Display zeigte ihre eigene Festnetznummer an. Sie hob ab, hielt sich die Kerze mit der anderen Hand vom Leib. Ihre Handtasche baumelte neben ihrer Achselhöhle.»Du brauchst gar nichts zu sagen«, begann Betty, noch ehe am anderen Ende der Leitung jemand hätte etwas sagen können,»ich bin am Findel. Ich weiß, dass ich es versprochen habe, und ich wollte auch nach Hause, aber dann Was machst du denn am Flughafen?«, unterbrach Charlotte sie.»ach, du bist es«, sagte Betty.»Willst du weg?«, fragte ihre Tochter beiläufig. Betty hörte den Fernseher im Hintergrund laufen.»nein, der René hat mich angerufen, weil sie wieder welche abschieben«, sagte Betty.»Paps wollte, dass ich dich anklingele«, antwortete Charlotte.»Ich geb dich mal weiter.«
»Charlotte, schau nicht so viel «Während Betty wartete, spürte sie ihren Arm langsam schwerer werden. Sie blies die Kerze aus, sah aus dem Augenwinkel, wie der Lehrer sie anblickte, legte die Kerze vor ihre Füße. Anschließend schob sie ihre Tasche wieder über die Schulter.»Gibt s dich noch?«, fragte Jean. Seine Stimme klang im Hörer noch kratziger als sonst.»hör auf, die Kleine aufzuwiegeln«, sagte Betty. René schaute sie an, zog eine Grimasse und wendete sich ab. Jean schwieg.»es war halt nötig«, sagte Betty.»Was war nötig?«, fragte Jean.»René hat mich angerufen, weil einige Kosovo- Albaner abgeschoben werden«, antwortete Betty.»Schön, dass du zur Stelle bist, wenn dich die
Albaner brauchen«, sagte ihr Mann, ließ den Satz am Ende im Ruß seiner Stimme absterben.»ich habe jetzt keine Lust, mich zu streiten«, sagte Betty.»Ich auch nicht«, antwortete Jean, und beiden war klar, dass der Streit längst begonnen hatte.»kümmere dich um die Kleine. Sie soll nicht dauernd fernsehen«, sagte Betty.»Jawohl, Chef. Sonst noch Befehle aus der Ferne?«, antwortete Jean.»Scheiße«, sagte Betty, dann legte sie auf, schaute zum Findel hinüber, stampfte wütend mit dem Fuß, traf dabei die Kerze, die einige Meter über den Asphalt schlitterte, bevor sie mitten auf der Straße liegen blieb. Als wäre dies das verabredete Zeichen, öffnete sich die Hoteltür und die ersten Flüchtlinge wurden herausgeführt. Sofort kam Bewegung in die Demonstranten. Einige riefen:»aufhören!«und»schämt euch!«, während sie auf die
Kleinbusse zuschritten. Die Polizisten versuchten, Platz zu schaffen, eine geschützte Gasse zu bilden. Trotzdem kam es zu Berührungen mit den Asylsuchenden. Einige reichten ihnen die Hand, hielten sie fest, bis die Beamten sie wieder trennten. Dann kamen die nächsten aus dem Hotel. Sie sahen müde aus, trugen kleine Koffer bei sich. Der Lehrer hatte sich in die erste Reihe gedrängt. Die Demonstranten drückten ihre Handflächen gegen die Windschutzscheiben. Alles ging mit einem Mal sehr schnell. Die Türen schlossen sich, die Motoren starteten, die Busse fuhren los, während Hände sich von außen in die Rahmen der Seitenfenster krallten, als wollten sie die Wagen aufhalten. Aber die Kleinbusse fuhren sowieso nur einige Meter, stoppten. Weitere Flüchtlinge wurden diesmal die Feuertreppe hinabgebracht. Als die Demonstranten sahen, dass eine
hochschwangere Frau unter ihnen war, verharrte ihre Masse einen Moment lang wie erstarrt, dann entstand ein Tumult. Zwei Jugendliche warfen sich vor die Reifen der Busse, wurden von den Beamten hochgerissen und weggetragen, andere schrien:»ich schäme mich, Luxemburger zu sein!«, immer wieder:»ich schäme mich, Luxemburger zu sein!«die Erregtheit ging auch auf Betty über, lenkte ihre Wut in eine andere Bahn. Die Motoren liefen weiter. Wieder und wieder legten sich Demonstranten vor die Räder. Betty sah den Dominikanerpater beten. Es roch nach Abgasen. Wenig später hatten die Polizisten den Weg freigeräumt. Die Wagen rollten auf die Kreuzung zu, fuhren über den Parkplatz des Flughafens bis vor das Gebäude, wo ein Doppeldeckerbus startbereit wartete. Noch