Ist das Higgs entdeckt? erste Ergebnisse der Weltmaschine und wie es weiter geht. Öffentlicher Abendvortrag 14. September 2012 Volkshochschule Urania, Berlin Dr. Martin zur Nedden Humboldt-Universität zu Berlin Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 1
Das Bild, das um die Welt ging Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 2
Ereignis im LHC: Higgs Kandidat! Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 3
Inhalt Was wissen wir heute? Das Standardmodell der Teilchenphysik Wichtige Entdeckungen der letzten 50 Jahre Was wollen wir erforschen? Phänomene des Standardmodelles Das Higgs-Teilchen: Ursprung der Masse Ungeklärte Fragen und Erweiterungen des Standardmodelles Wie können wir dies erreichen? Der Beschleuniger LHC und das Experiment ATLAS Experimentierarbeit beim ATLAS-Experiment am CERN Aktuelle Resultate Vermessung des Standardmodelles Suche nach dem Higgs-Boson Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 4
Vorbemerkung: Nützliche Einheiten für Teilchen Größe: 1 fm = 1 Femtometer ( Fermi ) = 10-15 m (1 µm = 1.000.000.000 fm) Energie: 1 ev = 1 Elektronvolt = 1.6 * 10-19 J (eine Ladung auf einem Meter bei 1 V Spannung) 1 GeV: viel für ein Teilchen, aber makroskopisch winzig: könnte Taschenlampe (1,6 Watt) für ganze 0,000.000.0001 Sekunden zum Leuchten bringen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 5
Der Aufbau der Materie 1/10.000.000 1/10 1/10.000 1/10 1/1.000 ~ 0,01 m Kristall 10-9 m Molekül 10-10 m Atom 10-14 m Atomkern 10-15 m Proton <10-18 m Quark, Elektron Stecknadelkopf: 10-3 m = 0,001m Elektron, Quark: <10-18 m = 0,000000000000000001m Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 6
Bausteine der Materie: Quarks und Leptonen Stabile Materie: up- und down-quark, Elektronen LADUNG 0 Strukturlose, fundamentale Teilchen: Alle Leptonen Teilchen mit innerer Struktur: Proton, Neutron,. aufgebaut aus Quarks -1 +2/3-1/3 Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 7
Besondere Teilchen Myon (1/10 Protonmasse) Schwerere Ausgabe des Elektrons wenig Wechselwirkung mit Materie durchdringen fast alles hinterlassen nur wenig Energie Neutrinos (fast masselos) elektrisch neutral, schwache Wechselwirkung mit Materie entkommen unerkannt und machen sich durch verschwundene Energie bemerkbar Tau (~2 Protonmassen) Schwerere Ausgabe des Myons Viele Zerfallskanäle, Zerfallskaskaden Neutrinos, leichtere Leptonen und Hadronen entstehen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 8
Voraussetzung für die Messungen: Wechselwirkung der Teilchen mit Materie Verschiedene Arten der Wechselwirkung: Schwerkraft: Elektromagnetisch: Stark: Schwach: gut für den Nachweis von Kometen, für Teilchen nicht sehr hilfreich Ionisation, Szintillationslicht Photoeffekt elektromagnetische Schauer (e ±, γ) Kern-WW (Neutron-Nachweis), hadronische Schauer Neutrino-Nachweis (inverser β-zerfall) Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 9
Unterscheidung der Teilchensorten el.-magn. Kalorimeter hadronisches Kalorimeter Spurkammer Myonkammer innen außen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 10
Schematischer Detektoraufbau Zwiebelschalenartiger Aufbau aus verschiedenen Komponenten Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 11
Entdeckung des Strange Quarks Entdeckung in Teilchenreaktionen, Quarkmodell sagte erfolgreich neue Teilchen vorher (Ω) Entdeckt 1964 Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 12
Novemberrevolution der Teilchenphysik: Charm Entdeckung des 4. Quarks gleichzeitig bei zwei verschiedenen Experimenten Detektorbild Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 13
Die vier Grundkräfte Elektromagnetische Kraft wirkt zwischen allen geladenen Teilchen verantwortlich z.b. für den Zusammenhalt von Atomen Starke Kraft wirkt zwischen den Quarks verantwortlich für den Aufbau von Elementarteilchen und den Zusammenhalt der Kerne Schwache Kraft verantwortlich für Umwandlungsprozesse von Elementarteilchen (z.b. Teilchenzerfälle) Gravitationskraft 10 36 mal schwächer als die starke Kraft spielt in der Teilchenphysik keine Rolle Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 14
Kraftvermittler: Austauschteilchen Austauschteilchen sind die Quanten der Kraftfelder Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 15
Experimente mit Teilchenstrahlen Teilchenstrahlen höchster Energie sind notwendig, denn mit steigender Energie E (bzw. Impuls p) der Projektile steigt die Fähigkeit, kleine Strukturen x zu erkennen x p = ħ (Heisenberg) die Fähigkeit, neue schwere Teilchen zu erzeugen E = mc 2 (Einstein) Streuexperimente: Kollision von Teilchenstrahlen mit Materie Kollision von zwei Teilchenstrahlen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 16
Teilchen im ATLAS-Detektor Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 17
Elektromagnetische Wechselwirkung bekannteste aller Kräfte: elektrische und magnetische Phänomene Botenteilchen: Photon γ e + e α γ α e +,µ +,τ + e,µ,τ Verantwortlich u.a. für: - Elektrizität - Zusammenhalt der Atome und Moleküle - elektromagnetische Wellen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 18
Elektromagnetische Wechselwirkung Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 19
Die starke Kraft: Quantenchromodynamik Quarks erscheinen nur im Verband (Bsp Proton = uud>, Neutron = ddu>) Quarks erscheinen frei beweglich im Verband Grund: 3 Ladungen: rot, grün, blau Eigenschaft der starken Kraft: - die notwendige Energie zum Separieren von Quarks wächst mit dem Abstand (Analogie: Federkraft) - Gluonen tragen Farbladung und koppeln aneinander - Quarks sind eingesperrt, es gibt nur farbneutrale Objekte Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 20
Starke Wechselwirkung: 2 Jets Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 21
Entdeckung des Gluons (1982, DESY) Endeckung des Gluons: Ereignisse mit 3 Jets! Nur erklärbar, durch die Anwesenheit des Gluons. Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 22
Entdeckung der schwachen Wechselwirkung nuklearer β-zerfall beruht auf dem Neutronenzerfall Quark-Niveau: d-quark zerfällt in ein u-quark unter Austausch eines virtuellen W-bosons Produktion reeller W und Z-Bosonen in Wechselwirkungen von Proton (Quark) und Antiproton (Antiquark) Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 23
Entdeckung des W-Bosons (1982, CERN) An den Experiment UA1 und UA2 am CERN Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 24
Entdeckung des Z-Bosons µ µ Gemeinsam mit der W-Entdeckung einer der wichtigsten Leistugen der Teilchenphysik des 20. Jahrhunderts! Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 25
W-Boson am LHC Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 26
Z-Boson am LHC µ µ Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 27
Entdeckung des Top-Quarks Produktion in Proton-Antiproton Kollisionen: 1995 am TEVATRON top-quark Masse ist sehr groß: m t = 173 GeV > m W Produktion realer W-Bosonen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 28
Signatur eines Top-Quarks Messung im Detektor: µ(l): deutliche Signatur, ν: vermisste Energie b-quark Jet: sekundärer Vertex (Zerfall des b-quarks) sekundärer Vertex (Zerfall des b-quarks) primärer Vertex (Wechselwirkung) Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 29
Top Ereignis im LHC Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 30
Korrelation der W- und top-massen Vakuumsfluktuationen : sensitiv auf die Massen von W, t und Higgs Korrelation der Massen des top-quarks und des W-Bosons: theoretische Vorhersagen für den Massenbereich des Higgs-Bosons Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 31
Das Standard-Modell Fundamentale Teilchen: 6 Quarks (u, d, c, s, t, b) 6 Leptonen (e, µ, τ, ν e, ν µ, ν τ ) Fundamentale Kräfte: starke Wechselwirkung (g) schwache Wechselwirkung (W,Z) elektromagnetische Wechselwirkung (γ) Hart auf der Spur: Higgs-Boson erklärt, wie Teilchen Masse bekommen sehr erfolgreiches Modell: bisher in allen experimentellen Tests gut bestätigt Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 32
Das CERN Conseil Européen pour la Recherche Nucléair Standort Mitgliedstaaten Budget pro Jahr Mitarbeiter vor Ort Beteiligte WissenschaftlerInnen Genf (Schweiz und Frankreich) 20 Europäische Nationen ~ 700 Millionen Euro (davon 20 % aus Deutschland) ~ 3.400, weltgrößtes Forschungszentrumg ~8.000 aus 85 Nationen Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 33
Das Forschungszentrum CERN in Genf CERN Gelände Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 34
Der Beschleuniger LHC Ringtunnel mit Umfang von 27 km in 50 175 m Tiefe in Genf Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 35
Eigenschaften des LHC Steigerung der Schwerpunktsenergie (Energie, die zur Erzeugung neuer Teilchen zur Verfügung steht) auf 7000 GeV (2011), 8000 GeV (2012), 14000 GeV (ab 2014) Erlaubt die Entdeckung neuer Teilchen sowie den Zugang in bislang unerforschte Bereiche im Standardmodell der Teilchenphysik: Higgs (Standardmodell) Supersymmetrische Teilchen (Erweiterung des Standardmodells) Enorme Steigerung der Luminosität (ein Maß für die Rate der Teilchenkollisionen) um einen Faktor 100 Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 36
LHC: Technischer Überblick Leistungsfähigster Beschleuniger der Welt in allen Parametern Typ Umfang Energie Luminosität Strombedarf Planung Bau Laufzeit Kosten Experimente Proton-Proton/ Pb-Pb Collider 26.7 km 7 TeV pro Strahl 10 34 cm -2 s -1 120 MWatt 1984 1994 1994 2008 Ca. 20 Jahre 3 Milliarden EURO 4 (6) Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 37
Das Synchrotron Höhere Energien durch wiederholten Durchlaufen derselben Beschleunigungsstrecke Ringbeschleuniger Krümmung der Teilchenstrahlen durch geeignete Ablenkmagnete Dipolmagnete Magnetfeldstärke muß synchron mit der Energie der Teilchenstrahlen ansteigen Synchrotron Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 38
Der eigentliche LHC Beschleuniger Hochfrequenz System zur Beschleunigung der Strahlen: Mikrowellen in supraleitenden Kavitäten (16 Mio Volt) 8 Kavitäten im LHC Energiezufuhr: 5 MeV/m Magnete dienen nur der Strahlführung Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 39
Die LHC Magnete Supraleitende Magnete: L = 15 m, M = 30 t, B = 8.33 T Totale magnetische Energie: 10 GJ Temperatur: 1.9 K, Strom: 11700 A Kühlung: super-fluides Helium 1232 Ablenkmagnete (Strahlführung) 7600 weitere Magnete (kleinere) 93 Tonnen Helium im Beschleuniger 40.000 Tonnen kalte Masse im Tunnel Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 40
Die 4 Experimente am LHC LHC-b ALTAS ALICE CMS Martin zur Nedden, HU Berlin Resultate vom LHC Seite 41