Drückt sich auch schon Lukas? Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis (Lk 11,1-13) Guter Jesus, woher hast du nur dein unverschämtes Gottvertrauen? Bittet, dann wir euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch aufgetan. Dein Rat in Ehren! Aber die Erfahrung von uns Menschen ist das nicht. Wie oft sprechen Menschen ihre tiefste Herzensbitte um Genesung aus und die Bitte bleibt unerfüllt. Wie häufig suchen Menschen in einer zerrütteten Beziehung wieder nach einem neuen Weg und doch finden sie keine Lösung des Problems. Wie heftig pocht so mancher an die Himmelstür, wenn er nicht mehr ein noch aus weiß und keiner hört und keiner öffnet. Guter Jesus, was das Beten angeht, fühlen sich Menschen immer wieder betrogen. Heinrich Heine hat es auf den Punkt gebracht in seinem Gedicht aus dem Jahr 1844 von den schlesischen Webern", die in ihrer materiellen Not an die Himmelstür geklopft haben. Er lässt sie sagen: Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten In Winterskälte und in Hungersnöten; Wir haben vergebens gehofft und geharrt, er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt. Wir weben, wir weben. Jesus, programmierst du mit deinem Bittet, dann wir euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, 1
dann wird euch aufgetan, nicht schon von vornherein die große Enttäuschung vor? Und: Jesus, merkst du denn nicht, dass auch schon dein Evangelist Lukas mit deinem Rat nicht zurechtkommt und darum ringt, deine Worte zurechtzubiegen. Merkst du denn nicht, wie viel Interpretationskünste er braucht, um deinen Ratschlag stehenlassen zu können. Er stimmt dir zu: Kein aufrichtiger Vater würde seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange hinhalten. Oder einen Skorpion für ein Ei. Aber dann gibt er doch eine Art Drückebergerantwort: Wenn ihr euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater aus dem Himmel Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten! (V.13). Da möchte man doch am liebsten fragen: Lieber Lukas, was hat ein Mensch schon vom Heiligen Geist, wenn er doch nicht gesund wird, die Beziehung doch zerbricht, das Problem doch nicht gelöst wird? Auch wenn diese Uminterpretation des radikalen Jesuswortes durch die Hinzufügung des Lukas der heilige Geist wird als Gebetserhörung geschenkt einen Restgeschmack von einer Drückebergerantwort hinterlässt, bringt sie mich doch ins Nachdenken. Ist es nicht so? Beim Beten tut sich wirklich etwas! Aber es verändert sich nicht unbedingt die Sache, um die ich bitte, sondern ich verändere mich. Ich spüre auf einmal: Meine Sicht auf die Dinge wird anders, ich gewinne ein wenig Abstand, ich löse mich aus meiner Fixierung. Der Evangelist Lukas ist überzeugt: Das ist ein Geschenk von oben. Und er nennt es: Heiliger Geist. 2
So gesehen kann ich die unverschämten Jesusworte jetzt mit Lukas anders verstehen: Bittet, dann wir euch gegeben! Rechne damit, dass sich im stillen Dialog mit Gott deine Sichtweise verändern kann! Sucht, dann werdet ihr finden! Rechne damit, dass du im Gebet merkst: Eigentlich müsste ich woanders suchen und Dinge in den Blick nehmen, die ich bisher übersehen habe. Klopft an, dann wird euch aufgetan! Rechne damit, dass der stille Dialog mit Gott dir klarmacht: Diese Tür ist für immer verschlossen. Aber es gibt andere Türen, die mir offenstehen. Ich habe sie bisher nur noch nicht bemerkt. So gesehen ist der Evangelist Lukas kein Drückeberger, sondern ein guter Spiritual. Einleitung So manchmal hört man den Rat: Da hilft nur noch Beten. Auf der anderen Seite höre ich: Ich bete, aber das hilft auch nichts. Und ich habe das Wort einer Frau im Ohr, die sagte: Ich habe all meine Freundinnen angerufen, wir müssen jetzt den Himmel bestürmen unsere Arbeitskollegin hat Krebs damit sie wieder gesund wird. Und eine andere entgegnet ihr: Mach dir keine falsche Hoffnungen. Nach dem Befund eine aussichtslose Sache. 3
Das Bittgebet wirklich Ernstfall des Glaubens, wie es einmal ein bekannter Theologe formuliert hat oder doch nur ein (vergebliches) Schachern mit Gott? Fürbitten Herr, unser Gott, im Vertrauen darauf, dass das Gebet in uns wirksam ist, tragen wir in jedem Gottesdienst dir unsere Bitten vor. Heute wollen wir nach jeder Bitte eine Weile Stille halten. Orgel beginnt leise zu spielen Jeder und jede von uns trägt Wünsche oder eine große Sehnsucht in sich. Wir alle haben Bitten und Anliegen auf dem Herzen und tragen sie in Stille vor dich hin. Viele Menschen haben in ihren Nöten und Sorgen Zuflucht bei dir gesucht und sind verbittert, weil ihre Bitten nicht so erfüllt wurden, wie sie es sich erhofft haben. Auf uns selbst sind Hoffnungen und Erwartungen gerichtet. Auch an uns wenden sich Menschen mit ihren Bitten. Wir wissen oft nicht, ob wir ihnen gerecht werden können. In jedem Gottesdienst denken wir an unsere Verstorbenen, denen wir uns auch über den Tod hinaus verbunden wissen und bitten für sie um ein erfülltes Leben bei dir. 4
Kantor: Als Abschluss der Fürbitten GL 436/5 singen: Ach bleib mit deiner Treue bei uns mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not Zur Kommunion (am Ende) Der Vater im Himmel wird den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten. Auf der Erfahrungslinie des Evangelisten Lukas liegt, was ein unbekannter Beter so konkretisiert hat: Ich bat um Kraft; Gott gab mir Schwierigkeiten, um meine Kraft zu entwickeln. Ich bat um Weisheit; Gott gab mir Probleme, damit ich sie löse. Ich bat um Wohlstand; und Gott gab mir Gehirn und Muskeln zum Schaffen. Ich bat um Mut; Gott gab mir Gefahren um diese zu überwinden. Ich bat um Liebe; Gott vertraute mir belastete Menschen an. Ich bat um Gunst; Gott gab mir Gelegenheiten. Ich erhielt nichts von dem, was ich erbat, aber alles, was ich brauchte. Danach: GL 437 (Meine engen Grenzen) 5