Christof Stock / Vera Goetzkes. SGB II / XII Teil 2 - Einführung in die Existenzsicherung



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Transkript:

Verwaltungswissenschaften Christof Stock / Vera Goetzkes SGB II / XII Teil 2 - Einführung in die Existenzsicherung Gegenstand dieser Lerneinheit in Stichworten 3 Säulen der Existenzsicherung: 1. Private Sicherung: Einkommen Vermögen Unterhaltsanspruch 2. Staatliche Leistungen 3. Leistungen der 5 Sozialversicherungen 22.03.2010 1 1

Fall 2: Existenzsicherung und Sozialhilfe Frau Kraft ist die 35-jährige Schwiegertochter eines Bauunternehmers. Vor 3 Monaten erlitt ihr 37-jähriger Mann am Arbeitsplatz einen Schlaganfall und fiel in ein Wachkoma. Er ist Bankangestellter mit einem mittleren Einkommen. Nach Aufenthalten in mehreren Kliniken liegt er seit Anfang März in einem Pflegeheim. Frau Kraft hatte bisher einen 400 Job und versorgte die beiden 1998 und 2004 geborenen Kinder. Von dem Gehalt ihres Mannes konnten sie leben und die Rate für das 2006 gekaufte Einfamilienhaus zahlen. Jetzt aber ist auch die finanzielle Existenz der Familie gefährdet. Das Pflegeheim kostet 6.000 Euro pro Monat. Aufgaben: 1. Entwickeln Sie Ideen, wer alles für den Lebensunterhalt der Familie und die Heimkosten aufkommen könnte. 2. Machen Sie sich einen Stichwortzettel mit Fragen, die Sie Frau Kraft stellen würden! 2 2

Private Sicherung Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Grundsätzlich ist jeder für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich. Deshalb ist zunächst nach dem Einkommen (monatliche Bezüge) und dem Vermögen des Herrn Kraft zu fragen. Zum Einkommen gehören: Erwerbseinkommen, Renten, Mieteinnahmen, Sparzinsen und Aktiendividenden, Gewinne aus Firmenbeteiligungen usw. Zum Vermögen gehören: Einfamilienhaus. Auto, Sparguthaben, Wertpapiere, Erbrechtliche Ansprüche usw. 3 3

Private Sicherung Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Ehefrau Kinder Eltern In der Familie steht einer für den anderen ein. Das ist eine ethisch-moralische Pflicht, die das Recht festgeschrieben hat. Deshalb ist als zweites danach zu fragen, ob der Ehepartner oder Verwandte der absteigenden oder aufsteigenden Linie für die Heimkosten aufkommen können bzw. müssen. 1360 ff. BGB; 1601 ff. BGB Das Unterhaltsrecht begründet einen zivilrechtlichen Anspruch des Pflegebedürftigen. Der Anspruch gegen die Ehefrau ist aktuell nicht durchsetzbar, weil sie selbst kein Einkommen hat. Der Anspruch gegen die Kinder entfällt, weil sie selbst kein Einkommen haben. Unterhaltspflichtig sind ggf. die Eltern, auch gegenüber ihren erwachsenen Kindern. 4 4

Private Sicherung Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Partner Kinder Eltern Zwischenergebnis: 1. Das eigene Einkommen oder Vermögen reicht oft nicht aus, wenn wir in eine Lebenskrise geraten. 2. Unterhaltsansprüche gegen Familienangehörige stoßen in derartigen Situationen an ihre Grenzen, wenn die Familie existenziell selbst betroffen ist. 5 5

Private Sicherung Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Staatliche Leistungen Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld Der Staat verpflichtet uns nicht nur, er gewährt auch Leistungen. Dies geschieht wie allgemein im Verwaltungsrecht durch Bescheid. Die hier aufgeführten staatlichen Leistungen sind aus Steuermitteln finanziert, setzen also keine Eigenleistung des Antragstellers voraus. Zum Teil werden sie unabhängig von der Bedürftigkeit gezahlt (Kindergeld). In anderen Fällen wird die private Sicherung des Antragstellers geprüft. 6 6

Private Sicherung Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Staatliche Leistungen Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld und so können Rechtskenntnisse weiterhelfen Frau Kraft und ihr Ehemann haben einen Anspruch auf das Kindergeld für ihre beiden Töchter unabhängig von der Höhe ihres Einkommens oder Vermögens. Es beträgt 184 pro Kind. Frau bzw. Herr Kraft haben je nach ihrer Einkommens- /Vermögenssituation Anspruch auf das Wohngeld und/oder das Pflegewohngeld. Die oben beschriebenen staatliche Leistungen, die zuständigen Behörden, der Verfahrensablauf usw. sind Gegenstand der parallelen Vorlesung. 7 7

Als dritte Säule der Existenzsicherung lernen wir die Leistungen der Sozialversicherungen kennen. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich selbst und seine Familie gegen bestimmte Risiken zu versichern die 5 Sozialversicherungen sind gesetzliche Pflichtversicherungen. Versicherte Risiken 1. Krankheit und Mutterschaft 2. Pflegebedürftigkeit 3. Arbeitslosigkeit 4. Alter, Erwerbsunfähigkeit, Tod eines Familienmitglieds 5. Arbeitsunfall, Berufskrankheit Leistungen der Sozialversicherungen 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung 8 8

Die Krankenbehandlungs kosten von Herrn Kraft werden überwiegend von der GKV übernommen > SGB V Die Pflegeversicherung beteiligt sich an den Pflegeheimkosten > SGB XI Die Rentenversicherung zahlt eine Erwerbsunfähigkeitsr ente > SGB VI Staatliche Leistungen Im Unterscheid zu den staatlichen Leistungen beruhen die Leistungen der Sven auf der Erwerbstätigkeit, der Mitgliedschaft, eigener Beitragszahlung Die Leistungen der Sozialversicherungen sind Gegenstand der parallelen Vorlesung. Leistungen der Sozialversicherungen 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung 9 9

Private Sicherung Staatliche Leistungen Leistungen der Sozialversicherungen Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung Fazit: Das hier beschriebene 3 Säulen Modell greift für jeden Fall, bei dem es um Existenzsicherung geht. 10 10

Private Sicherung Staatliche Leistungen Leistungen der Sozialversicherungen Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung Leistungen nach SGB II oder SGB XII 11 11

Private Sicherung Staatliche Leistungen Leistungen der Sozialversicherungen Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung Leistungen nach SGB II oder SGB XII 12 12

Fall 2: Existenzsicherung und Sozialhilfe Anfang März 2005 kommt Frau Turan mit ihrem 9-jährigen Sohn Ali in die Beratungsstelle. Sie gibt an, ganz schnell finanzielle Hilfe zu benötigen. Sie ist offensichtlich frustriert und schildert Ihnen, dass sie bis Ende 2004 für Ali Sozialhilfe erhalten habe. Jetzt habe sie schon mehrfach beim Sozialamt vorgesprochen. Manchmal müsse sie lange warten. Die Sachbearbeiterin, Frau Maier, sei auch wirklich nett, sie würden manchmal denselben Bus benutzen. Aber Frau Maier habe jetzt endgültig die Sozialhilfe abgelehnt, obwohl doch der leibliche Vater von Ali keinerlei Unterhalt zahle. Er sei vor zwei Jahren mit einer "Neuen" durchgebrannt. Jetzt beginnt Frau Turan, die inzwischen selbst einen neuen Lebensgefährten hat, Ihnen gegenüber die Schwierigkeiten mit ihrem Exmann auszubreiten. Sie lassen sie eine Weile reden, erinnern sie aber dann daran, dass sie doch eigentlich eine Beratung über finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen wollte. Deshalb hätten Sie selbst jetzt ein paar Fragen.. 1. Welche Fragen stellt eine Sozialarbeiterin im Hinblick auf eine mögliche finanzielle Unterstützung? 2. Ist die von Frau Turan gewählte Bezeichnung Sozialhilfe überhaupt richtig? 13 13

Fall 3: Existenzsicherung und Betreuung Der Mann Ihrer Nachbarin, Frau Menge, ist vor zwei Monaten gestorben. Als sie ihr einen Besuch abstatten, finden Sie Frau Menge tief erschüttert vor. Unter dem Vorwand, die Beerdigung zu regeln, habe sich ihre einzige Tochter Zugang zu dem Girokonto und dem Sparbuch verschafft. Deshalb habe Frau Menge ihr auch eine Vollmacht unterschrieben. Was sie da genau unterschrieben habe, wisse sie nicht mehr. Sie habe aber gar nicht gewollt, dass sie das ganze Geld an sich nimmt und es jetzt verwalte. 3 Wochen lang habe sie von ihrer Tochter nur 100 Euro pro Woche zum Leben erhalten, aber damit sei sie nicht ausgekommen. Der Vermieter habe Frau Menge schon darauf angesprochen, wann denn die Miete gezahlt werde. Um Geldangelegenheiten habe sich bisher immer ihr Mann gekümmert. Sämtliche Papiere habe ihre Tochter mitgenommen. Vor einer Woche sei es zum Streit gekommen, und danach sei ihre Tochter wie vom Erdboden verschwunden. Sie habe keine Telefonnummer von ihr, und unter der früheren Wohnadresse sei sie auch nicht mehr erreichbar. Aus lauter Verzweiflung sei sie dort schon hingefahren. 14 14

Fall 4: Existenzsicherung und Migrationshintergrund Anfang März 2007 kommt Frau Avci mit ihrem 2-jährigen Sohn Muhammed in die Beratungsstelle. Sie gibt an, ganz schnell finanzielle Hilfe zu benötigen. Sie hat sich gerade von ihrem Mann getrennt, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist. Sie erzählt, sie sei hier in Deutschland geboren und verfüge über eine Niederlassungserlaubnis. Seit Muhammeds Geburt hätten sie in Deutschland zusammengelebt. Vor einem Jahr habe ihr Mann seine Arbeitsstelle verloren. Zunächst hätten sie von ALG I gelebt. Jetzt aber hätte ihr Mann für sich in Deutschland keine Chance mehr gesehen, hätte das Flugzeug nach Istanbul genommen und sei seit einem Monat einfach verschwunden. Nun könne sie die Miete nicht mehr bezahlen, ihre Eltern lebten in der Türkei und könnten ihr nicht aushelfen. Sie wisse nicht mehr, wovon sie leben solle. Beim Sozialamt sei sie schon gewesen, da hätte man ihr gesagt, sie müsse arbeiten gehen. Muhammed, sagt sie, sei aber noch so klein, und einen Kindergartenplatz habe sie auch noch nicht. Sie will nun von Ihnen wissen, wie sie an Geld kommt. 15 15

Fall 5: Existenzsicherung und Migrationshintergrund In der Beratungsstelle spricht Herr Gülec vor. Er ist völlig verzweifelt, nur mühselig gelingt es Ihnen, die Situation der Familie aufzunehmen: vor 15 Jahren sind die Eheleute aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Ihre 3 Kinder gehen noch zur Schule. Vor 2 Jahren hatten die Eheleute ein kleines Restaurant eröffnet. Frau Gülec kochte, Herr Gülec bediente die Gäste. Für die Einrichtung haben sie einen Kredit in Höhe von 10.000 aufgenommen, der noch abbezahlt wird. Die Einnahmen waren gerade so, dass die Familie davon leben konnte. Vor 3 Wochen ist Frau Gülec schwer erkrankt; sie muss voraussichtlich noch weitere 3 Monate in stationärer Behandlung bleiben. Ob sie danach wieder arbeiten kann, ist äußerst ungewiss. Herr Gülec ist so verzweifelt, weil er nicht weiss, ob er für die Krankenbehandlung seiner Frau aufkommen muss. Außerdem kann er sich keinen Koch leisten, und deshalb hat er das Restaurant vorübergehend geschlossen. Ohne Einnahmen, sagt er, könne er seine Familie nicht ernähren. Beim Sozialamt sei er schon gewesen, aber die Sozialhilfe habe man ihm abgelehnt mit dem Argument, erst müsse er das Restaurant verkaufen. Dazu sei er grundsätzlich bereit, aber erstens könnten sie von dem Erlös allenfalls den Kredit tilgen, und zweitens benötige er dafür Zeit. Er brauche aber sofort Geld. 16 16

Fall 7: Existenzsicherung im Alter Frau Menge ist 75 Jahre alt. Sie bewohnt eine 70qm große Wohnung, die am 01.01.1993 fertiggestellt wurde. Die Stadt Aachen ist nach der beigefügten Wohngeldtabelle in die Stufe III eingestuft. Frau Menge bewohnt die Wohnung allein, nachdem ihr Mann vor 4 Monaten gestorben ist. Jetzt erhält sie eine Witwenrente in Höhe von 300, und ihre eigene Rente beträgt 150 monatlich. Für die Wohnung muss sie monatlich 390 Kaltmiete zahlen, die Heizung in Höhe von 40 und die Kosten für Strom und Wasser in Höhe von 30 kommen hinzu. Frau Menge hat sich nicht getraut, zum Sozialamt zu gehen, denn sie meint, dass dann ihre Tochter, die monatlich 4000 netto verdient, für sie aufkommen müsse. An ihren eigenen Sparstrumpf, der mit 3000 gefüllt ist, will Frau Menge nicht gehen, der sei für schlechtere Zeiten. Weil sie bisher nicht gewohnt ist, dafür zu sorgen, hat Frau Menge es versäumt, die beiden letzten Mieten zu überweisen. Kann Frau Menge Grundsicherung im Alter für sich beanspruchen? Unter welchen Umständen? Bitte begründen Sie ausführlich! 17 17

Fall 8: Pflege und Grundsicherung im Alter Frau Stein ist die kinderlos gebliebene Witwe eines Architekten. Sie ist gesetzlich versichert. Nach einem Schlaganfall kehrt sie in ihre eigene Wohnung zurück. Sie muss derzeit intensiv gepflegt werden: für die Körperpflege, Mobilität und Ernährung benötigt der professionelle Pflegedienst 4 Stunden. Darüber hinaus kauft er für Frau Stein ein, reinigt die Wohnung usw. Er berechnet Frau Stein monatlich 1200. Wieviel davon zahlt die Pflegekasse? Wer könnte für die Differenz aufkommen, falls Vermögen und Einkommen der Frau Stein nicht ausreichen? 18 18

Fall 9: Existenzsicherung und Migrationshintergrund In der Beratungsstelle spricht Frau Ngongo vor. Sie ist völlig verzweifelt, nur mühselig gelingt es Ihnen, die Situation der Familie aufzunehmen: vor 15 Jahren sind die Eheleute aus dem Senegal nach Deutschland geflohen. Ihre 3 Kinder gehen noch zur Schule. Vor 2 Jahren hatten die Eheleute ein Geschäft für afrikanische Waren eröffnet. Für die Einrichtung haben sie einen Kredit in Höhe von 5.000 aufgenommen, der noch abbezahlt wird. Die Einnahmen waren gerade so, dass die Familie davon leben konnte. Vor 3 Wochen hatte Herr Ngongo einen schweren, selbst verschuldeten Verkehrsunfall. Er wird voraussichtlich noch weitere 3 Monate in stationärer Behandlung bleiben müssen. Ob er danach wieder arbeiten kann, ist äußerst ungewiss. Frau Ngongo ist so verzweifelt, weil sie nicht weiß, ob sie für die Krankenbehandlung ihres Mannes aufkommen muss. Außerdem hat das Geschäft keine Ware mehr, Frau Ngongo kann die Waren aus Afrika nicht beschaffen, weil sie die Geschäftsbeziehungen nicht hat. Ohne Einnahmen, sagt sie, könne sie ihre Familie nicht ernähren. Beim Sozialamt sei sie schon gewesen, aber die Sozialhilfe habe man ihr abgelehnt mit dem Argument, erst müsse das Geschäft verkauft werden. Dazu sei sie grundsätzlich bereit, aber erstens könnten sie von dem Erlös allenfalls den Kredit tilgen, und zweitens benötige sie dafür Zeit. Sie brauche aber sofort Geld. Auf näheres Nachfragen stellt sich heraus, dass die Wohnungsmiete schon 2 Monate nicht gezahlt ist. Welche Fragen stellen Sie in Bezug auf den Migrationshintergrund? in Bezug auf das Verhältnis zum Vermieter? in Bezug auf mögliche Leistungen von Sozialversicherungsträgern? in Bezug auf die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen? 19 19

Fall 10: Existenzsicherung und Heimkosten Frau Wolf ist alleinstehend und 85 Jahre alt. Sie erhält eine Rente von 700 monatlich. Ihre bisherige Miete von 300 entsprach der üblichen Höhe. Auf ihrem Sparbuch hat sie den Betrag von 3000 zurückgelegt. Sie ist pflegebedürftig nach Stufe II. Jetzt wird der Heimaufenthalt erforderlich. Es entstehen die folgenden monatlichen Kosten: Investitionskosten: 600, Pflegesatz: 1800, Unterkunftskosten: 900. Welche finanziellen Leistungen kann Frau Menge im ersten Monat ihres Heimaufenthaltes erwarten? Falls sie eine der nach genannten Leistungen nicht beanspruchen kann, begründen Sie Ihre Antwort bitte. Bitte zitieren Sie die Bestimmungen. Pflegegeld? Pflegewohngeld? Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe zur Pflege? Welchen Betrag muss Frau Menge selbst aufbringen? 20 20

Private Sicherung Staatliche Leistungen Leistungen der Sozialversicherungen Eigene Sicherung Einkommen Vermögen Unterhaltspflichtige Eltern Kinder Kindergeld Elterngeld Wohngeld BAFÖG Unterhaltsvorschuss Pflegewohngeld 1. Krankenversicherung 2. Pflegeversicherung 3. Arbeitslosenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Unfallversicherung Leistungen nach SGB II oder SGB XII 21 21