Arzneimittel und Gewässerschutz vereinbar? Kongress Messe Wasser Berlin 29.03.2017 Dr.-Ing. Marcel Meggeneder Stadtwerke Zeven GmbH Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.v. (BDEW), Fachausschuss Trinkwasserpolitik
Arzneimittel und Gewässer Ausgangslage bekannt Zusammenhang klar Prognose möglich - Strategie erforderlich 2
Arzneimittel und Gewässer 1. Arzneimittelrückstände in Abwässern und Gewässern und im Trinkwasser sind nachweisbar 2. Ohne Handlungskonzept werden Belastungen der aquatischen Umwelt mit Arzneimittelrückständen zunehmen 3. Vermeidung des Eintrages und Behandlung des Abwassers sind die Maßnahmen der Wahl 4. Wichtiger Schritt: Sensibilisierung aller relevanten Gesellschaftsvertreter 3
Nördliches Einzugsgebiet des Bodensees 4
Atentolol Bisoprolol Metoprolol Propanolol Sotalol Dichlofenac Phenacetin Phenazon Propyphenazon Diazepam Carbamazepin Dihydrodihydroxycarbamazepin Gabapentin Trimetoprim Sulfadiazin Sulfamethoxazol Acetsulfamethoxazol Erythromecin Anhydroerythromecin Clarithromycin 4-AAA 4-FAA Temazepam Primidon Arzneimittel Zuflüsse zum Bodensee < LOD < LOQ > 10ng/L > 50 ng/l > 100 ng/l Alpenrhein 11 Alter Rhein 20 37 29 27 127 49 Argen 17 15 31 63 12 14 51 61 Bregenzerach 12 31 23 23 Brunnbach Dornbirner Aach 12 65 30 57 371 35 278 122 Goldbach 24 24 73 25 18 52 30 Leiblach 18 18 37 47 33 53 Lippach 20 25 10 Lustenauer Kanal 12 Radolfszeller Aach 65 153 210 50 99 148 23 Rotach 21 46 90 115 154 11 140 93 14 Salmsach 70 24 62 18 40 284 106 286 260 10 85 23 1003 362 24 Schussen 10 58 13 74 57 129 254 55 24 240 172 16 Seefelder Aach 37 68 42 107 165 19 194 153 Steinach 14 13 14 Stockacher Aach 10 38 69 35 Konstanz Seerhein 14 34 13 5
Verkaufsmenge in t/jahr Iomeprol 300 250 Iomeprol 200 150 100 50 Verkaufsmenge 0 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Jahr Datenquelle: Verkaufsmengen IMS Health 2013 6
Verkaufsmenge in t/jahr Konzentration in ng/l Iomeprol 300 250 Iomeprol 70 60 200 50 150 100 40 30 20 50 10 Verkaufsmenge BWV Rohwasser 60m 0 0 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Jahr Datenquelle: Verkaufsmengen IMS Health 2013 7
Anthropogene Spurenstoffe Beispiel: Schussen, Bodensee, Trinkwasser Stoffgruppe Einzelstoffe, Beispiele Schussen Mittelwert µg/l Bodensee Überlinger See, 60 m Tiefe µg/l Trinkwasser 2. Hauptleitung µg/l Grenzwert TrinkwV Leitwert, GOW, Vorsorgewert µg/l Carbamazepin 0,06 < 0,010 < 0,010 0,3 GOW Arzneimittelwirkstoffe Gabapentin 0,18 0,035 < 0,010 1,0 GOW Ibuprofen 0,015 < 0,010 < 0,010 1,0 GOW Metformin 0,64 0,15 0,06 1,0 GOW Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure 0,25 0,02 0,014 1,0 GOW Iopamidol 0,45 0,035 0,011 1,0 GOW Synthetische Süßstoffe Acesulfam 1,4 0,025 0,014 2700* GOW *abgeleitet aus ADI-Wert ("acceptable daily intake") des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung ) 8
Medikamente und Gewässer 1. Arzneimittelrückstände in Abwässern und Gewässern und im Trinkwasser sind nachweisbar 2. Ohne Handlungskonzept werden Belastungen der aquatischen Umwelt mit Arzneimittelrückständen zunehmen 3. Vermeidung des Eintrages und Behandlung des Abwassers sind die Maßnahmen der Wahl 4. Wichtiger Schritt: Sensibilisierung aller relevanten Gesellschaftsvertreter 9
Zunahme Medikamentenverbrauch 10
Zunahme Medikamentenverbrauch Ibuprofen (Schmerzmittel) Metformin (Antidiabetikum) Einsatzmenge gestern (vor 2000) [t/a] Einsatzmenge heute (2007-2012) [t/a] 60 210 360 1.200 Quelle: TZW, Dr. Sacher 2013 11
Medikamente und Gewässer 1. Arzneimittelrückstände in Abwässern und Gewässern und im Trinkwasser sind nachweisbar 2. Ohne Handlungskonzept werden Belastungen der aquatischen Umwelt mit Arzneimittelrückständen zunehmen 3. Vermeidung des Eintrages und Behandlung des Abwassers sind die Maßnahmen der Wahl 4. Wichtiger Schritt: Sensibilisierung aller relevanten Gesellschaftsvertreter 12
Unkenntnis über die richtige Entsorgung von Medikamenten Entsorgung von Tabletten über die Toilette Entsorgung von flüssigen Arzneimitteln über die Spüle/Toilette immer 1,0% häufig 2,1% immer 10,2% Nein, nie 84,3% Ja 15,7% manchmal 6,8% Nein, nie 56,6% Ja 43,4% häufig 8,3% manchmal 13,1% selten 5,8% selten 11,8% Basis: 1.306 Befragte Basis: 1.306 Befragte Quelle: www.start-project.de 13
Empfehlungen Umweltbundesamt: Kombinierter Ansatz Quelle: UBA-Bericht 85/2014 14
Spurenstoffstrategien 15
BDEW-Positionspapier, 12/2016: Forderungen und Empfehlungen der Wasserwirtschaft 1. Ganzheitliche Betrachtung des Stoff- und Wasserkreislaufs zum nachhaltigen Schutz der Gewässer und zur Sicherung einer nachhaltigen Trinkwasserversorgung 2. Vorsorgeprinzip anwenden (Vermeiden, Reduzieren, Substituieren) 3. Kritische Überprüfung und zeitnahe Festlegung des anzustrebenden Schutzniveaus im Wasserkreislauf in Bezug auf die Spurenstoffe unter Berücksichtigung einer fundierten öko- und humantoxikologischen Ableitung von Qualitätsnormen: Stoffe müssen bereits bei der Zulassung und Registrierung vorab auf mögliche Risiken für die aquatische Umwelt und die Trinkwasserversorgung geprüft werden; z.b. biologische Abbaubarkeit von Arzneimitteln Forschung und Entwicklung zur Risikoabschätzung Forschung und Entwicklung zum Einfluss der Spurenstoffe auf den ökologischen Zustand im Gewässer (nach Maßgabe der EU-WRRL) 4. Erarbeitung von flussgebietsbezogenen Stoffeintragskatastern (regional, national und europäisch), Identifikation des Belastungsniveaus unserer Gewässer und der maßgeblichen Verursacher, insbesondere Auffinden von Hotspots 16
BDEW-Positionspapier, 12/2016: Forderungen und Empfehlungen der Wasserwirtschaft 5. Stoffbezogene Identifikation möglicher Maßnahmen zur Minderung oder Verhinderung des Eintrags von Spurenstoffen - Rechtliche Maßnahmen/ Novellierung von Zulassungsverfahren - Maßnahmen bei der Herstellung und beim Inverkehrbringen von Stoffen - Dezentrale Maßnahmen - End-of-pipe-Maßnahmen - Maßnahmen zur Verringerung der Einträge aus diffusen Quellen - Forschung und Entwicklung zur Wirksamkeit von technischen Maßnahmen - Aufklärung, Schulung, Kommunikation 6. Ganzheitliche ökologische Betrachtung des Gewässerzustands und ökonomische Bewertung möglicher Handlungsoptionen, Ausrichten des Handelns an klaren Kosten-Nutzen-Erwägungen, die kosteneffizientesten Maßnahmen sind auszuwählen, ganzheitliche ökologische und ökonomische Bewertung; Abstimmung mit anderen Bundesstrategien (z.b. der Nachhaltigkeitsstrategie) 17
BDEW-Positionspapier, 12/2016: Forderungen und Empfehlungen der Wasserwirtschaft 7. Anwendung des Verursacherprinzips auch in Bezug auf eine mögliche Kostenträgerschaft, Entwicklung geeigneter Steuerungseffekte in Bezug auf die Produkthaftung (z.b. Gewässerschutzabgabe auf biologisch nicht abbaubare Produkte) 8. Sensibilisierung der Verbraucher, der Arzneimittelhersteller, der Ärzte, der Landwirtschaft und der Industrie im Umgang mit Spurenstoffen und insbesondere Pharmaka (z.b. Kennzeichnungspflicht für Pharmaka und Haushaltschemikalien) mit Rahmenvorgaben für die Hersteller, Verursacher und Verbraucher 9. Europaweit einheitliches Handeln, keine flächendeckenden nationalen Alleingänge 10. Gesellschaftlich-politischer Diskurs über das Schutzniveau und die Akzeptanz zusätzlicher Kosten zur Umsetzung von Maßnahmen auch unter Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Komfortsituation (Abwägung) 18
Medikamente und Gewässer 1. Arzneimittelrückstände in Abwässern und Gewässern und im Trinkwasser sind nachweisbar 2. Ohne Handlungskonzept werden Belastungen der aquatischen Umwelt mit Arzneimittelrückständen zunehmen 3. Vermeidung des Eintrages und Behandlung des Abwassers sind die Maßnahmen der Wahl 4. Wichtiger Schritt: Sensibilisierung aller relevanten Gesellschaftsvertreter 19
Empfehlungen des UBA für den Handlungsbereich VE (Verschreibung und Entsorgung) Auswahl aus VE01-VE10 (2010) VE 0: Trinkwasserrelevante HAMW vom Markt nehmen, wenn ein therapeutisch oder diagnostisch gleichwertiger, jedoch umweltneutralerer HAMW zur Verfügung steht ( green pharmacy ) VE 1: Information der Bürgerinnen und Bürger durch breit angelegte Kommunikationskampagnen über die sachgerechte Entsorgung von Alt- und unverbrauchten HAM VE 2: Einrichtung eines»runden Tisches«zur Klärung von Möglichkeiten und Voraussetzungen der Einführung eines nationalen Umwelt-Klassifikationssystems, das Ärzten und Apothekern die Berücksichtigung von Aspekten des Umwelt- und Trinkwasserschutzes bei Verschreibung und Verkauf von HAM ermöglicht VE 3: Einrichtung eines bundesweit einheitlichen Entsorgungsstandards für Alt- und unverbrauchte HAM VE 6: Entsorgungshinweises auf der Verpackung/Packungsbeilage eines HAM VE 7: Erweiterung des Spektrums nicht-medikamentöser Therapieformen und Vorsorgemaßnahmen VE 9: sichtbare Kennzeichnung der Umwelt- und Trinkwasserrelevanz eines HAM auf Verpackung/Packungsbeilage 20
Gewässerbelastung auch durch Tierarzneimittel Anstieg der Gewässerbelastung auch durch Tierarzneimittel wegen industrieller Massentierhaltung, hohem Fleischkonsum und zunehmendem Export tierischer Erzeugnisse Februar 2017 21
Gewässerbelastung auch durch Tierarzneimittel Vorgeschlagene Maßnahmen (Auswahl): Neubewertung und Förderung umweltfreundlicher TAM Abschätzung Abgabe - und Verbrauchsmengen und Substitutionen Präventionen zur Verringerung der Ansteckungsgefahr Artgerechte Haltungsbedingungen und bedarfsgerechte Fütterung Vorschriften zur Düngung und zur landwirtschaftlichen Praxis Fachgerechte Entsorgung der Medikamente Weiterbildung der Landwirtschaft durch Tierärzte Grundwasser-Monitoring für Einzugsgebiet Wasserwerk 22
Ausblick Sensibilisieren Vermeiden Regeln Einordnen (Bauen) 23
Vielen Dank. 24