Zur Entstehung zwischenartlicher Kreuzungen von Cichliden im Gesellschaftsaquarium 1. Teil Wolfgang Staeck In unregelmäßigen Abständen, die meist mehrere Wochen, gelegentlich aber auch einige Monate betragen, habe ich die Gelegenheit, in meinem Bekanntenkreis ein eindrucksvolles Gesellschaftsaquarium anzuschauen, das mit Mbuna-Cichliden aus dem Malawisee besetzt ist. Das recht geräumige Aquarium hat die Maße 230 50 50 Zentimeter und ist mit vielen Steinen als Nachbildung des Felsenlitorals eingerichtet. Als Pfleglinge wurden nur Arten ausgewählt, bei denen auch die Weibchen kräftige Farben besitzen, so dass es in dem Aquarium keine unscheinbar grauen oder braunen Fische gibt. Alle Arten vermehren sich regelmäßig, und die Jungfische wachsen größtenteils heran, da das Becken sehr biotopnah eingerichtet ist und ihnen viele Versteckplätze bietet. Deshalb muss das nach einiger Zeit regelmäßig übervölkerte Aquarium einmal im Jahr abgefischt werden, um die Zahl der in ihm lebenden Fische wieder auf eine angemessene Menge zu reduzieren. Der Fischbesatz besteht nun schon seit mehreren Jahren aus jeweils einem knappen Dutzend adulter Exemplare der drei Arten Labeotropheus trewavasae, Labidochromis caeruleus und Pseudotropheus saulosi. Bei der Labeotopheus-Variante handelt es sich um die Farbform, die im Litoral der Insel Thumbi West vorkommt und einfarbig blaue Männchen mit einer orangeroten Rückenflosse sowie orangefarbene Weibchen hat. Die Labidochromis caeruleus gehören der gelben Farbmorphe an, die in beiden Geschlechtern bis auf die teilweise tief schwarz gefärbten Flossen einfarbig zitronengelb aussieht. Pseudotropheus saulosi hat schließlich blaue Männchen, die auf dem Körper ein kräftiges Muster von sieben recht breiten schwarzen Querstreifen besitzen. Weibliche Fische dieser Art sehen dagegen mehr oder weniger orangegelb aus, da bei ihnen die artspezifischen dunklen Querstreifen nur seht schwach ausgebildet sind. Alle drei Buntbarscharten unterscheiden sich aber nicht nur deutlich in ihrer Färbung, sondern auch in ihrer Kopf- und Körperform. Die aus verschiedenen Gattungen stammenden Fische sind allopatrisch, das heißt, sie sind im Malawisees in weit auseinander liegenden Regionen verbreitet und treten daher niemals syntop auf. DCG-Informationen 41 (6): 139 146 139
Weibchen von Labidochromis caeruleus sind wegen des fehlenden Sexualdimorphismus schwer von männlichen Fischen zu unterscheiden. Männchen von Pseudotropheus saulosi Seite 139: Dominantes Männchen einer Kreuzung von Labidochromis caeruleus und Pseudotropheus saulosi Unerwartetes Auftreten von Hybriden Als ich das Aquarium nach einer längeren Pause wieder einmal genauer anschaute, fielen mir wegen ihrer abweichenden Färbung einige wenige Fische auf, die ich vorher noch niemals gesehen hatte und keiner der mir bekannten Arten zuordnen konnte. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich bei diesen entweder gelblich oder bläulich gefärbten Cichliden aber eine Mischung aus den allerdings abgeschwächten artspezifischen Merkmalen von sowohl Labidochromis caeruleus als auch Pseudotropheus saulosi, was ein eindeutiger Hinweis darauf ist, dass es sich bei diesen Fischen um Kreuzungen handelt, und zwar um Hybriden aus zwei Arten, die sogar aus verschiedenen Gattungen stammen. Alle Artbastarde besitzen in ihrer Rückenflosse das schwarze Längsband, das auch bei den beiden 140 DCG-Informationen 41 (6): 139 146
Weibchen der Kreuzung aus Labidochromis caeruleus und Pseudotropheus saulosi Kreuzungsmännchen zeigen eine intermediäre Mischfärbung zwischen dem Blau von Pseudotropheus saulosi und dem Gelb von Labidochromis caeruleus. Ursprungsarten vorhanden ist. Weibliche Exemplare der Kreuzung haben wie die Weibchen beider Eltern eine gelbe Färbung. Die Männchen zeigen jedoch eine intermediäre Mischfärbung, die zwischen dem Blau von Pseudotropheus saulosi und dem Gelb von Labidochromis caeruleus liegt. Auch die Maul- und Kopfform der Hybriden ist eine Mischung der jeweiligen Merkmalsausprägung beider Ausgangsarten. Bemerkenswert ist das Muster aus zehn bis elf dunklen Querstreifen, das die Fische auf ihren Körperseiten besitzen, weil P. saulosi nur bis zu sieben und Labidochromis caeruleus im Allgemeinen überhaupt keine vertikalen Streifen zeigt. Stimmungsbedingt können jedoch gelegentlich auch bei L. caeruleus andeutungsweise bis zu elf schmale Querstreifen auf dem Körper sichtbar werden. Offensichtlich wurde dieses Zeichnungsmuster an die Hybriden vererbt. DCG-Informationen 41 (6): 139 146 141
Die Kopf- und Maulform der Hybrid-Männchen zeigt Merkmale beider Elternarten. Die dunklen Querstreifen der Hybriden können stimmungsabhängig auch bei Labidochromis caeruleus andeutungsweise sichtbar sein. In den letzten Jahren sind die Mechanismen, die unter natürlichen Bedingungen das Entstehen von zwischenartlichen Kreuzungen bei den in den ostafrikanischen Seen lebenden Buntbarschen verhindern und dadurch die Vielfalt der in diesen Gewässern zusammen vorkommenden verschiedener Arten aufrechterhalten, bei Verhaltensbiologen auf verstärktes Interesse gestoßen. Ein Indiz dafür bilden die in jüngster Zeit veröffentlichten Ergebnisse von einem halben Dutzend Untersuchungen, die verschiedene Aspekte dieses Fragenkomplexes zum Thema hatten. Da die Resultate dieser Arbeiten für die Pflege von Buntbarschen im Gesellschaftsaquarium von Bedeutung sind, möchte ich sie im Folgenden referieren. 142 DCG-Informationen 41 (6): 139 146
Männchen von Maylandia callainos Männchen von Maylandia lombardoi Untersuchungen zur Arterkennung mit Malawisee-Cichliden Couldridge & Alexander (2002) untersuchten in Auswahlexperimenten, ob die Weibchen von vier unterschiedlich gefärbten Mbuna-Buntbarschen aus dem Maylandia-zebra-Komplex ihre männlichen Artgenossen an ihrer artspezifischen Färbung erkennen und von anderen Arten unterscheiden können. Für diese Untersuchung verwendeten sie Maylandia callainos und Maylandia zebra red dorsal mit blauen sowie M. lombardoi und M. zebra gold mit gelb gefärbten Männchen. Jeweils einem Weibchen dieser vier Arten wurde in einem ersten Durchgang zugleich mit einem artgleichen Männchen zusätzlich noch je ein männlicher Fisch der drei anderen Arten zur Wahl angeboten. In einem zweiten Durchgang konnten die Weibchen dann nur noch zwischen den drei artfremden DCG-Informationen 41 (6): 139 146 143
Männchen von Maylandia zebra "gold" Weibchen von Maylandia lombardoi bevorzugten in Auswahlversuchen die gelben Maylandia zebra "gold" gegenüber blauen artfremden Männchen. Männchen wählen. Protokolliert wurde die Länge der Zeit, die sich jeder der weiblichen Fische bei jedem der gleichzeitig zur Wahl stehenden vier bzw. drei verschiedenen Männchen aufhielt. Weibchen aller vier Arten zeigten ausnahmslos eine signifikante Bevorzugung des männlichen Artgenossen. Als ihnen dieser im zweiten Durchgang nicht mehr zur Wahl stand, wählten sie am häufigsten den artfremden männlichen Fisch, dessen Farbkleid jeweils dem Aussehen des eigenen Männchens am stärksten ähnelte: Weibchen von M. callainos und M. zebra bevorzugten das artfremde blaue, M. lombardoi und M. zebra gold dagegen das artfremde gelbe Männchen. Daraus wurde gefolgert, dass die artspezifischen Farbmuster bei den untersuchten Cichliden eine wichtige Rolle bei der Arterkennung und der Auswahl des männlichen Fortpflanzungspartners durch die Weibchen spielen. 144 DCG-Informationen 41 (6): 139 146
Maylandia zebra aus der Nkhata Bay Maylandia emmiltos von den Mphanga Rocks gehört zu den Arten mit orangefarbener Rückenflosse. In Experimenten zur Wahl des Fortpflanzungspartners durch die Weibchen versuchten Jordan und Mitarbeiter (2003) die Faktoren zu analysieren, die bei sympatrisch vorkommenden Mbuna- Cichliden des Malawisees Artkreuzungen verhindern. In ihren Versuchen boten sie jeweils einem laichbereiten Weibchen ein Männchen derselben und einer anderen, in demselben Lebensraum lebenden Mbuna-Art als Fortpflanzungspartner an. Ihre Experimente hatten das Ergebnis, dass die selektive Partnerwahl der Weibchen hauptsächlich auf der Grundlage der artspezifischen Färbung der Männchen erfolgt. DCG-Informationen 41 (6): 139 146 145
Verhinderung einer Hybridisierung in der Natur Knight & Turner (2004) führten mit fünf allopatrischen Populationen aus dem Maylandia-zebra- Komplex weitere derartige Experimente durch. Bei diesen Fischen handelte es sich einerseits um die beiden weitgehend identisch gefärbten Populationen von Maylandia zebra aus der Nkhata Bay und dem Litoral der Insel Chisumulu und andererseits um die drei etwas anders aussehenden Populationen von den Mara Rocks und Ruarwe sowie Maylandia emmiltos von den Mphanga Rocks, die als einzige der bei den Versuchen verwendeten Arten eine orangerote Rückenflosse hat. Bei den insgesamt 115 Paarungen, die untersucht wurden, hatten 61,7 Prozent der Weibchen, obwohl sie jeweils zwischen je einem Männchen der genannten fünf Populationen frei wählen konnten, mit einem Partner der eigenen Population gelaicht. Unter den Hybriden traten zwischen den beiden Populationen aus der Nkhata Bay und von der Chisumulu-Insel, zwischen denen es kaum Farbunterschiede gibt, Kreuzungen am häufigsten auf. Maylandia thapsinogen ist eine weitere ähnliche Art aus dem Komplex mit orangefarbener Rückenflosse. Blais & Mitarbeiter (2009) untersuchten schließlich unter einer ähnlichen Fragestellung vier Populationen aus dem Maylandia-zebra-Komplex, deren Männchen sich durch ihre entweder blaue oder orangerote Rückenflosse unterscheiden. Die von ihnen beschriebenen Ergebnisse sind mit den Resultaten der früheren Untersuchungen vergleichbar. Entgegen ihrer Arbeitshypothese kam es aber sogar einerseits zwischen Maylandia emmiltos und Maylandia thapsinogen (beide mit orangefarbener Dorsale) sowie andererseits zwischen Maylandia zebra aus der Nkhata Bay und der Chiofu Bay (beide mit blauer Dorsale) erstaunlicherweise nur selten zu Kreuzungen, obwohl zwischen diesen beiden Paaren jeweils keine deutlichen Farbunterschiede existieren. Die Autoren ziehen daraus den Schluss, dass die sexuelle Selektion bei der Partnerwahl durch die Weibchen nicht ausschließlich auf visuellen Informationen beruht, welche die artspezifische Färbung liefert, sondern dass auch noch andere Reize eine Rolle spielen können, die möglicherweise der Geruchssinn liefert. Fortsetzung folgt Fotos: Wolfgang Staeck 146 DCG-Informationen 41 (6): 139 146