Diplomarbeit. Bildungsungleichheiten in Deutschland. Vanessa Engin

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Transkript:

Diplomarbeit Vanessa Engin Bildungsungleichheiten in Deutschland Über ungleiche Bildungschancen zwischen den einzelnen sozialen Schichten sowie von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund Diplom.de

Vanessa Engin Bildungsungleichheiten in Deutschland Über ungleiche Bildungschancen zwischen den einzelnen sozialen Schichten sowie von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ISBN: 978-3-8366-4854-7 Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2010 Zugl. Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Duisburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... II Abbildungsverzeichnis...V 1. Einleitung... 1 2. Begriffserklärung... 4 2.1 Bildung... 4 2.2 Bildungsnotstand... 6 2.3 Bildungssoziologie... 6 2.4 Bildungsungleichheiten... 7 2.5 Soziale Ungleichheit... 7 2.6 Reproduktion... 7 2.7 Soziale Reproduktion... 8 2.8 Soziale Reproduktion nach Pierre Bourdieu... 8 2.9 Chancengleichheiten... 9 2.10 Bildungschancen... 9 2.11 Migranten... 9 2.12 Migration... 10 3. Die Bildungsexpansion... 11 3.1 Historische Eingrenzungen der Bildungsexpansion... 13 3.2 Ursachen der Bildungsexpansion... 13 3.3 Folgen der Bildungsexpansion... 14 3.3.1 Strukturelle Folgen der Bildungsexpansion... 14 3.3.2 Kulturelle Folgen der Bildungsexpansion... 16 4. Entstehung und Reproduktion dauerhafter Bildungsungleichheiten... 17 5. Bildungssysteme in Deutschland... 20 5.1 Anteile von deutschen und ausländischen Schülerinnen und Schüler im deutschen Schulsystem... 21 6. Bildungschancen und Bildungsmisserfolge von ausländischen Schülerinnen und Schülern im deutschen Bildungssystem... 25 6.1 Art und Ausmaß der Nachteile von Schülern mit Migrationshintergrund gegenüber einheimischen Schülern... 25 II

6.2 Erklärungen und Gründe für Bildungsnachteile von Schülern mit Migrationshintergrund... 28 7. Pisa... 32 7.1 Was ist PISA... 32 7.2 Ziele von PISA... 33 7.3 Der PISA- Schock... 34 7.4 Teilnehmerstaaten PISA 2000, 2003 und 2006... 35 7.5 Die Ergebnisse von PISA... 36 7.5.1 PISA Ergebnisse 2000... 36 7.5.2 PISA Ergebnisse 2003... 38 7.5.3 PISA Ergebnisse 2006... 41 7.6 Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb am Beispiel PISA 2000... 43 7.6.1 Die Familien der 15-Jährigen... 44 7.6.2 Soziale Herkunft und Bildungsbeteiligung... 45 7.6.3 Jugendliche aus Migrationsfamilien... 47 7.6.4 Soziale Herkunft und Kompetenzerwerb im nationalen und internationalen Vergleich... 48 8. Bildung und soziale Ungleichheit nach Bourdieu und Boudon... 51 8.1 Das meritokratische Prinzip sozialer Ungleichheit... 51 8.2 Soziale Ungleichheit nach Bourdieu... 55 8.2.1 Struktur, Habitus und Praxis nach Pierre Bourdieu... 55 8.2.2 Die Struktur nach Pierre Bourdieu... 56 8.2.3 Habitus und Praxis nach Pierre Bourdieu... 56 8.2.4 Bildung und Klassen nach Pierre Bourdieu... 57 8.2.4.1 Das kulturelle und ökonomische Kapital nach Pierre Bourdieu... 57 8.2.4.2 Das soziale Kapital nach Pierre Bourdieu... 58 8.2.4.3 Übertragbarkeit des Bourdieuschen Ansatzes auf Deutschland... 59 8.5 Soziale Ungleichheit nach Boudon... 60 8.5.1 Die Schulische Laufbahn nach Boudon... 61 8.5.2 Von der Grundschule zum Übergang in die Sekundarstufe... 61 8.5.3 Chancenunterschiede auf Hauptschulen und Gymnasien... 63 8.6 Ein Vergleich zwischen Bourdieu und Boudon... 64 9. Ungleichheitserzeugende Strukturen im deutschen Bildungssystem... 66 III

9.1 Differenzen zwischen lebensweltlichen und institutionalisierten Bildungsprozessen... 66 9.2 Schule als Institution der Mittelschicht nach Pierre Bourdieu... 67 10. Gleiche Bildungschancen für alle... 69 10.1 Lösungsvorschläge zur Verringerung von Bildungsungleichheiten... 69 10.2 Lösungsansätze im Bezug auf das europäische Ausland... 71 11. Schlussbetrachtung und Fazit... 74 Literaturverzeichnis... VII Monographien...VII Internetquellen...XX IV

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Das Schulsystem in Deutschland...21 Abb. 2: Schüleranzahl in Deutschland in allen Schulformen...22 Abb. 3: Verteilung der ausländischen Schüler nach Schularten (2008/2009)...23 Abb. 4: Die PISA-Studie (Jahr 2000)...37 Abb. 5: Die PISA-Studie (Jahr 2003)...40 Abb. 6: Die PISA-Studie (Jahr 2006)...43 Abb. 7: Bildungsabschlüsse...45 Abb. 8: 15-jährige nach Schichtzugehörigkeit und Bildungsgang (in %)...46 Abb. 9: 15-jährige nach Migrationshintergrund und Bildungsgang ohne Sonderschüler (in %)... 48 V

1. Einleitung Unterschiede der, Bildung sind heute, gegenüber dem klassenbildenden Element der Besitz- und ökonomischen Funktionsgliederung, zweifellos der wichtigste eigentlich ständebildende Unterschied. Wesentlich kraft des sozialen Prestiges der Bildung behauptet sich der moderne Offizier vor der Front, der moderne Beamte innerhalb der sozialen Gemeinschaft. Unterschiede der Bildung sind - man mag das noch so sehr bedauern eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken. Vor allem in Deutschland, wo fast die sämtlichen privilegierten Stellungen innerhalb und außerhalb des Staatsdienstes nicht nur an eine Qualifikation von Fachwissen, sondern außerdem von allgemeiner Bildung geknüpft (sind) und das ganze Schul- und Hochschulsystem in deren Dienst gestellt ist. 1 Das Thema Bildung steht bereits seit mehreren Jahrzehnten im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Die große Bedeutung von Bildung in der heutigen Gesellschaft ist unumstritten. Seit der Bildungsexpansion in den 50er und der Bildungsdebatte in den 60er Jahren sind im Bereich Bildung sowohl positive wie auch negative Entwicklungen zu verzeichnen. So wurde durch die Bildungsexpansion eine allgemeine Anhebung des Bildungsniveaus erreicht, das heißt, dass sich die Bildungschancen für alle Schichten verbessert haben. Dennoch konnten gravierende schichttypische Ungleichheiten bis heute nicht beseitigt werden. Im Gegenteil, die Ungleichheiten wachsen weiter an. Die Ausdehnung des Bildungssystems, besonders im Bereich der Realschulen, des Gymnasiums und der Hochschulen hat dazu beigetragen, dass Kinder bessere Möglichkeiten haben, höhere Bildungsabschlüsse zu erwerben. Jedoch prägt weiterhin die soziale Herkunft die Bildungschancen im deutschen Bildungssystem. So ist es damals wie heute für ein privilegiertes 2 Kind leichter ein Gymnasium zu besuchen und somit einen höheren Bildungsabschluss zu erwerben als für ein nicht privilegiertes Kind. Auch ist es heute immer noch so, dass Kinder, die eine Haupt- 1 Max Weber, 1922: S. 247 f. 2 Privilegiert im Sinne von gehobenem sozialem Hintergrund. 1

schule besuchen, eher aus sozial schwachen Schichten oder aus Familien mit Migrationshintergrund stammen. Die Bildungschancen für Mädchen hingegen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. So war es für ein Mädchen vor ein paar Jahrzehnten noch fast undenkbar, einen höheren Bildungsweg einzuschlagen; dies ist heute jedoch nur noch eine schwache Erinnerung. Mädchen erreichen heutzutage in vielen Bereichen höhere Bildungsabschlüsse als ihre männlichen Mitstreiter und auch die beruflichen Möglichkeiten von Mädchen und Frauen haben sich sehr erweitert. Doch auch hier ist zu beobachten, dass es Mädchen aus sozial schwachen Schichten und Mädchen mit Migrationshintergrund weniger als ihren sozial besser gestellten Mitschülerinnen gelingt, diese Chancen zu nutzen. Auch die PISA-Studie, die in der Öffentlichkeit zum PISA-Schock geführt hat, hat erheblich dazu beigetragen, dass das Thema Bildung in Deutschland wieder in den Fokus der Gesellschaft getreten ist. Durch den internationalen Vergleich bei PISA wurde deutlich, dass Deutschland Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft massiv benachteiligt. Der Zusammenhang von Kompetenzerwerb und sozialer Herkunft ist in Deutschland immer noch entscheidend höher für den Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses als in anderen vergleichbaren europäischen Industrieländern. In Bezug auf die Ungleichheiten zwischen den sozialen Schichten wurden zwar kleinere Fortschritte erzielt, jedoch noch nicht genug, um vom Gerechtigkeit und Gleichheit zwischen den einzelnen sozialen Schichten zu sprechen. Es lässt sich zwar in den letzten Jahrzehnten eine Besserung verzeichnen, jedoch ist eine wesentliche Steigerung der Bildungsmöglichkeiten für sozial schwache Schichten bis heute ausgeblieben. Auch der Zugang zu höherer Bildung ist für Kinder mit Migrationshintergrund immer noch sehr schwer und ungleich verteilt. So ist es für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund immer noch bedeutend schwieriger, an ein Gymnasium oder eine Realschule zu kommen als für ein einheimisches Kind. Die folgende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Bildungsungleichheiten in Deutschland entstehen und (Re)- produziert werden und inwieweit Bildungsungleichheiten in Deutschland vorhanden sind. Dies wird anhand der PISA- Studie genau betrachtet. Der besondere Fokus liegt dabei auf der Frage, warum sozial schwache Schichten sowie Kinder mit Migrationshintergrund immer noch 2

so stark von der Selektion des deutschen Schulsystems betroffen sind und was getan werden kann, um diesen Zustand langfristig zu ändern. Um den Hintergrund der heutigen Probleme zu beleuchten, werden Ursachen und Folgen der Bildungsexpansion genauer betrachtet und ihre Wirkung erläutert. Auch werden in der folgenden Arbeit die Theorien von Bourdieu und Boudon dargestellt, erläutert und miteinander verglichen um aus soziologischer Sicht das Problem der sozialen Ungleichheit besser bearbeiten zu können. Um Vorschläge erarbeiten zu können, wie dem starken Zusammenhags von sozialer Herkunft und Bildung im deutschen Schulsystem entgegengewirkt werden kann, wird in der vorliegenden Arbeit nicht nur das deutsche Bildungssystem dargestellt und erläutert, sondern mit den Bildungssystemen der europäischen Länder (im besonderen Schweden) verglichen, die bei der PISA-Studie erheblich besser abgeschnitten haben als Deutschland. 3