Nicht sehen, und doch glauben (Johannes 20, 19-29; Quasimodogeniti I)

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Transkript:

Nicht sehen, und doch glauben (Johannes 20, 19-29; Quasimodogeniti I) Eine Predigt von Bernhard Kaiser 19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. 21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! 23 Welchen ihr die Sünden erlaßt, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich s nicht glauben. 26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Einleitung Es mußte offenbar werden, daß Jesus auferstanden war. Es reichte nicht, daß die Jünger Jesu am Ostermorgen feststellten, daß das Grab leer war und zwei Engel verkündeten, daß Jesus auferstanden sei. Nein, Jesus mußte selbst leibhaftig als der Auferstandene sichtbar werden. Das geschah schon am Abend des Auferstehungstages. Die Jünger waren in Jerusalem versammelt und hatten sich hinter verschlossenen Türen verbarrikadiert, weil sie Angst hatten vor den Juden. Diese hatten Jesus zu Tode gebracht, und so lag der Schluß nahe, daß auch sie als seine Anhänger mit bedroht waren. Hinzu kam, daß sie vollkommen verwirrt waren durch die Auskünfte der Frauen, die behaupteten, sie hätten Jesus gesehen. Das betrachteten sie bis dahin als Weibergeschwätz. Doch dann geschah etwas Erstaunliches. Obwohl die Türen verschlossen waren, trat Jesus in ihre Mitte. Er selbst, Jesus, der drei Tage zuvor am Kreuz gestorben war und den sie in ein Grab gelegt hatten, gesellte sich plötzlich zu ihnen. Über diese Erscheinung Jesu ist im ersten Teil unserer heutigen Predigt zu sprechen. Dann aber berichtet Johannes von einer weiteren Erscheinung Jesu, die eine Woche später stattfand, und bei der der Jünger Thomas im Mittelpunkt stand. Darüber ist im zweiten Teil zu sprechen. 1. Jesus und die Jünger Hören wir noch einmal, was Johannes sagt: Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die

Kaiser: Nicht sehen und doch glauben, Seite 2 Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. Johannes stellt heraus, daß Jesus trotz verschlossener Türen in den Raum eintrat, in dem die Jünger versammelt waren. Man hat daraus geschlossen, daß Jesus als der Auferstandene die Fähigkeit besaß, mit seinem Auferstehungsleib und trotz seiner Leibhaftigkeit durch verschlossene Türen zu gehen. Wie dieses physikalisch zu erklären ist, bleibt ein Rätsel; wir müssen hier darauf verweisen, daß Jesus als Gott sehr wohl die Fähigkeit besaß, unmittelbar an irgendeinem Ort in der Welt zu erscheinen, und dies auch in leiblicher Gestalt. Die Existenzbedingungen Gottes aber sind uns nicht näher bekannt. Wichtiger ist, daß Jesus seinen Jüngern mit einem Friedensgruß begegnete. Sie hatten einerseits Angst vor den Juden, andererseits aber auch war ihr Verhältnis zu Jesus nicht unbelastet. Petrus hatte ihn dreimal verleugnet. Wir müssen annehmen, daß Jesus vor der Begegnung mit den Jüngern am Abend des Auferstehungstages schon Petrus erschienen war und mit ihm den Vorfall geklärt hatte, wie aus der Bemerkung in Lukas 24, 34 zu schließen ist: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Doch auch die anderen Jünger mit Ausnahme des Johannes hatten im Zuge des Prozesses Jesu eine sichere Distanz zu Jesus gehalten. Jesus hatte ihnen ja angekündigt: Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, daß ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein laßt (Joh 16, 32). So kam es denn auch. Jesus kannte ja die Schwachheit seiner Jünger. Als er dann in ihre Mitte trat, hielt er nicht erst eine Standpauke über ihren Kleinmut. Vielmehr sagte er ihnen Frieden zu Frieden mit ihm, dem auferstandenen Herrn, und Frieden mit Gott. Da konnten die Jünger wieder aufatmen. Es sollte nichts mehr zwischen ihnen und Jesus stehen. Er hatte durch seinen Tod am Kreuz Frieden gemacht, er hatte sie mit Gott, dem Vater, versöhnt. Diesen Frieden konnte er ihnen nun zusagen. Er bedeutete für die Jünger nichts weniger als daß Gott all ihre Schwachheit und Armut, ihre Angst und Menschenfurcht bedeckte. Der auferstandene Jesus selbst war die Garantie für diesen Frieden. Deswegen konnten sie sich freuen, daß sie den Herrn sahen. Doch das war nicht das einzige Ziel, das Jesus mit seinem Erscheinen bei den Jüngern verfolgte. Er wollte ihnen verdeutlichen, daß er wirklich leibhaftig auferstanden war. Natürlich war ihnen klar, daß sie es hier mit einer vollkommen einzigartigen Erscheinung zu tun hatten. Der, der hier vor ihnen stand, war offensichtlich nicht ein normaler Mensch, sondern es war offenbar, daß er Gottes Sohn war. Er hatte einen neuen Leib, der nicht an die Grenzen von Raum und Zeit gebunden war. Doch nichtsdestoweniger trat er hier leibhaftig vor sie. Das mußte ihr bisheriges Weltbild sprengen und eine nicht geringe Verwirrung und vielleicht sogar Ratlosigkeit bei ihnen hinterlassen, denn sie konnten diese Erscheinung Jesu nicht in ihr bisheriges Weltbild einordnen. Der Evangelist Lukas berichtet, daß die Jünger bei der Erscheinung Jesu erschraken, denn sie meinten, sie sähen einen Geist, ein Gespenst. Doch Jesus sagte ihnen: Seht meine Hände und meine Füße, ich bin s selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe (Lk 24, 39). Er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite. Dort waren noch die Wundmale von der Kreuzigung zu sehen. Jesus wollte die Jünger vergewissern, daß sie keine fromme Halluzination hatten und keinem Phantasma begegneten, wie dies die neuere Theologie mutmaßt, sondern demselben Jesus, den sie schon durch die gemeinsame Zeit in den vergangenen drei Jahren kannten. Derselbe Jesus, der wenige Tage zuvor am Kreuz verstorben war, stand nun leibhaftig und lebendig vor ihnen. Um diese Leiblichkeit noch deutlicher zu demonstrieren, bat Jesus um etwas zu essen. Sie gaben ihm gebratenen Fisch, und er aß davon und erklärte ihnen anhand der Schrift, daß sein Tod und seine Auferstehung dem entsprachen, was im Alten Testament geweissagt war, wie Lukas berichtet.

Kaiser: Nicht sehen und doch glauben, Seite 3 Doch Johannes berichtet ein weiteres, wichtiges Detail. Die Frage, wie es nun weitergehen würde, stand ja im Raum. Es konnte nach der Auferstehung Jesu nicht alles beim alten bleiben. Jesus wies vielmehr die Jünger auf ihre neue Aufgabe als Apostel. Wir lesen: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlaßt, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Wir müssen angesichts dieser Aussage erkennen, daß die Sendung Jesu ihre Fortsetzung findet in der Sendung der Apostel. Die Sendung der Apostel gleicht der Sendung Jesu durch seinen Vater. Mit derselben Autorität, in der Jesus auf die Erde kam, sollen die Jünger als Apostel die Kirche regieren. Diese Autorität eignet nur den Aposteln. Sie verflüssigt sich nicht in die Kirchengeschichte hinein in Gestalt der Apostolischen Sukzession, wie es die römische Kirche lehrt. Also: Nur die Apostel haben in der Kirche die gleiche Autorität wie Jesus. Nur sie standen unter der besonderen Wirkung des Heiligen Geistes, durch den sie maßgeblich niederschrieben, was von Jesus zu sagen war. Gegebenenfalls standen ihnen Schüler zur Seite, wie Markus dem Petrus oder Lukas dem Paulus. Deren Schriften haben auch nur deswegen apostolische Autorität, weil sie dem jeweiligen Apostel zuzuordnen sind. Daß Jesus die Jünger anblies, war eine symbolische Handlung, denn den Heiligen Geist sollten sie ja erst einige Wochen später empfangen. Aber Jesus machte ihnen deutlich, daß sie mit dem Heiligen Geist die Autorität haben würden, das Reich Gottes auf- und zuzuschließen, mithin also zu bestimmen, was die Kirche glaubt und was der, der zur Kirche gehören will, glauben soll. Die Predigt der Kirche muß sich seitdem an dem messen, was die Apostel gesagt haben. Es ist dabei von besonderer Bedeutung, daß Jesus die Zugehörigkeit zur Kirche inhaltlich füllt mit dem Erlassen der Sünden. Ähnliches hatte Jesus schon früher gesagt. Wir lesen bei Matthäus: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein (Mt 18, 18). Hier geht es nicht um Beichte und Absolution, sondern um die grundsätzliche Feststellung, wer Vergebung der Sünden hat und wer nicht, so daß sich jeder darauf einstellen kann, sowohl der Sünder als auch der Gemeindeleiter oder Pastor. Zum Beispiel: Wenn Johannes in seinem ersten Brief sagt: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit (1Joh 1, 8-9), dann stellt er damit einen wesentlichen Grundsatz auf. Gleiches tut Paulus, wenn er deutlich macht, daß wir durch den Glauben an Christus und nicht durch Gesetzeswerke vor Gott gerechtfertigt werden. Das Gleiche geschieht, indem Matthäus die Worte Jesu überliefert: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken (Mt 11,28). Auch den Friedensgruß Jesu geben die Apostel an vielen Stellen an die Gemeinde weiter. Jesus weist mit diesen Worten auch uns an, auf das Wort der Apostel zu hören, weil sie von ihm die Vollmacht haben, die Maßgaben christlichen und kirchlichen Lebens zu vermitteln. 2. Jesus und Thomas Wir kehren zurück zu der Begegnung Jesu mit seinen Jüngern. Offensichtlich waren nicht alle anwesend, denn Thomas fehlte. Doch auch er wurde bald darauf in Kenntnis gesetzt, daß Jesus auferstanden sei. Wir haben den Herrn gesehen war die Auskunft, die ihm die anderen Jünger gaben. Doch Thomas konnte es nicht glauben. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich s nicht glauben. Thomas war vielleicht das, was wir einen Pessimisten nennen würden. Als Jesus auf dem Weg

Kaiser: Nicht sehen und doch glauben, Seite 4 zu Lazarus war, der gestorben war, hatte Thomas geäußert: Laßt uns mit ihm gehen, daß wir mit ihm sterben! (Joh 11,16). Das war wenige Wochen zuvor auf dem Weg nach Jerusalem gewesen. Wir werden ihm schwerlich eine Depression anhängen können, aber er war ein großer Realist. Vermutlich hatte er deutlicher als seine Kollegen vor Augen, was Jesus mit seinen Leidensankündigungen vorhergesagt hatte: daß Jesus sterben würde und daß auch die Jünger ihr Kreuz auf sich nehmen sollten. Umso unglaublicher erschien ihm die neue Auskunft, daß Jesus auferstanden sei. Doch auch er sollte ein Apostel werden, ein Zeuge des Auferstandenen. Eine Woche nach der bereits geschilderten Begegnung Jesu mit seinen Jüngern waren die Jünger erneut versammelt. Es ist nicht abwegig, diese Versammlung in Galiläa zu lokalisieren, denn dort war die Mehrzahl der Jünger zuhause. Nicht zuletzt hatte ihnen Jesus durch die Frauen, die am leeren Grab gewesen waren, am Morgen der Auferstehung sagen lassen: Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen (Mt 28, 10). Im übrigen berichtet uns Johannes noch eine weitere Begegnung mit den Jüngern, die auch in Galiläa stattfand, und zwar am See Genezareth, wo Thomas ebenfalls anwesend war. Johannes schreibt: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger (Joh 21, 2). Doch zurück zu unsrem Predigttext. Wieder waren die Jünger versammelt und wieder trat Jesus durch die verschlossene Tür in ihre Mitte. Diesmal galt es nicht, den Schrekken der Jünger zu überwinden. Jesus wollte auch Thomas auf den aktuellen Stand bringen und zum Zeugen der leibhaftigen Auferstehung machen. Er sollte ja wie die anderen ein Apostel sein. Also sprach er Thomas direkt an: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Jesus gab sich so dem zweifelnden Jünger zu erkennen und zerstreute damit alle Zweifel. Er forderte ihn auf, zu glauben. Das würde er künftig auch tun müssen, denn Jesus würde ja bald auffahren zu seinem Vater im Himmel. Dann würde er ihn nicht mehr sehen, aber ihm trotzdem vertrauen. Thomas aber war überwältigt von dem auferstandenen Jesus. Er konnte nicht mehr zweifeln. Er konnte nun ganz gewiß sein, daß der Mann, der vor ihm stand, wirklich der auferstandene Herr war. Er bekannte seinen Glauben, indem er sagte: Mein Herr und mein Gott! Er war mit der Erscheinung Jesu zu der Einsicht gekommen: Dieser Mann ist Gott selbst. Diesen Sachverhalt wiederum hat Johannes im Vorwort zu seinem Evangelium sehr kategorisch und dogmatisch mit den Worten ausgesagt: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh 1, 1). Thomas sprach mit seinem Bekenntnis aus, was auch die christliche Kirche seitdem verkündigt: daß Jesus Gott ist und Herr über alle Dinge. Jesus sagte noch ein weiteres Wort zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Es waren zweifellos mehrere hundert Menschen, die Jesus nach seiner Auferstehung gesehen hatten und bezeugen konnten, daß er wirklich von den Toten auferstanden war. Aber diese Zahl war begrenzt und irgendwann würden alle diese Zeugen nicht mehr da sein. Dann würde nur noch das Zeugnis der Apostel zählen. Das aber würde bedeuten, den auferstandenen Herrn nicht zu sehen, aber aufgrund des apostolischen Zeugnisses an ihn zu glauben. Jesus nahm mit diesem Wort die Situation der christlichen Kirche vorweg. Er wußte, daß es Menschen geben würde, die so wie Thomas seine Auferstehung bezweifeln würden. Indem er sich Thomas besonders zuwandte, zeigte er, daß er dessen Zweifel ernstnahm und sie durch seine leibhaftige Erscheinung überwand. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben mit diesem Wort sagt er den Gliedern der Kirche die ewige

Kaiser: Nicht sehen und doch glauben, Seite 5 Seligkeit zu und damit auch uns, die wir ihn nicht gesehen haben und dennoch an ihn glauben. Die Auferstehung Jesu ist eben eines der am besten bezeugten Ereignisse der Antike. Überdies hat Jesus seine Apostel durch den Heiligen Geist in die Lage versetzt, dieses Geschehen den Tatsachen entsprechend zu berichten und es im Sinne Gottes zu interpretieren. So dient besonders diese Begegnung mit Thomas der Vergewisserung des Volkes Gottes: Jesus Christus ist wahrhaftig auferstanden. Schluß Der Evangelist Johannes ist ganz offensichtlich bemüht, Fakten zu berichten. Er schreibt zum Beginn seines ersten Briefes: Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (1Joh 1,1-3). Johannes stellt damit die neuere Theologie nachhaltig ins Unrecht, denn diese ist durchweg bemüht, die biblischen Aussagen zu bestreiten. Dabei sind die Berichte der Evangelien von der leibhaftigen Auferstehung Jesu die besondere Zielscheibe ihrer Kritik. Man gesteht den Jüngern und der Urgemeinde wohl zu, daß sie besonders eindrucksvolle religiöse Erlebnisse hatten, bei denen die Erinnerungen an Jesus eine Rolle spielten, und daß sie aus diesen Erlebnissen geschlossen hätten, die Sache Jesu ginge weiter. Doch daß er leibhaftig auferstanden sei passe nicht in das moderne Weltbild und sei daher nicht möglich. Auch Thomas hatte das Problem, daß er die leibhaftige Auferstehung Jesu für unglaublich hielt, und das, obwohl er das moderne Weltbild noch nicht kannte. Sie widersprach auch damals schon aller menschlichen Erfahrung. Es entspricht aber der Macht Gottes, Neues zu schaffen. Gott hat in seiner Liebe und in seinem Willen, die Welt zu retten, Jesus von den Toten auferweckt und damit deutlich gemacht: Es gibt eine neue Schöpfung. Der Tod ist nicht das Letzte, sondern es gibt ein Leben nach dem Tod, ein Leben in einem neuen Leib. Jesus hat das Tor des Todes durchbrochen, so undurchdringlich es für uns zu sein scheint. An dem neuen Leben teilhaben werden alle die, die durch den Glauben an ihn Vergebung der Sünden haben. Der Glaube aber richtet sich auf den Jesus, der nach seiner Auferstehung zum Himmel aufgefahren ist. Mit anderen Worten, der Christ sieht nicht, was er glaubt. Trotzdem gilt: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht (Hebr 11, 1). Wenn Gott es einem Menschen gibt, das Evangelium zu verstehen, so daß er Gott im Namen Jesu anruft, dann hat er die Zusage der Errettung. In solchem Glauben ist Jesus unsichtbar gegenwärtig, denn der Glaube erfaßt ja Jesus wie ein Ring einen Edelstein, wie es Luther in einem Bild sagt. Aufgrund des apostolischen Wortes ist der Glaube die feste Zuversicht, denn dieses Wort zeigt uns Jesus so, wie er wirklich war und wie wir ihn erkennen können und sollen. In seinem Wort kommt er zu uns, denn dieses Wort ist vom Geist Christi gegeben. Indem wir das Wort der Apostel verstehen, gewinnen wir die Einsicht: Jesus ist wirklich auferstanden und lebt. Dann können auch wir einstimmen in das Bekenntnis des Thomas und Jesus als unseren Herrn und Gott anrufen und bekennen. Dann gehören wir auch zur Gemeinschaft der Apostel, durch die wir mit Christus verbunden sind. Amen. Sie brauchen das IRT das IRT braucht Ihre Unterstützung! Deutschland: Volksbank Mittelhessen, IBAN: DE84 5139 0000 0045 6326 01; BIC: VBMHDE5F. - Schweiz: Raiffeisenbank Schaffhausen, BC 81344; IBAN: CH29 8134 4000 0092 1077 1 (EUR) oder CH34 8134 4000 0092 1077 8 (CHF).