Die tiefgreifenden Veränderungen in der Lausitz

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Transkript:

Rede am 8.5.2015 anlässlich der Vernissage zur Ausstellung Jan Buck Dolnołužyske poglědy/niederlausitzer Ansichten & Karl Vouk Satkula im Serbski muzej, Chóśebuz / Wendisches Museum, Cottbus (8.5. 18.7.2015) Thomas Burchardt Die tiefgreifenden Veränderungen in der Lausitz Guten Abend werte Gäste, guten Abend den Ausstellungsmachern, den Künstlern und dem Wendischen Museum. Ich freue mich darüber, dass der Bergbau in der Lausitz gerade in diesen bewegten Zeiten als Thema von den Künstlern und dem Wendischen Haus aufgegriffen wird. Die Lausitz steht vor Veränderungen, für manche auch tiefgreifenden Veränderungen. Braunkohleverstromung ist nicht klimafreundlich, Vattenfall will seine Braunkohlesparte verkaufen, Hunderte habe sich mit einer bevorstehenden Umsiedlung bereits arrangiert, viele Beschäftigte fürchten um ihre Arbeit, tausende Betroffene sollen noch umgesiedelt werden, der Spreewald verändert seine Wasserfarbe, der Stausee Spremberg wird zur Kläranlage, die Kippen verflüssigen sich und rutschen die Liste der zu lösenden Probleme ist lang. Unsere derzeitigen Probleme sind die Konzepte und Lösungen von gestern. Was kann Kunst in diesem Zusammenhang tun? Was kann sorbische Erfahrung zu den anstehenden Veränderungen beitragen? Kunst kann ein Interesse wecken, das dann zu neuen Erkenntnissen verhelfen kann. Und neue Erkenntnisse und andere Standpunkte lassen die Betroffenen und auch jeden Einzelnen mit Veränderungen anders umgehen. Und die sorbische Identität? Kann diese etwas von ihrer Lebensund Überlebenserfahrung einbringen? Meine Aufgabe heute Abend ist es, etwas zu den tiefgreifenden Veränderungen in der Lausitz aus meiner Sicht zu sagen. Ich gebe zu, es ist unmöglich, die Veränderungen der Lausitz mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in 10 Minuten annähernd zu erläutern und nachvollziehbar darzustellen. Ich möchte aber zumindest den Versuch unternehmen, Ihnen als Näherung mein grobes Raster zu beschreiben. Was sind denn eigentlich tiefgreifende Veränderungen? Jeder, der einen Spaten in die Hand nimmt und seinen Garten umgräbt, betreibt Bergbau, auch er bewegt die Erde, so die Einschätzung eines leitenden Vertreters des regionalen Bergbauunternehmens zu dem Arbeitsprinzip seines Unternehmens. Nicht nur in mir wehrt sich etwas, diesem Vergleich zuzustimmen. Je nach eigenem Standpunkt, eigener Betroffenheit, eigener Erfahrung, eigenem Wissen oder eigenem Vorteil werden demnach die Veränderungen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Was ist das Verstörende am Tagebau, das Menschen dazu treibt, sich mit ihm auseinander zu setzen? Was motiviert viele Menschen, sich in verschiedener Art und Weise dafür einzusetzen, die Lausitz vor weiteren Tagebauen zu bewahren? Im Brandenburger Braunkohlenausschuss ist fast die Hälfte der Mitglieder aus den unterschiedlichsten Gründen für einen Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohle. Auch ich. Veränderung I Aufgewachsen auf einem sorbischen landwirtschaftlichen Kleinst-Betrieb empfand und empfinde ich mich damals und auch heute in meinem Garten nicht als Bergmann, wenn ich Land bewirtschafte. Landwirtschaft auf kargen Böden prägte über Jahrhunderte die Lausitz. Damit die Bewohner und

Siedler der Lausitz ihre Landwirtschaft betreiben konnten, mussten weite Teile entwaldet, trocken gelegt, Kanäle gebaut und der Boden kultiviert werden. Die Lausitz wurde verändert, als Siedlungsund Überlebensstrategie. Die Lausitz war vor dem Bergbau kein unberührtes Land, ein Kiefernwald ist das Ergebnis eines forstwirtschaftlichen Betriebes und eine Wiese das Ergebnis nachhaltigen Wirtschaftens. In diesem Sinne wurde die Lausitz über Jahrhunderte natur- und sozialverträglich bewirtschaftet. So wurde über Jahrhunderte gearbeitet, gewirtschaftet, gelebt und gestorben. Mit dieser Art der Veränderung haben sich die sorbische Kultur und weite Teile der Landschaft Jahrhunderte erhalten. Es wurde darauf geachtet, dass der kommenden Generation zumindest die gleichen, wenn nicht bessere Lebensumstände übergeben wurden. Erntedank wurde in den Kirchen der Dörfer seit Jahrhunderten gefeiert und kann weiter gefeiert werden. Veränderung II Keine Naturkatastrophe, kein anderes menschliches Handeln, keine Havarie, kein Krieg, nichts verändert eine Landschaft so tiefgreifend wie ein Tagebau. Es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Eine Kippe ist kein Siedlungsgebiet. Jahrhundertealte Straßen verschwinden genauso wie Flüsse. Karten müssen komplett neu gezeichnet werden. Technischer Fortschritt heißt diese tiefgreifende Veränderung der Lausitz, die vor 130 Jahren begann. So wurde es auch meine Erfahrung, vor 45 Jahren ging es in meinem unmittelbaren Umfeld los. Eine neue Freileitungstrasse war der erste Bote, dann wurde die Malxe/Małksa 1 zur wassertechnischen Ableitung des Grubenwassers der Tagebaue Cottbus und Jänschwalde umgebaut. Sie wurde durch den Tagebau Jänschwalde von ihrem Quellgebiet im Muskauer Faltenbogen abgetrennt und fließt nicht mehr wie einst in die Nordsee. Das Kraftwerk wurde aufgebaut und in Peitz/Picnjo die Wohnkomplexe für die Beschäftigten. Wir mussten wie viele andere auch neu nach Trinkwasser bohren, denn die Badewanne, die Töpfe und die Malxe/Małksa wurden nun braun, ihre Sichttiefe Null. Der Bergbau, der hundert Jahre vorher 50 km weiter südlich begann, kam in meine Heimat, prägte meine Kindheit. Für viele meiner Klassenkameraden wurden Kraftwerk und Tagebau zum Arbeitgeber. Widerstand gab es nicht, außerdem war mein Heimatort nicht direkt von Tagebauplanungen betroffen. Ich beobachtete, wie die Kühltürme und die 300 Meter hohen Schornsteine des Kraftwerks wuchsen. Diese verteilten den Dreck weiter als die Kraftwerke Lübbenau und Vetschau. Anfang der Achtziger stand ich dann in dem schon abgerissenen Dorf Groß Lieskow/Liškow 2. Das einzige Gebäude, das noch stand, war die Kirche. Ich beobachtete, wie jemand Schritte zählend erst in die eine Richtung ging, dann um 90 wendete, wieder einige Schritte ging und dann sagte: Hier war der Eingang zu unserem Gehöft. Besuchern von außerhalb zeigten wir oft die Tagebaue in der Umgebung. Wir hatten gelernt, mit ihnen zu leben. Die Namen weiterer Dörfer, die dann noch abgebaggert wurden: Klein Lieskow/Liškowk 3, Weißagk/Wusoka 4, Klinge/Glinka 5. Es war Sozialismus, dieser Ideologie musste 1 Die Malxe, niedersorbisch Małksa, ist ein ursprünglich etwa 45 Kilometer langer Fluss in der Niederlausitz, dessen Oberlauf in den 1980er Jahren durch den Tagebau Jänschwalde vom Unterlauf getrennt wurde. 2 Groß Lieskow, niedersorbisch Liškow, war eine eigenständige Gemeinde und wurde in den Jahren 1976/77 teilweise und 1983/84 vollständig devastiert. 255 Einwohner mussten im Jahr vor der Abbaggerung umsiedeln. 3 Klein Lieskow, niedersorbisch Liškowk, war bis 1973 eine selbständige Gemeinde. Bis 1945 war der Ort annähernd zu 100% sorbischsprachig. Im Jahr 1974 wurde er nach Groß Lieskow eingemeindet. Der Ort wurde 1986/87 vollständig durch den Tagebau Cottbus-Nord abgebaggert. Umgesiedelt wurden 205 Personen. 4 Weißagk, niedersorbisch Wusoka, war ein Ort in der Lausitz. Das Angerdorf lag in einem Tal am Nordrand der Weißagker Platte, 7 km westnordwestlich von Forst. Es bestand aus den Ortsteilen Nieder- und Obergut. Die Größe von Weißagk schwankte zwischen rund 503 (1875) und 698 (1946) Einwohnern. In den 1970er-Jahren hatte das Dorf 540 Einwohner. 1985 wurde Weißagk für den Tagebau Jänschwalde abgebaggert, nachdem die verbliebenen 321 Einwohner umgesiedelt worden waren. Im Dezember 2005 wurde an der Straße von Mulknitz nach Gosda als Erinnerungsstätte der Heimatpark Weißagk eröffnet.

sich alles und jeder diskussionslos unterwerfen. Die Diktatur des Proletariats betrieb Raubbau an der Natur und am Menschen. 8,6 Mrd. Tonnen Braunkohle wurden bis 1989 gefördert, 136 Orte verschwanden, 27.500 Menschen mussten umsiedeln. Der Bergbau zog viele Arbeitskräfte von außerhalb in die Region, die Stadt Hoyerswerda/Wojerecy wuchs von 7.000 auf 70.000 Einwohner, auch Cottbus/Chóśebuz verdreifachte seine Einwohnerzahl. Ich bin Bergmann, wer ist mehr?, das wurde das Selbstverständnis des Kohle- und Energiebezirkes Cottbus. Veränderung III Die Region wurde bis zur Wende durch den Bergbau auf Verschleiß gefahren, wie das ganze System auf Verschleiß beruhte. Es gab kaum Alternativen und ja, der Bergbau hat Wohlstand und die Voraussetzungen für den nächsten Schritt gebracht. Nach der tiefgreifenden Veränderung der Lausitz durch den Bergbau kam es 1989 zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen bei den Lausitzern. Die politische Wende betraf die Energiewirtschaft sehr hart. Kraftwerke, Kohleveredlungsanlagen und Tagebaue wurden bis auf einen kleinen Kernbestand reduziert. Man konnte damals nicht alle Pumpen abstellen, weil die Spree sonst rückwärts geflossen wäre. Die Lausitz war zum weltweit größten Gebiet einer bergbaubedingten Grundwasserabsenkung geworden. Als Bilanz fehlten 14 Mrd. m³ Grundwasser. Jedem heute noch aktiven Tagebau fehlt ein Mehrfaches der Wassermenge der Müritz 6. Insgesamt wurden und mussten für die Tagbauentwässerung fast 40 Mrd. m³ abgepumpt werden, das entspricht in etwa dem Wasservolumen des Bodensees. Für die Folgen werden noch Generationen aufkommen müssen. Die Landschaft wurde mit bisher fast 10 Mrd. Euro saniert. Die Politik versprach, dass Horno/Rogow 7 das letzte Dorf sei und die Teichlandschaft um Lakoma/Łakoma 8 das letzte Naturschutzgebiet sein wird, das dem Bergbau weichen muss. Das war ein Versprechen, eine Art Nie wieder!!!. Neue Tagebaue zu genehmigen war unter den Umweltgedanken der neuen Republik schlicht unvorstellbar. Ein Tagebau kann nicht umweltverträglich und eine Umsiedlung kann nicht sozial verträglich sein. Den Abriss des Dorfes Horno/Rogow habe ich täglich bei meiner Durchfahrt verfolgen können. Veränderung IV Dass es anders kam, ist denke ich, allen bekannt. Eine vom Brandenburger Wirtschaftsministerium veröffentlichte Studie, die sogenannte Clausthalstudie, eröffnete der Brandenburger Lausitz eine Perspektive von sieben neuen Tagebauen. Durch diese neuen Tagebaue soll abgesichert werden, dass in den nächsten 50 Jahren weiterhin jedes Jahr 50 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert werden. 5 Klinge, niedersorbisch Glinka, war bis 1980 eine selbständige Gemeinde und ab 1981 ein Ortsteil der Gemeinde Gosda I (heute Gemeinde Wiesengrund/Łukojce) im Landkreis Spree-Neiße. Er wurde 1981 bis auf einen kleinen Teil am Bahnhof Klinge durch den Tagebau Jänschwalde abgebaggert. Umgesiedelt wurden 432 Personen. 6 Die Müritz (von Slawisch morcze = kleines Meer ) ist ein See innerhalb der Mecklenburgischen Seenplatte im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist der größte See, der vollständig innerhalb Deutschlands liegt. 7 Horno, niedersorbisch Rogow, war ein Dorf im Landkreis Spree-Neiße in der Niederlausitz, Land Brandenburg. Es lag im Gebiet des Braunkohletagebaus Jänschwalde und musste dem Tagebau weichen. Teile des Dorfes wurden bereits Mitte 2004 abgerissen, das letzte Haus wurde 2005 geräumt. Horno war ein Dorf mit überwiegend sorbischen Einwohnern. Bei den Versuchen, den Ort zu erhalten, spielte dies eine Rolle. Unter anderem wurden mit dem Hinweis darauf Versuche unternommen, über den Landtag eine Bewahrung des Dorfes zu erreichen. Der Hauptteil der Bevölkerung zog in den neu errichteten Stadtteil Neu-Horno von Forst (Lausitz), nach Cottbus, Guben, Peitz (neu angelegte Eigenheimsiedlung Hornoer Ring ) oder in umliegende Ortschaften. Das Ortsgebiet wurde am 1. Juli 1998 nach Jänschwalde eingemeindet. 8 Lakoma (auch Lacoma, niedersorbisch Łakoma) war ein Wohnplatz des Ortsteils Willmersdorf der Stadt Cottbus in Brandenburg. Der Ort lag etwa sechs Kilometer nordöstlich der Cottbuser Innenstadt, sein Name wird mit dem niedersorbischen Adjektiv łakomy (schmackhaft) in Verbindung gebracht. Das Dorf musste endgültig im Jahr 2006 dem Braunkohle-Tagebau Cottbus-Nord weichen. Insgesamt wurden nach amtlichen Angaben 143 Einwohner umgesiedelt. Im Jahr 1850 hatte das Dorf 88 Einwohner, 1945 etwa 200 Einwohner und 1964 180 Einwohner. Im Jahr 1850 waren alle Einwohner Sorben. Im Jahr 1963 sprachen noch rund 63 % der Einwohner niedersorbisch.

Drei neue Tagebauplanungen wurden seit 2007 beantragt, davon bisher zwei genehmigt. Die Planungen betreffen mehr als 7.000 ha und mehr als 3.000 Personen in neun Dörfern. Wie bisher auch immer wieder sorbische Dörfer. Der Bergbau mit seinen tiefgreifenden Veränderungen sollte diskussionslos 50 Jahre weiter gehen. Es gab Protest gegen das gebrochene Versprechen der Politik. Auch ich war schockiert, suchte den Kontakt, und so kam ich ran an die Probleme. Folgen der alten und neu geplanten Tagebaue versuchte ich zu verstehen. Kippenrutschungen, Braune Spree, Tagebauplanverfahren, juristische und naturschutzfachliche Sichtweisen etc. begleiteten mich. Und vor allem die Menschen. Ich bekam Kontakt zu Menschen, die umgesiedelt wurden, die auf Grund schon bestehender Pläne noch umgesiedelt werden sollen und denen, die jetzt unter einem Tagebauplan leben müssen. Schon ein beantragter Tagebauplan verändert das Leben jedes Einzelnen tiefgreifend, ja fundamental. Dies erfuhr ich aus vielen Gesprächen, Veranstaltungen und Aktionen. Ein Tagebauplanverfahren ist für den unvorbereitet Betroffenen wie eine Krebsdiagnose. Es gibt ein davor und ein danach, und der Betroffene weiß nicht, ob und wie er dies überstehen soll. Auch das ist eine Form einer tiefgreifenden Veränderung. Ich habe Menschen erlebt, die nach zwei Jahren Protest gegen das von ihnen geforderte Opfer für den Rest ihres Lebens verbraucht sind. Veränderung V Gott hat die Lausitz erschaffen und der Teufel hat die Kohle darin versteckt. so die Erklärung für das Schicksal der Lausitz. Ich kann mich mit dem Spruch nicht anfreunden. Lass doch den Teufel versteckt haben, was er will, und lassen wir doch die Kohle in der Erde Jahrtausende war sie doch in der Erde. Warum gelingt uns dies nicht? Es gibt noch einen ähnlichen Spruch zur Beschreibung menschlicher Laster: Der Teufel hat den Schnaps gemacht er will uns verderben. Alkohol verdirbt nur den Maßlosen, den, der vom Alkohol abhängig ist. Ein Abhängiger ist nicht frei. Er kann nicht genießen und kann mangels Alternativen keine wirklich verantwortungsbewussten Entscheidungen treffen. Die Lausitz kann von selbst nicht von der Kohle lassen, weil sie abhängig ist oder gemacht wurde. Wer davon lebt, dass Rohstoffe verbraucht werden, hat kein Interesse daran, dass sich daran etwas ändert. Tagebauplanungen sind unter diesen Randbedingungen nicht ergebnisoffen, sie sind alternativlos. Bei einer Anhörung zu dem Planverfahren Nochten II im Jahr 2012 sagte der Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Zitat: Bei einem Braunkohlenplanverfahren geht es nicht um das OB, sondern nur noch um das WIE. Mit dieser Perspektive hat der Bergbau auch seine Bewohner, ihr Denken, Fühlen und Handeln tiefgreifend verändert. Gestern stand in der Lausitzer Rundschau ein Interview mit dem Vorsitzenden des Brandenburger Bauernbundes: Was sagt der Landwirt aus der Prignitz zu einem Tagebau? Innerhalb von nicht einmal einem Jahrhundert hat die Braunkohle rund ein Viertel der Produktionsfläche gefressen, eine reiche Kulturlandschaft in den Abgrund gerissen. Wer so immer weitermachen will, ist krank.... Der Befürworter der Braunkohle behauptet hingegen, dass der Boden nach dem Bergbau ertragreicher sei, als vor dem Bergbau. Und eine SPD-Landtagsabgeordnete kann sich eine Lausitz ohne Tagebaue nicht vorstellen. Doch es hat sich in den letzten 15 Jahren mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie in der Energiewirtschaft etwas Entscheidendes verändert. Ab dem Jahr 2020 wird Brandenburg mehr erneuerbaren Strom erzeugen, als es selbst benötigt. Wir gebrauchen die Braunkohle zum großen Teil nicht mehr für die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse einer technisierten Gesellschaft,

sondern wir missbrauchen sie für Geldgewinne aus dem ihrem Export. Und Missbrauch ist die Vorstufe jeder Abhängigkeit. Die Lausitz benötigt auf ihrem Weg aus dieser Abhängigkeit jede mögliche Unterstützung und Begleitung. Veränderung VI Gott hat die Lausitz erschaffen und der Teufel hat die Kohle darin versteckt. so die Erklärung dessen, was mit der Lausitz passiert ist. Ich kann mich mit dem Spruch auch aus einem anderen Grund nicht anfreunden. Unter dem Gedanken des Klimaschutzes betrachtet, handelt es sich bei der Braunkohle um von Gott sicher gelagertes Kohlendioxid. Dank dieser bestehenden fossilen Endlager haben wir die gegenwärtigen stabilen klimatischen Verhältnisse. Den Energieunternehmen wurde bei der Klimakonferenz in Warschau gesagt: Aus Klimaschutzgründen müssen große Teile der fossilen Rohstoffe in der Erde bleiben. Sonst ja sonst kommt es zu tiefgreifenden Veränderungen weltweit. Steigende Meeresspiegel durch geschmolzenes Polareis, katastrophale Wetterereignisse auch regional. Die Welle der tief greifenden globalen klimatischen Veränderungen, deren Ursachen auch hier in der Lausitz mit dem ersten Kraftwerk vor 122 Jahren gelegt wurden, ist kaum noch abzufedern. Vorgestern veröffentlichen Klimaforscher ihre neuesten Messungen: mit 400 ppm hat die Atmosphäre einen CO 2 -Gehalt, wie in den letzten 2 Mio. Jahren nicht. Der Klimaschutz bedarf einer stringenten Veränderung unserer Wirtschaft und Lebensweise. Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels erlebt, und wir sind die letzte Generation, die noch etwas dagegen tun kann, so sinngemäß der amerikanische Präsident Obama. Die Schlagworte der Energiewende sind: weniger CO2 Rohstoffgebrauch statt Rohstoffverbrauch Energieeffizienz, Energieeinsparung Reflexion des eigenen Konsumverhaltens. Vielen machen die dadurch entstehenden Folgen Angst, doch mit einer Angstmacherei nimmt man sich konkrete Handlungsoptionen. Die Energiewende gibt auch Hoffnung für die Menschen, für die Lausitz. Mit der Energiewende ist es möglich, dass es eine Alternative zu den Werken der Ausstellung und den Prognosen der Klimaforscher gibt. Der Betrachter ist diesen Bildern nicht mehr hilflos ausgeliefert. Er kann etwas tun, damit sich die Lausitz nachhaltig tiefgreifend verändert, dass sich der Sinn der Texte erfüllt, die Widersprüche zwischen den Bildern und den Zitaten aus der Verfassung der Vergangenheit angehören Er kann Erneuerbare Energie anbieten oder nachfragen, Energie sparen. Nicht nur die Lausitz benötigt eine Unterstützung auf dem Weg der Veränderung. Epilog Es gibt noch einen subjektiven, biografischen Grund für den Antrieb, mich für die positive Veränderung der Lausitz einzusetzen. Es hat mit meiner sorbischen Herkunft zu tun. Negative Erfahrungen haben eine Elterngeneration so intensiv geprägt, dass sie es ablehnten, ihre Kinder sorbisch unterrichten zu lassen. So wie ihr seid, gehört ihr nicht dazu, wurde ihnen zu verstehen gegeben. Sie hatten nichts verkehrt gemacht und wurden doch bestraft für das, was sie sind, wie sie sprechen und wie sie sich anziehen. Am heutigen 8. Mai gedenken wir der Befreiung von einer Ideologie der Ausgrenzung, des Völkerhasses, des Vorherrschaftsdenkens. Aus ihrem eigenen Erleben als Minderheit heraus sollte den Kindern die Erfahrungen der Abwertung durch den antislawischen Rassismus erspart werden. Am Anfang meiner Rede fasste ich das Selbstverständnis der Lausitz in dem Satz Ich bin Bergmann, wer ist mehr? zusammen. Dieser Satz widerspiegelt jedem anderen gegenüber keine Wertschätzung, sondern eine Abwertung. Das Interesse des Bergbaus, das ist das Wichtigste, und

dies wurde so im Jahr 1935 im auch noch heute gültigen Bergrecht verankert. Eine gleichberechtigte Abwägung der Interessen findet nicht statt. In Deutschland ist es bisher rechtlich nicht möglich, einen beantragten Tagebau zu verhindern. Mit dem signalisierten Interesse an der Braunkohle steht das Urteil bereits fest. Auch die Bewohner der von Abbaggerung bedrohten Dörfer fühlen sich unschuldig verurteilt. Sie bekommen von der Gesellschaft das Signal: ihr gehört nicht mehr dazu, eure Interessen, eure Lebensweise, eure Lebensziele und -erfahrungen sind zweitrangig. Ihr müsst weg. Widerstand ist sinnlos, es geht um das WIE, nicht um das OB. Wie wir mit unserer Umwelt und mit unseren Mitmenschen hier und weltweit umgehen, basiert auf dem, was wir sind. Was fehlt uns, dass wir mit der Lausitz und der ganzen Erde so umgehen, als gäbe es eine zweite? Es ist die jedem Menschen angeborene, aber unterentwickelte Fähigkeit zur Empathie. Der Satz vom Bergmann, der mehr wert sein will als alle anderen, ist arrogant, nicht empathisch. Er lässt sich nicht hinterfragen und lässt dem Anderen keinen existenziellen Freiraum. Es hat schon etwas Putin-haftes, wenn die Pro-Braunkohle-Interessegruppen von unserer Braunkohle sprechen, als bestünde ein historischer Auftrag, sich diese Gebiete einzuverleiben. Es zu können, ist rechtlich möglich und damit legal, aber ob es legitim ist, möchte ich bezweifeln. Die Lausitz steht vor der Überwindung der Herrschafts- und Gebietsideologie des 20. Jahrhunderts. Sehr viele Menschen wurden Opfer von Interessen, Kriegen, Gebietsabtretungen und Vertreibungen. Das Recht des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seines angestammten Siedlungsgebietes wird gewährleistet. steht im Sorben-/Wendengesetz des Jahres 2014. Nur im Respekt der gegenseitigen Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit kann sich ein zukunftsfähiges und zukunftsgerechtes Miteinander entwickeln und dazu brauchen wir tiefgreifende Veränderungen des Denkens, Fühlens und des Verhaltens. Dass dazu die Kunst im Rahmen dieser Ausstellung ihren Beitrag leisten möge, das ist mein Wunsch. Vielen Dank! Thomas Burchardt ist seit 2008 für die DOMOWINA der Vertreter der Sorbischen Minderheit im Brandenburger Braunkohlenausschuss.