Flintbek, 26. Oktober 2016 Sauerstoffmangel im bodennahen Wasser der Westlichen Ostsee Vom 5. bis 14.9.2016 führte das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR) mit MS "Haithabu" (Abb. 1) die alljährliche Messkampagne zur Ermittlung der Sauerstoffgehalte in der Westlichen Ostsee durch. An insgesamt 33 Messstellen mit Wassertiefen größer als 15 Meter wurden die Sauerstoffgehalte mit einer Multiparametersonde (Abb. 2) im Vertikalprofil von einem Meter unter der Oberfläche bis einem Meter über dem Meeresboden gemessen. Zusätzlich wurden die Wassertemperatur, der Salzgehalt und der ph-wert sowie die prozentuale Sauerstoffsättigung erfasst. Im Folgenden wird über die Ergebnisse der jeweils einen Meter über dem Meeresboden gemessenen Sauerstoffgehalte berichtet. Abb.1: MS Haithabu beim Monitoringeinsatz in der Ostsee (Foto: Christina Steffens) An den Messstellen mit Wassertiefen über 15 Meter bildet sich ab dem Frühsommer eine saisonale thermohaline Schichtung aus. Dies kann, insbesondere in den inneren Förden, zu einem Sauerstoffschwund mit Konzentrationen unter 2 Milli- Abb. 2: Rosette mit Wasserschöpfern und Multiparametersonde (Foto: LLUR) gramm pro Liter führen. In der inneren Flensburger Förde konnte in der Tiefenwasserprobe auch in diesem Jahr wieder das Faulgas Schwefelwasserstoff (H2S) nachgewiesen werden, d.h. am Meeresboden fanden infolge des Sauerstoffschwunds bereits Verwesungsprozesse der abgestorbenen Bodentierfauna statt. In Abb. 3 sind die im September gemessenen Sauerstoffgehalte an den
einzelnen Messstellen des schleswig-holsteinischen Ostseegebietes in einer Karte klassifiziert dargestellt. Abb. 3: Klassifizierte Sauerstoffgehalte im Tiefenwasser (1 Meter über dem Meeresboden) der Westlichen Ostsee im September 2016 Im September 2016 wird der Sauerstoffzielwert 1 von 4 mg/l an 64% der untersuchten Messstellen unterschritten. Im Jahr 2015 war das an 43% der Messstellen der Fall. Die Sauerstoffverhältnisse im Tiefenwasser sind also in diesem Jahr deutlich schlechter zu bewerten im Vergleich zum Vorjahr. Eine regionalisierte Auswertung der mittleren Sauerstoffgehalte im Tiefenwasser der verschiedenen Förden und Buchten der Westlichen Ostsee ist in Abb. 4 mit Angabe des Zielwertes für saisonal geschichtete Gebiete dargestellt. Zum Vergleich sind die Sauerstoffgehalte des Vorjahres mit angegeben. Erkennbar ist, dass die Sauerstoffbedingungen in diesem Jahr in der Flensburger Förde, der Eckernförder Bucht und der Lübecker Bucht ähnlich schlecht sind wie im Jahr 2015. Der Sauerstoffzielwert von 4 mg/l wird hier deutlich unterschritten. In der Kieler Bucht und im Fehmarnbelt haben sich die Bedingungen verschlechtert. Nur in der Mecklenburger Bucht sind die Bedingungen, wie auch im Vorjahr, als gut zu bewerten. 1 Der Zielwert wurde von einer Fach-AG des Bund/Länder Ausschusses für die Nord- und Ostsee (BLANO) entwickelt, er wird ab 2016 in den deutschen Ostseegewässern angewandt. 2
Abb. 4: Mittlere Sauerstoffgehalte in den verschiedenen Regionen der Westlichen Ostsee im September 2015 und 2016 und Sauerstoffzielwert Am Beispiel der Messstelle Kieler Außenförde wird die zeitliche Entwicklung der Sauerstoffgehalte jeweils im September im Zeitraum von 2006 bis 2016 dargestellt (Abb. 5). Hier wird in diesem Jahr wieder ein sehr geringer Sauerstoffgehalt von nur 0,8 mg/l gemessen, d.h. es herrscht starker Sauerstoffmangel (<1 mg/l). Der Sauerstoffzielwert von 4 mg/l wurde hier in den letzten zehn Jahren mehr oder weniger deutlich verfehlt. Abb. 5: Spätsommerliche Sauerstoffgehalte im Tiefenwasser in der Kieler Außenförde im Zeitraum von 2006 bis 2016 und Darstellung des Sauerstoffzielwerts 3
Die Entwicklung hin zu dem spätsommerlichen Sauerstoffmangel im Tiefenwasser der Förden und Buchten hatte sich während der sommerlichen Messungen von Mitte Juli bis Ende August an vielen Messstellen bereits angedeutet. In der Flensburger Innenförde hatte die Sauerstoffkonzentration über dem Meeresboden Mitte Juli auf 4,7 mg/l abgenommen und lag Ende August bei nur noch 1,5 mg/l. In der Eckernförder Bucht hatte die Sauerstoffkonzentration zwischen Mitte Juli und Ende August von 5,9 auf 2,8 mg/l abgenommen. In der Kieler Außenförde wurden Mitte Juli noch 4,8 mg/l gemessen, d.h. ein guter Zustand. Die Konzentration nahm dann von 3,6 mg/l Ende August auf nur noch 0,8 mg/l Mitte September deutlich ab. Eine ähnlich starke Sauerstoffabnahme zeigte sich auch in der Lübecker Bucht, hier wurden Mitte Juli noch gute 6,4 mg/l gemessen, Ende August aber nur noch 1,5 mg/l und Mitte September gab es mit 0,5 mg/l starken Sauerstoffmangel. Sauerstoffuntersuchungen werden auch regelmäßig vom Dänischen Nationalen Zentrum für Umwelt und Energie (DCE) an der Universität Århus durchgeführt und in drei Sauerstoffklassen bewertet. In Abb. 6 sind die modellierten Ergebnisse der Sauerstoffmessungen im September 2016 für große Gebiete der Westlichen Ostsee dargestellt. Für die Modellierung werden auch die Sauerstoffdaten des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR), des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LUNG) sowie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) dargestellt 2. Erkennbar ist der starke Sauerstoffmangel (<2 mg/l) im südlichen Teil des Kleinen Belts, südlich der Inseln Fünen und Ærø, in der Flensburger Innen- und Außenförde sowie in der südwestlichen Lübecker Bucht. Abb. 6: Sauerstoffmessungen des Dänischen Nationalen Zentrums für Umwelt und Energie (DCE, Institut for Bioscience) 2 Quelle: National Center for Miljø og Energi, Århus Universitet, Homepage: http://bios.au.dk/fileadmin/bioscience/fagdatacentre/marintfagdatacenter/publikationer/iltsvindsrapport_augustseptember_2016.pdf 4
Auswirkungen des saisonalen Sauerstoffmangels auf die Bodentierfauna Sinkt der Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser unter 2 Milligramm pro Liter ab, wird es für Fische und die am oder im Meeresboden lebenden Tiere (Makrozoobenthos) zunehmend lebensbedrohlich. Dies gilt insbesondere, wenn diese Bedingungen über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben und sich infolge mikrobieller Prozesse (Sulfatreduktion) das Faulgas Schwefelwasserstoff (H 2 S) bildet. Für sauerstoffatmende (aerobe) Tiere ist es ein äußerst starkes Zellgift, das zu einem größeren Tiersterben am Meeresboden führen kann. Abb. 7 und Abb. 8 zeigen beispielhaft den Unterschied der Meeresbodenbesiedlung zwischen Regionen mit sauerstoffhaltigem und sauerstofffreiem Tiefenwasser. Abb. 7: Im Flachwasser (links) deutliche Besiedlung, während in tiefen sauerstoffarmen Bereichen sterbende Würmer auf dem Meeresgrund liegen (Fotos: LLUR) Abb. 8: Schwefelbakterien (Beggiatoa) sind ein Indikator für einsetzenden Sauerstoffmangel (Foto: U. Kunz) 5
Ursache für den Sauerstoffmangel am Meeresboden der Westlichen Ostsee Der spätsommerliche bzw. herbstliche Sauerstoffmangel ist ein Phänomen der Westlichen Ostsee, das bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts nur gelegentlich zu beobachten war. Seit etwa 30 Jahren wird es allerdings fast jährlich in den tiefen Meeresbereichen und den tiefen, austauscharmen Förden beobachtet. Das saisonale Auftreten von Sauerstoffmangel mit Konzentrationen unter 4 Milligramm pro Liter bzw. von Sauerstoffschwund mit Konzentrationen unter 2 Milligramm pro Liter ist im Brackwassermeer Ostsee daher durchaus nicht ungewöhnlich. Im westlichen Teil der Ostsee tritt alljährlich eine etwa vier Monate andauernde Schichtung des Wasserkörpers auf: wärmeres, salzarmes Oberflächenwasser liegt über kälterem, salzreichem Tiefenwasser. Dadurch bildet sich in 12 bis 17 Meter Wassertiefe eine so genannte thermohaline Sprungschicht aus, die den vertikalen Sauerstofftransport in das Tiefenwasser verhindert. Gerade dort aber laufen die sauerstoffzehrenden, mikrobiellen Abbauprozesse von abgestorbenen Planktonalgenblüten ab. Der saisonal auftretende Sauerstoffmangel im Tiefenwasser der westlichen Ostsee ist somit eine Folge der Eutrophierung der Küstengewässer durch zu hohe, das Wachstum der Planktonalgen fördernde Nährstoffeinträge aus dem Ostsee-Einzugsgebiet. Die weitere Entwicklung der Sauerstoffgehalte wird maßgeblich von der spätherbstlichen Witterung beeinflusst. Windiges Wetter fördert die Sauerstoffzufuhr zum Meeresboden. Bei der im Verlauf des Spätherbstes einsetzenden Abkühlung des Oberflächenwassers wird sich mittelfristig die Situation auch in den Sauerstoffmangelgebieten wieder entspannen, da dann eine vertikale Durchmischung einsetzt mit Sauerstoffzufuhr in das Tiefenwasser und damit bis an den Meeresboden. Dadurch werden sich die Sauerstoffverhältnisse für die Bodentiere deutlich verbessern und es kann, solange kein anderer schädigender Faktor existiert, eine Wiederbesiedlung erfolgen, die je nach Schädigungsgrad und ohne erneute Störungen mehrere Jahre andauern kann. Kontakt: Dipl.-Chem. Thorkild Petenati, Dezernat Küstengewässer Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek, Tel.: 0 43 47 / 704-423, Fax: 0 43 47 / 704-402; Email: Thorkild.Petenati@llur.landsh.de 6