Fjodor Dostojewski DER SPIELER. Bühnenfassung von Claudia Bauer und Henriette Hörnigk. Nach der Übersetzung des Romans von Hermann Röhl



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Transkript:

Fjodor Dostojewski DER SPIELER Bühnenfassung von Claudia Bauer und Henriette Hörnigk Nach der Übersetzung des Romans von Hermann Röhl 1

2005 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2

Der, Mitte fünfzig, assimilierter Russe. Verarmter Militärpensionär Alexandrowna, seine sehr junge Stieftochter Iwanowitsch, Hauslehrer des s Mitte zwanzig. Alter russischer Adel, Patriot Mademoiselle de Cominges, Ende zwanzig, Verlobte und spätere Frau des s Antonida Wassiljewna, auch Babu genannt, Tante des s de Grieux, Gläubiger des s Mister Astley, englischer Zuckerfabrikant Roulettenburg. Orte der Handlung: Kurpromenade, Hotellobby, Casino, s Zimmer. 3

Prolog (Für sich.) Endlich wieder im Westen. Die Unsrigen sind schon seit drei Tagen in Roulettenburg. Und ich dachte, man erwartet mich Gott weiß wie, aber ich habe mich gründlich geirrt. Scheinbar sind sie irgendwie anders zu Geld gekommen. Und kaum ist Geld da, wird gleich eine Gesellschaft eingeladen. Das ist so Moskauer Art. Warum bin ich diesen Menschen hinterhergefahren? Wegen? Weil ich es ihr beweisen muß? Nur einmal Charakter beweisen. Die Hauptsache ist Charakter. Ich wußte sehr genau, daß ich aus Roulettenburg nicht so einfach davonkommen würde, daß sich hier zweifellos in meinem Schicksal ein radikaler und endgültiger Umschwung vollziehen wird. Zunächst erschien mit alles so schmutzig und widerlich. Besonders ekelhaft berührte mich auf den ersten Blick, daß dieses gesamte Spielergesindel mit einer gewissen Achtung, mit Ernst, ja fast ehrfürchtig seiner Beschäftigung nachging. Da ich aber selber in hohem Grade von Gewinngier beherrscht war, kam mir all diese Habsucht und der ganze damit zusammenhängende Schmutz, wenn Sie so wollen, willkommen und vertraut vor. 1 Hotellobby Mag es auch lächerlich erscheinen, daß ich mir vom Roulette soviel erwarte, aber noch lächerlicher finde ich die übliche, allgemein anerkannte Meinung, daß es dumm und sinnlos ist, vom Spiel überhaupt etwas zu erwarten. Warum soll denn das Spielen schlechter sein als irgendeine andere Art, Geld zu erwerben? Zum Beispiel schlechter als der Handel! Ob Gelderwerb oder Spielgewinn ist doch völlig egal, das Streben der Menschen zielt beim Spiel genau wie auf allen anderen Gebieten immer nur darauf, einander etwas wegzunehmen oder abzugewinnen. Es ist zwar richtig, daß von hundert nur einer gewinnt, aber was geht mich das an? Ich sehe absolut nichts Schmutziges in dem Verlangen, möglichst schnell möglichst viel Geld zu gewinnen. 5

Astley Der wirklich Gentleman darf sich nichts anmerken lassen, auch wenn er sein ganzes Vermögen verspielt. Geld muß so tief unter der Würde eines Gentleman stehen, daß es fast nicht lohnt, darüber zu sprechen, oder sich überhaupt darum zu kümmern; für ihn ist das Spiel reiner Zeitvertreib, Amüsement. Das ist gewiß sehr aristokratisch. ( mischt sich unter die Gesellschaft.) Astley Astley Unsrer todkranken Tante gehts gar nicht gut. Ich fürchte, daß die Arme den nächsten Tag nicht mehr erleben wird., Sie gefallen mir heute ganz besonders. Sie schmeicheln mir. Aber nein, sie sehen heute blendend aus. Vielen Dank. Es freut mich, aus ihrem Mund ein solches Kompliment Sie sollten noch mal depeschieren, ob sie schon tot ist. Sie sind doch wirklich ein sehr besorgter Mann. Wo waren Sie denn so lange? Was ist passiert? Weiter nichts, als daß Ihr aus Petersburg zwei Nachrichten bekommen hat: zuerst, daß es seiner alten Tante sehr schlecht geht, und zwei Tage später, daß sie im Sterben liegt. Jetzt warten sie alle auf die letzte, endgültige Nachricht. Also befinden sich alle hier in gespannter Erwartung? Seit einem halben Jahr leben sie nur von dieser Hoffnung. ( und allein.) Und Sie,? Hoffen Sie auch? Ich bin nicht mit der Tante verwandt, ich bin nur die Stieftochter des s, aber wahrscheinlich werde ich auch etwas erben. 6

Ich bin sicher, daß Ihnen eine bedeutende Summe zufallen wird. Sie hatte Sie gern. Ja, stimmt. Haben Sie meinen Auftrag ausgeführt? Natürlich. Meine Juwelen hoch verpfändet? So hoch wie es ging. Wieviel? 700 Gulden. 700 Gulden? Sind sie wahnsinnig! Meine Juwelen sind wenigstens 2 000 Gulden wert, vielleicht sogar noch mehr. Ich muß um jeden Preis Geld haben, es muß unbedingt beschafft werden; sonst bin ich einfach verloren. Ich brauche Geld Wozu brauchen Sie denn soviel Geld? Wozu denn diese Fragen? ( und allein.) Mein lieber Freund, das beste ist, wenn wir einander nichts vormachen, sondern offen und ehrlich miteinander verfahren. Wozu sich denn auch noch selbst betrügen? Was hat das für einen Zweck? Eine ganz wertlose, unökonomische Tätigkeit! Ich danke Ihnen sehr. Ich war in größten Schwierigkeiten. Ich weiß. Das Hotel besteht auf Zahlung. Wollen Sie das hier nur pro forma unterzeichnen. Ich hab im Unterzeichnen ja schon Übung. 10 000? Bekommen hab ich 5 Gehen wir hinein, ich unterschreib den Wechsel. ( und allein.) Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich weiß, daß Sie ziemlich leichtsinnig sind und imstande wären, sich am Roulettespiel zu 7

beteiligen. Ich bin zwar weder Ihr Lehrer, sondern Sie meiner besser gesagt der meiner Kinder noch habe ich den Wunsch, diese Rolle je zu übernehmen; aber zumindest habe ich ein Recht darauf, mich von Ihnen nicht kompromittiert zu sehen, um mich so auszudrücken Ich habe ja gar kein Geld. Um welches verspielen zu können, muß man doch erst welches haben. Sofort sollen Sie welches bekommen Ich schulde Ihnen noch 200 Wie wollen wir also unsere Rechnung erledigen? Wir müssen ja erst mal alles in Taler umrechnen Sie kriegen erst mal 100, das ist eine schöne runde Summe, das andere geht Ihnen natürlich nicht verloren Ach, lassen Sie diesen Schein doch wechseln, weil weil ichs gerade nicht kleiner hab! Na, dann werden wir wenigstens eine Woche lang für einen Millionäre gehalten. Seien Sie doch nicht wieder so empfindlich Ich wollte Sie durch meine Bemerkung sozusagen nur warnen (Läßt seinen Satz, wie so oft, unbegründet unvollendet.) ( und allein.) Nehmen Sie die 700 Gulden, spielen Sie für mich. Gewinnen Sie mir damit, soviel Sie nur können. Nein! Warum nicht? Weil ich für mich selbst spielen muß. Sie sind also immer noch überzeugt, daß das Roulettspiel der einzige Ausweg für Sie ist. Ja. So dumm das auch sein mag, es ist auch meine einzige Hoffnung. Ich brauche Geld. Ich brauche auch Geld. Ich brauche aber sehr viel Geld. (Dazu.) 8

Astley Der ist endgültig verloren: Sich mit 55 Jahren so leidenschaftlich zu verlieben, das ist natürlich ein großes Unglück, berücksichtigt man zudem auch noch, daß er Kinder hat, daß sein Gut völlig ruiniert ist, daß er Schulden hat und schließlich, daß er sich in Mademoiselle verliebt hat. Sie wird sicherlich in werden natürlich erst, wenn sich das Gerücht vom Tod der Erbtante bestätigt. Übrigens glaube ich nicht, daß sie mit ihrem Vertrauten, dem de Grieux, wirklich verwandt ist. Ich weiß nicht, ob sie mich verstehen: Sie hat eines dieser Gesichter, vor denen man Angst bekommen kann. Es ist eigenartig und lächerlich, wieviel Ausdruck manchmal im Blick eines schamhaften und krankhaft keuschen Menschen liegen kann. Wenn Sie einmal die Liebe erfaßt hat, versinken Sie lieber im Boden, als sich durch ein Wort zu verraten. Aber wenigstens sind Sie reich. Warum stehen Sie nicht etwas lockerer? Little Englishman. (,,.) Was ist mit Moskau? Mit ihrer armen alten kranken Tante? Noch nichts da? Ich habe den Zeitpunkt genau berechnet. Spätestens um acht Uhr muß die Depesche hier sein. Heute noch. Ist sie tot? Um acht kommt die Bestätigung, daß Um zehn oder um die Tante gestorben ist. 9