Die älteste Siedlung Roms liegt an den östlichen Ufern des schiffbaren Flusses Tiber,

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Transkript:

I Stadt und Bürgerschaft CAMPUS MARTIUS Tiber AVENTIN KAPITOL FORUM ROMANUM PALATIN 7 Plan von Rom mit seinen Sieben Hügeln und dem Tiber. Die älteste Siedlung Roms liegt an den östlichen Ufern des schiffbaren Flusses Tiber, der fast 39 Kilometer südwestlich von der Stadt ins Meer mündet. In der Mitte des Flusslaufes erleichterte eine kleine Insel das Überqueren des Wassers. Das tiefliegende Land in der Nähe des Flusses, umgeben von den Hügeln, war das Gebiet, auf dem sich eventuell das Forum Romanum (oder auch Marktplatz genannt) befunden hat. Als Sumpfgebiet wurde es zunächst in fast regelmäßigen Abständen überschwemmt, bis die ansässigen Bauern im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. einen Abfluss anlegten, die cloaca, die auch heute noch, wenn auch modernisiert, überschüssiges Wasser zum Fluss hin ableitet. Am Ostufer boten die Hügel Roms ihren ersten Bewohnern Schutz und einen Rückzugsort in Notzeiten. Der Legende nach errichteten die Römer ihre Stadt auf den Sieben Hügeln Roms, doch welche die ursprünglichen sieben waren, steht nach wie vor zur Debatte Abb. 7. Die ersten Hütten wurden auf den Hügeln, so auch auf dem Palatin, errichtet, was die Spuren von Pfahllöchern und die Ausschnitte für rudimentäre Fundamente belegen. Später dann, im 1. Jahrhundert v. Chr., lebten einige der prominentesten Politiker und Intellektuellen Roms, unter ihnen der Redner Cicero, auf dem Palatin, und schließlich errichteten auch einige der Kaiser ihre Paläste dort: Der moderne Begriff Palast ist abgeleitet von palatium, dem ESQUILIN offiziellen Namen des Hügels. OPPIUS Der höchste und wichtigste dieser Hügel war jedoch das Kapitol. Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. stand hier ein Tempel des Jupiter, des höchsten und mächtigsten Gottes im römischen Pantheon (siehe Kapitel 6). Die noch kleine, aber expandierende Stadt, CAELIUS die nach wie vor von ihren etruskischen Königen regiert wurde, engagierte den etruskischen Architekten Vulca, um das enorme Heiligtum zu errichten. Seine Überreste und massiven Fundamente, die ein Rechteck von 62 53 Metern einschließen, lassen sich auch heute noch in den Kapitolinischen Museen bestaunen. Während der republikanischen Zeit umgaben die Römer ihre Siedlung nach wiederholten Angriffen der Gallier aus dem Norden (dem heutigen Gebiet Frankreichs) mit einer Mauer, die fälschlicherweise nach dem frühen König Servius Tullius als»servianische Mauer«bekannt wurde. Tatsächlich wurde sie erst im 4. Jahrhundert v. Chr. errich- QUIRINAL VIMINAL

STADT UND BÜRGERSCHAFT 19 Petersdom Circus des Nero Mausoleum Hadrians Stadion Domitians CAMPUS MARTIUS Mausoleum des Augustus Säule des Marcus Aurelius Pantheon Trajansforum Diocletiansthermen,Servianische Mauer Prätorianer Lager Aurelianische Mauer Augustusforum Theatre of Marcellus KAPITOL Forum Romanum Maxentiusbasilika Kolosseum Porta Maggiore Portunustempel Circus Maximus PALATIN Aqua Claudia Tiber,Servianische Mauer 378 BC 0 1 km Aurelianische Mauer Caracallathermen Via Appia Porta San Sebastiano tet Abb. 8. Mit zunehmender militärischer Macht (siehe Kapitel 2) wurde eine tatsächliche Bedrohung der Stadt immer unwahrscheinlicher; die Kämpfe fanden weit entfernt von Rom statt, zunächst in Latium, dann in immer entlegeneren Gebieten. So schritt die Stadtentwicklung mit zunehmender Bevölkerungsdichte eher planlos voran, indem sich die Bewohner entlang der Hügel und Täler des Tiberufers ansiedelten. Im Laufe der Zeit wurden die»servianischen«mauern zu eng und die Stadt wuchs weit über sie in alle Richtungen hinaus. Im 3. Jahrhundert n. Chr. bedrohten nach langer Zeit erneut umherziehende Heeresgruppen und plündernde Horden das Innere des Reiches, so dass Kaiser Aurelian im Jahr 271 n. Chr. mit dem Bau einer neuen Mauer begann (die Aurelianische Mauer), die zehn Jahre später unter Probus vollendet wurde. Diese Mauer war hauptsächlich aus Ziegeln, Beton sowie Marmorsplittern errichtet worden, die aus anderen Bauwerken herausgebrochen waren. Die Mauer spricht eindringlich von der plötzlichen Notwendigkeit, die Stadt schützen zu müssen, im 3. ebenso wie in den darauffolgenden Jahrhunderten. Im Umfeld der ursprünglichen Siedlung und des Abflusssystems, das die Gegend erst wirklich bewohnbar machte, entwickelte sich eine große offene Fläche zum Forum, dem Herzen der Stadt Abb. 9. Hier gingen die Bürger ihren Geschäften nach, hielten ihre Märkte ab, bauten Tempel und Versammlungsgebäude, einschließlich des Senatsgebäudes, 8 Roms Mauern: die»servianische«(rot) und die Aurelianische (schwarz).

9 Das Forum Romanum mit dem Tempel des Saturn im Vordergrund und Überresten weiterer Tempel und Straßenzügen sowie das Kolosseum im Hintergrund. der curia; und hier befand sich auch die Plattform, von der aus politische Reden gehalten wurden. Die sacra via, die Heilige Straße, führte durch dieses Forum, vorbei an religiösen und öffentlichen Monumenten zu beiden Seiten. Durch die Bemühungen des visionären Archäologen Giorgio Boni (spätes 19. Jahrhundert) blieb das wertvolle Gelände im Herzen der Stadt der Nachwelt erhalten. Immer noch finden hier in begrenztem Maße Ausgrabungen statt. Einer der am besten erhaltenen Tempel auf dem Forum wurde von Kaiser Antoninus Pius zu Ehren seiner verstorbenen Frau Faustina errichtet und im Jahr 140 n. Chr. geweiht. Nach seinem Tode erfuhr auch der Kaiser selbst hier Verehrung Abb. 10. Er kann als Beispiel sekundärer Nutzung römischer Gebäude in späterer Zeit dienen: Die Säulen an der Vorderseite des Tempels sowie die frontale Treppe und die Mauern des antiken Tempels entsprechen dem Originalzustand, da das Gebäude im 7. oder 8. Jahrhundert n. Chr. als Kirche S. Lorenzo in Miranda neu geweiht wurde. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Kirche ihre barocke Fassade hinzugefügt. Aus genau dem gleichen Grund sind auch viele weitere antike Gebäude noch heute ganz oder in Teilen erhalten, sowohl auf dem Forum als auch an anderen Stellen der Stadt. Einer der faszinierendsten Aspekte der modernen Stadt ist die unüberschaubare Anzahl von antiken römischen Bauwerken, die sich in verschiedenen Erhaltungsgraden zwischen (und unter) späteren Gebäuden finden. Bürgerschaft und Politik Wie sich eine Siedlung vereinzelter Hütten auf dem Palatin des 8. Jahrhunderts zur Hauptstadt eines ausgedehnten Weltreiches entwickeln konnte, ist eines der Wunder der politischen Geschichte. Die Umsichtigkeit des Volkes und eine Reihe von erfolgreichen Regierungs-

BÜRGERSCHAFT UND POLITIK 21 experimenten führten zu einer republikanischen Staatsform mit zwei gewählten Konsuln an der Spitze. Militärische Auseinandersetzungen, von kleineren Scharmützeln bis zum großangelegten Krieg, spielten eine bedeutende Rolle in der Entscheidung darüber, wer in den nächsten Jahrhunderten nicht nur über Italien, sondern über die gesamte Mittelmeerwelt regieren würde. Interne Krisen und wiederholte Bürgerkriege führten die Republik jedoch an den Abgrund, vor welchem das Reich durch Augustus, Großneffe und Adoptivsohn des Diktators Iulius Caesar, gerettet wurde, der im Jahr 31 de facto zum Alleinherrscher wurde und die Republik in das römische Kaiserreich überführte. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Macht an einen Nachfolger als nächsten Kaiser entweder durch Familienbande oder, öfter noch, durch arrangierte Begünstigungen beim Tode des regierenden Kaisers weitergegeben. Das römische Bürgerrecht erlebte im Laufe der Zeit einigen Wandel, doch gab es gewisse Grundregeln. Zunächst besaß jedes Kind eines römischen Bürgers aus einer legalen Ehe das Bürgerrecht. Sklaven, die im Laufe ihres Lebens ihre Freiheit erlangten (die sogenannten Freigelassenen), besaßen ebenfalls das Bürgerrecht, genossen jedoch nicht alle Privilegien und Rechte derjenigen, die bereits als römische Bürger geboren waren. Frauen durften nicht wählen, hielten jedoch Eigentumsrechte. Soldaten aus nicht-römischen Auxiliar-, das heißt Hilfseinheiten, konnte nach Ende ihres Dienstes das römische Bürgerrecht zuerkannt werden. Durch die Constitutio Antoniniana weitete Kaiser Caligula im Jahr 212 n. Chr. das Bürgerrecht auf alle freien männlichen Einwohner des Römischen Reiches aus. Inhaber des römischen Bürgerrechts hatten bestimmte Rechte, unter ihnen das Wahlrecht, Vertragsrecht, das Recht zu heiraten und das Recht, eigene Kinder als Bürger anerkennen zu lassen, ebenso auch das Anklagerecht, Prozessrecht und das Recht, sich um öffentliche Ämter zu bewerben. Diese Rechte verloren auch in den Kolonien nicht an Gültigkeit, zumal diese in den meisten Fällen von Veteranen der römischen Armee und deren Familien besiedelt wurden. Roms Regierungsformen hatten ihren Ursprung in der Urgeschichte der Stadt, in den Tagen nach der Vertreibung des letzten Königs, als Beamte die relativ kleine Bevölkerung regierten. Diese Organisationsform der bürgerlichen Verwaltung blieb über Jahrhunderte erhalten, doch am Ende der späten Republik waren die administrativen Aufgaben stark ausgeweitet, da nicht mehr nur die Stadt Rom, sondern ein gewaltiges Staatsgebiet mit einer enormen Bevölkerungszahl von diesen Beamten regiert werden musste. Die Männer, die sich einen Platz in der Regierung der Republik und der frühen Kaiserzeit sichern wollten, folgten einem vorgegebenen Weg, der als cursus honorum bezeichnet wird, eine politische Karriereleiter, auf welcher die Politiker in einer bestimmten Abfolge von Ämtern Aufgaben mit zunehmend größerer Verantwortung übernahmen, bis sie das 10 Der Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum, begonnen 141 n. Chr. Im 17. Jahrhundert wurde die Kirche S. Lorenzo in Miranda in seinen Mauern errichtet.

22 STADT UND BÜRGERSCHAFT höchste Amt der Republik, das Konsulat, erreichten. Als besondere Ehre galt es, und wurde mit Stolz verzeichnet, alle Ämter bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt erlangt zu haben. Nur Aristokraten, die ein Vermögen von mindestens einer Million sestertii nachweisen konnten, durften sich für diese höheren Ämter und damit um einen Platz im Senat bewerben. Von jedem Bewerber wurde erwartet, dass er seine Karriere mit einem zehnjährigen Militärdienst begann, nach dem er sich um politische Ämter bewerben durfte. Das erste Amt des cursus honorum war das des Quästors, um welches sich der Bewerber mit dreißig Jahren zum ersten Mal bewerben durfte. Zunächst wurden pro Jahr vier Männer in dieses Amt gewählt, doch wurde ihre Zahl im Laufe der Zeit aufgestockt, bis in der späten Republik schließlich zwanzig Quästoren jährlich zur Verfügung standen. Diese dienten entweder in Rom selbst oder unter einem Statthalter in der Provinz. In ihrer Verantwortung lagen die finanziellen Belange der Stadt sowie der Getreideimport, der Rom durch die Hafenstadt Ostia erreichte. Die Vermehrung der Zahl der Quästoren macht deutlich, dass immer mehr Beamte gebraucht wurden, um der steigenden Bedürfnisse der Stadt Rom und ihres Reiches Herr zu werden. Denn auch Iulius Caesar verdoppelte die Zahl der Quästoren erneut von zwanzig auf vierzig. Der nächste Schritt auf der politischen Karriereleiter war die Bekleidung der Prätur, ein Amt, das die Belange der Armee sowie der Gerichtshöfe verwaltete. Auch die Anzahl dieser Beamten wurde im Laufe der Jahrhunderte erhöht, bis im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. acht Männer pro Jahr zum Prätor gewählt wurden. Nach der Prätur konnte der Kandidat sich dann ins Konsulat wählen lassen. Dieses wurde jährlich an nur zwei Männer vergeben, die dem Senat vorstanden und im Kriegsfall den Oberbefehl über die römischen Legionen führten. Ein weiteres, äußerst ehrenwertes Amt, das jedoch nicht jährlich besetzt wurde, war die Zensur: Ihre Inhaber überwachten die Bürgerlisten und stellten die Zugehörigkeit zum Senatoren-, Ritter- oder Bürgerstand fest. Daneben gab es noch das Amt des Ädilen, welches zwischen Quästur und Prätur eingenommen wurde und in welchem sich der Inhaber um die städtischen Dienstleistungen kümmerte, vor allem um die öffentlichen Spiele. Daneben hatten auch die Plebejer eigene Vertreter und eine eigene administrative Versammlung, die von Tribunen geleitet wurde. Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurden Volkstribunen nach Ablauf ihres Amtes ebenfalls in den Senat aufgenommen. Da der weitaus größte Teil dieser Ämter auf ein Jahr beschränkt war, wurde der beständige Strom unerfahrener Beamter, ob aus der senatorischen oder plebejischen Schicht, durch erfahrene Administratoren unterstützt, die die politischen Spielregeln kannten und ihnen Hilfe und Unterstützung in der Ausübung ihrer Ämter bieten konnten. Gaius Iulius Caesar und das Ende der Republik Seit dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. hatte die römische Republik mit gewaltigen innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Als Volkstribunen setzten sich zwei Brüder Tiberius und Gaius Gracchus, auch als die»gracchen«bekannt für eine Neuverteilung des römischen Bodens ein, welche zugunsten der Plebejer, also den ärmeren Schichten der römischen Bürgerschaft, durchgeführt werden sollte. Damit wollten sie erreichen, dass diese wieder,

DIE KAISER 23 wie in Urzeiten, als freie Bauern ihren eigenen Acker bebauten und so die Masse der verarmten städtischen Bevölkerung verringert werden konnte. Da aber zur Erreichung dieses hehren Ziels das notwendige Land von den Großgrundbesitzern, den Patriziern, konfisziert werden musste, schürten sie politische und soziale Unruhen, die auch nach der Ermordung der Gracchen Tiberius im Jahr 133, Gaius im Jahr 123 v. Chr. noch schwelten. Weitere Unruhen folgten, als im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. zwei überaus erfolgreiche Feldherren, Marius und Sulla, ihre Heere im Bürgerkrieg gegeneinander führten. Beide begingen das undenkliche Sakrileg, ihre Truppen gegen Rom selbst in Bewegung zu setzen und dabei römische Bürger zu töten. Die Republik sollte sich von einem solchen Aderlass nie wieder erholen, zumal auch die folgenden Jahrzehnte durch beständige Auseinandersetzungen führender Politiker und wiederholte Unruhen geprägt waren. Die letzte Krise wurde durch Iulius Caesar heraufbeschworen, dem im Jahr 46 v. Chr. als Bürgerkriegssieger lebenslange diktatorische Gewalt zuerkannt wurde. Zunächst hatte er sich die Macht im Reich als Teilhaber eines legitimen Dreimännerbundes (»Triumvirat«) geteilt, bevor er nach seinem Sieg über Pompeius wiederholt in das außerordentliche Amt des Diktators gewählt wurde. Dieses Amt ließ er sich nun vom Senat auf Dauer zuerkennen. Der Begriff»Diktator«bezeichnet in der römischen Politik einen legitimen Herrscher, der für eine durch den Senat festgelegte, zumeist kurzfristige Periode alleinige Macht über den Staat ausübte. Durch die Ernennung zum Diktator auf Lebenszeit überschritt Caesar die Grenzen republikanischer Verfassung. Anhänger der Republik und ihrer Traditionen konnten dies nicht tolerieren und ermordeten Caesar am 15. März des Jahres 44 v. Chr. Eine Münze mit dem Abbild Caesars Abb. 11 zeigt diesen mit Lorbeerkranz, einem langen, dünnen Hals und strengen Gesichtszügen. Andere Portraits zeigen ihn mit knollenartigem Schädel und es wird behauptet, er hätte durchdringende Augen und eine dominante Präsenz gehabt. Tatsächlich reicht ein Blick in seine Beschreibung der Gallischen Kriege bis heute Pflichtlektüre für Lateinlernende, um die überragende Selbstsicherheit des Mannes zu verstehen. 11 Münze des Gaius Iulius Caesar. Silber denarius. 44 v. Chr., in den letzten zwei Monaten seines Lebens geprägt. Durchmesser 1,9 cm, Gewicht 3,92 g. Die Kaiser Nach Caesars Tod bildete sich ein zweites Triumvirat, das aus Oktavian (Caesars Großneffe und Adoptivsohn), Marcus Antonius und Marcus Lepidus bestand. Doch auch dieses Triumvirat war nicht von Dauer, so dass sich Rom bald in einen erneuten Bürgerkrieg verwickelt sah, aus dem Oktavian schließlich als Sieger hervorging. In der Schlacht bei Aktium im Jahr 31 v. Chr. besiegte er Marcus Antonius und Kleopatra VII., die Königin von Ägypten. Vier Jahre später wurde er im Senat zum princeps ernannt, ein durchaus republikanischer Titel, der nun jedoch eine neue Bedeutung annahm. Auch der Ehrenname»Augustus«(»der Erhabene«) wurde ihm verliehen, ein Titel, der auf die glorreichen Ursprünge der Stadt verwies und welchen in seiner Nachfolge Kaiser bis in die Neuzeit hinein tragen würden. Auch die Titel pontifex maximus und imperator wurden fortan nur noch von den Kaisern getragen und unterstrichen ihren Anspruch, als oberster Priester Roms sowie als Oberbefehlshaber

24 STADT UND BÜRGERSCHAFT 12 Portraitkopf des Kaisers Augustus. Bronze, Augen aus Glas und Stein. Aus Meröe im Sudan. Wahrscheinlich in Ägypten gefertigt. Ca. 27 25 v. Chr. H. 47,7 cm. der römischen Truppen zu gelten. Viele der traditionellen kaiserlichen Titel, die wiederholt in formelhaften Sentenzen auf Münzen und in Inschriften verwendet werden, nehmen ihren Ursprung in den Eigennamen dieser Umbruchszeit: So wurden die ursprünglichen Namen»Caesar«und»Augustus«zu den Herrschaftstiteln der Spätantike. Zogen Kaiser mit ihren Truppen ins Feld, so konnten sie der offiziellen Titulatur weitere Ehren- oder Siegertitel hinzufügen, wie beispielsweise Germanicus als Sieger über die Germanen oder auch Britannicus nach seiner Eroberung Britanniens. Augustus maß seiner Darstellung in Portraits große Bedeutung bei, von denen viele bis heute erhalten sind, da diese kaiserlichen Bildnisse seine Macht im Reiche festigen sollten und somit in großem Maße über das Reich verteilt wurden. 5 Hierin folgte er dem Beispiel Caesars, der sein eigenes Bild auf die von ihm in Umlauf gebrachten Münzen prägen ließ. Ein großer Bronzekopf des Augustus, der in Meroë an den Oberläufen des Nils im Sudan gefunden wurde Abb. 12, zeigt seine attraktiven Züge, die gerade Nase, hohe Wangenknochen, volle Lippen und ein ausgeprägtes Kinn. Das Haar ist typisch frisiert, mit in die Stirn gekämmten, kurzen Locken, eine Darstellungsart, die sich auf allen Herrscherportraits des Iulisch-Claudischen Kaiserhauses findet. Auch die Kopfform des Augustus, der knollenartige Schädel, bleibt nicht einzig typisch für seine Portraits, sondern wird auf die seiner Familienangehörigen übertragen. Der Bronzekopf ist durchaus ungewöhnlich, da zum einen nur wenige Bronzeportraits erhalten sind und zum anderen auch die Augen des Kopfes, die aus Glas und Stein gefertigt wurden, den Lauf der Jahrhunderte überdauerten. Die unregelmäßige Kante des unteren Halsbereiches lässt vermuten, dass der Kopf Teil einer Statue war, die im Laufe eines numidischen Plünderungszuges zerstört wurde. Der Kopf fand sich unter den Stufen eines Viktoria-Tempels vergraben, ein Akt, durch welchen die Einwohner den römischen Kaiser vermutlich symbolisch zu entehren suchten. Ein weiteres Portrait des Augustus Abb. 13 zeigt ihn auf einer großen, prächtigen Gemme. Der Stein ist ein braun-weißer Sardonyx, der äußerst geschickt geschliffen wurde, so dass sich Kopf und Schultern vor dem Hintergrund deutlich abheben. Der Harnisch des Kaisers ist farbig gestaltet. Die Details der Rüstung entsprechen der, die typischerweise von der Göttin Minerva getragen werden: Sie zeigen das Haupt der Medusa, umgeben von Schlangen. Die juwelenbesetzte Krone ist nicht antik. 6 Diese Art von Gemmen waren wertvolle Geschenke innerhalb des engsten kaiserlichen Umfelds und wurden oft von König zu König und Kaiser zu Kaiser weitergereicht. Mit seiner Frau Livia war Augustus 52 Jahre lang verheiratet. Innerhalb der kaiserlichen Familie nahm Livia eine überaus dominante Position ein. Zum ersten Mal in der römischen Geschichte hatte eine Frau gemeinsam mit ihrem Mann tatsächliche Macht inne, was die Verleihung des Titels Augusta durch das Testament des Kaisers noch verdeutlicht. Ihre Ehe begann allerdings auf eine recht unkonventionelle, fast schon skandalöse Weise: Sowohl Augustus als auch Livia mussten sich zunächst scheiden lassen, um einander heiraten zu können. Darüber hinaus war Livia zu dieser Zeit mit dem zweiten Sohn ihres ersten Mannes schwanger. Gleichwohl trat sie für Ehe und Moralität ein und wurde so in den Augen der Öffentlichkeit zum Vorbild der tugendhaften Frau. In dieser Rolle unterstützte sie das Programm ihrer Mannes zur Förderung der Familientradition. Auf der anderen Seite hafte-

DIE KAISER 25 te Livia selbst beständig der Ruf einer äußerst intriganten Frau an, die alles daran setzte, ihren Sohn Tiberius als Nachfolger des Augustus auf den Thron zu verhelfen. Hartnäckig hielt sich auch das Gerücht (das aber wahrscheinlich nicht den Tatsachen entspricht), sie sei schließlich so weit gegangen, ihren Mann durch ein Feigengericht vergiftet zu haben. 7 Ein Marmorkopf zeigt Livia mit recht ausdrucksstarken Zügen Abb. 14 Ihre Haare sind streng zurückgekämmt und am Hinterkopf in einem Knoten zusammengenommen. Über der Stirn wurden die Strähnen nach oben gebürstet und in einem nodus, einer»welle«, zusammengerollt, sowie an beiden Seiten in leichten Locken arrangiert. Die Haartracht der Kaiserin wurde von unzähligen Frauen ihrer Zeit kopiert, eine Imitationspraxis, die sich in der römischen Kaiserzeit immer wieder findet. Livia bekam ihren Willen: Tiberius, ihr Sohn aus erster Ehe, folgte Augustus auf den Thron. Nachdem seine erwählten Nachfolger und Enkel, Gaius und Lucius, bereits jung verstorben waren, blieb Augustus schließlich kaum mehr eine andere Wahl. Die hierdurch gegründete Iulisch-Claudische Dynastie nahm ihren Namen aus dem Zusammenschluss der zwei alten patrizischen Familienzweige: der Iulier, als Familie des Caesar und Augustus einerseits, und der Claudier, als Familie des Tiberius-Vaters andererseits. Tiberius war ein sehr introvertierter Mensch und mag ob seiner Behandlung durch Augustus durchaus verbittert gewesen sein, da er in dessen Augen stets nur die zweite Wahl war. Dennoch trug er die Verantwortung für eine Reihe von imposanten öffentlichen Projekten und erwies sich den Gemeinden in Kleinasien gegenüber als überaus großzügig, als diese im Jahr 17 n. Chr. von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurden. Auf Tiberius folgte Gaius, der besser unter seinem Spitznamen Caligula (»Stiefelchen«) bekannt ist dieser Name beruht darauf, dass er die Kindheit im Feldlager seines Vaters Germanicus verbrachte, wo er kleine, den Soldatenstiefeln nachempfundene Schuhe trug. Seine Regierungszeit von nur vier Jahren gilt als Zeit von Angst und Hass auf den, wie vermutet wurde, geistesgestörten Kaiser. Auch der nächste Kaiser stammte aus der Familie der Claudier, hieß passenderweise Claudius. Tatsächlich war er der Onkel des Gaius, doch waren seine Ansprüche auf den Thron zunächst missachtet worden vermutlich, weil er als äußerst ruhiger, gelehrter Mann galt, dem die Leitung des Reiches nicht zugetraut wurde, und das wohl auch auf Grund einiger körperlicher Behinderungen. Doch erwies er sich als durchaus fähiger Kaiser und setzte die Fertigstellung einer Reihe von öffentlichen Projekten in Gang: unter ihnen die Vollendung der Aqua Claudia, eines Aquädukts in der Nähe Roms und des Hafens von Ostia. Claudius war bereits fünfzig Jahre alt, als er zum Kaiser ernannt wurde. Die Macht fiel ihm mehr oder weniger zufällig zu, da er sich während der Ermordung des Caligula im Palast aufhielt und sich hinter einem Vorhang vor den Soldaten versteckte. Als er von diesen entdeckt wurde, erkannten sie ihn als Mitglied des Kaiserhauses und riefen ihn zum Kaiser aus, eine Wahl, die bald von allen anerkannt wurde. 8 Beschreibungen von Claudius sind im Normalfall alles anderes als vorteilhaft: 13 Kamee mit Kopf und Büste des Augustus mit einer Aegis der Minerva. Sardonyx. H. 12,8 cm, B. 9,3 cm. 14 Portraitkopf der Livia. Marmor. H. 28 cm. An eindrucksvoller Würde der äußeren Erscheinung fehlte es ihm keineswegs, sei es, dass er stand oder saß und vor allem, wenn er auf dem Ruhebett lag. Denn er war groß, aber nicht mager, hatte ein attraktives Gesicht, grau werdendes Haar und einen starken Nacken. Beim Gehen aber verließ ihn die Kraft in den schwachen Kniegelenken und

26 STADT UND BÜRGERSCHAFT beim Sprechen, sei es scherzhaft oder über ernste Dinge, verunstaltete ihn mehreres: ein ordinäres Lachen und noch mehr sein häßliches Aussehen im Zorn, wenn ihm der Schaum vor den Mund trat und die Nase tropfte. Außerdem stotterte er und wackelte beständig mit dem Kopf, was sich bei der geringsten Tätigkeit noch steigerte. 9 Unten links: 15 Portraitkopf des Claudius, vielleicht auch Nero. Bronze. In der Alde bei Rendham, in der Nähe von Saxmundham, Suffolk, gefunden. 1. Jahrhundert n. Chr. H. 30 cm. Unten rechts: 16 Portraitkopf des Vespasian. Marmor. 70 80 n. Chr. Aus Karthago. Bei Ausgrabung von Sir Thomas Reade gefunden, 1835/6. H. 40,6 cm. Dieser Bericht stammt aus der Feder Suetons, der seine Kaiserbiographien in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts n. Chr. schrieb. Er ist eine der wichtigsten Quellen für Anekdoten über die ersten zwölf Kaiser, doch müssen seine Beschreibungen mit Vorsicht genossen werden. Die Darstellung der römischen Geschichte ist abhängig von derartigen Quellen, doch muss sie durch zusätzliche Informationen, die durch Inschriften oder durch die Archäologie gewonnen werden, ergänzt werden (siehe Kapitel 9). Ein überlebensgroßes Bronzeportrait des Claudius (vielleicht handelt es sich aber auch um Nero) wurde im Flussbett des Alde in Suffolk gefunden Abb. 15. Claudius wird entsprechend der Iulisch-Claudischen Ikonographie mit in die Stirn gekämmten Haaren dargestellt und mit ungewöhnlich großen Ohren. Claudius war der erste Kaiser, der Britannien eroberte; somit ist es nicht verwunderlich, dass seine Statue hier gefunden wurde. Camulodunum (Colchester), im Süden des Flusses gelegen, war Residenz des mächtigsten Stammes dieser Gegend und wurde nach ihrer Eroberung kurzzeitig zur Hauptstadt der neu errichteten römischen Provinz. Das Ende der Iulisch-Claudischen Dynastie wird durch den Tod des Kaisers Nero im Jahr 68 n. Chr. markiert. Nero wird als ausgearteter und verderbter Herrscher dargestellt, ein Größenwahnsinniger, der zwei seiner Frauen und seine Mutter umbringen ließ. Er forderte beständige Aufmerksamkeit und allgemeine Bewunderung, wenn er vor Publikum als Musiker und Sänger auftrat. 10

DIE KAISER 27 Nach dem Ende der ersten Kaiserdynastie wurde die Nachfolge in den Fällen, in denen kein legitimer Erbe zur Verfügung stand durch Waffengewalt geregelt. Entsprechend konnten beim Tod des rechtmäßigen Kaisers an allen Enden des Römischen Reiches neue Herrscher ausgerufen werden, die ihren Anspruch auf den Thron geltend zu machen suchten. Dies gilt besonders für das Jahr 69, das auch als»vier-kaiser-jahr«bekannt ist, da sich nach dem Tod Neros gleich vier Anwärter auf seine Nachfolge fanden. Es folgte ein blutiger Kampf um den Thron, doch blieb derartiges glücklicherweise bis zum Tod des Commodus, 123 Jahre später, zunächst einmalig. Nachdem Nero zum Selbstmord getrieben worden war, herrschten in den Jahren 68 und 69 n. Chr. kurzfristig drei Männer als Kaiser, bis sich Vespasian schließlich als Nachfolger etablieren und die Flavische Dynastie begründen konnte. Vespasian stammte nicht aus einer senatorischen Familie, sondern gründete seine Macht auf die Armee. Seine Portraits sind anders als die der Iulier und Claudier nicht idealisiert; vielmehr wird er als der reife Mann dargestellt, der er war und mit starken, aber freundlichen Zügen charakterisiert Abb. 16. Nach den Ausschweifungen Neros war der neue Kaiser eine willkommene Abwechslung. Der abgebildete Marmorkopf wurde in den 1830er Jahren in Karthago ausgegraben; die zerstörten Teile seines Gesichts wurden zu dieser Zeit nicht restauriert: So fehlen bis heute die Nase und ein Ohr. Als Vespasian sich zum Kaiser erhob, ließ er seinen Sohn Titus als Befehlshaber der Armee in Palästina zurück, wo sich die Juden im Aufstand gegen die Römer erhoben hatten. Titus führte den Krieg gegen die Juden auf besonders brutale Art, besiegte sie schließlich und zerstörte den großen Tempel von Jerusalem, bis auf ein einziges Fragment, die Westliche Mauer, besser bekannt unter dem Namen»Klagemauer. Bei seiner Rückkehr nach Rom wurde ihm ein Triumph zuerkannt, und der Titusbogen wurde ihm zu Ehren errichtet. Szenen des Triumphes sind im Relief dargestellt (Seite 41, Abb. 33). Der gewissenhafte Titus folgte seinem Vater auf den Thron; nach ihm herrschte sein undurchsichtiger jüngerer Bruder Domitian: Auch dieser galt als einer jener Kaiser, der hinter jedem Menschen seiner Umgebung einen möglichen Attentäter vermutete, und ein Heer von Spitzeln aufbaute, um sich zu schützen. Sein ausgedehnter Palast auf dem Palatin wurde von seinen Nachfolgern noch Jahrhunderte lang als Residenz genutzt. Nerva, der nächste Kaiser, herrschte nur zwei Jahre, doch sein Amtskollege und Nachfolger Trajan gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des Römischen Reiches. Er stammte aus Italica, einer Stadt in Spanien, knapp acht Kilometer von Sevilla entfernt. Schon früh interessierte er sich für den Dienst an der Gemeinschaft, nicht nur in seiner Heimatstadt, sondern im gesamten Imperium. Als überaus fähiger Heerführer fügte er dem Reich neue Gebiete hinzu, so dass das Imperium unter seiner Herrschaft die größte Ausdehnung erreichte (Seite 10/11, Abb. 3). Er verschönerte die öffentlichen Plätze Roms durch den Bau eines neuen Forums mit einem mehrstöckigen Marktkomplex: das sogenannte Trajansforum (Seite 76, Abb. 65). Ein Portrait Trajans Abb. 17 zeigt diesen mit den typischen hohen Wangenknochen und einer tiefliegenden, knöchernen Stirn, die durch das ins Gesicht fallende Haar besonders betont wird. Seine tiefliegenden Augen verstärken den Eindruck seiner Intelligenz und 17 Portraitbüste Trajans. Marmor. 108 117 n. Chr. 1776 bei Rom gefunden. H. 67,5 cm.

28 STADT UND BÜRGERSCHAFT Bronzestatuen 18 Portraitkopf Hadrians. Bronze. 2. Jahrhundert n. Chr. Gefunden in der Themse bei London, 1834. H. 43 cm. Ein überlebensgroßer Bronzekopf Hadrians wurde 1834 in der Themse in der Nähe der London Bridge gefunden. Hadrian hatte das ferne Britannien im Jahr 122 n. Chr. besucht, was den Entstehungszeitpunkt des Portraits markieren könnte. Der Vollbart des Kaisers ist detailliert und sorgfältig ausgearbeitet, so dass das Portrait eine außergewöhnliche Schönheit annimmt. Der Hals der Statue weist zwei quadratische Einsätze auf, von denen einer herausgefallen ist. Darüber hinaus finden sich eine Anzahl kleinerer Flicken. Dies sind für Bronzestatuen typische Reparaturarbeiten, um im Herstellungsprozess entstandene Unebenheiten auszugleichen, die durch den Guss geschmolzenen Metalls in eine Hohlform entstehen. Alle Bronzearbeiten ab einer bestimmten Größe sind innen hohl, um einerseits das Fehlerrisiko zu verringern, andererseits den Materialverbrauch zu minimieren. Um eventuelle Fehler auszumerzen, wurden bei Fertigstellung der Bronze Unebenheiten herausgeschnitten und mit nachträglichen Flicken versehen. Diese Flicken wurden mittels eines Hammers in die entsprechenden Stellen eingepasst und dann auf Hochglanz poliert, um Unregelmäßigkeiten der Statuenoberfläche zu vermeiden. In manchen Fällen wurde darüber hinaus ein gefärbtes Wachs verwendet, um Risse oder auch Luftblasen, die während des Gießens entstanden sind, zu füllen. Die Römer galten als geschickte Metallschmiede, die diese Technik von ihren griechischen, etruskischen und nahöstlichen Nachbarn gelernt und dann verfeinert hatten. Metallarbeiten wandten sie jedoch nicht nur für die unterschiedlichen Kunstwerke an, sondern auch für Gefäße, Inschriften und kleinere Werkzeuge. Größere Werkzeuge sowie Klammern und Nägel wurden aus Eisen hergestellt (siehe Seite 77, Abb. 66). starken Persönlichkeit. Der neuen Mode des 2. Jahrhunderts n. Chr. entspricht die Ausarbeitung nicht nur des Kopfes, sondern auch der (heroisch) nackten Brust des Kaisers. Auf Münzen ist er fast immer im Lorbeer- oder Strahlenkranz dargestellt. Nach Trajans Tod übernahm dessen Cousin zweiten Grades, Hadrian Abb. 18, 117 n. Chr. die Herrschaft. Angeblich hat Trajan seinen Nachfolger kurz vor seinem Tod adoptiert, doch konnte dies nie bewiesen werden und mag eine Erfindung der Trajanswitwe Plotina sein. Hadrian war einer der kultiviertesten der römischen Herrscher und bereiste das gesamte Reich. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Griechen, im Besonderen Athen, deren Kultur er offene Bewunderung entgegenbrachte. Diese Bewunderung mag als Erklärung dafür dienen, warum er in Anlehnung an die berühmten Philosophen Athens als erster der Kaiser und entgegen römischer Sitte einen Bart trug. Er hatte sowohl eine Frau, Sabina, als