Kapitel 17. Unabhängigkeit und Homogenität Unabhängigkeit
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- Mathias Sternberg
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1 Kapitel 17 Unabhängigkeit und Homogenität 17.1 Unabhängigkeit Im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist das Konzept der Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung. Die Ereignisse A und B sind genau dann unabhängig, wenn gilt P (A B) =P (A)P (B) Wir können dieses Konzept auf qualitative Merkmale übertragen. Wir betrachten zwei qualitative Merkmale A und B mit den Merkmalsausprägungen A 1,...,A r und B 1,...,B c. Sei p ij = P (A i,b j ) die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig aus der Grundgesamtheit ausgewähltes Objekt die Merkmalsausprägung A i beim Merkmal A und die Merkmalsausprägung B j beim Merkmal B aufweist. Die Merkmale A und B mit den Merkmalsausprägungen A 1,...,A r und B 1,...,B c sind genau dann unabhängig, wenn für i =1,...,r, j =1,...,c gilt P (A i B j )=P(A i )P (B j ). Mit und p i = P (A i )=p i p ic = p j = P (B j )=p 1j p rj = 385 c j=1 r i=1 p ij p ij
2 386 KAPITEL 17. UNABHÄNGIGKEIT UND HOMOGENITÄT können wir dies auch schreiben als p ij = p i p j. (17.1) Dabei ist p i die Wahrscheinlichkeit, dass das Merkmal A die Merkmalsausprägung A i und p j die Wahrscheinlichkeit, dass das Merkmal B die Merkmalsausprägung B j aufweist. Wir wollen nun überprüfen, ob die Merkmale A und B unabhängig sind, wenn eine Zufallsstichprobe vorliegt. Das Testproblem lautet H 0 : H 1 : Die Merkmale A und B sind unabhängig, Die Merkmale A und B sind nicht unabhängig. Wir beobachten die absoluten Häufigkeiten n ij für das gleichzeitige Auftreten der Merkmalsausprägung A i des Merkmals A und der Merkmalsausprägung B j des Merkmals B. Außerdem ist für i =1,...,r c n i = und für j =1,...,c n j = j=1 n ij r n ij. i=1 Dabei ist n i die absolute Häufigkeit von A i und n j die absolute Häufigkeit von B j. Diese Informationen stellen wir in einer Kontingenztabelle zusammen. Tabelle 17.1 zeigt den allgemeinen Aufbau einer zweidimensionalen Kontingenztabelle. Tabelle 17.1: Allgemeiner Aufbau einer zweidimensionalen Kontingenztabelle A B B 1 B 2... B c A 1 n 11 n 12 n 1c n 1 A 2 n 21 n 22 n 2c n A r n r1 n r2 n rc n r n 1 n 2 n c n
3 17.1. UNABHÄNGIGKEIT 387 Beispiel 124 Erstsemester wurden unter anderem gefragt, ob sie nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und ob sie den Leistungskurs Mathematik absolviert haben. Wir bezeichnen das Merkmal Berufsausbildung mit A und das Merkmal MatheLK mit B. Tabelle 17.2 zeigt die Kontingenztabelle. Tabelle 17.2: Kontingenztabelle der Merkmale Berufsausbildung und MatheLK bei Studenten Berufausbildung MatheLK ja nein ja nein Es gilt und n 11 =37 n 12 =55 n 21 = 115 n 22 = 144 n 1 =92, n 2 = 259, n 1 = 152, n 2 = 199. Wir können die Hypothese der Unabhängigkeit mit dem Chiquadrattest überprüfen. Bei diesem vergleichen wir die beobachteten Häufigkeiten n ij mit den Häufigkeiten ñ ij, die wir erwarten, wenn die Merkmale A und B unabhängig sind. Es gilt ñ ij = np ij (17.1) = np i p j. (17.2) In Gleichung (17.2) sind die Wahrscheinlichkeiten p i und p j unbekannt. Wir schätzen sie durch die entsprechenden relativen Häufigkeiten. Wir schätzen p i durch n i /n und p j durch n j /n. Setzen wir diese Schätzer in (17.2) ein, so erhalten wir die folgenden geschätzten erwarteten Häufigkeiten, die wir ebenfalls mit ñ ij bezeichnen: ñ ij = n ni n n j n. Dies können wir vereinfachen zu ñ ij = n i n j n. (17.3)
4 388 KAPITEL 17. UNABHÄNGIGKEIT UND HOMOGENITÄT Beispiel 124 (fortgesetzt von Seite 387) Die geschätzten erwarteten Häufigkeiten sind ñ 11 = ñ 21 = =39.84, ñ 12 = = , ñ 22 = =52.16, = Die Teststatistik des χ 2 -Unabhängigkeitstests lautet X 2 = r c (n ij ñ ij ) 2 i=1 j=1 ñ ij,. (17.4) Beispiel 124 (fortgesetzt von Seite 388) Es gilt X 2 = ( ) ( ) ( ) ( ) = Die Entscheidungsregel lautet: Wir lehnen H 0 ab, wenn gilt X 2 χ 2 (r 1)(c 1);1 α. Dabei ist χ 2 (r 1)(c 1);1 α das 1 α-quantil der χ2 -Verteilung mit (r 1)(c 1) Freiheitsgraden. Beispiel 124 (fortgesetzt von Seite 388) Sei α =0.05. Der Tabelle C.4 auf Seite 438 entnehmen wir χ 2 1;0.95 =3.84. Wir lehnen H 0 also nicht ab Homogenität Man kann den Chiquadrattest auch als Test auf Homogenität verwenden. Hierbei wird die Verteilung eines kategorialen Merkmals Y mit c Kategorien in r Gruppen betrachtet. Es soll überprüft werden, ob die Verteilung von Y in allen r Gruppen identisch ist. Da die Merkmale kategorial sind, können wir nur zählen, wie viele Personen bzw. Objekte in die einzelnen Kategorien des Merkmals fallen. Im Folgenden
5 17.2. HOMOGENITÄT 389 ist n ij die Anzahl der Personen bzw. Objekte, die sich in der i-ten Gruppe in der j-ten Kategorie von Y befinden. Wir können die Daten also folgendermaßen in einer Kontingenztabelle anordnen. Tabelle 17.3: Kontingenztabelle eines qualitativen Merkmals in r Gruppen Gruppe Kategorie c 1 n 11 n 12 n 1c n 1 2 n 21 n 22 n 2c n r n r1 n r2 n rc n r n 1 n 2 n c n Beispiel 125 In der ersten Statistik I Vorlesung im WS 96/97 wurden Studenten nach ihrem Wahlverhalten und ihrem Geschlecht befragt. Die absoluten Häufigkeiten sind in Tabelle 17.4 zu finden. Tabelle 17.4: Wahlverhalten von weiblichen und männlichen Erstsemestern Geschlecht Wahl CDU SPD FDP Grüne keine weiß nicht w m Es soll überprüft werden, ob sich das Wahlverhalten der Männer und Frauen unterscheidet. Bevor wir den Test durchführen, schauen wir uns die Verteilung des Merkmals Y in den Gruppen an. Wir bilden also in der i-ten Gruppe folgende bedingte relative Häufigkeiten h j i = n ij n i
6 390 KAPITEL 17. UNABHÄNGIGKEIT UND HOMOGENITÄT Beispiel 125 (fortgesetzt von Seite 389) Wir schauen uns die Verteilung des Wahlverhaltens bei den Frauen und bei den Männern an. Die bedingten relativen Häufigkeiten sind in Tabelle 17.5 zu finden. Tabelle 17.5: Verteilung des Wahlverhaltens bei weiblichen und männlichen Erstsemestern Geschlecht Wahl CDU SPD FDP Grüne keine weiß nicht w m Wir sehen, dass sich die Verteilungen in den Kategorien FDP, keine und weiß nicht beträchtlich unterscheiden. Das vergleichende Paretodiagramm in Abbildung 17.1 zeigt die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Abbildung 17.1: Vergleichendes Paretodiagramm WEISS NICHT CDU GRUENE SPD KEINE FDP w m
7 17.2. HOMOGENITÄT 391 Mit dem Chiquadrat-Unabhängigkeitstest können wir die Homogenität überprüfen. Wir vergleichen die beobachteten absoluten Häufigkeiten n ij mit den absoluten Häufigkeiten, die wir erwarten, wenn Homogenität vorliegt. Liegt Homogenität vor, so sollte die Verteilung von Y nicht von der Gruppe abhängen. Somit ist Homogenität eine spezielle Unabhängigkeit. Die erwarteten Häufigkeiten sind also ñ ij = n i. n.j n. (17.5) Beispiel 125 (fortgesetzt) Es gilt n 1 =65 n 2 = 190 und n 1 =68 n 2 =40 n 3 =23 n 4 =37 n 5 =29 n 6 =58 Also gilt ñ 11 = ñ 12 = ñ 13 = ñ 14 = ñ 15 = ñ 16 = Die Teststatistik ist =17.33 ñ 21 = =10.2 ñ 22 = =5.86 ñ 23 = =9.43 ñ 24 = =7.39 ñ 25 = =14.78 ñ 26 = =50.67 =29.8 =17.14 =27.57 =21.61 =43.22 X 2 = r c (n ij ñ ij ) 2. ñ ij i=1 j=1 Beispiel 125 (fortgesetzt) Es gilt X 2 =10.85.
8 392 KAPITEL 17. UNABHÄNGIGKEIT UND HOMOGENITÄT Die Entscheidungsregel lautet: Wir lehnen H 0 ab, wenn gilt X 2 χ 2 (r 1)(c 1);1 α. Dabei ist χ 2 (r 1)(c 1);1 α das 1 α-quantil der χ2 -Verteilung mit (r 1)(c 1) Freiheitsgraden. Beispiel 125 (fortgesetzt) Tabelle C.4 auf Seite 438 entnehmen wir χ 2 5;0.95 = Also lehnen wir H 0 zum Niveau 0.05 nicht ab. Besitzt das Merkmal nur zwei Kategorien, so vereinfacht sich die Teststatistik beträchtlich. In diesem Fall sind in der ersten Kategorie alle Personen bzw. Objekte, die eine bestimmte Eigenschaft A besitzen. In der zweiten Kategorie sind alle Personen bzw. Objekte, die diese Eigenschaft nicht besitzen. Man will überprüfen, ob der Anteil der Personen bzw. Objekte, die die Eigenschaft A aufweisen, in zwei Grundgesamtheiten identisch ist. Wir stellen die Daten in einer (2, 2)-Kontingenztabelle zusammen: Tabelle 17.6: Kontingenztabelle eines qualitativen Merkmals in r Gruppen Gruppe Kategorie n 11 n 12 n 1. 2 n 21 n 22 n 2. n.1 n.2 n Beispiel 126 In der Süddeutschen Zeitung vom wird über eine Studie berichtet, in der die Nebenwirkungen von Hormonbehandlungen untersucht wurden. Hier findet sich folgender Text Insgesamt hatten in der Studie 8506 Frauen zwischen 50 und 80 Hormone genommen, weitere 8102 ein Scheinmedikament (Placebo). Nach im Durchschnitt 5.6 Jahren waren 199 Frauen unter der Hormontherapie an aggressivem Brustkrebs erkrankt, von den Frauen der Placebo-Gruppe nur 150. Die Studie wird im Journal of the American Medical Association, Bd. 289 beschrieben.
9 17.2. HOMOGENITÄT 393 Es soll getestet werden, ob die Wahrscheinlichkeit, an aggressivem Brustkrebs zu erkranken, in beiden Gruppen identisch ist. Wir stellen die Daten in einer Kontingenztabelle zusammen. Tabelle 17.7: Brustkrebs in Abhängigkeit von Hormonbehandlung Gruppe Brustkrebs ja nein Placebo Hormone Die Teststatistik X 2 können wir in diesem Fall vereinfachen zu X 2 = n(n 11n 22 n 12 n 21 ) 2 n 1 n 2 n 1 n 2 Beispiel 126 (fortgesetzt) Es gilt X ( )2 = = Wir lehnen H 0 ab, wenn gilt X 2 χ 2 1;1 α. Dabei ist χ 2 1;1 α das 1 α-quantil der χ 2 -Verteilung mit einem Freiheitsgrad. Beispiel 126 (fortgesetzt) Wegen χ 2 1;0.95 =3.84 lehnen wir H 0 ab. Die Teststatistik ist approximativ chiquadratverteilt. Ein exakter Test für das eben geschilderte Problem ist der Fisher-Test. Dieser wird detailliert in Büning, Trenkler: Nichtparametrische statistische Methoden beschrieben.
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