Dresden, 26. Mai 2008 Kurzinformation über wichtige Ereignisse und Aktivitäten extremistischer Organisationen im Monat April 2008 Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen
2 Inhaltsübersicht 1. Rechtsextremismus Gründung eines Stützpunktes der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Leipzig...3 Kurzmeldungen...3 2. Linksextremismus Internationale und dezentrale Aktionstage für selbstverwaltete Freiräume am 11./12. April 2008...4 Kurzmeldungen...5 3. Ausländerextremismus Exekutivmaßnahmen im al-rahman-moschee e. V., Leipzig...6
3 1. Rechtsextremismus Gründung eines Stützpunktes der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Leipzig Einer Meldung des NPD-Kreisverbandes Leipzig im Internet zufolge wurde am 20. April 2008 ein neuer JN-Stützpunkt in Leipzig gegründet. Diesem sollen sowohl NPD-Mitglieder als auch Vertreter der sogenannten Freien Kräfte Leipzig angehören. Bereits im März 2008 hatten NPD und Freie Kräfte im Internet verkündet, in Leipzig ein neues Bündnis im Kampf gegen ausländische Mafiabanden, städtische Korruption und linksfaschistische Helferstätigkeit 1 geschlossen zu haben. Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Leipzig soll während der Gründungsveranstaltung die NPD-Jugendorganisation als Kampfreserve und Avantgarde der NPD charakterisiert haben. Dem neugewählten JN-Stützpunktleiter überreichte er eine Ausgabe des biographischen Werkes des inzwischen verstorbenen Nationalsozialisten und ehemaligen Reichsjugendführers Arthur Axmann mit einer persönlichen Widmung. Keinen Hehl aus den politischen Zielen machte der neue JN-Stützpunktleiter: So sieht sich die JN-Leipzig im Kampf gegen die verlogenen Ideale einer sich als Demokratie bezeichnenden multikriminellen Diktatur. Man wolle die deutsche Jugend für Deutschland zurückgewinnen. Schulungsveranstaltungen, Propagandaaktionen, körperliche Ertüchtigung, Wahlkampfunterstützung und der Schutz von NPD-Veranstaltungen gehören zum Programm der JN-Leipzig. Darüber hinaus wolle man ein eigenes Zentrum als Anlaufpunkt ausbauen. 2 Kurzmeldungen An einer Demonstration gegen Kinderschänder am 29. April 2008 in Leipzig-Grünau beteiligten sich 137 Personen aus Sachsen. Die Demonstration verlief friedlich und blieb weitgehend unbeachtet. Als Anmelder trat ein Leipziger Rechtsextremist in Erscheinung, der bereits die Demonstration Jugend braucht Chancen am 12. Januar 2008 durch den Leipziger Stadtteil Reudnitz führte. Gegen mehrere Funktionäre der sächsischen NPD und ihrer Jugendorganisation JN sind Ende April 2008 Anklagen u.a. wegen des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz und Verunglimpfung des Staates erhoben worden. Hintergrund der Anklagen sind die Herstellung und Verbreitung von zwei Ausgaben der Jugendzeitschrift perplex. Anmerkung: Nachdem der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen strafrechtlich relevante Inhalte festgestellt hatte, waren mehrere Exemplare der Publikationen beschlagnahmt worden. Im November 2007 war zudem die erste Ausgabe der perplex von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden. Sie unterliegt damit bestimmten Verbreitungsverboten des Jugendschutzgesetzes. U. a. darf sie Kindern und Jugendlichen weder angeboten, überlassen oder so zugänglich gemacht werden, dass diese vom Inhalt Kenntnis nehmen können. Auch die Werbung für dieses Medium ist strafbar. 1 Homepage des NPD-Landesverbandes Sachsen vom 17.03.2008. 2 Homepage des NPD-Kreisverbandes Leipzig vom 23.04.2008.
4 Im Februar 2008 hatte sich bereits der Leiter des JN-Stützpunktes Aue-Schwarzenberg vor dem Amtsgericht Aue wegen des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz verantworten müssen. Er hatte im September 2007 die JN-Schülerzeitschrift perplex an Minderjährige verteilt und war deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Durch die Verteilung der Jugendzeitschriften versucht die NPD, Jugendliche zu ködern und rechtsextremistische Anschauungen und Feindbilder in jugendgemäßem Stil zu transportieren. Wie die ersten beiden Ausgaben der Publikation zeigen, scheut man dabei offensichtlich auch nicht davor zurück, strafrechtlich relevante Inhalte zu veröffentlichen. Die Beteiligung von führenden Funktionären stellt dabei eine neue Qualität dar. Inzwischen hat die Partei angekündigt, im Rahmen ihres Kommunalwahlkampfes eine weitere Ausgabe der Jugendzeitschrift verteilen zu wollen. 2. Linksextremismus Internationale und dezentrale Aktionstage für selbstverwaltete Freiräume am 11./12. April 2008 Für die Aktionstage für selbstverwaltete Freiräume war sowohl innerhalb der linksextremistischen Szene als auch öffentlich über das Internet geworben worden. Zur Vorbereitung des Ereignisses hatte zudem im November 2007 ein länderübergreifendes Treffen in Dijon (Frankreich) und im Februar 2008 ein Vernetzungstreffen der autonomen Szene in Mannheim stattgefunden. Ziel der Aktionstage war es, die politische Bewegung um autonome Räume und besetzte Häuser ins Blickfeld zu rücken. In zahlreichen deutschen Städten kam es u.a. zu Demonstrationen, Kundgebungen und Straßenfesten, an denen sich nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) bis zu 2.500 Personen beteiligten, darunter auch einige Hundert Linksextremisten. Die zahlenmäßig größte Spontandemonstration fand mit bis zu 1.000 Teilnehmern in Köln statt. Aktionen in Sachsen: In Leipzig demonstrierten am 12. April ca. 250 Personen für die Einrichtung eines alternativen Jugendzentrums. Der unter dem Motto Her mit der bunten Vielfalt Für ein AJZ in Grünau stehende Aufzug verlief störungsfrei. In Dresden beteiligten sich am 12. April etwa 500 Personen friedlich an einer unangemeldeten Demonstration, die nach einem Beitrag im Internetportal Indymedia unter dem Motto Reclaim the streets (Holt euch die Straße zurück) stand und zu einem vorab angemeldeten Straßenfest führte. Die Demonstrationsteilnehmer forderten mehr öffentliche Freiräume und sprachen sich gegen eine angeblich zunehmende staatliche Überwachung aus. Ein Beitrag in Indymedia formuliert das zentrale Anliegen der Aktion folgendermaßen: Gegen Überwachungsstaat und Polizeiwillkür! Freiräume erkämpfen und verteidigen! und zeigt ein Transparent mit der Aufschrift YUPPIESIERUNG STOPPEN.
5 Im Zusammenhang mit den Aktionstagen wird dort auch über eine Vielzahl sogenannter Scheinbesetzungen von Häusern in Dresden berichtet. Die Polizei stellte auch entsprechende Transparente an verschiedenen Gebäuden fest. So waren beispielsweise in der Nacht zum 14. April Unbekannte in das leer stehende Gebäude Terscheckstraße 2 eingedrungen und hatten ein Transparent mit der Aufschrift Autonome Zentren jetzt! angebracht. Vorgehensweise und Diktion lassen auf eine Beteiligung Autonomer schließen. Bewertung: Der Kampf für selbstverwaltete Freiräume ist ein typisches Aktionsfeld Autonomer. Im vergangenem Jahr war es in diesem Themenzusammenhang insbesondere aus Anlass der Zwangsversteigerung des Berliner Szeneobjektes Köpi zu Aktionen in Leipzig und Dresden 3 gekommen. 3. Ausländerextremismus Exekutivmaßnahmen im al-rahman-moschee e. V., Leipzig Am 23. April 2008 wurden im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der StA München I wegen des Verdachts der Bildung bzw. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ( 129 StGB) zeitgleich Durchsuchungsmaßnahmen in insgesamt 16 Wohnungen, Moscheen und Verlagsräumlichkeiten durchgeführt. Betroffen waren Objekte in Neu-Ulm (Bayern), Ulm (Baden-Württemberg), Sindelfingen (Baden-Württemberg), Bonn (Nordrhein-Westfalen), Berlin und Leipzig (Sachsen). Die Durchsuchungen richteten sich gegen neun der insgesamt zehn Beschuldigten. Diese stehen in Verdacht, im Internet, durch radikale Literatur, Audio- und Videomedien sowie Islamseminare jihadistische Aktivitäten im In- und Ausland zu fördern. In Leipzig wurden neben den Räumlichkeiten des al-rahman-moschee-vereins auch die im gleichen Objekt gelegene Privatwohnung des Imams der Moschee, Hassan DABBAGH, durchsucht. Hintergrund: Der al-rahman-moschee e. V. wurde 1995 gegründet. Vorsitzender des Vereins und gleichzeitig Imam der al-rahman-moschee ist Hassan DABBAGH. Er entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten und führenden Vertreter des Islam salafistischer Prägung in Deutschland. So führt er neben seiner Tätigkeit als Imam bundesweit und im europäischen Ausland Islamseminare durch. Darüber hinaus engagiert er sich u. a. für die Veranstaltungsreihe Lerne den Islam, zu der auch im Internet eingeladen wird. In diesen Seminaren wird eine ursprüngliche Version des Islam, der Salafismus 4, 3 Siehe Monatsbericht des LfV Sachsen für Mai 2007. 4 Die salafistische Bewegung strebt eine Rückkehr zum Vorbild der lauteren Vorfahren (al-salaf al-salih) und damit zu einem fiktiven Urislam an. Zentrale Merkmale dieser Religionsinterpretation sind die strikte Konzentration auf Koran und Prophetentradition (Sunna) als handlungsweisende Texte, die Ablehnung aller Neuerungen, die als unvereinbar mit dem wahren islamischen Geist gelten, das unbedingte Bekenntnis zur Einheit Gottes (Tauhid), die Durchsetzung des religiösen Gesetzes (Scharia) sowie eine Vielzahl an Kleidungs- und Verhaltensvorschriften. Der historische Salafismus glaubte ebenso wie der saudische Wahabismus, die Ursache allen Übels sei in der Abkehr von den reinen islamischen Lehren zu sehen. Als Lösung erschien daher eine Rückkehr zum wahren Islam, wie er in der Zeit des Propheten praktiziert wurde, als der einzig richtige Weg.
6 propagiert. Für diese extremistisch ausgerichtete Strömung steht Hassan DABBAGH repräsentativ in Deutschland.