Stahlbau. Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung

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2 Stahlbau 86. Jahrgang Februar 2017, S. 175-182 ISSN 0038-9145 A 6449 Sonderdruck Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung Günter Seidl Andreas Danders Frank Gunkel Dennis Rademacher Thomas Pinger

Fachthemen Günter Seidl Andreas Danders Frank Gunkel Dennis Rademacher Thomas Pinger DOI: 10.1002/stab.201710462 Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung Die Elsterbrücke Osendorf ist die erste Brücke in Deutschland, die in Verbundfertigteil- Bauweise mit Walzträgern in Beton (VFT-WIB) mit feuerverzinkter Stahltragstruktur ausgeführt wurde. Auf Grundlage von Forschungsprojekten konnte die Ermüdungsfestigkeit von dynamisch beanspruchten Stahlbauteilen beurteilt werden. Die gewählte Bauweise bietet sich in ihrer Konstruktionsart für eine Feuerverzinkung an. Ihre externe Bewehrung aus halbierten Walzträgern ist arm an Eigenspannungen und mit Längen bis 16 m leicht in der Verzinkung zu handhaben. Im Projekt Brücke Osendorf zeigte sich die Wirtschaftlichkeit der Feuerverzinkung im Hinblick auf Qualität, Kosten und Unterhalt. Elster bridge near by Osendorf a hot-dip galvanized composite bridge with external reinforcement. The viaduct over the river Elster next to Osendorf is the first bridge project using the VFT-WIB construction method in Germany with a hot-dip galvanized steel structure. The fatigue resistance of the steel structure under dynamic loads was already clarified on the basis of several research projects. The construction method is suitable to protect the steel by hot-dip galvanizing. The external reinforcement made out of halved rolled sections contains only a small ratio of residual stresses. The steel girders are easy to handle with a length up to 16 m. The Osendorf bridge project figures out the economic feasibility of the hot-dip galvanizing due to quality, costs, maintenance. 1 Einführung 1.1 Anwendung der externen Bewehrung mit Verbunddübelleiste im Brückenbau Die Verbunddübelleiste stellt eine Weiterentwicklung der Perfobond- Leiste [1] und des Betondübels [2] dar. Eine erste Anwendung fand die Verbunddübelleiste im Brückenbau bei der Verbundbrücke für die Gemeinde Pöcking [3]. Es handelt sich bei der Verbunddübelleiste um ein speziell zugeschnittenes Stahlblech bzw. -profil, das in einen Betonkörper zur Schubübertragung eingelegt wird. Die Schnittgeometrie des Stahldübels, die konstruktive Durchbildung und das Tragverhalten dieser Verbindung wurde im RFCS-Vorhaben PrecoBeam [4] erarbeitet und auf der Grundlage von nationalen Forschungsprojekten der FOSTA [5] zur Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik gebracht [6]. Sehr wirtschaftlich wird die Bauweise, wenn halbierte Walzprofile eingesetzt werden, wobei diese über die Verbunddübelleisten in einen Betonsteg variabler Höhe eingebunden werden. Ist das Profil im Vergleich zur Fertigteilträgerhöhe gedrungen, spricht man von einer (T-förmigen) externen Bewehrung (vgl. Bild 1). In der Folge wurden verschiedene Bauwerke für die Straße und die Eisenbahn in Deutschland und benachbarten Ländern mit diesem Konstruktionsprinzip entworfen und gebaut. Ein Überblick findet sich in [7]. Im Stahlwerk wird der Träger mit der Form der Verbunddübelleiste halbiert und entsprechend den Vorgaben aus der Planung überhöht. In der Regel wird noch in der Stahlanarbeitung der vollständige Korrosionsschutz aufgebracht und die Träger zum Fertigteilwerk transportiert, wo sie mit dem Betonfertigteil ergänzt werden. Nach einer Liegedauer von rund einem Monat werden die Fertigteilträger in die Brücke eingehoben und das Bauwerk fertiggestellt. Dabei kommt es immer wieder zu Schäden am Korrosionsschutz der Stahlträger, die auf der Baustelle nicht mehr in der gleichen Qualität behoben werden können, wie sie der bereits aufgebrachte Korrosionsschutz hat. In der Folge werden Ausbesserungen dieser nachträglich sanierten Stellen unausweichlich. Diese Arbeiten gestalten sich oft schwierig und teuer, da die Fertigteilbauweise meist über unzugänglichen Verkehrs- Bild 1. Visualisierung der Bauweise VFT-WIB aus Fertigteilträgern mit externer Bewehrung Fig. 1. Visualization of the VFT-WIB construction method implementing prefabricated girders with external reinforcement Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin Stahlbau 86 (2017), Heft 2, S. 175-182 3

G. Seidl/A. Danders/F. Gunkel/D. Rademacher/T. Pinger Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung räumen zur Anwendung kommt. Um diese Folgekosten im Unterhalt zu minimieren, ist es das Ziel, feuerverzinkte Stahlträger auch bei der VFT- WIB-Bauweise einzusetzen. 1.2 Feuerverzinkte Bauteile unter dynamischer Beanspruchung Die Feuerverzinkung ist im Hochbau seit Jahrzehnten als leistungsfähiger und dauerhafter Korrosionsschutz bekannt. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Brückenbau und dem vorwiegend ruhend beanspruchten Hochbau liegt in der zyklischen Belastung von Brücken durch den Verkehr, die einen Nachweis gegen Werkstoffermüdung nach EC 3-1-9 (DIN EN 1993-1-9 [8]) erforderlich werden lassen. Dieser Nachweis erfolgt durch eine Einstufung der Konstruktion in Kerbdetails, die in der Norm entsprechenden Kerbfällen zugeordnet sind. Die Norm sieht zwar keine Unterscheidung hinsichtlich der Oberflächenzustände (verzinkt oder unverzinkt) der Konstruktionsdetails vor, allerdings wurden die der Norm zugrundliegenden Ermüdungsversuche in der Regel mit unverzinkten Probekörpern durchgeführt. Somit fehlte bisher eine wissenschaftlich abgesicherte Bemessungsgrundlage zur Ausführung verzinkter Brückentragwerke. Um den Nachweis auch für feuerverzinkte Bauteile zu ermöglichen, wurden in den letzten Jahren Forschungsprojekte durchgeführt und Kerbfälle gängiger Konstruktionsdetails für Brücken kleiner und mittlerer Spannwei- Bild 2. Auswertung über alle Schwingversuche der Proben des Kerbfalls 125 [10] Fig. 2. Evaluation of all SN tests of samples of the detail category 125 [10] ten abgeleitet [9]. Diese wurden durch experimentelle Untersuchungen an Kleinteilproben im direkten Vergleich unverzinkt verzinkt und an bauteilähnlichen Prüfkörpern mit statistischer Auswertung entsprechend dem Nachweiskonzept des Eurocodes 3 gewonnen. Zwei dieser Details waren mit Wasserstrahl geschnittene Blechkanten mit seichten Schnittriefen und Brennschnittkanten mit oberflächlicher Entfernung der Brennriefen. Als Resultat der Auswertung aller Versuche konnte ein Abfall der Ermüdungsfestigkeit um eine Kategorie von Kerbfall 125 auf Kerbfall 112 festgestellt werden (Bild 2). Unbearbeitete Kanten von Walzprofilen sind ebenfalls um eine Kategorie auf den Kerbfall 140 abzumindern (Tabelle 1). Es wurde ferner festgestellt, dass die tatsächliche Dauerfestigkeit mit größer werdender Zinkschichtdicke abnimmt. Da die Bemessungs-Wöhlerlinie nach Eurocode 3 in der Regel weit unter dieser Dauerfestigkeit liegt (vgl. Bild 2), hat dieser Umstand kaum praktische Relevanz, insofern die Zinkschichtdicken die üblichen Maße nicht überschreiten. In den durchgeführten Ermüdungsversuchen waren Schichtdicken von bis zu ca. 400 µm vorhanden und unproblematisch. Tabelle 1. Auszug aus der Kerbfalltabelle für feuerverzinkten Stahl [9] Table 1. Extract from table of detail categories for hot-dip galvanized steel [9] Kerbfall Konstruktionsdetail Beschreibung Anforderungen 140 ANMERKUNG: Der Kerbfall 140 ist der höchst mögliche; kein Kerbfall kann bei irgendeiner Anzahl an Spannungsschwingspielen eine höhere Ermüdungsfestigkeit erreichen Bleche und Flachstähle mit gewalzten/gefrästen Kanten 112 maschinell brenn- oder wasserstrahlgeschnittener Werkstoff mit seichten und regelmäßigen Brennriefen maschinell brenn- oder wasserstrahlgeschnittener Werkstoff der Schnittqualität entsprechend EN 1090 Scharfe Kanten, Oberflächen- und Walzfehler sind durch Schleifen zu beseitigen und ein nahtloser Übergang herzustellen. Einspringende Ecken sind durch Schleifen (Neigung ¼) zu bearbeiten oder durch einen entsprechenden Spannungskonzentrationsfaktor zu berücksichtigen. keine Ausbesserungen durch Verfüllen mit Schweißgut 4 Stahlbau 86 (2017), Heft 2 (Sonderdruck)

2 Brücke Osendorf 2.1 Entwurf und Ausschreibung Das Brückenbauwerk BR 086 befindet sich in Sachsen-Anhalt südöstlich von Halle in dem Ortsteil Osendorf. Es überführt einen Wirtschaftsweg im Zuge der Wilhelm-Grothe-Straße über die Weiße Elster. Der Wirtschaftsweg bildet die Zufahrt zum Naturschutzgebiet Burgholz im Überschwemmungsgebiet der Saale-Elster-Aue. Der Querschnitt auf dem Bauwerk wurde mit einer Fahrbahnbreite von 3,50 m und Gehwege von 0,75 m bei einer Gesamtbreite von 4,50 m zwischen den Geländern ausgebildet (Bild 3). Im Bauwerksbereich ist der Wirtschaftsweg im Grundriss gerade trassiert. Der Neubau ersetzt einen dreifeldrigen Überbau aus dem Jahr 1950. Aufgrund der einzuhaltenden Hochwasserabflusswerte musste das neue Bauwerk ohne Mittelpfeiler entworfen werden. Die Wirtschaftswegbrü- cke über die Weiße Elster wurde als einfeldriges Rahmenbauwerk mit einer Stützweite von 21,00 m konzipiert und stellt den idealen Einsatzbereich für die VFT-WIB-Bauweise dar (Bild 4). Der Brückenquerschnitt besteht aus zwei VFT-WIB-Trägern, die mit einer Ortbetonplatte ergänzt wurden. Um die Abflussparameter der Weißen Elster und die Zwangspunkte aus der Gradiente im Anschluss an den Bestand einzuhalten, erforderte die Gesamtsituation eine sehr schlanke Konstruktion. Die Konstruktionshöhe beträgt in Brückenmitte 0,70 m und am Widerlager 1,40 m. Bei einer Stützweite von 21,00 m ergeben sich Schlankheiten von l/30 bzw. l/15. Die Gründung des Bauwerks erfolgt als Tiefgründung mit je fünf Bohrpfählen 90 cm und Längen von 7,50 m. Die sich an die Gründungspfähle anschließenden Widerlager wurden mit schrägen bzw. senkrechten Flügeln ausgebildet (Bild 5). 2.2 Fertigung und Baudurchführung Die externe Bewehrung wurde aus zwei Profilen HD320 300 der Stahlsorte S355ML mit einer Länge von jeweils 20,38 m hergestellt. Bei der Stahlauswahl wurde auf die Verzinkbarkeit geachtet, die in der Regel durch die Einhaltung folgender Spezifikation für den Silizium- und Phosphorgehalt gegeben ist: 0,14 Si 0,35 und P 0,035 Gewichtsprozent. Zusätzlich ist der Gehalt von Aluminium auf unter 0,03 % zu begrenzen. Die Profile wurden zunächst mit einem Brennschnitt in Klothoidenform (vgl. [6]) im ArcelorMittal Anarbeitungszentrum Eurostructures halbiert (Bild 6). Die Träger wurden mit dem Stichmaß von 1,08 m überhöht und die Schnittflächen der Stahldübel beschliffen (Bild 7). Anschließend wurden Stirnplatten und Steifen sowie Abtropfbleche angeschweißt, wobei die für die Verzinkung notwendigen Öffnungen bzw. Freischnitte direkt Bild 3. Querschnitt mit zwei VFT-WIB-Trägern Fig. 3. Cross-section implementing two VFT-WIB girders 5

G. Seidl/A. Danders/F. Gunkel/D. Rademacher/T. Pinger Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung Bild 4. Ansicht und Längsschnitt Verbundrahmenbrücke mit 21 m Stützweite und hochgesetzten Widerlagern auf Bohrpfählen Fig. 4. View and longitudinal section of the composite frame bridge with 21 m span and abutments on bored piles vorgesehen wurden. Aus Transportgründen und wegen der begrenzten Länge des Zinkkessels wurden die Träger in der Länge geteilt, so dass insgesamt vier T-förmige Profile entstanden. Diese Längen können am Stück verzinkt werden, da die in Deutschland flächendeckend verfügbaren Maximallängen der Verzinkungskessel von etwa 16 m eingehalten wurden. Jedes Profil erhielt zwei Löcher 25 mm in den Stahldübel als Aufhängemöglichkeit für den Verzinkungsbetrieb. Im Verzinkungsbetrieb Voigt & Schweitzer in Landsberg durchliefen die Träger dann den üblichen Vorbehandlungsprozess von der Entfettung über die Beize (Bild 8) bis zum Trocknungsofen. Im Anschluss erfolgte das eigentliche Verzinken (Bild 9) gemäß DASt-Richtlinie 022 [12]. Die vorgesehenen Stellen für die Baustellen- Stumpfstöße wurden zuvor mit einem speziellen Abdecklack vor der Zinkannahme geschützt. Sowohl vor dem Verzinken als auch nach dem Abkühlen (Bild 10) wurden die Träger vermessen, um Abweichungen in der Überhöhung zu erkennen und, falls erforderlich, Maßnahmen zur Korrektur vor dem Ein- bau durchzuführen. Ein Verzug bzw. eine Veränderung der Überhöhung wurden durch das Verzinken nicht festgestellt. Zudem wurde die Zinkschichtdicke an allen Trägern auf die Einhaltung des Minimums von 200 µm für eine theoretische Schutzdauer von bis zu 100 Jahren kontrolliert. Die minimal erreichten Schichtdicken an den vier Walzprofilen wurden jeweils an den Flanschunterseiten mit ca. 350 µm gemessen. An den Oberseiten wurden auch größere Schichtdicken mit bis zu 600 µm erreicht. Die Schnittflächen der Dübelgeometrie hatten signifikant geringere 6 Stahlbau 86 (2017), Heft 2 (Sonderdruck)

Bild 5. Grundriss der Brücke Osendorf Fig. 5. Ground view of Osendorf Bridge Bild 6. Schneiden des Walzprofils in zwei T-Profile mit Klothoidendübel Fig. 6. Cut of the rolled section into two T-profiles with clothoidal shaped steel dowels Bild 7. Detailaufnahme der Dübel am überhöhten Walzprofilträger Fig. 7. Close up of the dowels and the pre-cambered rolled section Bild 8. Beizen der Träger: Die Stelle des Baustellenstoßes ist mit Abdecklack maskiert Fig. 8. Pickling of the girders: The welding joint is coated by a covering lacquer 7

G. Seidl/A. Danders/F. Gunkel/D. Rademacher/T. Pinger Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung Bild 9. Verzinkung der Träger Fig. 9. Galvanizing of the girders Bild 11. Verladene Träger zum Transport auf die Baustelle Fig. 11. Mounted girders on the way to the construction site Bild 10. Verzinkte Träger beim Abkühlen Fig. 10. Cooling of the galvanized girders Schichtdicken. Da die Schnittflächen am fertigen Träger komplett im Beton liegen, hat dies keine negativen Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit im Hinblick auf Korrosion. Nach dem Transport zur Baustelle (Bild 11) wurden die vier halben Profile mit einem Einzelgewicht von ca. 1,7 t in die vorbereitete Schalung gehoben (Bild 12). Das Schweißen der Stumpfstöße erfolgte nach kompletter Ausrichtung der Profile in der Schalung. Vor dem Schweißen der Doppel- V-Naht wurden die Rückstände des Beschichtungsstoffes restlos entfernt und sichergestellt, dass kein Zink im Stoßbereich anhaftet. Die Ausführung des Korrosionsschutzes im Bereich der Montageschweißstöße orientierte sich an dem in [9], [11] entwickelten Verfahren. Nach dem Schweißen wurden Schweißnähte planeben geschliffen und die Flächen im Abstand von ca. 110 mm um den Stumpfstoß mit Oberflächenvorbereitungsgrad Sa3 gestrahlt. Anschließend wurde eine Spritzverzinkung aus dem Werkstoff ZnAl15 auf die gestrahlten Flächen und einige Millimeter überlappend bis auf die Feuerverzinkung aufgebracht. Die Überlappungsflächen der Feuerverzinkung wurden zuvor gesweept. Als Abschluss wurde eine dünnflüssige Versiegelung zum Verschließen der Poren der Spritzverzinkung appliziert. 3 Erfahrungen und Bewertung Umfassende Forschungen in den letzten Jahren zeigen, dass die Feuerverzinkung von Stahlbauteilen in Brückenkonstruktionen wirtschaftliche und ökologische Vorteile über eine Lebensdauer von 100 Jahren bietet und der erste Korrosionsschutz die rechnerische Nutzungsdauer einer Brücke überdauern kann. Positive Erfahrungen mit der Verzinkung im Brückenbau liegen bereits von Anwendungen im Ausland, z. B. in den USA, und von einem aktuellen Projekt einer konventionellen Stahlverbundbrücke für eine Wirtschaftswegüberführung über einen Erweiterungsabschnitt der BAB A 44 in Hessen vor. Hierbei handelte es sich um ein integrales Bauwerk mit feuerverzinkten Schweißträgern und darüber liegender Betonplatte. Die Elsterbrücke Osendorf ist nun die erste uneingeschränkt durch Straßenverkehr nutzbare Brücke, die in VFT-WIB-Bauweise mit feuerverzinkter Stahltragstruktur ausgeführt wurde (Bild 13). In diesem Bauwerk werden die ökonomischen und ökologischen Vorteile der VFT-WIB-Bauweise mit denen der Feuerverzinkung kombiniert und führen daher zu einem extrem wirtschaftlichen Bauwerk mit geringem Unterhaltsaufwand. Die Nutzung von Walzprofilen mit klarer Geometrie und ohne aufwändige Schweißverbindungen ist besonders vorteilhaft für den späteren Verzinkungsprozess. Während die Schnittflächen bei aus Blechen zusammengesetzten Trägern nach dem thermischen Schneiden aufwändig mecha- 8 Stahlbau 86 (2017), Heft 2 (Sonderdruck)

Bild 12. Einheben der Stahlträger in die Schalung (Foto: OST Bau) Fig. 12. Placing of the steel girders into the formwork (photo: OST Bau) tum, da die chemische Zusammensetzung im Steg und in den Flanschen einheitlich ist. Bei Verwendung von unterschiedlichen Werkstoffen sollte auf möglichst ähnliche chemische Zusammensetzungen innerhalb der in [13] angegebenen Grenzen geachtet werden, da ansonsten signifikante Abweichungen in Erscheinungsbild und Zinkschichtdicke auftreten können. Neben der durch den Zinküberzug zu erwartenden sehr langen, wartungsfreien Lebensdauer der Stahlkomponenten zeigen sich auch im Bauablauf die Vorteile der gewählten Bauweise. Die sehr hohe Robustheit der Feuerverzinkung widersteht den üblichen im Zuge des Transportes und der Montage auftretenden mechanischen Belastungen, ohne dass Beschädigungen auftreten. Dadurch muss der Bauablauf nicht, wie häufig bei organischen Beschichtungssystemen, infolge notwendiger Reparaturarbeiten am Korrosionsschutzsystem unterbrochen oder verzögert werden. Somit unterstützt die Verwendung verzinkter Stahlkomponenten einen der wesentlichen Vorteile der Verbundbauweise mit Fertigteilen im Hinblick auf kurze Bauzeiten. Bild 13. Feuerverzinkte Verbundträger Fig. 13. Galvanized composite girders Walzprofile erfahren keinen einseitigen Verzug durch Schweißeigenspannungen von beispielsweise Halskehlnähten in Längsrichtung. Bei Schweißträgern ist besonderes Augenmerk auf die spannungsarme Fertigung zu richten, z. B. durch das Pilgerschrittverfahren als Festlegung im Schweißfolgeplan. Zudem haben Walzprofile nach dem Feuerverzinken eine optisch homogene Erscheinung durch gleichmäßiges Schichtwachsnisch nachgearbeitet werden müssen, damit eine ausreichende Zinkannahme möglich ist, ist dies bei der Verwendung von Walzprofilen nicht erforderlich. Insbesondere bei der VFT- WIB-Bauweise sind somit keinerlei besondere Maßnahmen für die Feuerverzinkung erforderlich, da die einzigen Schnittflächen später im Beton liegen, wo auch ganz ohne Feuerverzinkung keinerlei Gefahr von Korrosion besteht. Literatur [1] Deutsches Institut für Bautechnik: Zulassungsbescheid Perfobond-Leiste, Zulassungsnummer Z-26.1-23, Berlin, 22.07.1991. [2] Wurzer, O.: Zur Tragfähigkeit von Betondübeln. Dissertation, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Universität der Bundeswehr, München, 1997. [3] Schmitt, V., Seidl, G., Hever M., Zapfe, C.: Verbundbrücke Pöcking Innovative VFT-Träger mit Betondübeln. Stahlbau 73 (2004), H. 6, S. 387 393. [4] Seidl, G., Viefhues, E., Berthellemy, J., Lorenc, W. et al.: Prefabricated enduring composite beams based on innovative shear transmission (PrecoBeam). Final Report RFSR-CT-2006-00030, European Commission, Brussels 2011. [5] Feldmann, M., Gündel, M., Kopp, M., Hegger, J., Gallwoszus, J., Heinemeyer, S., Seidl, G., Hoyer, O.: Neue Systeme für Stahlverbundbrücken Verbundfertigteilträger aus hochfesten Werkstoffen und innovativen Verbundmitteln. FOSTA Forschungsvereinigung für Stahlanwendung, Endbericht Forschungsvorhaben P804, Düsseldorf, 2012. [6] Deutsches Institut für Bautechnik: Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung 9

G. Seidl/A. Danders/F. Gunkel/D. Rademacher/T. Pinger Elsterbrücke Osendorf eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung Z-26.4-56 Verbunddübelleisten, Berlin, 13.05.2013. [7] Seidl, G., Stambuk, M., Lorenc, W., Kolakowski, T., Petzek, E.: Wirtschaftliche Bauweisen im Brückenbau Bauweisen mit Verbunddübelleisten. Stahlbau 82 (2013), H. 7, S. 510 521. DOI: 10.1002/stab.201310072 [8] DIN EN 1993-1-9: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten Teil 1-9: Ermüdung, Berlin: DIN Deutsches Institut für Normung e.v., 2010. [9] Ungermann, D., Rademacher, D., Oechsner, M., Landgrebe, R., Adelmann, J., Simonsen, F., Friedrich, S., Lebelt, P.: Feuerverzinken im Stahlund Verbundbrückenbau. IGF-No. 351/ZBG, Endbericht FOSTA P835, Düsseldorf, 2014. [10] Ungermann, D., Rademacher, D., Oechsner, M., Simonsen, F., Friedrich, S., Lebelt, P.: Feuerverzinken im Brückenbau Teil 1: Zum Einsatz feuer- verzinkten Baustahls bei zyklisch beanspruchten Konstruktionen. Stahlbau 84 (2015), H. 1, S. 2 9. DOI: 10.1002/ stab.201510225 [11] Ungermann, D., Rademacher, D., Oechsner, M., Simonsen, F., Friedrich, S., Lebelt, P.: Feuerverzinken im Brückenbau Teil 2: Zum Einsatz der Feuer verzinkung als lebenslangen Korrosionsschutz für den Brückenbau. Stahlbau 84 (2015), H. 2, S. 119 123. DOI: 10.1002/stab.201510227 [12] Deutscher Ausschuss für Stahlbau: DASt-Richtlinie 022, Feuerverzinken von tragenden Stahlbauteilen, Düsseldorf: Stahlbau Verlags- und Service GmbH, 2016. [13] Ungermann, D., Rademacher, D., Pinger, T., Hechler, O.: Entwurfshilfe zum Einsatz von feuerverzinkten Bauteilen im Stahl- und Verbundbrückenbau. bauforumstahl Nr. B 505, Januar 2016. Autoren dieses Beitrages: Dr. Günter Seidl, SSF Ingenieure AG, Schönhauser Alle 149, 10435 Berlin, gseidl@ssf-ing.de Dipl.-Ing. Andreas Danders, SSF Ingenieure AG, Schillerstraße 46, 06114 Halle/Saale, adanders@ssf-ing.de Dipl.-Ing. Frank Gunkel, Stadt Halle, Abteilung Straßen- und Brückenbau, Am Stadion 5, 06122 Halle/Saale, frank.gunkel@halle.de Dipl.-Ing., SFI/IWE Dennis Rademacher, ArcelorMittal Europe Long Products, 66, rue de Luxembourg, 4221 Esch-sur-Alzette, Luxembourg, dennis.rademacher@arcelormittal.com Dr.-Ing. Thomas Pinger, ZINQ Technologie GmbH, An den Schleusen 6, 45881 Gelsenkirchen, thomas.pinger@zinq.com Entwicklung mit SSF VFT Bauweise VFT-WIB Bauweise ssf-ing.de 10 Stahlbau 86 (2017), Heft 2 (Sonderdruck)

SSF Ingenieure AG Beratende Ingenieure im Bauwesen München Berlin Halle Düsseldorf ssf-ing.de