Expedition Meteor M74/2 Makran Seeps I 1. Wochenbericht Das arabische Meer empfing uns mit passenden Temperaturen von über 30 Grad in Wasser und Luft, als der Hauptteil der Fahrtteilnehmer des M74/2 Abschnittes in Fujeirah, einem Hafen an der Ostküste der arabischen Halbinsel in den Vereinigten Arabischen Emiraten eintraf. Nach einer reibungslosen Passage durch die Hafenbürokratie konnten wir am Vormittag des 6. Oktober unsere Quartiere auf der Meteor beziehen. Darunter waren neben den zahlreichen Teilnehmern des Forschungszentrums Ozeanränder RCOM aus Bremen und Bremerhaven auch Gäste aus Southampton, aus Brasilien und ein Beobachter vom National Institute of Oceanography in Karachi. Inzwischen hatte der Vortrupp aus Southampton und Bremen erfolgreich die Vorinstallation des TOBI Side Scan Sonar Systems abgeschlossen, so daß wir uns unmittelbar auf das Auspacken der Container und das Einrichten der Labors stürzen konnten. Allerdings war es im an und für sich gut organisierten Hafen zu Verzögerungen bei der Containeranlieferung gekommen, die man allgemein auf die eingeschränkten Aktivitäten am ansonsten arbeitsfreien Freitag und der Ramadanzeit zurückführt. Dies war auch der Grund, warum wir letztendlich, trotz der Reisebereitschaft am frühen Morgen, erst gegen 16 Uhr mit einem halben Tag Verspätung aufbrechen konnten. Das TOBI System, ein tiefgeschlepptes Side Scan Sonar, sollte auf dieser geophysikalisch ausgerichteten Reise zusammen mit Mehrkanalseismik, Sedimentecholot und Fächerlot unser wichtigstes Meßgerät sein, denn es liefert flächenhafte Bilder des Meeresbodens, aus denen wir hofften, Austrittsstellen für Methan und Fluide identifizieren zu können. Diese Austrittsstellen sollten in einem begleiteten Programm mit Videosystemen vorerkundet und beprobt werden, aber auch die Nährstoffkreisläufe an der Grenzfläche Wasser-Sediment mit ausklügelter Meß- und Beprobungstechnik innerhalb und am Rande der ausgeprägten Sauerstoffminimumzone. Nach einem 30-stündigen Transit, bei dem uns die sehr hohen Wassertemperaturen und damit die leicht eingeschränkten Kühlmöglichkeiten der Schiffsmaschine etwas bremsten, erreichten wir am 9.10. gegen Mitternacht das Arbeitsgebiet, nachdem wir einige Stunden zuvor mit den profilierenden Messungen der akustischen Lote begonnen hatten. Eine tiefe CTD Station bei 3000 m lieferte uns vor allem die Grunddaten für die Kalibrierung des Fächerlotes, im Anschluß wurden auf dem Weg von der Deformationsfront bis zum flachsten Areal des Arbeitsgebietes zwei weitere Stationen besucht, an denen Multicorer, Bodenwasserschöpfer und CTD zum Einsatz kamen. Damit hatten wir das Arbeitsgebiet, einen Abschnitt des Makran Akkretionskeils vor der Küste von Pakistan, einmal durchquert und konnten uns auf den ersten geophysikalischen Meßeinsatz vorbereiten. Dieser sollte das TOBI System mit
Mehrkanalseismik kombinieren, was aber das seitliche Schleppen des Streamers erforderte und der erstmalige Versuch wurde von uns doch mit einiger Spannung erwartet, sollte er uns doch während der geplanten 8-9 Tage Einsatzzeit des TOBI System gleich zwei wertvolle Datensätze simultan liefern. So brachten wir am Nachmittag des 9. Oktober zunächst die Mehrkanalseismik und dann das TOBI System zu Wasser, bei ausgezeichnetem Wetter und spiegelglatter See eine unproblematische Angelegenheit, um im Anschluß einen viertägigen Survey mit vier Profilen hangauf- und hangabwärts zu absolvieren. Begünstigt durch das zunächst stetig gute Wetter mit Winden um 2 bis 4, konnten wir die Hälfte des geplanten Vermessungsprogramms mit einem ausgezeichneten Datensatz am Morgen des 13. Oktober beenden. Schon während der Vermessung wurden Daten prozessiert, um einen ersten Überblick zu bekommen, und wir waren von der Datenqualität genauso beeindruckt wie von der Geschwindigkeit, mit der die TOBI Daten an Bord für die weiteren Planungen zur Verfügung stehen. Mit den 5 Kollegen des National Oceanography Center in Southampton entspannen sich dann auch rege wissenschaftliche Diskussionen, aus denen sich eine vielversprechende Perspektive für die Planung der Stationen und weiteren Vermessungen ergab. TOBI Beispiel mit Diapirrücken des Akkretionskeils, tief eingeschnittenen Transportcanyons und zahlreichen Rutschungskörpern.
So fanden wir in verschiedenen Datensätzen Gas Flares in der Wassersäule, Flecken hoher Rückstreuung am Meeresboden, Gasvorkommen in den Oberflächensedimenten und aktive Wegsamkeiten entlang tektonischer Strukturgrenzen, die uns für die kommende Woche erwarten lassen, aktive Seeps zu finden. Seismisches Beispiel aus dem Arbeitsgebiet mit deutlich erkennbaren Rückenstrukturen, die das Ergebnis der Subduktion der arabischen Platte und der Aufschuppung der mächtigen Sedimentauflage sind. Am Wochenende haben wir dann das erste komplette Stationsprogramm innerhalb der Sauerstoffminimumzone durchgeführt, in der Wassersäule mit CTD, Rosette, Bodenwasserschöpfer und einem Profiler, der die bodennahe Grenzschicht analysiert, und im Sediment mit Multicorer und Schwerelot. Da die anschließende Probenaufbereitung mehrere Tage in Anspruch nimmt, ist zur Zeit wieder eine kürzere Vermessung mit Seismik und Echoloten auf dem Programm, um einige der ausgewählten Zielobjekte näher unter die Lupe zu nehmen. Somit läßt sich von der ersten Arbeitswoche nur Erfolgreiches vermelden, sowohl hinsichlich der wissenschaftlichen Ergebnisse, aber auch des Wetters und des Wohlbefindens aller Fahrtteilnehmer, die ganz herzlich die herbstlichen heimatlichen Gefilde grüßen. Im Namen aller grüßt Volkhard Spieß, Fahrtleiter
Expedition Meteor M74/2 Makran Seeps I 2. Wochenbericht: 15.-21.10.07 Der pakistanische Kontinentalrand vor Makran ist in mehrfacher Weise ein interessantes Ziel für Geowissenschaftler. So befindet sich hier eine Subduktionszone, in der eine Sedimentlage von bis zu 7 Kilometern Mächtigkeit auf den Kontinent aufgeschoben wird und dabei mächtige Rücken ausbildet, deren Flanken einen Höhenunterschied von deutlich über tausend Metern aufbauen können. Mehrere solcher Rücken folgen aufeinander, bis das Terrain auf Meereshöhe angehoben ist. Jeder dieser Rücken ist das Ergebnis von Kompression durch die Plattenbewegung und Mobilisierung von Sediment durch Entwässerung und Entgasung. Genau daran ist der Projektbereich E (Seeps) des Forschungszentrums Ozeanränder interessiert. Und während des ersten Teil unserer Makran Arbeiten geht es deshalb für einen Teil von uns darum, solche Seep Lokationen aufzufinden und die Aktivität zu verifizieren. Ein anderer Teil der Wissenschaftler ist vor allem an der Tatsache interessiert, daß vor dem Makran eine Zone in der Wassersäule mit sehr geringem Sauerstoffgehalt existiert die sogenannte Sauerstoffminimumzone. Dort werden die typischen Nährstoffkreisläufe und Abbauprozesse anders ablaufen, wobei insbesondere die Anwesenheit von Methan in der Wassersäule einen Einfluß auf die mikrobielle Aktivität haben dürfte. Dieser Fragestellung soll auf insgesamt 4 Beprobungsstationen zu Leibe gerückt werden, auf denen CTD/Rosette, Bodenwasserschöpfer und ein Bottom Boundary Layer Profiler für die Wassersäule und Multicorer und Schwerelot für die Sedimentbeprobung eingesetzt werden soll. Von diesen wurden zwei Stationen zu Beginn der zweiten Arbeitswoche erfolgreich bearbeitet alle Geräte lieferten ausgezeichnete Daten und Proben. Doch Ergebnisse lassen noch auf sich warten es werden zahlreiche Laborexperimente ausgeführt, die Zeit brauchen. Allerdings läßt sich schon berichten, daß an einer flachen Station in der Nähe eines Gas Flares hohe Methangehalte und Wasser und Sediment gemessen wurden, also geeignete Rahmenbedingungen für die geplanten Experimente. Das ab Montag eingeschobene, knapp zweitägige seismoakustische Vermessungsprogramm lieferte auch eine Reihe weiterer Hinweise für mögliche Seep Strukturen, die bereits vorab in den TOBI Daten als interessant erschienen waren. So ließen sich einige Gas Flares in den Side Scan Daten entdecken, an denen dann die Seismik größere flache Gasvorkommen nachweisen konnte und anschließend der Videoschlitten an zwei Positionen auch den endgültigen Hinweis auf rezente Aktivität Bakterienmatten und Muschelfelder erbrachte. Auch ein Rutschungskörper wurde ins Visier genommen, um ihn für geotechnische Beprobung zu kartieren.
Bodenwasserschöpfer und CTD vor dem Einsatz. Seit Mittwoch war dann wieder die TOBI Gruppe aus Southampton am Ruder, um den westlichen Teil des Arbeitsgebiet und die Sonne Fault zu kartieren. Das dauerhaft sehr gute Wetter mit Winden zwischen 1 und 5 Bft erlaubte auch diesmal die Akquisition eines ausgezeichneten Datensatzes, soweit es die Online Schriebe und die teilweise prozessierten Daten erkennen lassen. Dabei konzentrierten wird uns auf die etwas größeren Wassertiefen, und insbesondere den juvenilen Rücken an der Protodeformationszone sowie den ersten und höchsten voll entwickelten Diapirrücken. Vielversprechende Hinweise aus den TOBI Daten einschließlich mehrerer Gas Flares in immerhin über 3000 Metern Wassertiefe lassen erhoffen, daß wir dort vielleicht ein wichtiges Gebiet für die Arbeiten des nachfolgenden Fahrtabschnitts gefunden haben. Letzte Gewißheit werden wir allerdings erst in der letzten Arbeitswoche gewinnen, wenn die gezielte Untersuchungen mit Video und Seismik auf dem Programm steht. TOBI geht zu Wasser.
Auch in der zweiten Arbeitswoche können wir rundum zufrieden sein mit dem Fortschritt der Arbeiten und den Ergebnissen. Wir sind zuversichtlich, dies auch in den letzten Tagen fortsetzen zu können. Es deutet sich an, daß wir einen runden und wissenschaftlichen Datensatz mitnehmen können, den wir auch als solide Grundlage für die ROV Arbeiten in den kommenden Wochen an unsere Kollegen weitergeben können. Nachdem alle das Bergfest gut überstanden haben, freuen wir uns schon auf den Grillabend bei lauen bis sommerlichen Temperaturen um 27 Grad. Es grüßen alle Meteoriten Volkhard Spieß, Fahrtleiter
Expedition Meteor M74/2 Makran Seeps I 3. Wochenbericht: 22.-27.10.07 Die dritte und letzte Arbeitswoche begann in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober mit dem Einholen der Seismik und des TOBI. Gleich danach dampften wir wieder in flachere Wassertiefen, um das Beprobungsprogramm der vergangenen Woche in der Sauerstoffminimumzone fortzusetzen. Zunächst stand am Montag eine Station in 350 Metern Wassertiefe auf dem Programm, und zwei Tage später dann bei ca. 900 Metern. Und auch in dieser Woche waren Wind und Seegang kaum vorhanden und an einigen Tagen tauchten die Geräte durch eine spiegelglatte Wasseroberfläche. Die geringe Wellenbewegung ist in der Wassersäule nicht ohne Folgen: die Temperatursprungschicht wird verstärkt und verschiebt sich in Richtung Wasseroberfläche. Da somit die durchmischte Schicht an der Oberfläche dünner und der Eintrag von Nährstoffen aus den tieferen Schichten erschwert wird, geht in dieser Jahreszeit die Produktion des Phytoplankton zurück. Der geringere Eintrag von organischem Material in die tieferen Wasserschichten könnte die vergleichsweise geringen Sauerstoffzehrungsraten erklären, die wir in der Oxygen Minimum Zone (OMZ) messen. Die OMZ ist in dieser Region 800m-900m mächtig und die Sauerstoffkonzentrationen liegen zwischen 1 und 15 Mikromol. Trotzdem ist diese Zone nicht unbelebt und erstaunlicherweise wurden dort mit dem TV-Schlitten Kalmare beobachtet. Ob sie neugierig dem Licht des TV Schlitten in die Tiefe folgten oder dort ihre Nahrung suchen bleibt ungekärt. Unser Augenmerk galt allerdings auch in dieser Woche eher den mikrobiellen Prozessen in der OMZ und in den oberen Sedimentschichten. Dafür wurde die Wassersäule und das Sediment an zwei weiteren Stationen erfolgreich beprobt. Aus den Proben wurden Experimente angesetzt, mit denen insbesondere der anaerobe Stickstoffumsatz untersucht werden soll. Aufgrund der anaeroben Prozesse gelten OMZ s als globale Stickstoffsenken, die dem Phytoplankton im Ozean einen wichtigen Nährstoff entziehen. Die weitere Bearbeitung der Experimente kann allerdings erst in Bremen erfolgen, so dass noch keine Neuigkeiten zu verkünden sind. Ein weiterer Fokus ist das Messen von Nährstoff- und Methankonzentrationen im Sediment und in der Wassersäule. Insbesondere die Übergangszone, die sog. Bottom Boundary Layer (BBL) wurde mit zwei Absatzgestellen, dem Bodenwasserschöpfer und dem BBL- Profiler, untersucht. Wir konnten dort erhöhte Nährstoff- und Partikelkonzentrationen messen und sind gespannt welchen Einfluß diese Bedingungen auf die Umsatzprozesse haben. Eines unserer wichtigsten Ziele der letzten Arbeitswoche bestand darin, nach Abschluß des TOBI Survey soviele Strukturen wie möglich, die im TOBI Datensatz als mögliche Seep-Kandidaten erkannt wurden, auf aktive Fluid- und Gasaustritte zu untersuchen. Denn durch das stark gegliederte Gelände waren hohe Rückstreuwerte im Side Scan Sonar auch dann zu beobachten, wenn die Topographie steil war oder gröberes Sediment in den Depressionen und Kanälen dominiert. Dazu standen neben der Seismik vor allem das Parasound Echolot zur Verfügung, mit dem sich sogenannte Flares Säulen aus Millimeter bis Zentimeter großen Blasen nachweisen lassen. Allerdings liegt der größte Teil des Arbeitsgebietes in einer Wassertiefe, in der Methangas in Gashydrate eingebaut wird, und Gas deshalb nur
unter besonderen Bedingungen zum Meeresboden und in die Wassersäule gelangen kann. Insofern waren wir schon erstaunt und zugleich erfreut gewesen, daß wir gleich an mehreren Stellen des Arbeitsgebietes große Gasflares entdeckten. Der tiefste liegt in knapp 3000 m Wassertiefe im Bereich der jüngsten Deformationsfront und besteht aus einem Cluster von 3 Flares, die wir zuvor auch in den TOBI Daten entdeckt hatten. Ein Video Track am Ende der Woche konnte großflächig Indikatoren für Gasaustritte finden. Ein weiteres Cluster von Flares fanden wir in ca. 1700 m Wassertiefe am mittleren, diesmal während eines Seismikprofils, und da er genau unter dem Schiff im Parasound auftauchte, war das TOBI blind. In dessen Nähe fanden wir großflächig Karbonate am Meeresboden. Nachdem wir im Anschluß an die erste Station unsere Vermessungsarbeiten wieder aufnahmen und gezielt die auskartierten TOBI Anomalien mit Seismik und Echoloten anliefen, wurde am Dienstag ein Stationsprogramm an einem Rutschkörper eingeschoben, bei dem mit 4 Schwereloten der Körper selbst, die Headwall und die ungestörte Umgebung mit 3 bis 6 m langen Sedimentkernen erfolgreich beprobt werden konnten. Darauf folgten die Arbeiten an der letzten OMZ Station, bevor wir uns zum Abschluß zwei Blöcke mit Video Surveys am Mittwoch und Freitag mit den oben erwähnten Ergebnissen und eine letzte kurze seismische Vermessung am Donnerstag vornahmen. Gerade die gezielten Vermessungen zeigten, daß die intensive Deformation gerade im
Bereich der Diapirrücken zu einem Aufstieg von Gas führt, das lokal auch in das Gashydratstabilitätsfeld eindringt. Gerade an diesen Stellen konnten wir auch die Oberflächenanomalien beobachten, so daß sich alles langsam zu einem runden Bild zusammenfügt. Alles in allem haben wir mehr als ein halbes Dutzend aktiver Seepstrukturen identifiziert, ein markantes Pockmark eingeschlossen, und konnten zugleich erstmals durch den gleichzeitigen Einsatz von TOBI und Seismik viel bessere geologische Interpretationen erreichen und flache morphologische Strukturen von solchen unterscheiden, die im Zusammenhang mit tiefen Gasvorkommen stehen. Wir machten uns also in der Nacht vom Freitag zum Samstag mit dem guten Gefühl auf den Rückweg, daß für die nachfolgende RCOM Expedition mit dem Schwerpunkt auf ROV Einsätzen und Stationsarbeiten die Grundlage geschaffen wurde, die Entwässerungs- und Entgasungsprozesse am Makran Kontinentalrand besser zu verstehen. Es grüßt im Namen aller erschöpften, aber zufriedenen Fahrtteilnehmer Volkhard Spieß