Ziel des Lebens. Märtyrer Ayatollah Morteza Motahhari

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Transkript:

Ziel des Lebens Märtyrer Ayatollah Morteza Motahhari

Die Übersetzung ist gewidmet denen, die nach dem Ziel des Lebens suchen. Ayatollah Morteza Motahhari Ziel des Lebens 2010 m-haditec GmbH & Co. KG Bremen www.mhaditec.de In Kooperation mit: Islamisches Zentrum Hamburg www.izhamburg.com ISBN 978-939416-38-8 2

IM NAMEN GOTTES DES GNÄDIGEN, DES BARMHERZIGEN Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber...4 Über den Autor...7 Ziel des Lebens...9 1. Vorlesung...9 Ziel der Schöpfung...9 2. Vorlesung...30 Motiv und Ursache der Individual- und Gesellschaftsmoral...30 3. Vorlesung...54 Lehre und Weltanschauung...54 4. Vorlesung...68 Der Glaube und die Vollkommenheit des Menschen...68 5. Vorlesung...89 Das Hauptziel des Islam...89 3

Vorwort der Herausgeber Das vorliegende Buch beinhaltet die gesammelten fünf Vorlesungen des Märtyrers und verdienstvollen Professors Motahhari, die sich mit dem Thema Ziel des Lebens befassen und zur Vorlesungsreihe Islamische Weltanschauung gehören, welche im Jahre 1972 veranstaltet wurde. In jenen Jahren erregten die systematische Zusammenstellung des Themas Islamische Weltanschauung sowie das Vorstellen dieses Themas gegenüber der jungen Generation die starke Aufmerksamkeit der theologisch Aufgeklärten und Interessierten. Infolge der Bedürfnisse der Zeit sowie des Anliegens einer Reihe seiner Studenten Ayatollah Motahhari gesonderte Seminare (an denen nicht mehr als 10 Mitglieder teilnahmen), in deren Verlauf er die Islamische Weltanschauung darlegte und deren wesentliche Aspekte zur Diskussion stellte. Es entsprach der Vorgehensweise Ayatollah Motahharis, die zur Debatte stehenden Themen und Gesichtspunkte in den kleineren und größeren Seminaren mehrmals zu erörtern, so dass diese in ihrem ganzen Ausmaß untersucht, überprüft und verstanden werden konnten. Um diese ausgereift und ausgearbeitet der Gesellschaft vorstellen zu können, brachte er diese Gespräche und Diskussionen mit seiner beredten Feder zu Papier, ebenso, wie er auch später die Diskussionsreihe Einführung in die islamische Weltanschauung im Sommer des Jahres 1978 als eine Zusammenfassung in sieben Teilen in Kurzform schriftlich niederlegte. Die vorliegenden, zusammengestellten Kapitel betreffen jedoch nur einen Teil dieser separaten Vorlesungen, welche im Jahre 1972 von Tonbandaufnahmen übernommen und schriftlich festgehalten wurden, deren Bänder jedoch nicht mehr vorliegen. Das, was uns zur Veröffentlichung dieser Vorlesungen veranlasst, sind zum einen die reinen, aufrichtigen und klaren Gedanken Motahharis, welche im quellreichen Islam Nahrung fanden. Zum anderen aber beruht es auf der Empfehlung Imam Chomeinis, in der dieser betonte, dass die junge Generation, so weit wie nur irgendwie möglich, aus den lehrreichen Werken dieses Pro- 4

fessors und Märtyrers welche wegweisend seien für die heutige islamische Gesellschaft des Iran ihren Nutzen ziehen sollte. Aufgrund dessen erkannten wir unsere Pflicht, den Inhalt dieser Unterrichtsreihe ohne jegliche Art von Veränderungen (abgesehen von der Instandsetzung auseinander gerissener Sätze auf den Tonbandaufnahmen) denjenigen, die an den eindrucksvollen, philosophischen Werken von bleibendem Wert des großen Gelehrten interessiert sind, zur Verfügung zu stellen. Wir hoffen, dass Sie ihn, in diesem Sinne, von uns annehmen werden. Im Verlaufe dieser Unterrichtsreihe untersuchte und analysierte der Professor das Ziel des Lebens aus der Sicht des Heiligen Qur an, der verschiedenen Ideologien und der menschlichen Überlegungen. Er klärte dabei den Diskussions-Horizont auf und erweiterte ihn nach allen Seiten unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte. Er ließ die Gedanken der Interessierten in die verschiedensten Gefilde schweifen und führte sie auf den vielfältigsten Pfaden spazieren. Denn wird das Ziel des Lebens verständlich und beachtet, so wird sich das Leben warm und erhellend gestalten und ein anderer Mensch, eine neue Gesellschaft werden auf der Bühne des Lebens erscheinen eben das, nachdem es der heutigen Gesellschaft so dürstet! Bestehen nicht alle Schmerzen, Kümmernisse und Nöte, die unsere Welt mit Bitterkeit erfüllen, deswegen, weil das Ziel des Lebens bisher noch unbekannt geblieben ist? Das Leben selbst ist von seiner Natur her nicht bitter und leidvoll, es ist das Umherirren auf Um- und Abwegen, welches der Menschheit all die Mühsalen und Qualen aufbürdet. Die junge Generation unserer Gesellschaft bedarf mehr denn je zuvor einer derartig bedeutungsvollen und richtungweisenden Diskussion, damit sie ausgerüstet mit präzisen Kenntnissen über das Ziel des Lebens, so weit wie möglich, ihrer heiligen von Idealität getragenen Revolution den Weg in der finsteren, materiellen Welt unserer Zeit ebnen kann. 5

Die erste Übersetzung des vorliegenden Buches ins Deutsche wurde von Daheje-Fadjr, dem Veranstaltungsgremium der Feierlichkeiten zur Islamischen Revolution 1985 in Teheran herausgegeben. Nachdem die Auflage vergriffen war, druckte der Islamische Weg e.v. 1996 eine nahezu unveränderte Neuauflage. Für die vorliegende Ausgabe wurde der damalige Text grundlegend überarbeitet und korrigiert. Durch Anmerkungen der Herausgeber in Fußnoten wird auch dem weniger islamisch vorgebildeten Leser das Verständnis erleichtert. Möge die vorliegende Übersetzung hilfreich sein zur Überwindung von Missverständnissen und Vorurteilen. 6

Über den Autor Ayatollah Morteza Motahhari wurde 1920 in Fariman geboren, einer Stadt in der nordöstlichen iranischen Provinz Chorassan. Sein Vater, der verstorbene Scheich Muhammed Husain Motahhari, war ein herzensreiner, gottesehrfürchtiger Mensch und folglich wurde er von allen Volksschichten im gesamten Chorassan wie auch in anderen Teilen Irans hoch geschätzt und verehrt. Der junge Morteza Motahhari begann seine Schulzeit an der Maktab Kanah (Grundschule) in der Stadt Fariman. Von frühester Kindheit an zeigte er ein erstaunliches Talent und eine tiefe Liebe zum Wissen. Er zeigte bemerkenswerte Intelligenz und Begeisterung, um ein tieferes Verständnis der islamischen Theologie zu gewinnen. Im Jahre 1932 zog er im Alter von zwölf Jahren in die heilige Stadt Maschhad, wo er das Studium der islamischen Grundwissenschaft aufnahm. Im Alter von siebzehn Jahren reiste er in die heilige Stadt und bekannte Gelehrtenschule Qum. Die Liebe zu den islamischen Studien entzündete seine Seele und er profitierte sehr von der gelehrten Gegenwart solch hoher Islam-Gelehrter wie Sayyid Muhammad Mahaqqiq, Sayyid Muhammad Hudschat und Ayatollah Al-Sadr Gott habe sie alle selig. Im Jahre 1940 begann er mit dem Studium der hohen fortgeschrittenen Lehren des großen Lehrers, den er "meinen letzten Lehrer" nannte. Er nannte ihn einen "göttlich-himmlischen Geist", und dieser Mann war Imam Chomeini Gott habe ihn selig das Oberhaupt der neuen islamisch-revolutionären Bewegung. Motahhari genoss auch die Gesellschaft von Ayatollah Burudscherdi, bei dem er 1944 Student wurde, und er blieb es für nahezu acht Jahre. Ab 1950 befasste er sich mit der Philosophie Avicennas; er besuchte die Klasse, die von Sayyid Muhammad Husain Tabataba i geleitet wurde. Allama Tabataba i war der hervorragende Meister der Philosophie in Qum. Motahhari schrieb später einen Kommentar zum fünfbändigen Werk "Prinzipien der Philosophie" (Usul-i-Falsafah) seines Lehrers. 7

Im Jahre 1952 verlegte Motahhari seinen Wohnsitz nach Teheran. Von dieser Zeit an war er sehr fleißig, um Vorlesungen in Wissenschaftsinstituten zu halten und um sehr viele Bücher und Kurzschriften zu verfassen. Auf diesen beiden Gebieten beleuchtete er die verdunkelten Winkel des islamischen Denkens und hisste das Banner der reinen islamischen Vernunft durch Beweisführung und Erörterung gegen die Gefahr der materialistischen Sicht, die sich in der iranischen Jugend sehr ausbreitete. Er führte seinen Glaubenseinsatz zuweilen als Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Teheran durch, zuweilen als öffentlicher Redner in Moscheen und religiösen Instituten, den Husainiyas, bis zum Ausbruch der Islamischen Revolution. Sowohl vor als auch nach den Tagen der Islamischen Revolution am 11. Februar 1979 war er Mitglied des Islamischen Revolutionsrates. Er kämpfte weiter auf dem Weg Gottes und des Volkes in aller Aufrichtigkeit. Er wurde selbst Märtyrer am 15. Mai 1979, als er von der pseudoislamischen Gruppe namens Furqan ermordet wurde. Er hatte gerade eine arbeitsreiche Nachtsitzung des Revolutionsrates verlassen. Im Verlag m-haditec sind bereits einige Übersetzungen seiner genialen Werke herausgebracht worden. 8

IM NAMEN GOTTES DES GNÄDIGEN, DES BARMHERZIGEN Ziel des Lebens Ziel der Schöpfung 1. Vorlesung Eines der Kernprobleme, welches zu untersuchen ist, betrifft das Ziel des Lebens. Mit dieser Frage hat sich der Mensch seit eh und je befasst, das heißt: Wofür lebt der Mensch? Und wirklich: Wofür lebt der Mensch? Worin sollte das Ziel seines Lebens liegen? Welches Ziel sollte er sich in seinem Leben setzen? Wollen wir das Thema unter dem islamischen Aspekt behandeln, müssen wir in dieser Weise fragen (und das trifft genau den Kern dieser Diskussion) Was wird mit der Aussendung der Propheten beabsichtigt? Worin liegt das Hauptziel derer Mission?. Selbstverständlich sind das Ziel des Missionsauftrages der Propheten sowie das Lebensziel der Menschen, zu denen die Propheten gesandt wurden, nicht verschiedener Art, da die Propheten beauftragt waren, der Menschheit dieses Ziel nahe zu bringen. Und wenn wir noch ein wenig weiter gehen, gelangen wir an einen Punkt, an dem sich die Frage nach dem Ziel und Zweck der Schöpfung stellt. Worin ist das Ziel der Schöpfung aller Dinge insbesondere der des Menschen zu sehen? Dieses Thema ist so zu behandeln, dass die Frage: Worin liegt das Ziel der Schöpfung? einmal unter dem Aspekt der Absicht des Schöpfers hinsichtlich der Schöpfung gestellt wird. Doch in dieser Weise, das heißt, unter dem Aspekt 9

eines Zieles, welches der Schöpfer mit seiner Schöpfung beabsichtigt, ist das Thema Ziel der Schöpfung nicht zu erörtern, denn unter Ziel, Zweck, Absicht, im Sinne eines Motivs, das heißt, in der Bedeutung des Beweggrundes, des Anlasses der Tat, ist jener Antrieb zu verstehen, welcher den Ausführenden zu dessen Handlung veranlasst und ohne welchen dieser diese Tat nicht ausführen würde. In Bezug auf Gott können wir jedoch einem, in dieser Weise interpretierten Ziel, das heißt, einem Ziel im Interesse des Handelnden, der die Handlung vollzieht, um dadurch selbst ein Ziel zu erreichen, einem Ziel, welches ihn, den Ausführenden motiviert, nicht zustimmen. Denn etwas, das den Handelnden zu seiner Tat veranlasst, ist selbstverständlich genau das, was dieser mit Hilfe dieser beabsichtigt. Eine derartige Zielsetzung setzt jedoch einen Mangel des Ausführenden voraus und finden wir deshalb nur in der Kreatur, nur bei den Geschöpfen, keinesfalls aber bei dem Schöpfer! Die Zielsetzung wird bedingt durch das Streben nach Vollkommenheit, das heißt, dass der Ausführende mit seinem Handeln etwas beabsichtigt, was er nicht besitzt, jedoch erlangen möchte. Im Zusammenhang mit dem Thema Ziel der Schöpfung ist aber nicht allein nach dem Ziel des Schöpfers, des Ausführenden der Tat, sondern ebenfalls nach dem Ziel dieser seiner Tat seiner Schöpfung, zu fragen. Unter dem Ziel der Tat ist zu verstehen, dass alle Handlungen im Hinblick auf ein Ziel geschehen, gerichtet auf die Vollkommenheit, zu deren Erreichung sie geschaffen werden. Das heißt, die Tat, das Werk, geschieht um der Erreichung dieser Vollkommenheit willen, jedoch nicht, damit der Handelnde, welcher diese Tat ausführt, selbst zur Vollkommenheit gelangt, sondern deswegen, damit das Werk selbst 10

Vollendung erreicht, das heißt, dass es sich selbst auf dem Wege zur Vollkommenheit befindet. Die Schöpfung in dem Sinne des Endgegenstrebens einer jeden Handlung, eines jeden Werkes nach Vollendung von Anbeginn an verstanden, hat die Schöpfung ein Ziel. Und genau so verhält es sich. Das heißt, prinzipiell ist alles, was existent wird, unvollkommen und wird deswegen geschaffen, um zur Vollkommenheit, zur Vollendung zu gelangen. Zusammenfassend bedeutet dieses, dass die Ordnung des Universums so beschaffen ist, dass alles Existierende sein Dasein in Unvollkommenheit beginnt und sich in Richtung seiner Vollendung fortbewegt, um die, seiner Würde und seinem Rahmen entsprechende Vollkommenheit, zu deren Erreichung es fähig ist, zu erzielen. Die Frage nach dem höchsten Ziel der Schöpfung des Menschen steht in engem Zusammenhang zu dessen Wesensmerkmalen, dessen in ihm veranlagten Begabungen und Fähigkeiten sowie zu der Frage nach der dem Menschen höchstmöglich erreichbaren Vollkommenheitsstufe. Über jenen Vollkommenheitsgrad, der im Möglichkeitsbereich des Menschen liegt, ist zu sprechen. Zum Erreichen jener Vollkommenheit ist der Mensch geschaffen worden. Und da hier der philosophische Sinn unter dem Aspekt des Zieles der Handlung zu sehen ist, macht es selbstverständlich keinen Unterschied, ob wir nun hier von einem Ziel sprechen oder dem Sinn, dem philosophischen Sinn. Da nun die Frage nach dem Ziel der Schöpfung des Menschen in enger Beziehung zu folgenden Themen steht: Was für ein Lebewesen ist der Mensch? und Welche Veranlagungen und Begabungen sind in ihm verborgen?, ist es nicht erforderlich, dass wir diese Fragen separat behandeln. Doch, da wir diese Diskussion vom islamischen Gesichtspunkt her führen wollen, nicht vom rein logischen 11

und philosophischen her, müssen wir zuerst in Erfahrung bringen, welche Ansicht der Islam über den Menschen vertritt und welches Vollkommenheitsniveau ein Mensch, der den Islam kennt und zu dessen Erreichung er erschaffen wurde, erzielen kann. Naturgemäß bestand der Missionsauftrag der Propheten ebenfalls darin, die Menschen zur Vollkommenheit zu führen. Und es herrscht wohl Übereinstimmung über den Aspekt, dass sie zu den Menschen gesandt wurden, um diese zu führen, ihnen beizustehen und zu helfen. Tatsächlich besteht im menschlichen Leben eine gewisse Leere und Unzulänglichkeit, welche der Mensch als einzelner oder innerhalb der Gesellschaft, auch nicht mit der Kraft und Unterstützung anderer gewöhnlicher Menschen nicht beheben kann und sich somit nur mit Hilfe der Offenbarung einer Reihe von Vollkommenheiten entgegen bewegen kann. Da das Ziel des Missionsauftrages der Propheten in der Vervollkommnung des Menschen und in dessen Gelangen an das Ziel seiner Erschaffung besteht, ist es nicht erforderlich, dieses Thema eingehend zu behandeln und steht darum hier nicht zur Debatte. Und ebenfalls ist es an dieser Stelle nicht notwendig, die Frage nach dem Ziel des Lebens eines jeden einzelnen, aus individueller Sicht, umfassend zu erörtern. Da das Thema, welches ganz generell die Frage nach: Was können wir sein? Welche immanenten Begabungen sind in uns verborgen, die wir realisieren können und das Ziel unseres Lebens sein sollten? betrifft, eine sehr umfangreiche und weitreichende Diskussion, deren Ende nicht abzusehen ist, erforderlich macht, wollen wir uns gezielt dem Heiligen Qur an zuwenden, um festzustellen, ob dieser präziser und konkreter auf das Ziel des Menschen eingegangen ist oder nicht, und ob er das Wozu und Warum der Erschaffung des Menschen zum Ausdruck bringt. Wird in ihm der Missionsauftrag der Propheten und dessen Zweck oder die Frage: Wozu lebt der Mensch? zur Sprache gebracht? 12