Neue Cichliden aus Uganda Erwin Schraml Die Firma Mimbon Aquarium (KöIn) hat im Oktober 1993 unter anderem eine Sendung mit Cichliden aus dem ugandischen Teil des Viktoriasees erhalten. Darunter befanden sich einige bisher in Deutschland noch nicht eingeführte Arten. In die Vereinigten Staaten sind die Fische bereits 1992 importiert worden, wie Berichte in der Zeitschrift,,Cichlid News" vermuten lassen. Die erste Art, die ich hier vorstellen möchte, wurde unter der Bezeichnung Haplochromis,,Prlby Green" eingeführt. Männchen erinnern in der Körperform sehr stark an die Zeichnung vonhaplochromis erythrocephalus, die in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder abgebildet wird. Da ich bisher nur lebende Tiere gesehen habe, ist es nicht so einfach mög1ich zu überprüfen, ob es sich um eine bloße Ahnlichkeit handelt, oder ob die Fische mit dieser von Greenwood & Gee 1 969 beschriebenen Art identisch sind. Männchen zeichnen sich durch eine grünliche Körpergrundfärbung aus, die stimmungsabhängig, besonders im Bereich von Stirn und Rücken, von einem weinroten Ton überlagert wird. Obwohl die Art anscheinend nicht besonders groß wird, ist sie durchaus in der Lage, sich gegen größere und robuster wirkende Cichliden aus dem See vehement durchzusetzen. Ich bin nicht ganz sicher, ob die Weibchen, die zu dieser Ar1 angeboten wurden, auch tatsächlich dazugehören. Zwar sind Ahnlichkeiten in der Körperform mit dem Männchen vorhanden. aber ich konnte auch weniger gute Übereinstimmungen leststeilen. Dazu gehört, daß die Differenz des Unterschieds in der Körperhöhe (gemessen am Ansatz der Rückenflosse und am Schwanzstiel) beim Männchen sehr viel größer (und arttypisch auffallend) ist als bei den bisher gesehenen Weibchen. Außerdem hat sich das von mir gepflegte Männchen bisher noch nicht um sein zugeselltes Weibchen gekümmert (das heißt, ich habe noch nicht eine einzige Balzhandlung beobachtet). Bei der zweiten Art sind Männchen und Weibchen sehr gut als zusammengehörig zu identifizieren. Beide Geschlechter fallen durch ihr markantes, geschecktes Farbkleid auf. Die Afi wurde unter der Bezeichnung Haplochromis,,Pibald Redfin" eingeführt. Die Männchen scheinen deutlich größer als die Weibchen zu werden und haben zusätzlich in der Schwanz- und Afterflosse rötliche Farbtöne aufzuweisen (worauf sich der zweite Teil der Handelsbezeichnung bezieht). Einer Kurzvorstellung in,,cichlid News" ist zu entnehmen, daß es rein orange gefärbte Weibchen geben kann und anscheinend auch nicht gescheckte Männchen (?). Ich pflege diese Fische zusammen mit einigen weiteren Cichlidenarten in einem knapp drei Meter langen Aquarium und konnte bisher kaum Aggressionshandlungen feststellen. Das steht ganz im Gegensatz zu den Beobachtungen, die ich auf der Aquaristik-Messe in Duisburg (1993) machen 108 DCG-Info 25 (5) \994:108-113
Oben: Haplochromis sp.,,silver Stiletto" Unten: Haplochromis sp,,,zebra Obliquidens","o-rnfo 25 (5) 1994: 108-113 109
konnte, wo die Art von einem Händler angeboten wurde. In dem dortigen Becken war eines von mehreren Männchen sehr wohl revierbildend und entsprechend aggressiv. welcher trophischen Gruppe diese Art angehört. läßt sich nur mutmaßen, und einer Stellungnahme sollten exaktere Untersuchungen vorausgehen. Eine Zuordnung zu einer der bereits beschriebenen Arten war mir bisher nicht möglich. Besonders interessant ist, daß hier tatsächlich die Männchen generell gescheckt zu sein scheinen (bis auf die angesprochenen Ausnahmen). Das ist für cichliden aus dem viktoriasee sehr ungewöhnlich. Greenwood (1974) erwähnt von anderen Arten, die einen gewissen gescheckten Weibchenanteil haben (etwa 30 prozent), daß Männchen mit diesem Farbkleid einen Selektionsnachteil haben und deshalb nur sehr vereinzelt gefunden werden. Die charakteristische und artspezifische Balzfärbung ist sehr wichtig für das Zustandekommen einer Ablaichsituation. weibchen bevorzugen nämlich dominante Männchen, die das entsprechende Balzkleid besitzen und nicht gescheckt sind. Allerdings sind auch aus dem Malawisee verschiedentlich gescheckte Männchen bekannt geworden (sogenannte,,marmalade Cats"), die aber auch als große Ausnahme gelten. Vielleicht muß eine andere Erklärung dafür gefunden werden, daß bei Haplochromis,,Pibald Redfin" die Männchen gescheckt sein dürfen. sehr dankbar bin ich Roland Numrich, daß er mir Exemplare der dritten hier vorzustellenden Art überlassen hat, zumal unter allen Importtieren nur ein einziges mutmaßliches weibchen auszumachen war, das ich ebenfalls erhalten habe. Die Art wurde als Haplochromis,,Silver Stiletto" bezeichnet. Ein erster Hinweis auf Fische dieses Namens findet sich in der Zeitschrift,,Cichlid News ", JtIi 1992. Das dort abgebildete weibchen besitzt zwar einen unterbrochenen Mittelstreifen und zeigt damit ein Farbkleid, das meine Tiere bisher noch nie getragen haben, es könnte sich aber auch um einerr individuellen unterschied handeln. Auffällig ist der relativ geringe Farbdimorphismus der Geschlechter, was ganz untypisch für Cichliden aus dem viktoriasee ist. Besonders froh bin ich über den Erhalt dieser Fische deshalb, weil es sich um eine piscivore Art handelt. Nach den untersuchungen von HEST sollen näm1ich die fischfressenden cichliden im viktoriasee in Folge des Nilbarschbesatzes aus den Fängen eigentlich völlig verschwunden sein. Leider konnte ich auch bei dieser Art bisher noch keine Balzhandlungen beobachten. Ich hoffe, daß es nur an der relativ kttrzenzeit liegt, die ich die Fische bisher pflege. Aggressionen gegenüber anderen Beckenbewohnern konnte ich ebenfalls nicht feststellen. Im Gegenteil, es handelt sich um eine sehr,,bedächtig" ans Futter gehende Art. Nur einmal konnte ich bisher sehen, daß nach dem Einschalten der Beleuchtung meine beiden Tiere in die Pflanzenzwischenräume hineinstießen, ganz so, als ob sie darin kleine Fische,,b1ind" jagen wollten (obwohl sich dort keine Jungfische oder dergleichen befanden). Auch diese Fische konnte ich bisher keiner bereits beschriebenen Art zuotdnen, Die vierte Art habe ich bisher nicht selber gepflegt. Allerdings war es mir möglich, sie sowohl auf der Aquaristik-Messe in Duisburg als auch bei Mimbon in Köln zu beob- 110 DCG-Info 25 (5) t994:108-l 13
achten. Unter der Bezeichnung Haplochromls,,Fire Hap" ist die Art von Larry B. Gordon in,,cichlid News" vorgestellt worden. Die Körperform gleicht dem, was bisher in der Aquaristik als Haplochromis,,Brownae" oder Haplochromls,,Obliquidens" bezeichnet wurde. Männchen können den blaugrauen Grund auf den Körperseiten je nach Erregung durch eine schöne rote Färbung überlagern. Zum Rücken hin, bevor es in die bläuliche Grundfärbung übergeht, löst sich das Rot in Gelb und Grün auf. Dunkle Längs- und Querstreifen sind ebenfalls stimmungsbedingt. Die Männchen sollen fünf Zoll(12,1 Zentimeter) groß werden (wobei aus dieser Größenangabe nicht hervorgeht, ob es sich um die Gesamt- oder die Standardlänge handelt). Aufjeden FalI sind die Tiere in der Lage, bei weit geringeren Größen,,an die Ztchtzl denken". Eine besonders schöne Art stellt arch Haplocht'omis,,Zebra Obliquidens" dar. Stefan Kirner hat sie in DATZ 9/93 schon kurz vorgestellt. Sie wird ebenfalls aus Uganda importierl und ist jetzt nochmals in größerer Stückzahl eingeführt worden. Die Art hat sich bei mir bisher durch eine große Freßlust ausgezeichnet. Sie ist aufgrund der Körperfarbe durchaus in der Lage, den bisherigen,,standard-viktoriasee-cichliden" (Haplochromis m;ererei) zu verdrängen. Neben den hier näher behandelten Arten slnd noch einige weitere zu uns eingeführt worden, teils in kleinerer Stückzahl, teils nur in einem Geschlecht. Es ist jedenfalls noch zu früh. um über sie zu berichten. Die letzte Art, die ich vorstellen möchte, stammt nicht aus dem Viktoriasee, sondern aus dem Georgsee, der ebenfalls in Uganda liegt. Obwohl Greenwoods Arbeit über die Fische aus diesem See einen Bestimmungsschlüssel enthält, war es mir nicht möglich, damit lebende Tiere zu identifizieren (dazu fehlt einfach die Möglichkeit, morphologische Daten exakt zu ermitteln, wie es nur bei toten Tieren machbar ist). Nach den Zeichnungen in dieser Arbeit zu urteilen, könnten gleich mehrere oder aber keine der beschriebenen Arten mit der hier vorgestellten identisch sein. Besonders charakteristisch für sie ist der neongelbe Bereich von Schnauze, Kehle und Brust im männlichen Geschlecht. Ebenfalls auffällig ist neben dem verhältnismäßig bulligen Erscheinungsbild die ansatzweise zu erkennende, dunkle Zeichnung an der Basis der Rückenflosse, die gelegentlich zu einem verschwommenen Fleck zusammenläuft. In dem langen Aquarium (knapp drei Meter), in dem ich ungefähr 70 Haplochrominen pflege, läßt sich bei den Fischen ein gewisses Schwarmverhalten feststellen, wenn plötzliche Beunruhigungen auftreten. Das ist auch bei Großhändlern feststellbar, die über größere Bestände in einem Aquarium verfügen. Greenwood (1974) hatte noch keinerlei Schwarm- oder Schulverhalten bei Viktoriasee-Cichliden feststellen können. Mit diesen neuen, wirklich schönen und sicher interessanten Arten könnte es vielleicht gelingen, ein breiteres Interesse an Cichliden aus dem Viktoria- und Georgsee zu wecken - Fische, die hierzulande bisher leider nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Ich bedanke mich nochmals herzlich bei Roland Numrich (Mimbon Aquarium, Köln), der mir freundlicherweise die beschriebenen Arten zur Beobachtung überlassen hat.,ao-tro 25 (5) 1ee4: lo8-113 111
Oben: Haplochromis sp.,,fire" Unten: Haplochromis sp.,,ruby Green,, I2 DCG-Info 25 (5) 1994:108-113
Literatur DeMason L (1991): Whats new across the world? Cichlid News I (3):26-29 \! hats nes across the world? Cicblid Neu,s \ (1): 26 29 Cordon L B (19911: Greensood P H (197-j) - - - (1914)l Hot neu victorian haplochromines Cichlid News 1 (3): l4 A rerision of the Haplochromis and related species (Pisces: Cichlidae) from LakeGeorge,Uganda Bnll Br Mus nat Hist (Zool)25(5):),1) 242 The cichlid fishes of Lalie Vicroria, East Africa: The biolog), and evolution ol a species flock Bull Br Mus nat Hist (Zoo1 ) Suppl 6 ---&J NI Gee(1969): Are\isiorloltheLakeVrctoriaHaplochromisspecies(Pisces:Cichlidae) PartT Bull Br tr,1us nat Hist (Zool ) 18: I 65 Kirner, S ( I 991): \eu importreftr Cichliden aus dem Viktoriasee DATZ 46 (9): 55 1 Wifte-F &al (1991): Thedestructionofanendenricspeciesllock:quentitali\edataonthedeclineofthe haplo!-hrorrine ci.hlills ollake Yiclroia Enlir Biol Fishes 3'1: I 28 Haplochromis sp.,iake George" Fotos: Schraml,"o-rrro 25 (5) 1ee4: 108-113 r13