COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION. Brussels, 22 December /06 LIMITE DROIPEN 76 NOTE

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ENTWURF DER CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION

Transkript:

COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION Brussels, 22 December 2006 16874/06 LIMITE DROIPEN 76 NOTE from : to : Subject : Presidency Working Party on Substantive Criminal Law Proposal for a Council Framework Decision on certain procedural rights in criminal proceedings throughout the European Union Please find attached the German Presidency compromise proposal on the above mentioned Proposal for a Council Framework Decision, to be discussed during the next meeting of the Working Party on Substantive Criminal Law, on 19 January 2007. 16874/06 IS/np 1

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe c, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Europäische Union hat sich den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt. Dieser setzt ein in seinen tragenden Elementen gleiches Verständnis aller Mitgliedstaaten von Freiheit, Sicherheit und Recht voraus und beruht auf den Grundsätzen der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. (2) In der Europäischen Union soll polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit allen Bürgern ein hohes Maß an Sicherheit geben. Einer der Ecksteine hierfür ist der Grundsatz gegenseitiger Anerkennung justizieller Entscheidungen, festgelegt in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere und bekräftigt im Haager Programm von 2004. (3) Gegenseitige Anerkennung setzt Vertrauen voraus. Die Anerkennung strafgerichtlicher Entscheidungen ist daher abhängig vom Vertrauen der Mitgliedstaaten in die jeweils anderen Strafrechtssysteme. Die Beachtung der in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgelegten Mindeststandards bei Festnahmen sowie in Strafverfahren ist die Basis eines solchen Vertrauens. Die dort beschriebenen und von allen Mitgliedstaaten anerkannten Mindeststandards sollen - in ihrer Interpretation und Fortentwicklung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechtemit diesem Rahmenbeschluss, zu dessen konkreter Ausgestaltung auch der Europarat mit seinen Anregungen beigetragen hat, bekräftigt und behutsam erweitert werden. Die Standards der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dürfen aber keinesfalls von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unterschritten werden. 16874/06 IS/np 2

(4) Über die hinaus gewährt dieser Rahmenbeschluss zusätzlich - das Recht auf Information über die grundlegenden Verfahrensrechte einschließlich der Rechte aus diesem Rahmenbeschluss, - die Erstreckung der Rechte dieses Rahmenbeschlusses auf Verfahren, die die Ausführung eines Europäischen Haftbefehls oder eines Auslieferungs- oder Überstellungsverfahrens festgenommener Personen an einen internationalen Gerichtshof betreffen. (5) Unbeschadet der Regelung des Artikels 7 sollen die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses nicht darauf gerichtet sein, besondere Maßnahmen zu beeinträchtigen, welche auf nationalen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Kriminalität, die auf die Zerstörung der Grundlagen des Rechtsstaats abzielt, beruhen. Die Verfolgung dieser schweren und komplexen Formen der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, kann unter Beachtung der Gebote der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit Einschränkungen der Verfahrensstandards rechtfertigen. Allerdings dürfen diese Einschränkungen nicht soweit gehen, dass der Wesenskern der Verfahrensrechte beeinträchtigt wird. (6) Unbeschadet der Tatsache, dass die Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten weitergehende Schutzrechte enthält, sollen in diesem Rahmenbeschluss zunächst nur bestimmte Bereiche ausgewählt werden, in denen konkrete gemeinsame Mindestgarantien und praktische Maßnahmen hierzu vereinbart werden: - das Recht auf anwaltlichen Beistand, - die Gewährleistung der Unentgeltlichkeit des Rechtsbeistandes für Personen, die nicht in der Lage sind, die Kosten selbst zu tragen, - [ 1 das Recht auf Ladung und Befragung von Zeugen ] - das Recht auf einen unentgeltlichen Dolmetscher sowie auf kostenfreie Übersetzung von Dokumenten - eine Mitteilung an den Rechteinhaber über seine grundlegenden Verfahrensrechte. 1 Das Thema ist neu, entspricht aber Art 6 Abs. 3 d EMRK 16874/06 IS/np 3

Die zur Umsetzung dieser Mindestgarantien vereinbarten praktischen Maßnahmen sind in der Anlage zu diesem Rahmenbeschluss aufgeführt, HAT FOLGENDEN RECHTSAKT ANGENOMMEN: RAHMENBESCHLUSS ÜBER BESTIMMTE VERFAHRENSRECHTE IN STRAFVERFAHREN INNERHALB DER EUROPÄISCHEN UNION Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich (1) Um die gegenseitige Anerkennung justizieller Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erleichtern und die Fairness in Verfahren gegen Personen, die einer Straftat angeklagt oder im Zusammenhang damit festgenommen worden sind zu gewährleisten, werden in diesem Instrument von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzuhaltende Mindestnormen für bestimmte Rechte dieser Personen festgelegt. (2) Die Begriffe einer Straftat angeklagt und festgenommen sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Artikel 5 und 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen. (3) Die Mindestrechte für Personen, die im Zusammenhang mit einer Straftat festgenommen worden sind, gelten auch in Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festnahme. (4) Sofern dieser Rahmenbeschluss nichts anderes vorsieht, haben seine Bestimmungen, die Rechten entsprechen, welche durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert sind, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie diese Rechte nach der genannten Konvention und nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. 16874/06 IS/np 4

(5) Soweit einzelne Mitgliedstaaten nach Artikel 57 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Vorbehalte gegenüber einzelnen Bestimmungen dieser Konvention erhoben haben, gelten diese auch für den Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses und die in ihm geregelten Rechte. Artikel 2 Recht auf Information (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede Person, die einer Straftat angeklagt ist innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung und die ihr zustehenden Verfahrensrechte unterrichtet wird. (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Person, die einer Straftat angeklagt ist und deswegen festgenommen wurde, über das Recht in Absatz 1 hinaus innerhalb möglichst kurzer Frist 1 in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt wird, was die Gründe ihrer Festnahme sind und welche Verfahrensrechte ihr zustehen. (3) Die nach den Absatz 1 und 2 zu gewährleistenden Informationen müssen insbesondere die in diesem Rahmenbeschluss festgelegten Rechte auf Verteidigung, Unentgeltlichkeit des Rechtsbeistandes, auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher und unentgeltliche Übersetzung von Verfahrensdokumenten betreffen. 1 Alt: unverzüglich, so die deutsche Übersetzung zu Art 5 EMRK, die allerdings das englische Wort promptly einmal mit unverzüglich und einmal mit innerhalb möglichst kurzer Frist übersetzt. 16874/06 IS/np 5

Artikel 3 Recht auf Verteidigung Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass 1) jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, a) ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung hat, b) sich selbst verteidigen kann, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen lassen kann oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers erhält, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, [c) 1 Fragen an Belastungszeugen stellen oder stellen lassen kann und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen erwirken kann, wie sie für Belastungszeugen gelten,] 2) jede Person, die einer Straftat angeklagt und im Zusammenhang damit festgenommen ist, a) [unverzüglich] nach der Festnahme mit einem Verteidiger Kontakt aufnehmen, sich mit ihm beraten und ihn zu ihrer Vernehmung beiziehen kann, b) sich mit dem Verteidiger außer Hörweite dritter Personen beraten kann und auch nicht auf andere Weise inhaltlich überwacht wird. c) einen Verteidiger ihrer Wahl hinzuziehen kann oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers erhält, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Artikel 4 Recht auf einen Dolmetscher Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede einer Straftat angeklagte oder im Zusammenhang damit festgenommene Person unentgeltlich die Unterstützung eines Dolmetschers erhält, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. 1 Das Thema ist neu, entspricht aber wörtlich Art 6 Abs. 3 d EMRK 16874/06 IS/np 6

Artikel 5 Recht auf die Übersetzung von Dokumenten Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede einer Straftat angeklagte oder im Zusammenhang damit festgenommene Person unentgeltlich eine Übersetzung der für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens erforderlichen Dokumente erhält, wenn sie die Sprache, in der die Dokumente verfasst sind, nicht versteht. Im Fall der Festnahme sind jedenfalls die Dokumente, die für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit wesentlich sind, zu übersetzen. Artikel 6 Bewertung der Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses (1) Die Wirksamkeit dieses Rahmenbeschlusses wird nach Maßgabe der Mechanismen bewertet, die auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union eingeführt werden. (2) Die Mitgliedstaaten sorgen für eine reibungslose Zusammenarbeit und stellen Informationen zur Verfügung, um die Bewertung zu erleichtern. Artikel 7 Nichtbeeinträchtigungsklausel Keine Bestimmung dieses Rahmenbeschlusses ist so auszulegen, dass sie die Verfahrensrechte und -garantien nach Maßgabe der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die ein höheres Schutzniveau vorsehen, beschränken oder mindern würde. 16874/06 IS/np 7

Artikel 8 Umsetzung (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis zum [...] nachzukommen. (2) Die Mitgliedstaaten übermitteln dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission bis zu demselben Termin den Wortlaut der Vorschriften, mit denen ihre Verpflichtungen aus diesem Rahmenbeschluss in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. (3) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum [...] einen Bericht vor, in dem bewertet wird, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um diesem Rahmenbeschluss nachzukommen; diesem Bericht sind, soweit erforderlich, Legislativvorschläge beizufügen. (4) Auf der Grundlage des Berichts der Kommission bewertet der Rat, inwieweit die Mitgliedstaaten diesen Rahmenbeschluss umgesetzt haben. (5) Die regelmäßige Bewertung und Überwachung dieses Rahmenbeschlusses wird gemäß Artikel 6 durchgeführt. Artikel 9 Inkrafttreten Dieser Rahmenbeschluss tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Geschehen zu Brüssel am [...] Im Namen des Rates Der Präsident [...] 16874/06 IS/np 8

ANLAGE Um die Beachtung der sowohl in diesem Rahmenbeschlusses als auch der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgelegten grundlegenden Strafverfahrensrechte in der Praxis zu gewährleisten, ergreifen die Mitgliedstaaten die nachfolgenden praktischen Maßnahmen: I. Zur allgemeinen Information über die bestehenden Strafverfahrensrechte Um Bürger und Rechtsanwender in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union über die bestehenden grundlegenden Strafverfahrensrechte zu informieren setzen sich die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Zuständigkeit dafür ein, - in besonderer Weise auf den Internet-Homepages der Polizei- und Justizbehörden auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg zum Thema der Mindeststandards von Verfahrensrechten in Strafverfahren hinzuweisen, - geeignete Urteile des Gerichtshofs in Straßburg zum Thema der Mindeststandards von Verfahrensrechten in Strafverfahren in ihre Amtssprachen zu übersetzen und insbesondere auf den Internet-Homepages der Polizei- und Justizbehörden zu veröffentlichen, um die Beachtung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern - Fortbildungsveranstaltungen für Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte zum Thema gemeinsamer Mindeststandards in Strafverfahren in der Europäischen Union zu organisieren. II. Zum Recht auf Information Um das Recht auf Information aus diesem Rahmenbeschluss zu gewährleisten, setzen sich die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Zuständigkeit dafür ein, 16874/06 IS/np 9

- in ihren Polizeidienststellen einen in allen Sprachen der Europäischen Union verfassten Brief über die Rechte vorzuhalten und auch zu benutzen, der die wesentlichen Rechte eines Betroffenen benennt. III. Zum Recht auf Verteidigung Um das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten, setzen sich die Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit dafür ein, - in ihren Polizeidienststellen eine Liste jener Rechtsanwälten vorzuhalten, die dem Betroffenen im Falle ihrer Festnahme zügig einen ersten Rechtsrat erteilen und ihm beistehen können, - die Möglichkeit eines ungestörten Kontakts zwischen dem Betroffenen und seinem Rechtsbeistand vorzusehen. - bei den örtlichen Anwaltsvereinigungen die Einrichtung von 24-Stunden-Notdiensten anzuregen. IV. Zum Recht auf Dolmetschung und Übersetzung von Dokumenten Um die Rechte auf Dolmetschung und Übersetzung von Dokumenten zu gewährleisten, setzen sich die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit dafür ein, - geeignete und wirksame nationale Standards für Dolmetschleistungen (einschließlich Gebärdendolmetschung) im Bereich der Strafgerichtsbarkeit zu entwickeln - Schulungsmaßnahmen für Gerichtsdolmetscher bei entsprechenden Lehrinstituten zu veranlassen. Die Kommission wird gebeten, Projekte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europarates in geeigneter Weise, auch finanziell, zu unterstützen, die der Umsetzung der Ziele dieses Rahmenbeschlusses dienen. 16874/06 IS/np 10