Drogenkonsumräume/Gesundheitsräume für Schwerstabhängige. 1.Ausgangslage: Konsumszene harter Drogen in Nürnberg

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a) 8,56 b) 13,12 c) 25,84 d) 37,06 e) 67,01 f) 111,50 g) 99,04 h) 87,49

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Transkript:

Beilage: 1.1 zur gemeinsamen Sitzung des Gesundheitsausschusses und Sozialausschusses vom 15.07.2010 Drogenkonsumräume/Gesundheitsräume für Schwerstabhängige 1.Ausgangslage: Konsumszene harter Drogen in Nürnberg Expertenschätzungen zufolge konsumieren in Nürnberg mindestens 2000 Menschen sog. harte, illegale Drogen, wie Heroin oder andere Opiate. Die Illegalität des Drogenbesitzes steht detaillierten Erhebungen entgegen. Aus den Einrichtungen, der Drogenhilfe, die Einmalspritzen vergeben, wird eine steigende Nachfrage festgestellt und deshalb auch auf einen tendenziell ansteigenden Konsum geschlossen. Die Zahl der Drogentodesfälle ist zwar aufgrund starker, und häufig nur teilweise erklärbarer Schwankungen kein zuverlässiger Indikator für die Entwicklung der Konsumentenzahlen, aber absolut genommen und im Vergleich mit anderen Städten besorgniserregend, da sie dem bundesweiten Trend gegenläufig ansteigen. Tabelle 1: Entwicklung der Drogentodesfälle in Nürnberg und Mittelfranken (2000 bis 2009) Qu: Polizeipräsidium Mittelfranken 60 Statistik der Rauschgifttoten in Mittelfranken 2000-2009 50 40 30 20 10 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Nürnberg 34 20 13 11 7 6 12 13 19 21 Ansbach 8 5 6 Erlangen 1 3 4 Fürth 2 3 4 Schwabach 2 4 6 PP Mittelfranken 54 37 21 17 15 11 18 26 34 41

Tabelle 2: Rauschgifttodesfälle in Deutschland (2000 bis 2009) Qu.: Bundeskriminalamt/ Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Pressekonferenz 25.3.2010 Seite 2 von 8

Rauschgiftstatistik -Engdültige Zahlen 2009*) Vergleich ausgewählter Großstädte Stadt 2008 2009 Veränderung Dortmund 18 14-22,2 % Düsseldorf 20 21 + 5,0 % Essen 22 26 + 18,2 % Frankfurt 33 34 + 3,0 % Hannover 22 14-36, 4 % Köln 54 41-24,1 % Mannheim 11 8-27,3 % München 50 48-4,0 % Nürnberg 19 21 + 10,5 % Stuttgart 12 9-25,0 % Dresden 5 5 -- % Leipzig 8 4-50,0 % Rauschgifttodesfälle in Deutschland Bundesland 2008 2009 Veränderung Schleswig-Holstein 48 39-18,8 % Hamburg 58 65 + 12,1 % Niedersachsen 94 82-12,8 % Bremen 31 28-9,7 % Nordrhein-Westfalen 380 344-9,5 % Hessen 118 110-6,8 % Rheinland-Pfalz 57 60 + 5,3 % Baden-Württemberg 192 133-30,7 % Bayern 247 250 + 1,2 % Saarland 18 19 + 5,6 % Berlin 152 155 + 2,0 % Brandenburg 7 9 + 28,6 % Mecklenburg-Vorp. 9 4-55,6 % Sachsen 18 12-33,3 % Sachsen-Anhalt 6 9 + 50,0 % Thüringen 14 12-14,3 % *)Quelle: Bundeskriminalamt Kriminalstatistik Lageberichte Rauschgift Tabelle "Drogentodesfälle bis 2009 Länder-Städtevergleich Seite 3 von 8

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2. Ursachenanalysen und Präventionsmaßnahmen Regelmäßig werden neue Entwicklungen, Analysen und Bewertungen im Suchtarbeitskreis zwischen Drogenhilfe, Medizin, Polizei und Justiz erörtert und Maßnahmen abgestimmt. Die Drogentoten sind weit überwiegend männlich, zwischen 20 und 35 Jahre alt, überdurchschnittlich häufig mit Migrationshintergrund und zum Teil aktuell nach Beendigung oder Abbruch einer Entzugsbehandlung oder nach Haftentlassung verstorben. Die Mehrheit der Verstorbenen war der Polizei oder der Drogenhilfe bekannt. 2.1 Präventionsmaßnahmen Dies sind erkennbare Muster, die Ansätze für Präventionsmaßnahmen nahelegen: In Nürnberg wird seit vielen Jahren intensiv über die Gefahren des Drogenkonsums und über die Möglichkeiten der Risikominimierung aufgeklärt. Es werden von allen Einrichtungen der Drogenhilfe regelmäßig sog. Drogennotfalltrainings durchgeführt. Diese Trainings richten sich an szenebekannte Konsumenten und ihr unmittelbares soziales Umfeld (Partnerinnen und Partner, Freunde, Angehörige). Es gibt Plakataktionen, Handzettel, Broschüren und Give-aways (Feuerzeuge) mit den einschlägigen Rufnummern im Drogennotfall. Die Informationen werden teilweise in vier Sprachen (deutsch, russisch, türkisch, englisch) erstellt und gezielt an Treffpunkten der Szenen verteilt. Es werden Spritzen und andere Hilfsmittel zum hygienischen und risikoarmen Konsum verteilt. Dies geschieht über einem Pool von 6.000.- für die einschlägigen Institutionen. Dieser Pool wird dem gestiegenen Bedarf anzupassen sein. Es wird eine enge Zusammenarbeit mit stationären medizinischen Einrichtungen und der Justizvollzugsanstalt angestrebt, um besonders gefährdete Suchtkranke in kritischen Übergangssituationen zu erreichen. Auch im Vergleich der Anstrengungen mit anderen Städten in Bayern und im Bundesgebiet gelten die Angebote der Drogenhilfe, der Stadt und der Medizinischen Versorgung als umfangreich und zum Teil als vorbildlich. Die regelmäßigen Fachtagungen Überleben in Drogenszenen alle 1-2 Jahre in Nürnberg bestätigen dies. 2.2 Konsequenzen für die Stadt Nürnberg Es gibt in Nürnberg keine mit Frankfurt oder Hamburg vergleichbare offene Drogenszene. Es gibt nicht den offensichtlichen Handel und den sichtbaren Konsum im öffentlichen Raum, verbunden mit Spritzenmüll in öffentlichen Anlagen. Die Linie der Bayerischen Polizei ist daran orientiert, dies nicht zuzulassen. Die Hilfeangebote von Drogenberatung, Kontakträumen, Beschäftigungsangeboten, Notschlafplätzen, ambulant und stationär medizinischer Versorgung, Substitution und die vergleichsweise gute Wohnraumversorgung tragen mit dazu bei, dass die doch große Zahl von Drogenkonsumenten im Alltag nicht wie in anderen Großstädten wahrgenommen wird. Seite 5 von 8

2.3 Drogentodesfälle als Problemindikator Aus den genannten Gründen findet der Drogenkonsum in Nürnberg zum Teil im öffentlichen Raum und zum Teil im privaten Bereich statt. Er entzieht sich damit der Hilfe in den oft unmittelbar dem Konsum folgenden lebensbedrohlichen Situationen. Drogentote werden oft nach Stunden in öffentlichen Toiletten, von ihren Angehörigen in der elterlichen Wohnung oder nach Tagen in einer eigenen Wohnung gefunden. Immer ist ein Drogentodesfall der erschreckende und endgültige Schlusspunkt einer Konsumkarriere, das frühe Ende eines Lebens, eine Katastrophe für hilflose Angehörige. Im laufenden Jahr war dies bereits zwölf Mal zu beklagen (Stand 15. Juni 2010). 3. Drogenkonsumräume Dem Antrag der Bunten Liste entsprechend wurde in Nürnberg am 7. Mai 2010 eine Anhörung im großen Sitzungssaal des Rathauses durchgeführt. Das Thema wurde aus der Perspektive der Wissenschaft, der Sozialarbeit, der Polizei und Justiz beleuchtet (vgl. Anlage 1.4, Einladung und Programm der Anhörung). Die Beiträge der Anhörung werden im Internet unter soziales.nuernberg.de abzurufen sein. In der weiteren Zusammenfassung wird Bezug genommen auf eine Stellungnahme des Wohlfahrtsverbandes Der Paritätische, der Dachverband vieler Einrichtungen der Drogenhilfe ( Diskussionspapier zur Einführung von Drogenkonsumräumen in Bayern (Mai 2009, www.paritaetbayern.net/.../drogenkonsumraeume.pdf) 3.1 Definition, der gesetzliche Rahmen, die Rechtsverordnung und die Qualitätsstandards von Drogenkonsumräumen Drogenkonsumräume, auch Gesundheitsräume, Fixerstuben oder Druckräume genannt, sind Einrichtungen, die die Ausstattung für einen risikominimierenden, meist intravenösen Konsum von Heroin, Kokain, sowie deren Derivaten bereitstellen. Der Besitz der mitgebrachten Substanz zum Eigenverbrauch wird passiv geduldet. Konsumräume sind damit Bestandteil der Akzeptierenden Drogenarbeit, an der sich auch die Suchthilfe der Stadt Nürnberg sich seit langem orientiert. Mit der Einfügung des 10a BtMG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom 28. März 2000 (BGBl. I, 302) wurde für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Deutschland eine rechtliche Grundlage geschaffen und die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt (Anlage 1.6, Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität/ ZfB, 10a BtMg, LandesVO Hessen) Aufgrund von Mindeststandards sind bestehende Konsumräume in Deutschland hochprofessionalisierte medizinische und psychosoziale Versorgungseinrichtung, mit den folgenden zehn Voraussetzungen ( Zehn Gebote ): 1. zweckdienliche sachliche Ausstattung der Räumlichkeiten, die als Drogenkonsumraum dienen sollen; 2. Gewährung einer sofort einsatzfähigen medizinischen Notfallversorgung 3. medizinische Beratung und Hilfe zum Zwecke der Risikominderung beim Verbrauch der von Abhängigen mitgeführten Betäubungsmittel; 4. Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten der Beratung und Therapie; Seite 6 von 8

5. Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten nach diesem Gesetz in Drogenkonsumräumen, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln nach 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zum Eigenverbrauch in geringer Menge; 6. erforderlichen Formen der Zusammenarbeit mit den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen örtlichen Behörden, um Straftaten im unmittelbaren Umfeld der Drogenkonsumräume soweit wie möglich zu verhindern; 7. genauer Festlegung des Kreises der berechtigten Benutzer von Drogenkonsumräumen, insbesondere im Hinblick auf deren Alter, die Art der mitgeführten Betäubungsmittel sowie die erlaubten Konsummuster; Ausschluss offenkundiger Erst- oder Gelegenheitskonsumenten; 8. einer Dokumentation und Evaluation der Arbeit in den Drogenkonsumräumen; 9. ständiger Anwesenheit von persönlich zuverlässigem Personal in ausreichender Zahl, das für die Erfüllung der genannten Anforderungen fachlich ausgebildet ist; 10. Benennung einer sachkundigen Person, die für die Einhaltung der genannten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anordnungen der Überwachungsbehörde verantwortlich ist und die ihm obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen kann. 10a II 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen nach 10a I BtMG zu regeln. Von dieser Ermächtigung haben die Bundesländer Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland Gebrauch gemacht.(vgl. Anlage 1.7) In Bayern sind die Voraussetzungen für die Einrichtung und den Betrieb von Konsumräumen bisher nicht geschaffen. Gleichwohl besteht Informations- und Handlungsbedarf. 3.2 Wirksamkeit von Konsumräumen Die vorliegenden und auch in der Anhörung übermittelten Erfahrungen und wissenschaftlichen Evaluationen der Arbeit von 16 Konsumräumen in sechs Bundesländern Deutschlands aber auch der Schweiz, Österreich und anderen EU-Ländern belegen die positive Wirkung von Konsumräumen in Bezug auf die gesundheitliche Situation, den Veränderungswillen und die Überlebenschancen von Suchmittelabhängigen und die Entlastung des öffentlichen Raumes. Die in der Stellungnahme der Staatsanwaltsschaft unter anderem angeführten Bedenken sind ernst zu nehmen. Doch gibt es in den der Verwaltung bekannten Einrichtungen, auch der an der Anhörung Beteiligten aus Frankfurt, jeweils Verfahren im Handling, das unterschiedlichen institutionellen Interessen gerecht wird und doch einen reibungslosen Betrieb von Konsumräumen ermöglicht. Diese Erfahrungen können dann in jedem Einzelfall einer bayerischen Einrichtung auf ihre Übertragbarkeit geprüft und nutzbar gemacht werden. Übereinstimmend berichten die Experten der Anhörung, dass der Betrieb keine unlösbaren Probleme mache und dass es bisher gelungen sein, Todesfälle in allen Drogenkonsumräume durch sofortige Hilfeleistung zu verhindern. So stellt auch die örtliche Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme abschließend fest, dass sie sich die Erforderlichkeit und das Vorliegen einer Kooperationsvereinbarung unterstellt, deren Einrichtung vorstellen kann. (Anlage 1.5) Seite 7 von 8

Die Arbeit der Drogenkonsumräume in der Bundesrepublik Deutschland wurde evaluiert.- Im Endbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit von 2003 heißt es zusammenfassend: dass insgesamt die vom Gesetzgeber intendierte Zielgruppe erreicht wird, Minderjährige bei den Befragungen in Konsumräumen nicht angetroffen worden sind, 96 Prozent der Befragten mehrjährig opiatabhängig sind, durch das Personal der Konsumräume der Zugang zum weiterführenden Hilfesystem gewährleistet und entsprechende Kontakte hergestellt werden, sich die gesundheitliche Betreuung signifikant verbessert im vorher-nachher Vergleich, sich insgesamt der Zugang zum ärztlichen Hilfesystem verbessert, Konsumräume jeden Tag geöffnet sein sollten, um öffentlichem Konsum vorzubeugen. 3.3 Bedarf in Nürnberg Die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kontaktläden an der auch die örtlichen Einrichtungen beteiligt sind kommt aufgrund einer bayernweiten Erhebung bei 394 Besuchern von Kontaktläden zu den folgenden Ergebnissen: Bei guter räumlicher Erreichbarkeit werden Konsumräume genutzt und auch als Zugang zum Drogenhilfesystem, zur Beratung und zur medizinischen Versorgung wahrgenommen werden. Die Arbeitsgemeinschaft fasst zusammen: Wir arbeiten darauf hin, einen möglichst risikoarmen Konsum zu erreichen. Wir informieren über Safer Use. wir geben sterile Spritzen aus, um die Gesundheit der Klientel zu erhalten und Schäden zu minimieren. Aber wenn es zum Konsumvorgang kommt, dann müssen wir die Leute sich selber überlassen...das ist aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Aus den Angaben der Befragten errechnen die Fachkräfte der Drogenhilfe einen Bedarf an je einem Drogenkonsumraum in München, Nürnberg und Augsburg in einem 8 stündigen täglichen Dauerbetrieb. Der erforderliche Umfang, Zahl der Konsumplätze, Personal- und Finanzbedarf ist im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Grundlagen zu eruieren. Seite 8 von 8