Bibeltexte und Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis 2011

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Transkript:

1/8 Bibeltexte und Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis 2011 AT: 1. Mose 12, 1-4 (Buber Rosenzweig) ER sprach zu Abram: Geh vor Dich hin aus Deinem Land, aus deiner Verwandtschaft, aus dem Haus Deines Vaters in das Land, das ich Dich sehen lassen werde. Ich will Dich zu einem großen Stamme machen und will Dich segnen und will Deinen Namen großwachsen lassen. Werde ein Segen! Segnen will ich, die Dich segnen, die Dich lästern, verfluche ich. Mit Dir werden sich segnen alle Sippen des Bodens. Abram ging, wie ER zu ihm geredet hatte, und Lot ging mit ihm. Siebzig Jahre und fünf Jahre war Abram, als er von Charan fuhr.

Epistel: 2/8 1. Kor. 1, 18-25 (Zürcher Bibel 2007) Denn das Wort vom Kreuz ist Torheit für die, die verloren gehen, für die aber, die gerettet werden, für uns, ist es G_ttes Kraft. Es steht nämlich geschrieben: Zunichte machen werde ich die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen werde ich verwerfen. Wo bleibt da ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer dieser Weltzeit? Hat G_tt nicht die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn da die Welt, umgeben von G_ttes Weisheit, auf dem Weg der Weisheit G_tt nicht erkannte, gefiel es G_tt, durch die Torheit der Verkündigung jene zu retten, die glauben. Während die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, verkündigen wir Christus den Gekreuzigten - für die Juden ein Ärgernis, für die Heiden eine Torheit, für die aber, die berufen sind, Juden wie Griechen, Christus als G_ttes Kraft und G_ttes Weisheit. Denn das Törichte G_ttes ist weiser als die Menschen, und das Schwache G_ttes ist stärker als die Menschen.

Evangelium: 3/8 Lukas 5, 1-11 (Zürcher Bibel 2007): Es geschah aber, während das Volk sich um ihn drängte und das Wort G_ttes hörte und er am See Gennesaret stand, dass er zwei Boote am Ufer liegen sah. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen die Netze. Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Als er aufgehört hatte zu reden, sagte er zu Simon: Fahr hinaus ins Tiefe; und werft eure Netze zum Fang aus! Und Simon entgegnete: Meister, die ganze Nacht hindurch haben wir gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. Das taten sie und fingen eine grosse Menge Fische, ihre Netze aber drohten zu zerreissen. Da winkten sie den Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und mit ihnen Hand anlegen. Die kamen, und sie machten beide Boote so voll, dass sie beinahe versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füssen und sagte: Geh weg von mir, Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch. Denn er und alle mit ihm erschraken über den Fang, den sie getan hatten; so auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die Simons Gefährten waren. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote an Land, liessen alles zurück und folgten ihm.

Predigt: 4/8 Kanzelgruß: Gnade sei mit Euch und Friede, von G_tt unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus, Amen. Predigttext: Der Predigtext für den heutigen Sonntag steht im Evangelium nach Johannes, im ersten Kapitel, die Verse 35 bis 42: Am Tag darauf stand Johannes wieder da und zwei seiner Jünger. Und als Jesus vorübergeht, richtet er seinen Blick auf ihn und sagt: Seht, das Lamm G_ttes. Und die beiden Jünger hörten ihn so reden und folgten Jesus. Als Jesus sich umwendet und sie folgen sieht, sagt er zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi - das heisst Meister -, wo ist deine Bleibe? Er sagt zu ihnen: Kommt, und ihr werdet es sehen! Da kamen sie und sahen, wo er wohnt, und sie blieben an jenem Tag bei ihm. Das war um die zehnte Stunde. Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den beiden, die auf Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. Dieser findet zuerst seinen Bruder Simon und sagt zu ihm: Wir haben den Messias gefunden! Messias heisst der Gesalbte. Er führte ihn zu Jesus. Jesus sah ihn an und sprach: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kefas genannt werden! Kefas heisst Fels. Kanzelgebet: Herr, tue meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige, Amen. Auslegung: Liebe Gemeinde, wie Ihr wißt, gibt es in der Schrift vier Evangelien, die nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes genannt sind. Das Evangelium nach Johannes nimmt eine gewisse Sonderstellung ein. Es unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den drei anderen Evangelien, die inhaltlich und formal sehr viel mehr untereinander gemein haben als mit dem Johannesevangelium und die deshalb auch in einer Gruppe zusammengefaßt

5/8 werden, für die die Theologen das aus der griechischen Sprache stammende Wort Synopse, was etwa so viel heißt wie Zusammenschau, als Bezeichnung verwenden. Worin das Eigentümliche des Johannesevangeliums liegt, darüber haben sich die Theologen seit der Spätantike viele Gedanken gemacht. Es mag gut und richtig für den interessierten Bibelleser sein, sich das eine oder andere allgemeinverständliche Buch zu diesem Thema einmal vorzunehmen. Es ist nicht der Sinn einer Predigt, Theologie zu treiben. Die Predigt soll unseren Glauben stärken. Bei einem Predigttext wie dem heutigen aber ist es schon sinnvoll, ein wenig auf den Text als solchen einzugehen und das Eigentümliche, das Johanneïsche daran. Dieser Text steht im Zusammenhang des großartigen 1. Kapitels des Johannesevangeliums, das mit den berühmten Worten beginnt: Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei G_tt, und von G_ttes Wesen war der Logos. Dieser war im Anfang bei G_tt. Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist auch nicht eines geworden, das geworden ist. In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. In diesen Worten aus der Zürcher Bibel aus dem Jahre 2007 haben die Übersetzer in gewisser Hinsicht kapituliert vor dem Problem, das schon Doktor Faustus in Goethes berühmten Drama bei seinem Versuch, die Bibel in sein geliebtes Deutsch zu übersetzen an der ersten Zeile scheitern ließ, weil er kein passendes deutsches Wort für das griechische Logos finden konnte, ein Problem, das übrigens auch an vielen anderen zentralen Stellen des Neuen Testamentes auftritt. Luther ist da oft etwas volkssprachlich verfahren. Nach diesen einleitenden Worten wird die Gestalt Johannes des Täufers beschrieben, sein Auftreten, sein Bekenntnis und sein Selbstverständnis, ehe dann Jesus auftritt. Das Einzige, was uns dort, wo Jesus zum ersten Mal im Johannesevangelium erscheint, von Jesus berichtet wird, ist gerade eben das Zeugnis Johannes des Täufers. Er sieht Jesus kommen und bekennt in Vers 34: Gesehen habe ich, und Zeuge bin ich: Dieser ist der Sohn G_ttes. Daran schließt

6/8 sich unser heutiger Predigttext an, der wiederum von der Beschreibung der Begegnung Jesu mit Nathanaël gefolgt wird, in der wir lesen: Nathanaël antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn G_ttes, du bist der König Israels. Jesus entgegnete ihm: Weil ich dir gesagt habe, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah, glaubst du? Grösseres als das wirst du sehen. Und er sagt zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel G_ttes aufund niedersteigen auf dem Menschensohn. Ein interessantes Detail ist übrigens, daß sowohl Petrus als auch Nathanaël durch Dritte auf Jesus aufmerksam werden, Petrus durch Andreas, Nathanaël durch Philippus. Petrus sagt bei seiner Begegnung mit Jesus gar nichts, Nathanaël wird in einem Augenblick von einem Skeptiker, der fragt: Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen? bekehrt zu einem Menschen, der bekennt: Rabbi, du bist der Sohn G_ttes, du bist der König Israels. Es liegt eine eigenartige Geschlossenheit und Schönheit über diesem 1. Kapitel des Johannesevangeliums. Es geschieht zwar enorm viel, aber die Schilderung ist von einer großartigen Gelassenheit, Einfachheit, Abstraktion und Konzentration. Das ist definitiv kein Stoff für einen Actionfilm, viel eher für das epische Theater Brechtscher Prägung. Wir können uns geradezu vorstellen, wie die genannten Personen etwa in unserem leergeräumten Altarraum auftreten würden, nicht als außenstehende Schauspieler sondern unmittelbar und zwanglos als Glieder unserer Gemeinde. Johannes weist zwei seiner Jünger auf das Lamm G_ttes hin, und die beiden folgen Jesus nach. Jesus wendet sich um und fragt sie: Was sucht Ihr? Dies sind die ersten Worte, die Jesus im Johannesevangelium spricht: Was sucht Ihr? Die beiden Jünger des Johannes beantworten die Frage ausweichend: Rabbi, wo ist Deine Bleibe? Wissen sie etwa keine bessere Antwort? Oder haben sie, als sie bei Johannes, dem Täufer, waren, gelernt und erfahren, daß es gar nicht so klar ist, was ein Mensch in seinem Leben sucht? Und daß es noch weniger klar ist, daß das, was der Mensch sucht, auch tatsächlich das ist, nach dem er suchen sollte? Jesus antwortet: Kommt, und ihr werdet es sehen!. Die beiden bleiben an diesem

7/8 Tag bei ihm. Das Evangelium gibt als Zeitpunkt des Geschehens die zehnte Stunde an, das ist nach der römischen Zwölfstundeneinteilung des Tages die Zeit zwei Stunden vor Sonnenuntergang, der Beginn des Abends. Der Bericht fährt fort mit der Feststellung es liegt eigentlich keine Schilderung eines Vorganges, eines Prozesses vor, jede Dramatik fehlt trotz der ungeheuren Tragweite der Aussage, daß Andreas, einer der beiden Jünger des Johannes, seinen Bruder Simon findet und ihm gegenüber behauptet, den Messias gefunden zu haben. Sodann heißt es: Er Andreas führte ihn Simon zu Jesus. Wiederum keinerlei Details, keine Umstände, nur einfach: Er führte ihn zu Jesus. Da gibt es keine Diskussionen, keine temperamentvollen Gefühlseruptionen. Simon ist vollkommen passiv, er geht offenbar einfach mit, und dann sagt Jesus zu ihm: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kefas genannt werden! Kefas heißt Fels. Liebe Gemeinde, die Nüchternheit dieses abstrakten Wortgemäldes, welches das 1. Kapitel des Johannesevangeliums darstellt, hat nur diesen einen Sinn: Das Unwichtige wegzulassen, das Wichtige um so deutlicher hervortreten zu lassen. Hier geht es ausschließlich darum: Jesus von Nazareth ist G_ttes Wort, der Logos, Jesus von Nazareth ist G_ttes Lamm, Jesus von Nazareth ist der Messias, Jesus von Nazareth ist G_ttes Sohn, der König von Israel. Dies ist das Zeugnis dieses 1. Kapitels. Es ist der Kern unseres Christusglaubens, unseres G_ttesglaubens. Bertold Brecht schließt sein episches Drama Der gute Mensch von Sezuan mit den Worten: Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruß: Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluß. Vorschwebte uns: die goldene Legende. Unter der Hand nahm sie ein bittres Ende. Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

8/8 Wir fragen uns: Sind wir enttäuscht? Enttäuscht über G_tt und die Welt? Diesen Logos, diesen Messias, dieses Lamm G_ttes, diesen König von Israel? Diesen Kern allen Evangeliums? Ist der Vorhang zu? Sind alle Fragen offen? Schwebte uns eine Goldene Legende vor? Das mögen unsere Fragen sein, wie sie Bert Brecht formuliert. Jesus fragt: Was suchet Ihr? Und der Friede G_ttes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christo Jesu, Amen!