Jesaja 50, 4-9. Gottesdienst am Sonntag Palmarum

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Transkript:

Gottesdienst am Sonntag Palmarum Das zieh ich mir an! Was uns mit Karl May, Jesus Christus und Jochen Klepper verbindet Predigt über Jesaja 50, 4-9 Am 1. April 2012 in der Ludgerikirche zu Norden gehalten von Superintendent Dr. Helmut Kirschstein Unmittelbar vor der Predigt singt die Gemeinde EG 452, 1-3 ( Er weckt mich alle Morgen ), im Anschluss 452, 4+5. (1) Der Predigttext für den Sonntag Palmarum steht im Alten Testament beim Propheten Jesaja im 50. Kapitel ich lese die Verse 4 bis 9 zunächst im klassischen Lutherdeutsch: den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie Kleider zerfallen, die die Motten fressen. Wenn ich das in unsre Gegenwart übertrage, liebe Gemeinde, dann klingt das in meiner Sprache so: Gott selbst lässt mich Seine Botschaft weitergeben seelsorgerlich, im richtigen Moment. Tag für Tag lässt Er mich wach sein und Seine Stimme heraushören aus dem Stimmengewirr der Zeit. Ich nehme Seinen Auftrag an, ich bekenne mich zu Ihm, ich bin Sein Anhänger, es gibt für mich kein Zurück! Darum habe ich mich auch nicht gewehrt, als man mich verhöhnt hat und auf mich einprügelte im Gegenteil, ich habe das alles ganz bewusst auf mich genommen. Denn ich weiß ja: Gott gibt mir Recht! Ich gehe nicht kaputt, weil ich so fest auf Gott vertraue. Ich nehme es mit allen auf. Am Ende wird sich die Wahrheit durchsetzen, und von den Gegnern bleibt nichts übrig! Eigene Worte für die biblische Botschaft eine gute Übung, und gar nicht so schwer, versuchen SIE es doch mal, das können Sie auch! Schwerer fällt es schon, zu sagen: Ich persönlich bin damit gemeint! Kann ich mir diesen Jesaja-Text wirklich anziehen? Trifft das alles auf mich zu, auf Dich, auf jeden Einzelnen von uns: dass Gott uns Seine Botschaft hinaustragen lässt dass er uns wach sein lässt, dass Er uns Seine Stimme hören lässt, dass wir uns mutig zu ihm bekennen und es ertragen, wenn man uns dafür drangsaliert, und dass wir bei alledem auch noch ganz siegesgewiss bleiben?! Passion klingt mit, im doppelten Wortsinn: Leidenschaft und Leiden für die gerechte Sache

aber auch die missionarische Gewissheit, dass sich Gottes Wahrheit am Ende durchsetzen wird. Kann ich mir das alles anziehen? (2) Ein Schriftsteller, der sich von solchen biblischen Texten inspirieren ließ, hat Folgendes heraus-gedichtet (raten Sie doch gleich mal, um wen es sich handelt): Tragt euer Evangelium hinaus, doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden! Und seht ihr irgendwo ein Gotteshaus, so stehe es für euch im Völkerfrieden. Gebt, was ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit, das andre alles sei daheim geblieben! Grad, weil sie einst den Tod für euch erlitt, will sie durch euch nun ewig weiter lieben. Passion, missionarische Leidenschaft, Mahnung zum Einsatz für jene Liebe, die einst den Tod für euch erlitt - nein, das ist natürlich nicht von Goethe, und auch nicht von Schiller. 19. Jahrhundert ist richtig. Ein von der biblischen Passion inspiriertes Gedicht vom meistgelesenen deutschsprachigen Autor aller Zeiten genau: Karl May 1, dessen Todestag sich vorgestern zum 100. Mal gejährt hat. Dieser Karl May ist eben nicht nur der Erfinder von Winnetou und Old Shatterhand, von Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, er hat nicht nur den Schatz im Silbersee geschrieben und sich in seinen Romanen auf Abenteuerreisen Durchs wilde Kurdistan begeben dieser Karl May ist durch und durch evangelischer Christ, er setzt sich in seinen Romanen durchgängig dafür ein, dass Gewalt überwunden wird, seine berühmten Helden kämpfen ganz im christlichen Sinne für Nächstenliebe, für Toleranz, ja für Pazifismus und für die Rechte der Unterdrückten. Schade, in den bekannten Winnetou-Filmen aus den 60er Jahren sind diese christlichen Bezüge fast völlig herausgefiltert worden aber wer sich an seine eigene Lektüre erinnert oder noch einmal neu nachliest, stößt alle paar Seiten auf die christliche Botschaft. Da wirft sich der deutsche Indianer-Missionar Klekih-petra, der jetzt als weißer Vater unter den Apachen lebt, schützend vor Winnetou und fängt die tödliche Kugel ab, weil er es als seine Aufgabe ansieht, seinen roten Bruder durch sein Vorbild zu Christus zu führen. Und tatsächlich stirbt der edle Häuptling Winnetou schließlich voller Auferstehungshoffnung mit den Worten: Ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl! Karl May war von Anfang an umstritten, für die manche sagen: allzu dick aufgetragene christliche Botschaft in seinen Romanen hat er Hohn und Spott ertragen müssen. Das tat ihm manches Mal weh aber er blieb bei seiner Überzeugung: Ein jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes, der die Liebe ist - wie er in einem großen Orient-Reiseroman schreibt, so sah er seinen Auftrag: Wer Liebe sät, der wird Liebe ernten, bei den Eskimos wie bei den Papuas... Dürfte ich doch ein Pionier (...) des Christentums sein! Diese Lebenseinstellung hat sich Karl May hart erringen müssen. Er wurde in einem kleinen sächsischen Dorf geboren, sein Vater war ein armer Hausweber mit vierzehn Kindern, von denen neun schon im Kleinkindalter starben, was für ein Elend! Das Essen war so dürftig, dass der junge Karl aufgrund von Mangelernährung erblindete, monatelang. Schon als Kind musste er arbeiten und zum Lebensunterhalt beitragen. Nur unter großen Entbehrungen konnte er dann das Lehrerseminar besuchen, aber durch die angesichts drückender Armut lächerlich anmutende Unterschlagung von sechs Kerzen geriet seine Ausbildung in Gefahr, wenig später wurde ihm der Diebstahl einer Ta- 1 Einsichten zu Person, Werk und Leben Karl Mays samt der zitierten Gedichte, Briefauszüge etc. verdanke ich vor allem zwei aktuellen Aufsätzen: Werner Thiede, Karl Mays spirituelle Innenwelt. Eine Reminiszenz anlässlich seines 100. Todestages, in: Deutsches Pfarrerblatt 3 / 2012, S. 153-164 Claudia Atts, Wunderbares Geheimnis. Vor hundert Jahren starb Karl May, Abenteuerschriftsteller und eigenbrötlerischer Christ, in: ZeitZeichen 3 / 2012, 48-50

schenuhr vorgeworfen, es bleibt ungewiss, ob wirklich zu Recht. Jedenfalls war sein Lebenstraum, einmal Lehrer zu werden, ein für allemal dahin, Karl May musste sechs Wochen ins Gefängnis, als Vorbestrafter hatte er dann keine Chance mehr. Im Anschluss an das Gefängnis schaffte er es erst recht nicht, eine bürgerliche Existenz aufzubauen, versuchte es immer wieder mit Schwindeleien, Betrügereien, kleinen Diebstählen und Unterschlagungen, der Aufwand stand in keinem Verhältnis zum Ertrag. Aber die Strafen waren drastisch: Dreieinhalb Jahre kam er ins Zuchthaus, später noch einmal vier weitere Jahre. Eine total gescheiterte Existenz aber gerade dort, auf dem Tiefpunkt, im Zuchhaus wendet sich sein Schicksal, er trifft auf einen engagierten Seelsorger; er liest die Bibel neu, und diese Begegnung ist entscheidend für seine innere Wandlung, so hat es Karl May später selbst notiert. Schon im Gefängnis hatte er mit der Schriftstellerei angefangen, und vielleicht war es die glückliche Verbindung seiner unglaublichen Phantasie und seines neu gegründeten Glaubens, die ihn endlich doch noch erfolgreich und berühmt werden ließ. Anfeindungen und Schmähungen in aller Öffentlichkeit gerade auch wegen seiner dunklen Vergangenheit war er bis zuletzt ausgeliefert. Aber der christliche Glaube, der für ihn selbst Trost und Gnade bedeutete: der galt doch auch für alle anderen. In seinem späten Roman Und Friede auf Erden lässt Karl May einen zu Christus Betenden dichten: O du, der selbst den Schächer nicht verwarf, den Mörder, der an deiner Seite hing, wo ist ein Mensch, von dem ich sagen darf, er sei für deinen Himmel zu gering? Eine Woche vor seinem Tod hält er vor 3.000 begeisterten Zuhörern in Wien einen Vortrag über die gefallene Schöpfung und den Kampf gegen das Böse ein Kampf, der ohne Gewalt, nur mit leidenschaftlicher Hingabe zu gewinnen ist und der ins Paradies führt. Karl May: leidenschaftlich, missionarisch, im Geiste des Evangeliums auf den Spuren des Gottesknechts inspiriert von Texten wie Jesaja 50: den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. (...) Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. (...) Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? (3) Ich gebe zu: ein ungewöhnlicher Zugang zu diesem Bibeltext. Aber warum nicht darüber staunen, dass sich ausgerechnet der berühmte Winnetou-Old-Shatterhand-Karl May in diesem Text wiederfindet, dass hier eine ganz entscheidende Quelle für seine Mission, für seinen Lebens-Auftrag, für seine Lebens-Deutung liegt? Gerade weil dieser Zugang zur Bibel über Karl May eher ungewöhnlich ist, spüren wir heute vielleicht noch einmal ganz neu, welche Kraft die Bibel hat, wie Menschen sich in diesen Text nicht nur hinein-denken, sondern hinein-bergen können wie in ein Gewand: Das zieh ich mir an! Den biblischen Text wie ein Gewand nehmen, dass ich mir anziehe, in dem ich mich selbst neu begreife, mein Leben, meinen Lebens-Sinn, meinen Gott: Karl May war nicht der erste, der die Bibel so verstanden hat. Normalerweise wären wir ja gleich darauf gekommen, selbstverständlich, der erste, das Vorbild war ein anderer: Jesus von Nazareth hat die heiligen Schriften so für wahr genommen. den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Das hat Jesus gelesen, das hat Jesus für sich persönlich durchbuchstabiert, das hat er auswendig gewusst wie wahrscheinlich den gesamten Text des Alten Testaments, jeder fromme

Jude hatte das drauf, damit hat Jesus gelebt, in dieser Welt des heiligen Buches und spätestens, als er vor der entscheidenden Frage nach seiner besonderen Mission, nach seinem besonderen Auftrag, nach seinem besonderen Lebens-Sinn stand: da ging es ihm auf. Die Schrift ging ihm auf: Gottes Wort sprach ihn an. Jesus selbst hat sich in den alten biblischen Texten wiedergefunden, hat sich überhaupt erst darin eingefunden, hat sich selbst darin erkannt und sich mit diesem leidenschaftlichen, leidenden, für seine Mission bis zum Letzten gehenden Gottesknecht identifiziert. Das ICH dieses leidenschaftlichen Bekenners der Wahrheit wurde zu seinem Ich: Das zieh ich mir an! Hier fand Jesus seine Berufung und seine Leidenschaft: Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Im alten Gewand dieses Textes zeichnete sich sein eigener Weg ins Leiden ab: Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Wie bitter sich das bewahrheiten sollte! Dieser Text umgab ihn aber auch mit der alten Hoffnung und einer unsterblichen Zuversicht: Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. (...) Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! - Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie Kleider zerfallen, die die Motten fressen. Jesus von Nazareth hat sich diesen Text angezogen und tatsächlich: Er passte. Er passte wie niemals zuvor und wie keinem anderen sonst. (4) Und doch haben sich auch andere Menschen in dieses biblische Gewand hinein-geborgen. Karl May war so einer in der Nachfolge Jesu und natürlich: Jochen Klepper. Der Mann, von dem das Lied stammt, dessen erste drei Strophen wir eben vor der Predigt gesungen haben: Er weckt mich alle Morgen, / er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, / führt mir den Tag empor, daß ich mit seinem Worte / begrüß das neue Licht. Schon an der Dämmrung Pforte / ist er mir nah und spricht. Jochen Klepper macht aus dem Christus-Text einen Text für jeden Christen: Wir alle haben ihn eben gesungen, wir alle haben uns also hineinnehmen lassen in dieses bergende Gewand ein Morgenlied ist aus Jesaja 50 geworden, alle Morgen neu ist Gottes ansprechende Gegenwart, was für ein Trost, gerade in schwerer Zeit. Als Jochen Klepper das dichtet, ist es eine besonders schwere Zeit, 1938, die Synagogen brennen, das Leben für Juden wie für aufrechte Christen ist in Deutschland lebensgefährlich und Jochen Klepper ist als aufrechter Christ mit einer jüdischen Frau verheiratet, er hat auch noch die Verantwortung für deren Tochter aus erster Ehe, was soll bloß aus den beiden werden? Verzweiflung droht, so viele große Worte um sie herum: gottlose Parolen, Lügenworte, Mörderworte. Umso wichtiger der Trost, die Geborgenheit des schützenden Textes, die Wahrheit des ewigen Gottes: Er spricht wie an dem Tage, / da er die Welt erschuf. Da schweigen Angst und Klage; / nichts gilt mehr als sein Ruf. Das Wort der ewgen Treue, / die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs neue / so, wie ein Jünger hört. Bis zuletzt hört Jochen Klepper auf diese Stimme. Er hat sich den Nazi-Schergen nicht gebeugt. Aber seine Hoffnung, als berühmter Schriftsteller blieben er und seine Familie vor dem KZ verschont, zerschlagen sich am Ende nimmt er sich mit seiner Familie gemeinsam das Leben, um die beiden Frauen nicht der gottlosen Barbarei ausliefern zu müssen. Die letzte Eintragung im Tagebuch Kleppers lautet: Wir sterben nun ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen heute nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.

Er will, daß ich mich füge. / Ich gehe nicht zurück. Hab nur in ihm Genüge, / in seinem Wort mein Glück. Ich werde nicht zuschanden, / wenn ich nur ihn vernehm. Gott löst mich aus den Banden. / Gott macht mich ihm genehm. Geborgen in das Gewand des biblischen Textes, bleibt auch noch angesichts des Todes die Hoffnung auf Gottes befreiende Gnade stärker als die Gnadenlosigkeit der Unmenschen. (5) Die Botschaft Jochen Kleppers hat überdauert. Es ist die Botschaft des Gottesknechts: die Botschaft Jesu, die auch zur Botschaft Karl Mays geworden ist: inspiriert von biblischen Worten aus dem Buch Jesaja. Alle, die diese Botschaft erreicht, können, dürfen, sollen sich gerne in das Gewand des biblischen Textes kleiden: Das zieh ich mir an! Gottes Wahrheit steht uns gut. Sie schützt uns an Leib und Seele. Sie färbt auf uns ab. Sie inspiriert uns. Sie macht auch anderen Menschen Mut, den Weg der Wahrheit mit uns zu gehen. Leidenschaftlich, und wenn es sein muss: auch durch Zeiten des Leidens hindurch. Schlussgedanke: Karl May hat kurz vor seinem Tod in einem Brief geschrieben: Ich möchte der Menschheit meinen Glauben geben, meine Liebe, meine Zuversicht, mein Licht, meine Wärme, meinen --- Gott! Heute bekenne ich ganz persönlich: Lieber Karl May, im Blick auf mein junges Leben hat sich Dein Herzenswunsch erfüllt. Du hast mir das alles gegeben, Deinen Glauben, Deine Liebe, Deine Zuversicht, Dein Licht, ja: Deinen Gott, schon damals, als ich mit 8, 9 Jahren die Bücher über Winnetou und Old Shatterhand, über Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar verschlungen habe, dutzende Deiner Bücher. Ich spreche da sicherlich für manch einen, der heute besonders aufmerksam zugehört hat: Karl May, wir danken Dir für Deine leidenschaftliche Botschaft für das Evangelium, wie Du es in abenteuerlicher Gestalt an uns weitergegeben hast! Und auch, wenn wir jetzt andere Bücher lesen: Der gemeinsame Grund-Text der Bibel verbindet uns in alle Ewigkeit das ziehen wir uns an! AMEN