aus Jesaja, die Jesus in Nazareth verlas, heißt es unter anderem auch: zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn. Am Neujahrstag sind wir ja besonders sensibel. Wir erleben die Zeit ganz bewusst. Wir sehen 365 Tage vor uns und erleben das bewusst als von Gott neu geschenkte Zeit. Wir wünschen uns ein gutes Neues. Oder einen guten Rutsch. Oder ein gesegnetes Neues Jahr. Aber wodurch wird das Jahr denn gut? Wodurch werden die Tage, die kommen, denn gesegnet? Was kann der rote Faden für ein gelungenes Jahr 2015 sein? Die Antwort: Jesus in unserer Mitte. Wo er in unserem Leben präsent ist ist und alles, was wir tun, bestimmt und prägt: Da wird unsere Zeit zur Gnadenzeit. Da wird das Jahr zum Gnadenjahr. Da wird er Seite 9
uns durch Schönes und Schweres führen. Eine Abkürzung, die bis heute geläufig ist, erinnert daran: Anno Domini - alias A.D. - Im Jahre des Herrn. Wollen wir vor die Zahl 2015 heute bewusst ein A.D. schreiben und auch dieses Neue Jahr dem Herrn Jesus weihen? Er erfüllt unsere Zeit mit dem Licht Gottes. In den Nachrichten gestern wurde berichtet, wo überall schon Neujahr war, und wo Neujahr schon kommt. Ich habe mir vorgestellt, wie das von außen aussieht, von der Raumstation ISS zum Beispiel. Da geht eine Welle des Lichts bedingt durch Feuerwerke rund um den Globus. Aber das ist nur ein äußeres Licht. Möge der Name Jesu im Jahre 2015 diese Welt rundherum mit einem anderen, göttlichen Licht erleuchten. Und möge es bei uns in Hammelburg, in meinem und deinem Leben besonders hell scheinen. Seite 10