lebenswert lebensunwert Fest im Griff des NS-Regimes Euthanasie und Zwangssterilisation in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen

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Transkript:

Foto: Archiv Schneider lebenswert lebensunwert Fest im Griff des NS-Regimes Euthanasie und Zwangssterilisation in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen Symposium 09. Mai 2014 Gerhard Schneider

Geschichte des Hauses

Geschichte des Hauses

Geschichte des Hauses

Täter Dr. med. Paul Reiß * 11.01.1883 in Deggendorf + 06.12.1958 in Regensburg ab 1930 Direktor Mainkofen 01.07.1932 Direktor Deggendorf + Mainkofen ab 01.10.1938 Direktor HlPflA Regensburg NS-Volkswohlfahrt seit 1934 NSDAP seit 1935 Rassenpolitisches Amt (i. d. Reichsleitung) 1936 NS-Ärztebund 1936 Komm. Kreisbeauftragter f. Rassepolitik 1937 Gutachter für Schwangerschaftsunterbrechungen Beisitzer EEG Deggendorf Foto: Archiv Schneider

Täter Dr. med. Josef Schapfl * 28.02.1888 in Landsberg/Lech + 18.01.1946 in Hausstein Oberarzt HlPflA Eglfing ab 01.03.1930 Oberarzt u. stv. Direktor Mainkofen Direktor Mainkofen vom 01.10.1938 30.09.1945 NSDAP seit 1933 NSV seit 1933 Beisitzer EEG Deggendorf Beisitzer EEG Straubing Foto: Archiv Schneider

Täter Karl Ammersdörfer * 30.10.1881 in Erlangen + 22.07.1973 in Deggendorf seit 01.02.1912 Rechnungsführer Deggendorf ab 01.01.1919 Verwaltungsleiter Deggendorf ab 1926 30.09.1945 Verwaltungsleiter Mainkofen Sturmabteilung der NSDAP seit 1933 SA seit 1933 (Oberscharführer) NS-Kraftfahr-Korps seit 1934 (Truppführer) RDB und NSV seit 1934 Foto: Chronik 80 Jahre Mainkofen

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen damals: Haus 18 Heute: Station B12 links Kostümfundus B14 rechts

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen

Zwangssterilisationen 130 120 110 100 118 Sterilisationen in Mainkofen Frauen (n = 122) Männer (n = 365) 90 80 70 60 72 Frauen Männer 50 50 48 40 34 30 26 28 27 20 10 0 20 17 12 9 6 6 4 4 4 0 1 1 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943

Aktion T4

Aktion T4 Prof. Dr. Werner Heyde Berlin Tiergartenstr. 4 Quelle: Tagebuch für besondere Ereignisse (Original verschollen ; Kopie Archiv Schneider)

Aktion T4 Dr. Theodor Steinmeyer (T4-Gutachter) auf Selektionsreise Fotos: Klee, Ernst

Aktion T4 Blauer Strich = Leben, roter Strich = Tod Meldebögen wurden in Mainkofen halbjährlich erstellt. Die letzten Meldebögen wurden im Juli 1944 (!) versandt.

Aktion T4

Aktion T4

Aktion T4 Quelle: DB Museum Nürnberg

Aktion T4

Aktion T4

Aktion T4 Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart/Linz (Zwischenanstalt) Dr. Rudolf Lonauer Direktor von Niedernhart und Hartheim

Aktion T4 Tötungsanstalt Schloss Hartheim (Alkoven/Linz) Vergasungsarzt Dr. Georg Renno mit Hartheimer Personal

Aktion T4

Aktion T4

Aktion T4 Quelle: Transportlisten Schneider Alle Transporte wurden mit der Deutschen Reichsbahn durchgeführt. Ein 6. Transport war für September 1941 geplant! 2 überlebende Patienten konnten identifiziert werden

Sammeltransporte nach Mainkofen Klingenmünster 10.09.1939 = 65 Gau Heil- u. Pflegeanstalt Dobrany (Böhmen) 12/1939 07/1940 = 59 Kretinenanstalt Straubing 01.04.1941 = 37 Pflegeanstalt Reichenbach 17.05.1941 = 135 Pflegeanstalt Reichenbach 19.05.1941 = 67 Pflegeanstalt Münchshöfen 20.05.1941 = 116 davon 61 % T4-Opfer VA Johannesbrunn 21.08.1941 = 33 Kretinenanstalt Straubing 25.08.1941 = 163 Elisabethenheim Deggendorf 01.09.1941 = 61 T4 geplant? Einstellung Aktion am 24.08.1941 Hamburg 11.08.1943 = 53 Hamburg 12.08.1943 = 60 (sog. Kindertransport) Landesanstalt Neuruppin 01.10.1943 = 48 Aktion Brandt 897 Patienten in Transportlisten erfasst (Stand Dezember 2013)

Bayerischer Hungerkosterlass

Dezentrale Tötungsmaßnahmen - Hungerkost Ihrem Antrag vom 27. August 1944 kann nach neuerlicher Überprüfung nicht entsprochen werden. Es handelt sich bei Geisteskranken doch um erbbiologisch recht minderwertige Menschen, bei denen Zusatzverpflegung grundsätzlich abzulehnen ist. gez. i.a. Kainz Schreiben des Landrats Ernährungsamt, Abteilung B, Deggendorf vom 06.10.1944 Nr. E 1136/44; Eingang Mainkofen am 08.10.1944 auf einen Antrag von Dr. Leinisch um Gewährung von Zusatzverpflegung.

Dezentrale Tötungsmaßnahmen - Hungerkost Gewichtstabelle einer 33-jährigen Patientin + am 17.05.1943 Todesursache : Lungentuberkulose

Dezentrale Tötungsmaßnahmen - Hungerkost 500 Sterbefälle 1933-1945 453 450 400 350 300 1941 = 8,9 %/8,3 % 1942 = 15,7 %/10,0% 1943 = 19,8 %/26,5% 1944 = 23,2 %/26,0% 1945 = > 40 %/41,0% 250 209 200 150 108 149 173 100 78 50 20 43 46 42 40 51 45 0 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 Quellen: Haupt- und Leichenschaubücher Mainkofen

Dezentrale Tötungsmaßnahmen - Hungerkost Anteil an allen Sterbefällen 45,0% 40,0% 35,0% 30,0% 25,0% 20,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% 40,7% Nennung Diagnosen (Todesursachen) Sterbefälle 1943-1945 Quelle: Leichenschaubuch; n = 777 20,3% 14,3% 10,8% 6,8% 3,7% 1,8% 1,5% Diagnosecluster nach ICD-10-GM 2014

Prosektur und Hirnforschung

Prosektur und Hirnforschung 80 76,0 70 60 53,7 55,6 Sektionen (n = 177) in % der Sterbefälle eines Jahres 50 40 34,9 34,2 30 26,7 20 15,8 14,3 10 10,3 8,1 6,4 1,9 0 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Prosektur und Hirnforschung

Prosektur und Hirnforschung 16 14 15 13 Entnommene und an die Prosektur Eglfing versandte Gehirne (n = 54) 12 10 8 7 6 5 5 4 2 2 3 2 2 0 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943

Geisteskranke Ostarbeiter

Geisteskranke Ostarbeiter *) Forschungsstand: Dezember 2013

Es begann mit der Akzeptanz der Einstellung, dass es bestimmte Leben gibt, die nicht wert sind gelebt zu werden Leo Alexander (US-amerikanischer Berichterstatter der Nürnberger Ärzteprozesse)

Danke, dass Sie mir zugehört haben!