DAVID HUME DIALOGE ÜBER NATÜRLICHE RELIGION ZWEITER TEIL, SEITEN 17-30
DIE EXISTENZ (DASEIN) UND DIE NATUR GOTTES S. 17-18 Demea : Warum man an der Existenz Gottes nicht zweifeln kann Grund : Niemand, wenigstens niemand von gesundem Menschenverstand, hat nach meiner Überzeugung jemals ernsthafte Zweifel an einer so sicheren und selbstverständlichen Wahrheit gehegt. Das Argument der Autorität Warum man über die Natur Gottes nichts wissen kann Sie ist infolge der Schwachheit des menschlichen Verstandes uns völlig unbegreiflich und unbekannt Das Argument des Mystizismus und der Grenzen der Wissenschaft / Philosophie Warum man nicht versuchen sollte, etwas über Gottes Natur zu erfahren. Selbstüberschätzung, Frevel, Hybris Die Beziehung zwischen Frömmigkeit und Wissenschaft / Philosophie Die Position von Nicolas Malebranche (1683-1715) Gott schliesst die Vollkommenheiten der Materie und des Geistes in sich ein, ist aber weder Materie noch Geist : sein wahrer Name ist : Der da ist, oder in anderen Worten : Wesen ohne Schranken, Allwesen, unendliches und allumfassendes Wesen. Die Beziehung zwischen Eigenschaften und Existenz
PHILOS REFORMULIERUNG DER POSITION DEMEAS S. 18-19 Der Glaube an die Existenz Gottes hat einen logischen Grund Nichts existiert ohne Ursache; und die ursprüngliche Ursache dieses Universums, mag sie sein, welche sie will, nennen wir Gott und schreiben ihr jede Art von Vollkommenheit zu. Entpersonalisierung Gottes alle Vollkommenheit [ist] völlig relativ d.h. abhängig von einem bestimmten Masstab oder Vergleich Konsequenz : deshalb dürfen wir uns niemals einbilden, die Eigenschaften dieses göttlichen Wesens zu begreifen, oder anzunehmen, seine Vollkommenheiten seien denen eines menschlichen Geschöpfes ähnlich oder gleich Die These der Inkommensurabilität Die Sprache der Theologie als Sprache der Fiktion Weisheit, Denken, Absicht, Erkenntnis schreiben wir [dem göttlichen Wesen] mit Recht zu [weil ] wir keine andere Sprache oder anderen Begriffe haben Aber wir wollen uns hüten zu denken, dass unsere Vorstellungen irgendwie seinen Vollkommenheiten entsprechen Die Logik der Vorstellung Die Sprache der Fiktion und die Frage der Wahrheit Unsere Vorstellungen reichen nicht weiter als unsere Erfahrung; wir haben keine Erfahrung von Gottes Eigenschaften und Handlungen. Empirische Psychologie und Semantik
DER A POSTERIORI BEWEIS DER EXISTENZ UND DER PERSÖNLICHEN NATUR GOTTES S. 19-20 Cleanthes : Die durch Erfahrung bekannte Welt ist wie eine komplexe Maschine, deren Teile auch Maschinen sind Maschine als Metapher für Mechanismus Galileis und Newtons Erklärung der Welt durch Naturgesetze Maschine als Metapher für biologische Organismen Gesetzmässigkeit und Funktionalität in der biologischen Welt Die Maschinen sind einander angepasst : jede nützt einer oder mehreren anderen selbst ihre kleinsten Teile sind einander mit einer Genauigkeit angepasst, die jedermann, der sie jemals betrachtet hat, in staunende Bewunderung versetzt Die Ähnlichkeit von natürlichen Maschinen und menschlichen Artefakten (Hervorbringungen menschlicher Kunst) Die wunderbare Angemessenheit von von Mitteln und Zwecken in der ganzen Natur gleicht genau, wenn sie auch weit darüber hinausgeht, den Hervorbringungen menschlicher Kunst, menschlicher Absicht, Weisheit und Einsicht. Der Analogieschluss Da also die Wirkungen einander gleichen, werden wir nach allen Regeln der Analogie zu dem Schluss geführt, dass auch die Ursachen einander gleichen und dass der Urheber der Natur dem Geist des Menschen einigermassen ähnlich ist, freilich im Besitz viel grösserer Fähigkeiten, entsprechend der Grösse des Werkes, das er hervorgebracht hat.
DER A POSTERIORI BEWEIS REFORMULIERT UND SCHEMATISCHER DARGESTELLT S. 19-20 1. Natürliche Maschinen und menschliche Artefakte haben Funktionen. Sie ermöglichen natürliche Prozesse oder menschliche Handlungen. 2. Wenn etwas eine Funktion hat, dann hat es einen Zweck. Eine Funktion haben bedeutet für etwas anderes nützlich zu sein. Dieser Nutzen ist der Zweck. 3. Zwecke sind das Resultat von Absicht (oder von einem Plan). Alles, was einen Nutzen hat, könnte auch völlig anders funktionieren (und nutzlos sein). Die Tatsache, dass es genau so funktioniert und nicht anders kann kein Zufall sein, das wäre sehr unwahrscheinlich. Die Ursache von Zweckmässigkeit ist der Erfahrung gemäss Absicht und Planung. 4. Für alle menschlichen Artefakte entspricht diese Absicht (oder dieser Plan) der menschlichen Weisheit und Einsicht (oder: dem menschlichen Wissen und Können). 5. Für die viel komplexeren natürlichen Maschinen entspricht diese Absicht (oder dieser Plan) also nach allen Regeln der Analogie einer übermenschlichen Weisheit und Einsicht (oder: einem übermenschlichen Wissen und Können). Der Analogieschluss kann schematisch so formuliert werden:! Prämisse 1 : Dinge der Art X [z.b. Artefakte] besitzen die Eigenschaften G, H, I, K, usw. [z.b. Funktionalität]! Prämisse 2 : Dinge der Art Y [z.b. natürliche Maschinen ] besitzen die Eigenschaften G, H, I, K, usw. [z.b. Funktionalität]! Prämisse 3 : Dinge der Art X [z.b. Artefakte] besitzen auch die Eigenschaft F [z.b. absichtlich, planvoll hergestellt]! Konklusion : Dinge der Art Y [z.b. natürliche Maschinen ] besitzen also auch die Eigenschaft F [z.b. absichtlich, planvoll hergestellt] 6. Das Wesen, das übermenschliche Weisheit und Einsicht (oder: ein übermenschliches Wissen und Können) besitzt, nennen wir Gott.
KANN MAN KAUSALAUSSAGEN MIT ANALOGIESCHLÜSSEN BEWEISEN? S. 20-23 Beobachtete Regelmässigkeit von gleichartigen Fällen als Grund für Kausalaussagen (nomologische Auffassung der Kausalität) Dass ein Stein fällt haben wir abertausendmal wahrgenommen, und wenn irgendein neuer Fall dieser Art auftaucht, ziehen wir ohne Zögern den gewohnten Schluss. Die genaue Gleichartigkeit der Fälle gibt uns die vollkommene Gewissheit einer gleichartigen Wirkung Ungleiche Fälle schwächen den Analogieschluss Blutkreislauf in Fröschen Blutkreislauf in Menschen? Sind Artefakte und Objekte der Natur ( das Universum ) gleichartig? Die Unähnlichkeit springt so in die Augen, dass Ihr [d.h. Cleanthes] allerhöchstens in Anspruch nehmen dürft, durch Raten, Vermuten oder Präsumieren auf eine ähnliche Ursache zu kommen Das Gedankenexperiment der Person ohne jegliche Erfahrung dieser Welt Frage : Könnte diese Person, bevor er die Welt sieht, herausfinden, wie die Welt aussieht und wie sie gemacht ist? Antwort : Nein, denn da nichts, was er klar vorstellt, für unmöglich oder widersprechend gehalten werden könnte, so hätte jede Chimäre seiner Phantasie gleiches Recht Mögliche Welten vs. die tatsächlich existierende Welt Frage : Könnte diese Person, wenn sie die Welt zum ersten Mal sieht, etwas über die Ursache irgendeines Ereignisses wissen? Antwort : Nein, [sie] könnte [ihrer] Phantasie freien Lauf lassen Erfahrung allein kann [ihr] die wahre Ursache einer Erscheinung anzeigen Gibt es einmalige Ursache-Wirkung Beziehungen? (Einzelfall-Kausalität)
IST ZWECKMÄSSIGKEIT EIN BEWEIS FÜR ABSICHT? S. 23-24 These : Ordnung oder Zusammenstimmung von Zweckursachen (oder einfach Zwecken, M.H.) [ist] an und für sich noch kein Beweis von Absicht, sondern nur sofern durch Erfahrung bewiesen ist, dass sie aus diesem Prinzip hervorgeht. Grund : a priori kann die Materie so gut wie der Geist die Quelle von Ordnung ursprünglich in sich enthalten Was erst die Erfahrung zeigt : Der Geist als Quelle von Ordnung : Man werfe einige Stücke Eisen zusammen, ohne Gestalt oder Form, niemals werden sie sich so anordnen, dass sie eine Uhr ergeben. Die Materie (?) als Quelle der Ordnung : Dagegen die Ideen im Menschengeist sehen wir durch eine unbekannte, unerklärliche Ökonomie sich so anordnen, dass sie den Plan einer Uhr oder eines Hauses bilden. Materialistische Theorie des Geistes
KANN DER MENSCHLICHE GEIST EIN MODELL SEIN, UM DIE ENTSTEHUNG DES UNIVERSUMS ZU ERKLÄREN? S. 24-28 (A) Die Pluralität der Ursachen Gedanken, Absicht, Verstand, wie wir sie im Menschen und anderen Lebewesen kennen, ist nicht mehr als eine von den Ursachen und Prinzipien im Universum, ebenso wie Hitze oder Kälte, Anziehung oder Abstossung und hundert andere, die in unsere tägliche Beobachtung fallen. Konsequenz : Kann aber eine Schlussfolgerung mit irgendwelchem Recht von den Teilen auf das Ganze übertragen werden? [ ] Können wir aus der Beobachtung des Wachstums eines Haares etwas über die Entstehung des Menschen lernen? Erste kontrafaktische Annahme : Wenn man Kausalbeziehungen zwischen Teilen als Modell für die Ursache des Ganzen nähme mit welchem Recht wählen wir denn ein so kleines, so schwaches, so begrenztes Prinzip aus, wie es die Vernunft und Absicht von Lebewesen auf diesem Planeten sind? Was für ein besonderes Vorrecht hat diese kleine Bewegung des Gehirns, die wir Denken nennen, dass wir sie in dieser Weise zum Modell des ganzen Universums machen? Die engen Ansichten eines Bauern, der seine Haushaltung zum Massstab für die Regierung von Königreichen macht, sind im Vergleich dazu ein verzeihlicher Trugschluss.
KANN DER MENSCHLICHE GEIST EIN MODELL SEIN, UM DIE ENTSTEHUNG DES UNIVERSUMS ZU ERKLÄREN? S. 24-28 (B) Zweite kontrafaktische Annahme : Wenn vernünftiges Denken im ganzen Universum präsent wäre (zum Beispiel auf anderen bewohnten Planeten) Warum sollte jemand die bekannten Kausalbeziehungen einer Welt, die schon gestaltet, geordnet und eingerichtet ist als Massstab nehmen für eine Welt, die in ihrem Embryonenzustand ist und erst zu Ordnung und Gestaltung fortschreitet? Wir können nicht wissen, welche neuen und unbekannten Prinzipien [die Natur] in einer so neuen und unbekannten Situation wie der Bildung eines Universums in Bewegung [setzt] Wenn zwei Arten von Dingen stets als verbunden beobachtet worden sind, so kann ich durch Gewohnheit die Existenz des einen folgern, wo ich die Existenz des anderen wahrnehme : und das nenne ich einen Beweis aus Erfahrung. Wie aber dieser Beweis statthaben kann, wo die Gegenstände, wie in dem vorliegenden Fall, einzigartig, individuell, ohne Parallele oder spezifische Ähnlichkeit sind, ist schwer zu erklären. Nomologische Auffassung der Kausalität
WIDERSPRICHT DIE NOMOLOGISCHE AUFFASSUNG DER KAUSALITÄT DEN ENTDECKUNGEN DER ASTRONOMIE? S. 28 30 Cleanthes : Ein Fall von Einzelfall-Kausalität diese selben Einwendungen, die Ihr [d.h. Philo] gegen meine Folgerungen vorgebracht habt, [kann man auch] gegen das kopernikanische System erheben. Habt Ihr andere Erden, könnte er sagen, deren Bewegung Ihr gesehen habt? Kein Fall von Einzelfall-Kausalität Ja, wir haben andere Erden. Ist nicht der Mond eine andere Erde, die wir um ihren Mittelpunkt sich drehen sehen? Ist nicht die Venus eine andere Erde, an der wir dieselbe Erscheinung beobachten? Diese Analogien und Ähnlichkeiten sind die einzigen Beweise des kopernikanischen Systems Wie Galilei das von den Schulen (religiöse Philosophen des Mittelalters) verteidigte geozentrische Weltbild zerstörte [Galilei richtete] alle seine Bemühungen darauf zu beweisen, dass die Unterscheidung, die gewöhnlich zwischen elementaren und himmlischen Substanzen gemacht wurde, unbegründet sei [Er] bewies, mit dem Monde anfangend, seine Ähnlichkeit mit der Erde in allen Einzelheiten : seine kugelförmige Gestalt, seine natürliche Dunkelheit, wenn unerleuchtet, seine Dichtigkeit, seine Unterschiedenheit in Festes und Flüssiges, die Wechsel seiner Phasen In diesem vorsichtigen Verfahren der Astronomen könnt Ihr Euer eigenes Urteil lesen, Cleanthes; oder vielmehr könnt Ihr sehen, dass der Gegenstand, der Euch beschäftigt, alle menschliche Vernunft und Nachforschung übersteigt.
FRAGEN Für den Vortrag in der Klasse (Studentengruppe, Präsentation mit Diapositiven) Fragen (36) bis (50) Für das Lektüreverständnis (zwei Studenten, individuell, kurze Texterklärung ohne Diapositive) Student 1 : Frage (29) Student 2 : Frage (31)