Ausgabe 2015. Selbsthilfemagazin. Selbsthilfetag 18. Juli 2015. Friedrichsplatz, Kassel. Wir stehen dazu. Seite 4. Selbsthilfegruppen machen stark



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Ausgabe 2015 Selbsthilfemagazin für Kassel und Umgebung Wir stehen dazu Selbsthilfegruppen machen stark Seite 4 Selbsthilfetag 18. Juli 2015 Friedrichsplatz, Kassel

Impressum Herausgeber: Stadt Kassel Gesundheitsamt Region Kassel Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen Wilhelmshöher Allee 32A 34117 Kassel Telefon: 0561/92005-53 99 Fax: 0561/92005-5322 E-Mail: kiss@kassel.de Redaktion: Carola Jantzen (v.i.s.d.p.), Texte: Jacqueline Engelke, vitamin be Kommunikation, Kassel Druck: Grafische Werkstatt, Kassel Layoutgestaltung: Katja Lautenbach, Kassel Auflage: 3000 Copyright: Nachdruck nur mit Genehmigung Bildernachweis: KISS: Selbsthilfetag (S.4) Engelke Editorial (S. 4), Diabetes (S.5), Denise Schäfer (S.12), Magenkrebs (S.23), Klinzing (S.27), Buechs (S.30) Lautenbach: Titelfoto, Migräne (S.15) Fotolia.com: 3Renderings (DNA S.7), Spectral Design (Rheuma, S.13), apops (Netzhaut S.20), Photografee.eu (Arzt/Patient S.23), Dron (Krankenhaus, S.26), Vinogrado_il (Mutter/Sohn, S.26), Michael Schütze (Hände, S. 26) Pixelio.de: Rainer Sturm (Blumen S.8), Streibel (Blitze S.14), Lupo (Fahrrad, S.18), Uwe Steinbrich (Menschenmenge S.21), Thorben Wengert (Essen S.23) Privat: Gruppe Achtsamkeit (S.8/9), Patienten rechte (S. 16/Schirjack) Neumann (S.19), Göbel (S.20), (Skrypzak S.28), (Restless Legs S.29) Fotos ohne Bildunterzeilen dienen lediglich illustrativen Zwecken Inhaltsverzeichnis Editorial 3 Ü Selbsthilfetag 14. Kasseler Selbsthilfetag am 18. Juli 4 Diabetes: Selbsthilfe zeigt Gesicht 5 Ü Titelthema Huntington Krankheit So eine Krankheit hatte man nicht 6 Achtsamkeit Farbtupfer in das Grau des Alltags bringen 8 Elternkreis Wir können zuhören und verstehen 10 Rheuma Für junge Rheumatiker ist Normalsein wichtig 12 Migräne Migräne das Gewitter im Kopf 14 Patientenrechte Selbsthilfe Vertreter für Patientenrechte 16 Zwerchfell Wenn Atmen zum Problem wird 18 Netzhaut Selbstständig und mobil trotz Sehbehinderung 20 Krebs Magenkrebs das Leben geht weiter 22 Omphalocele Eltern haben viele Fragen 24 Elterngrupppen Eltern sind zeitlich und psychisch stark belastet 26 Ü Infos Stoma Bei Stoma-Rückverlegung: Mangel an Informationen 27 Restless Legs Zehn Jahre Selbsthilfe Restless Legs Nordhessen 28 Bauschpeicheldrüse Verlässlicher Ansprechpartner gefunden 29 Nachruf Mit mir können Sie reden T-Shirt Aufschrift von Berthold Buechs 30 Finanzielle Unterstützung durch den Förderrat 2014 30 Selbsthilfethemen Region Kassel 2015 31 2

Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wie jedes Jahr, möchten wir Ihnen im KISS-Selbsthilfemagazin 2015 interessante Selbsthilfegruppen aus der Nähe vorstellen. Darunter sind Gruppen, die im vergangenen Jahr neu gegründet wurden, aber auch Gruppen, die in 2015 ein rundes, zweistelliges Jubiläum feiern. Carola Jantzen Es war mir ein Anliegen, diesmal das Thema: Wir stehen dazu Selbsthilfe macht stark als besonderen Vorzug von Selbsthilfegruppen in den Mittelpunkt dieses Heftes zu stellen. Natürlich sind die Gruppen vertraulich. Doch viele Menschen erlangen in den Gruppen so viel Selbstbewusstsein, dass Sie zu Ihrer Erkrankung/ ihrem Problem auch in der Öffentlichkeit stehen können. Sie sprechen offen darüber und setzen der Moral, die bei Sucht oder psychischen Erkrankungen ja, manchmal sogar bei erblich bedingten Krankheiten eigenes Verschulden annimmt, starke Aussagen entgegen. Wer die Erbkrankheit Huntington hat, ist trotzdem ein wertvoller Mensch; wer die neurologisch komplexe Erkrankung Migräne hat, dem hilft Ruhe, aber nicht Zusammenreißen ; wessen Kind drogenabhängig wird, hat als Elternteil trotzdem nicht versagt, fast jede Gruppe hat solche Sätze. Menschen machen in Selbsthilfegruppen intensive persönliche Entwicklungen durch. Eine Erkrankung oder ein Problem zu akzeptieren, mit ihm und nicht gegen es zu leben, ist heilsam für die Seele. Dazu braucht es Kraft und Mut, die aus der Gruppengemeinschaft kommen. Selbsthilfegruppen sind Entwicklungszellen für heilsame Prozesse und mutige Menschen. Ich lade Sie dazu ein, in diesem Heft einige davon kennen zu lernen. Eine Chance, Menschen aus 37 verschiedenen Selbsthilfegruppen persönlich kennen zu lernen, bekommen Sie am Samstag, 18. Juli, wenn in Kassel wieder der Selbsthilfetag am Rande des Friedrichsplatzes in der Innenstadt stattfindet. Einige Selbsthilfegruppen, die wir in diesem Heft vorstellen, sind dort dabei. Welche, ist leicht an der Markierung im Heft zu erkennen. Bedanken möchte ich mich bei Jaqueline Engelke, die nun bereits im sechsten Jahr das KISS-Selbsthilfe Magazin mit den Gruppenleiter/innen und KISS erarbeitet hat. Danke auch an die Gruppenleiter/innen für ihre Mitarbeit und die Bereitschaft, aus dem Gruppenleben zu berichten. Ich wünsche Ihnen ein paar interessante Minuten beim Lesen der folgenden Seiten, auf denen wir auch über Themenschwerpunkte der KISS berichten. Die AG Patientenrechte tagt bereits im zweiten Jahr und kann erste Ergebnisse vorweisen, aus dem Projekt Eltern-Selbsthilfegruppen stärken gibt es einen ersten Zwischenbericht. Wenn Sie mehr über unsere Arbeit wissen möchten und aktuelle Informationen suchen, empfehle ich Ihnen unsere Internetseite www.selbsthilfe-kassel.de. Dort finden Sie auch den Jahresbericht der KISS mit einem Überblick über unsere Beratungstätigkeit und die Entwicklung der Selbsthilfegruppen in Stadt und Landkreis Kassel (seit Jahren rund 250) sowie die Finanzierung unserer Einrichtung. Besondere Veranstaltungen von KISS und den Selbsthilfegruppen veröffentlichen wir sowohl auf der Internet- als auch auf unserer Facebookseite unter www.facebook.com/selbsthilfe.kiss.kassel. Montags stehen sie in der HNA in der Rubrik Selbsthilfe. Folgen Sie uns. Wir freuen uns über Ihr Interesse. Carola Jantzen Dipl. Psychologin, Leiterin der KISS 3 3

Selbsthilfetag 14. Kasseler Selbsthilfetag 18. Juli 2015, 10 bis 16 Uhr Friedrichsplatzrandstraße zwischen Leffers und Friedericianum in der Fußgängerzone Kassel 14. Selbsthilfetag Kommen Sie uns besuchen! Bereits zum 14. Mal stehen Selbsthilfegruppen aus Stadt und Landkreis Kassel mit Infoständen in der Innenstadt und informieren über ihre Themen. Von häufigen und seltenen Erkrankungen, Behinderungen, Sucht und psychischen Problemen kann man schneller betroffen sein, als man sich das wünscht. Dann braucht man gute Informationen, um sich im Dschungel der Medizin- und sonstigen Hilfeangebote zu orientieren und die richtige Behandlung und Unterstützung zu finden. Betroffene und Angehörige aus Selbsthilfegruppen möchten anderen weiterhelfen, um die oft jahrelange Suche nach der richtigen Hilfe zu verkürzen. Wichtig sind auch Tipps für den Alltag, zu Fragen wie man sich das Leben leichter machen kann und wie man den Mut nicht verliert und den Kopf oben behält, trotz chronischer Beeinträchtigung. Die Gemeinschaft in der Gruppe kann den Einzelnen viel Kraft geben. Sie kann Mut machen, Dinge aktiv selbst in die Hand zu nehmen. Offen über seine Gedanken sprechen zu können in einer Gruppe mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann ungeheuer erleichtern. Die Gruppen laden alle ein, sich beim Selbsthilfetag zu informieren und unverbindlich mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Um den Besuchern die Kontaktaufnahme zu erleichtern, organisiert die KISS auch in diesem Jahr wieder eine Quizzrallye mit kleinen Gewinnen für alle, die zehn Fragen zu den Themen Selbsthilfegruppen richtig beantworten. Wer die richtigen Antworten nicht weiß, kann sie an den Infoständen erfragen. Die Veranstaltung wird um 10 Uhr von Stadträtin Anne Janz eröffnet. Mitwirkende Gruppen: Al Anon Familiengruppen Allianz gegen Brustkrebs Alternativmedizin Anonyme Alkoholiker Asbestose Selbsthilfegruppe Nordhessen Autismus Nordhessen e.v. Bauchspeicheldrüsenerkrankte AdP Blaues Kreuz Kassel e.v. Borderline Trialog Kassel e.v. Borreliose Selbsthilfegruppe Chronische Schmerzen Diabetes Selbsthilfe Nordhessen e.v. Elternkreis Kassel e.v. (Drogen) ERIK Kassel Inklusion behinderter Kinder Frauenselbsthilfe nach Krebs Gruppe Kassel Freundeskreis Kinder u. Jugendliche mit Diabetes e.v. FKJD Freundeskreise im Diakonischen Werk (Alkohol) GIOS Interessengemeinschaft Organspende e.v. Guttempler Gemeinschaft Chattenburg Herz und Seele Hört her! Eltern hörgeschädigter Kinder Kasseler Muskelstammtisch Kleinwüchsiger Menschen und ihre Familien e.v Hessen Leben mit Defibrillator und Herzschrittmacher Leukämie und Lymphome Selbsthilfegruppe Nordhessen Licht und Schatten (Depression und Angst) Lungenemphysem - COPD Gruppe Nordhessen Migräne Selbsthilfegruppe Morbus Bechterew Selbsthilfegruppe Kassel Prostatakrebs Selbsthilfegruppe Kassel Restless Legs Selbsthilfegruppe Rheuma Liga Selbsthilfegruppe Kassel Schlafapnoe/Atemstillstand Selbsthilfegruppe Stotterer Selbsthilfegruppe Kassel Tinnitus Selbsthilfegruppe Kassel Turner Syndrom Selbsthilfe Verband Hörgeschädigter Kassel 4

Diabetes Selbsthilfe zeigt Gesicht Diabetes Selbsthilfe Nordhessen präsentiert sich in Praxen und beim Selbsthilfetag Öffentlichkeitsarbeit ist für Selbsthilfegruppen ein wichtiges Anliegen, unter anderem, damit Betroffene den Weg in die Gruppe finden. Der Verein Diabetes Selbsthilfe Nordhessen präsentiert sich schon seit Jahren beim Selbsthilfetag und hat seine Öffentlichkeitsarbeit jetzt um ein spezielles Angebot erweitert: Mitglieder stellen bei den Schulungen von Diabetes-Patienten und -Patientinnen in Arztpraxen und Kliniken die Arbeit der Selbsthilfe vor. Wie können neue Mitglieder gewonnen werden diese Frage stellte sich auch der Vorstand der Diabetes Selbsthilfe Nordhessen und entwickelte ein neues Konzept. Menschen mit der Diagnose Diabetes absolvieren in Schwerpunktpraxen und Kliniken ein strukturiertes Schulungsprogramm mit sechs Unterrichtseinheiten, erläutert der Vorsitzende des Vereins, Klaus Seitz. Die Patienten/-innen sollen lernen, mit der Krankheit eigenverantwortlich umzugehen. Doch was ist nach der Schulung? Wie kann der Übergang von der medizinisch-fachlichen Beratung in die Selbsthilfe verbessert werden? Der Vorstand suchte eine Antwort und so entstand der Plan, den Verein mit seinen Angeboten sowie die Selbsthilfearbeit im Rahmen der Schulung vorzustellen, anstatt lediglich Flyer auszulegen. Damit wollten wir auch Gesicht zeigen", sagt Klaus Seitz. Da es zum Rot-Kreuz-Krankenhaus in Kassel und einigen Schwerpunktpraxen bereits gute Kontakte gab, traf die Idee dort auf offene Ohren. Ü Ein Aufwand, der sich lohnt 2012 startete ein Probelauf im Krankenhaus, mittlerweile präsentieren vier Mitglieder des Vorstands neben dem Krankenhaus noch in zwei Schwerpunktpraxen das Angebot des Vereins. Rund 15 Minuten dauert die Vorstellung. Informiert wird über die Arbeit des Vereins, über die verschiedenen Selbsthilfegruppen und die persönlichen Erfahrungen damit. Fragen zur Gruppe sowie eventuelle Vorbehalte gegenüber der Selbsthilfe lassen sich im Rahmen des Gesprächs klären. Zum Beispiel, dass es weder Zwang noch irgendwelche Kontrollen gibt. Vielmehr treffen sich von Diabetes betroffene Menschen zum Austausch von Erfahrungen. Und Spaß kommt auch nicht zu kurz. Diese Informationen helfen den Betroffenen. Sie sind oft verunsichert, wie sie nach der Schulung mit ihrem Diabetes gut leben können. Die persönliche Präsentation der Selbsthilfe ist zeitintensiv, sie seien manchmal zwei bis drei Mal pro Woche unterwegs, sagen Karen Grunewald und Martin Heuckeroth. Doch der Aufwand lohne sich, denn eine ganze Reihe von Betroffenen kommt nach 5 Die Vorstandsmitglieder Karen Grunewald, Klaus Seitz und Martin Heuckeroth der Schulung in die Gruppe mit vielen Fragen, die sich im Alltag ergeben, und die in der Gruppe besprochen werden können. Wir haben so schon einige neue Gruppenmitglieder gewonnen", fügt Klaus Seitz hinzu. Die Diabetes Selbsthilfe Nordhessen würde die Selbsthilfearbeit auch noch in weiteren Arztpraxen vorstellen. Außerdem, ergänzt der Vorsitzende, feiern wir dieses Jahr unser 15jähriges Bestehen". Natürlich soll auch das für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Ebenso wie der Selbsthilfetag. Ü Information & Kontakt Der Stammtisch Typ 1 Diabetes trifft sich jeden 1. Freitag im Monat um 20 Uhr. Der Gesprächskreis Typ 2 Diabetes trifft sich jeden vierten Freitag im Monat um 15 Uhr. Ort: KISS-Selbsthilfetreffpunkt Wilhelmshöher Allee 32a, Kassel. Informationen über einen Gesprächskreis für Eltern auf Anfrage. Kontakt: Klaus Seitz, Tel.: 05665/30167, E-Mail: info@diabetes-nordhessen.de. Internet: www.diabetes-nordhessen.de 5

Huntington So eine Krankheit hatte man nicht Gruppe zu Morbus Huntington macht Mut und nimmt Schamgefühle Morbus Huntington ist eine seltene, vererbbare neurologische Erkrankung, die sehr individuell verläuft. Weil die Erkrankten im Nationalsozialismus als unwertes Leben verfolgt wurden, herrscht bis heute in den Familien Verdrängung und Scham. Eine Selbsthilfegruppe in Kassel macht Betroffenen und Angehörigen Mut. Hier kommen Menschen zusammen, die gemeinsames Schicksal teilen. Beim ersten Treffen der Gruppe für Huntington- Erkrankte und Angehörige im November 2014 saßen 13 Menschen aus fünf Familien im KISS- Selbsthilfetreffpunkt in Kassel zusammen. Die große Resonanz überraschte auch die Gruppengründer Andrea Reinhold und ihren erkrankten Lebensgefährten Jörg Gohlke. Manche sprachen vielleicht erstmals über die Krankheit und wie es ihnen damit ging, wie viel Panik und Verzweiflung die Diagnose Morbus Huntington bei ihnen auslöste. Die Gruppe bietet ihnen Information und Zusammenhalt und nicht zuletzt Menschen, die ihr Schicksal teilen. Alles das hilft ihnen, jenseits der Angst mit dieser nicht heilbaren Erbkrankheit zu leben und dazu zu stehen. Nach wie vor schämen sich viele der an Huntington Erkrankten. Für die Nationalsozialisten waren sie lebensunwert, wurden verfolgt und ermordet. Familien verdrängten die Krankheit, schwiegen und schoben Symptome auf Alkoholsucht oder andere Ursachen. Diese Vergangenheit wirkt noch immer nach. So eine Krankheit hatte man nicht, sagen die beiden Gründer. Erst jetzt, in Jörgs Generation, stehen Erkrankte langsam zu ihrer Krankheit, meint Andrea Reinhold. Auch Jörg Gohlke sagt von sich, dass er anfangs ein Verdrängungskünstler war und es manchmal noch Ü Morbus Huntington Die Huntington-Krankheit ist eine sehr seltene, vererbbare Erkrankung des Gehirns. In Deutschland sind etwa 8 000 Menschen betroffen. Sie bricht meist zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus. Der Verlauf ist von Patient zu Patient verschieden. Viele Patienten leiden unter Bewegungsstörungen oder psychischen Veränderungen. Im fortgeschrittenen Stadium gehen die intellektuellen Fähigkeiten zurück, später kommt es häufig zur Demenz. Ursache der Krankheit ist ein verändertes Gen (Genmutation). Die Huntington-Krankheit wird auch Chorea Huntington oder Morbus Huntington genannt, früher Veitstanz. Die Bezeichnung rührt von den typischen, zeitweisen unwillkürlichen und unvorhersehbaren Bewegungen her. Zusammen mit dem unsicheren Gang und dem Grimassieren können diese Symptome entfernt an einen Tanz erinnern. Bisher kann die Huntington-Krankheit nicht ursächlich behandelt werden. Medikamente können die Symptome mindern. Neben dem frühzeitigen Kontakt zu einem auf Huntington spezialisierten medizinischen Zentrum und der medikamentösen Therapie sind Krankengymnastik, Beschäftigungstherapie sowie Sprechtraining wichtig. Quelle: huntington-hilfe.de, cyclopedia.net 6

Huntington immer ist. Seine Familie ging relativ offen damit um, dass sein Vater an Huntington erkrankt war. Die Wahrscheinlichkeit für die Kinder zu erkranken beträgt 50 Prozent. Erst als bei seinem Bruder erste Symptome auftraten, ließ Jörg Gohlke 2002 einen Gentest machen. Das Testergebnis bestätigte, dass auch er den genetischen Defekt hat. Bei ihm ist er individuell so ausgeprägt, dass er zu einem späteren Erkrankungszeitpunkt und einem langsameren Verlauf führen kann als bei anderen. Der 55Jährige könnte also Glück haben. Doch so genau weiß das niemand. Viele Erkrankte reagieren zuerst einmal mit Panik vor einem möglichen Ausbruch der Krankheit. Auch Jörg Gohlke machte Phasen der Angst und Abwehr durch. Ganz normale Vergesslichkeit oder Wut lösten bei ihm die Angst vor dem Beginn der Krankheit aus, da dies auch Symptome von Morbus Huntington sein könnten. Eine Verhaltenstherapie half dem 55-Jährigen, zu der Krankheit zu stehen und mit ihr und den daraus resultierenden Folgen so gut wie möglich zu leben. Ü Die Gefühle werden verstanden Seine Lebensgefährtin Andrea Reinhold ging das Thema aktiv an. Sie nahm schon früh Kontakt zu der Selbsthilfeorganisation Deutsche Huntington-Hilfe auf und informierte sich ausführlich. Dort schlug man vor, in Kassel eine Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen. Nach längerem Zögern siegte der Wunsch zu erfahren, ob es in Nordhessen weitere Erkrankte gibt. Beide meldeten sich bei der KISS und führten ein Erstgespräch mit der Leiterin Carola Jantzen. Mittlerweile trifft sich die Gruppe regelmäßig alle zwei Monate. Die Erkrankten und ihre Angehörigen lernen in der Gruppe voneinander. Ihre Gefühle werden von den anderen verstanden. Andrea Reinhold ist es wichtig, Sachlichkeit herzustellen. Damit Betroffene sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren und die Probleme lösen, die akut anstehen, ohne in Panik zu verfallen, schildert sie. Das Gefühl der Scham verringert sich, wenn andere offen mit der Krankheit umgehen. Ein Teilnehmer geht zum Beispiel mit seiner erkrankten Frau, die mittlerweile im Rollstuhl sitzt und das Besteck nicht mehr selbst halten kann, in normalen Restaurants essen. Eine mögliche Ermutigung für andere, sich nicht länger zu verstecken. Die Teilnehmenden der Gruppe tauschen sich über Möglichkeiten der Hilfe aus und darüber, wo man Experten für Morbus Huntington findet. Sie sollten so frühzeitig wie möglich Kontakt zu den medizinischen 7 Ü Information & Kontakt Struktur der DNA Fachzentren aufnehmen, die auf die Krankheit spezialisiert sind (beispielsweise in Bochum oder Münster), sagt Andrea Reinhold. Denn schon die richtige Diagnose kann dauern, da die Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten können. Ein an Huntington erkrankter Mann wurde beispielsweise lange auf eine Schilddrüsenkrankheit behandelt, andere bekamen die Diagnose Muskelkrankheit. Bei Jörg Gohlke blieb umgekehrt eine Schlafapnoe jahrelang unerkannt. Erst jetzt bekam er ein entsprechendes Sauerstoffgerät für die Nacht und schläft besser. Dadurch hat er enorm an Lebensqualität gewonnen. Was sich die beiden Gruppengründer von der Gesellschaft und vom Umfeld wünschen? Mehr Akzeptanz, sagen beide. Die Krankheit müsse öffentlich und sichtbar werden, um so die Berührungsängste der Gesellschaft vor Huntington- Familien abzubauen. Deshalb ist die Gruppe auch beim Kasseler Selbsthilfetag am 18. Juni mit einem Infostand präsent. Die Gruppe trifft sich in ungeraden Monaten am 3. Samstag im Monat um 14 Uhr im KISS-Selbsthilfetreffpunkt, Wilhelmshöher Allee 32A, Kassel. 3. Stock links (barrierefrei). In 2015 noch zu folgenden Terminen: 18. Juli / 19. September / 21. November. Kontakt über KISS, Tel. 0561/92005-5399 oder E-Mail: kiss@kassel.de 7

Achtsamkeit Farbtupfer in das Grau des Alltags bringen Gruppe zur Achtsamkeit für Frauen mit Depressionen und Ängsten Einfach nur atmen und da sein im gegenwärtigen Augenblick die Atemzüge zählen von eins bis zehn und immer so weiter. Oder ganz bewusst gehen oder stehen, spüren, wie die Füße und die Beine mich tragen. Diese Übungen der Achtsamkeit helfen auch dabei, die positiven Momente jedes einzelnen Tages wahrzunehmen, zum Beispiel ein Lächeln in der Straßenbahn oder eine bunte Blume am Wegesrand. Achtsamkeit kann Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angst stärken und dabei helfen, besser mit ihrer Krankheit umzugehen und sie anzunehmen. Sandra Heidrich lernte Übungen zur Achtsamkeit während ihrer Reha kennen. Am Ende ihres Aufenthalts war bei ihr die Idee für eine Selbsthilfegruppe zu diesem Thema geboren. Noch in der Reha wurde das Konzept erstellt und der Kontakt zur KISS hergestellt. Schon in dieser Zeit trafen sich einige Frauen aus der Gruppe eigenständig und übten sich im achtsamen, nicht bewertenden Umgang mit sich und der Umwelt. Seit Anfang 2014 gibt es bei KISS die Selbsthilfegruppe zur Achtsamkeit für Frauen mit Depressionen und Ängsten. Damit bei all den Problemen und Krisen, die psychische Erkrankungen mit sich bringen, der Blick auf das Positive, auf die eigenen Stärken und die guten Momente des Alltags nicht verloren geht. Nach einer Zeit des Ankommens bei Tee und leiser Musik stimmt eine kurze meditative Übung, zum Beispiel Atemzählen oder Imagination, auf den Abend ein. Wer achtet im Alltag schon ganz bewusst auf all die Geräusche, die uns umgeben? Beim Blitzlicht wird neben der aktuellen Situation ganz gezielt auf die positiven Momente im Leben geschaut Was habe ich mir in dieser Woche Gutes getan? Welchen Glücksmoment gab es in dieser Woche? Mit kleinen Geschichten oder anderen Impulsen steigen die Frauen in ein Thema ein und tauschen sich aus. Ein wichtiges Thema ist zum Beispiel das Nein-Sagen. Kann ich Nein sagen? Was befürchte ich, wenn ich Nein sage? Am Ende des Treffens kann jede Frau sagen, was sie Ü Was ist Achtsamkeit? Der Schüler fragt seinen Meister, der beim Volk und den Königen für seine Weitsichtigkeit und Weisheit bekannt ist: Meister, was hilft mir dabei, glücklich zu sein? Was hilft mir dabei, meinen Weg zu gehen, voller Kraft und Stärke? Was bringt mir Wohlstand, Liebe, Sicherheit und inneren Frieden? Und der Meister sagt: Achte auf deine Gefühle. Ohne sie zu bewerten. Jeden Tag. Achte auf deine Gedanken. Ohne sie zu bewerten. Jeden Tag. Achte auf deine Handlungen. Ohne sie zu bewerten. Jeden Tag. Achte auf deine Bedürfnisse. Ohne sie zu bewerten. Jeden Tag. Sei bei dir. Und der Rest kommt von alleine. (Quelle: zeitzuleben.de) 8

Achtsamkeit Ü Fragen für die Gruppe Wo habe ich heute erreicht, was ich mir vorgenommen habe? Was habe ich im vergangenen Jahr erreicht? Wann ist es mir einmal (gut) gelungen Nein zu sagen? Wie ging es mir damit? Wo habe ich mir heute was Gutes getan? Einen Glücksmoment in dieser beziehungsweise vergangener Woche hatte ich.? Mir geht es richtig gut, wenn. Ich freue mich auf morgen, weil/obwohl? Mir geht es gut, wenn ich Zeit habe für? Was habe ich mir zuletzt Gutes getan? Wie bewusst war ich mir dessen? von der Gruppenstunde für sich mitnimmt. Danach verteilt Sandra Heidrich häufig noch Anregungen auf kleinen Zetteln zum Mitnehmen. Die teilnehmenden Frauen finden in der Gruppe vor allem Gleichgesinnte. Es ist kein Dolmetscher nötig, meint eine Teilnehmerin, denn die Frauen haben alle die Erfahrung der Depression gemeinsam. Eine andere nimmt vielfältige Anregungen mit und fühlt sich in der Gruppe sicher, wohl und geborgen. Die Gruppe hilft, ein besseres Selbstwertgefühl und eine bessere Lebensqualität zu finden und Stress abzubauen, so eine weitere Stimme. Und natürlich geht es darum, Positives zu sehen und zu denken und seinen Körper sowie seine Umwelt achtsamer wahrzunehmen. Nicht nur Schwarz oder Weiß zu denken, sondern die Grautöne des Alltags zu akzeptieren, die vielen Farbtupfer im Grau wahrzunehmen und sich solche Farbtupfer zu schaffen. Ü Die kleinen Erfolge des Tages sehen Natürlich darf man in der Gruppe sagen, dass es einem nicht gut geht, erläutert die Gruppenleiterin. Doch die Frage ist: Wie gehe ich damit um, was kann ich dagegen tun? Eine Depression bedeutet Antriebsschwäche. Kommt eine Frau trotzdem in die Gruppe, ist das bereits ein Erfolg. Diese Sichtweise kann stärken und helfen. Wenn ich in der Gruppe war, geht es mir anschließend besser, schildert Sandra Heidrich. Sie führt ein Sonnentagebuch. Darin sind unter anderem die kleinen Erfolge des Tages aufgelistet, etwas im Alltag geschafft zu haben, erfahrene Hilfsbereitschaft, Momente der Freude. Die Gruppe und die Übungen zur Achtsamkeit helfen dabei, alles so anzunehmen, wie es gerade ist. Durch diese akzeptierende Wahrnehmung entsteht Raum für 9 Veränderung und die Möglichkeit, seine Schwächen anzunehmen und die Stärken zu entdecken. Sandra Heidrich lernt mit der Gruppe ständig dazu. Es ist ihr wichtig, mit der Leitung der Gruppe eine Aufgabe zu haben. Dazu kommen Angebote der KISS wie die Supervision für Gruppenleitende. Da steckt auch Entwicklungspotenzial für mich drin, meint Sandra Heidrich. Heute kann sie sagen: Ja, ich habe eine psychische Erkrankung. Das entlastet ungemein. Sie hat gelernt, die Depression als einen Teil von sich zu akzeptieren. Die Übungen zur Achtsamkeit haben ihr gezeigt, dass sie noch viele andere Anteile in ihrer Persönlichkeit hat. Was sie sich für Menschen mit psychischer Krankheit wünscht? Kürzere Wartezeiten auf einen Therapieplatz und Unterstützung bei der Suche nach einem solchen. In der akuten Krise ist diese Anforderung nicht zu bewältigen, bei 10, 15, 20 oder mehr Therapeuten anzurufen, um zu erfahren, dass es eine lange Warteliste gibt oder überhaupt keine mehr geführt wird. Dies ist aber leider traurige Realität. Weiterhin wünscht sie sich Arbeitsplätze, die den Bedürfnissen angepasst sind. Dass eine Krankheit wie Depression kein Stigma mehr ist und die betroffenen Menschen sich nicht mehr erklären müssen. Genau das bietet die Gruppe den Betroffenen und das stärkt und hilft. Ü Information & Kontakt Die Gruppe trifft sich am 1. und 3. Mittwoch im Monat, 18 Uhr im KISS-Selbsthilfetreffpunkt, Johanna-Waescher-Raum. Kontakt über die KISS, Tel. 0561/92005-5399 oder kiss@kassel.de. Um Anmeldung wird gebeten. 9

Elternkreis Wir können zuhören und verstehen Selbsthilfe stärkt seit 40 Jahren Eltern von Kindern mit Suchtproblemen Seit 40 Jahren treffen sich im Elternkreis Kassel Eltern und andere Angehörige, deren Kinder oder Verwandte Suchtprobleme haben. Sie sprechen über ihre Ängste, ihre Belastungen, Erfahrungen und Gefühle und erleben Verständnis und Geborgenheit. Der Elternkreis stärkt sie und hilft ihnen dabei, neue Wege für sich zu finden und zu gehen. Suchtkrankheit, erst recht die Abhängigkeit von illegalen Drogen, ist keine anständige" Krankheit zumindest wird sie von der Gesellschaft und vom Umfeld nicht so gesehen, erzählen Eltern des Vorstands des Elternkreis Kassel im Gespräch. Umso entlastender ist es für die Eltern, Großeltern oder andere Angehörige, im Elternkreis anonym und vertraulich über ihre Sorgen und Nöte reden zu können und verstanden zu werden. Meist sind es Eltern, die in die Gruppe kommen. Die meisten von ihnen Ü Geschichte der Elternkreise begann im Wohnzimmer eines Ehepaares Der Elternkreis Kassel entstand am 10. Juni 1975 im Wohnzimmer des Ehepaar Löhe auf Initiative des Arztes Dr. Ulrich Mohs hin, der den Vorschlag zu einer solchen Selbsthilfegruppe machte. Der erste Vorsitzende war Wolfgang Löhe, dann übernahm seine Frau, Maria Löhe, den Vorsitz des Kasseler Elternkreises. Sie führte den Elternkreis viele Jahre bis zu ihrem 75. Lebensjahr. Sie war gemeinsam mit ihrem Mann maßgeblich daran beteiligt, dass in anderen Städten Hessens Elternkreise entstanden. Das Ehepaar regte in den 70er Jahren die Gründung des Bundesverbands der Elternkreise an. Beide Ehepartner wurden mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Karl-Heinz Lange übernahm den Vorsitz des Vereins im Jahr 2000 und behielt diese Funktion bis 2007. Schon Maria Löhe hatte sich für Drogenabhängige im Kasseler Strafvollzug engagiert, eine Aufgabe, die Lange weiterführte und dort einen Gesprächskreis drogenabhängiger Männer übernahm. Während vor 40 Jahren Drogen wie Haschisch, Kokain und Heroin im Vordergrund standen, nahmen im Laufe der Zeit die synthetischen Drogen wie Ecstasy oder Speed zu, erläutern die heutigen Vorstandseltern. Damit ist auch die Zahl von so genannten Doppeldiagnosen gestiegen, also von Suchtkrankheit gemeinsam mit psychischen Erkrankungen. Der Verein Elternkreis Kassel hat heute 48 Mitglieder. Er gehört dem Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter (BVEK) an. Gefeiert hat der Verein das 40jährige Bestehen mit einer Jubiläumsfeier Mitte Juni. 10

Elternkreis erwarten ein Patentrezept und kommen in dem Glauben, dass eine Therapie beim Kind schon alles regeln wird. Dass dies ein Irrtum ist, dass der Weg aus der Suchtkrankheit lang und keineswegs immer erfolgreich ist, diese Erkenntnis ist zuerst einmal bitter für die Eltern. Doch sie treffen in der Gruppe auf andere Menschen, die wissen wie es ist, mit der Sucht eines Kindes konfrontiert zu sein und zu leben. Wir haben keine Patentrezepte, aber wir können zuhören und verstehen, weil wir das Gleiche erlebt haben", sagt ein betroffener Vater. Die Eltern haben oft niemanden, mit dem sie über die Sucht der Kinder sprechen können. Sie fragen sich: Was habe ich bloß falsch gemacht? Wie sollen wir das nur unseren Freunden und der Familie erklären? Wie konnte das nur passieren? Wir haben doch alles gegeben und nun das! Sie fühlen sich schuldig und schämen sich. Solche Gefühle werden vom Umfeld oft noch verstärkt. Manche Eltern entwickeln Depressionen und Ängste. Ü Neue Wege einschlagen Im Elternkreis fühlen sie sich aufgehoben und verstanden. Alleine das Reden hat mir sehr geholfen", sagt die Vorsitzende des Kasseler Vereins, Gerlinde Müller. Bei all den Katastrophen", die die Sucht des Kindes mit sich bringt, jemanden zu haben, den man anrufen kann und der zuhört. Es war alles nur noch halb so schlimm, weil ich mich angenommen und aufgefangen gefühlt habe", sagt eine Mutter aus dem Vorstand. Sie lernten in der Gruppe viel über Sucht, über die Gründe des Verhaltens ihrer Kinder. Die Kinder seien einfach zur falschen Zeit über die falsche Brücke gegangen, Suchtkrankheit komme in allen Familien vor, stellt ein Vater fest. Deshalb müsse man keine Schuldgefühle haben. Den Kindern geht es schlecht unabhängig davon, wie gut oder schlecht sich ihre Eltern fühlen. Doch die Erkenntnis der eigenen Ohnmacht gegenüber der Suchtkrankheit, die Kinder loszulassen und neue Wege einzuschlagen ist manchmal ein langer Prozess. An dessen Ende geht es darum, gut für sich selbst zu sorgen. Diese Schritte zu gehen und sich selbst und seine Stärken wiederzufinden, dabei hilft die Gemeinschaft der Gruppe. Mir hat der Elternkreis viel gegeben", sagt Gerlinde Müller, deshalb engagiert sie sich heute im Vorstand. 11 Einer anderen Mutter gibt die Gemeinschaft viel, sie wird unterstützt und gestärkt und kann andere Eltern unterstützen. Der Elternkreis bietet auch Freizeitaktivitäten, wir machen viele schöne Dinge", sagt ein Vater. Dazu gehören Wanderungen, Theaterbesuche oder Tagesseminare, beispielsweise zum Thema Körpersprache. Es werde auch miteinander gelacht und man hat Spaß was manchen Eltern anfangs fremd erscheine. Entstanden ist der eingetragene Verein Elternkreis Kassel vor 40 Jahren (s. dazu Kasten). Eins ist in all den Jahren gleich geblieben: Die Eltern stehen der Suchtkrankheit ihrer Kinder heute noch genauso hilflos gegenüber wie vor 40 Jahren. Hier hilft der Elternkreis dabei, neue Wege zu gehen, sich von der Sucht der Kinder zu lösen und eigene Stärken und Ressourcen (wieder) zu entdecken. Ü Information & Kontakt Die Gruppe trifft sich jeden 1. und 3. Montag im Monat, 19.30 bis 21.30 Uhr im Selbsthilfetreffpunkt der KISS, Wilhelmshöher Allee 32A, 3. Stock, Sara-Nußbaum-Raum, 34117 Kassel. Kontakt: Gerlinde Müller, Tel. 0561/823689 Weitere Infos: www.bvek.de 11

Portrait Für junge Rheumatiker ist Normalsein wichtig Denise Schäfer ist in Rheuma-Liga aktiv und engagiert sich für behinderte Menschen Kaffee und Wasser stehen schon bereit und Denise Schäfer hat es sich nicht nehmen lassen, den Gast vorne am Empfang beim fab (Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter) abzuholen. Die 33jährige Denise Schäfer ist seit Februar 2015 gemeinsam mit zwei anderen Frauen im Vorstand der Rheumaliga Kassel und organisiert die Treffen der Jungen Rheumatiker. Daneben ist sie ehrenamtlich für den fab tätig und leitet einen Stammtisch für behinderte Menschen. Soziale Kontakte sind wichtig, erzählt sie, gerade für Menschen mit einer Beeinträchtigung. Soziale Kontakte ein Wort, das im Laufe des Gesprächs noch häufiger fällt. Vor vier Jahren wurde Denise Schäfer Mitglied der Rheumaliga. Seit Februar diesen Jahres ist sie Ansprechpartnerin für junge Menschen mit Rheuma. Rund 20 000 Kinder und Jugendliche sind in Deutschland von rheumatischen Erkrankungen betroffen. Bei Denise Schäfer stellten die Ärzte in Göttingen, im Alter von vier Jahren die Diagnose Juvenile Polyarthritis. Ab dem sechsten Lebensjahr verbrachte sie mindestens die Hälfte ihrer Ferien in der Klinik Bad Bramstedt. Das Cortison und die Entzündungen, die sie wegen ihrer Juvenilen Polyarthritis nehmen musste, störten das Wachstum, sie ist klein und zierlich geblieben. Und wenn sie von der Krankheit redet, merkt man ihre Kompetenz und ihre Erfahrungen mit Rheuma. Ü Die Schmerzen sind nicht sichtbar Schon in der vierten Klasse kam sie im Bollerwagen mit auf Ausflüge der Schule, mit 15 fuhr sie im Rollstuhl mit auf Wandertage. Für die anderen Schüler war ich das Fahrstuhlmädchen, erzählt sie und lächelt. Sie hatte aufgrund ihrer Erkrankung als einzige Schülerin einen Schlüssel für den Fahrstuhl. Gegen Hänseleien hat sie sich von Beginn an zur Wehr gesetzt. Diskobesuche die habe ich mit 18 nachgeholt. Ihre Freunde hatten endlich einen Führerschein und konnten sie mitnehmen. Soziale Kontakte eben. Denise Schäfer erzählt offen von diesen Erfahrungen, als wären sie ganz normal. Für junge Rheumatiker ist das Normalsein wichtig, erläutert sie. Sie würden mit ihren Problemen oft nicht ernst genommen, denn die Schmerzen sind nicht sichtbar. Die jüngeren Betroffenen wollten nicht nur Jammern. Vielmehr treffen sich Freunde, die Rheuma haben und sich über ihren Alltag und ihre Krankheit austauschen, die aber auch Spaß haben wollen. Meistens fragten die Menschen heutzutage erst einmal Dr. Google. Doch das Internet weiß ja nicht, wie Medikamente individuell wirken oder wie Ernährung ein wichtiges Thema für Rheumakranke sich auswirkt. Diese Punkte können Betroffene bei den Treffen der Gruppe besprechen. Momentan treffen sich die jungen Rheumakranken noch unregelmäßig zum Stammtisch, das Angebot ist von Denise Schäfer und zwei Mitstreitern wiederbelebt worden. Jüngere Menschen erreicht man am besten über Smartphone und Internet, weiß Denise Schäfer. Da muss ich noch einen Schlachtplan machen und das wird sie zweifellos tun. Sie ist selbst beim sozialen Netzwerk Facebook in zwei Gruppen aktiv. Gegründet hat sie die Gruppe zu Veranstaltungen/Aktivitäten mit Handicaps, und sie ist Mitglied in der Gruppe rheumatische Erkrankungen. Ü Mehr barrierefreie Restaurants Denise Schäfer im Büro des fab Für die Treffen des Stammtisches des fab sucht Denise Schäfer gemeinsam mit einer sehbehinderten 12

Portrait Ü Rheuma Hinter dem Begriff Rheuma stecken über 100 ganz unterschiedliche rheumatischen Erkrankungen, von denen Millionen Menschen betroffen sind. Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Rheuma der Überbegriff für Erkrankungen, die an den Bewegungsorganen auftreten und fast immer mit Schmerz und häufig mit Bewegungseinschränkungen verbunden sind. Rheuma kann jeden treffen, alte und junge Menschen, sogar Kinder. Rheumatische Erkrankungen werden in vier Hauptgruppen unterteilt: Entzündlichrheumatische Erkrankungen, degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, Weichteilrheumatismus, Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden. Ursache kann ein gestörtes Immunsystem sein, auch Stoffwechselstörungen können eine Ursache von Rheuma sein. In der Therapie spielen Bewegung, Ernährung und Medikamente eine Rolle. (Quelle: wikipedia, Rheuma-Liga) Frau und mit der Gruppe Restaurants in Kassel und testet sie auf Barrierefreiheit. Gibt es beispielsweise Stufen zur Toilette, empfiehlt sie, für das Treffen eine Assistenz mitzubringen. Wo kann man mit Rollstühlen sitzen, um der Kellnerin nicht im Weg zu sein? Solche und andere Punkte spielen bei der Recherche eine Rolle. Die Situation in Restaurants in Kassel hat sich für behinderte Menschen verbessert, sagt Denise Schäfer. Als sie 2003 erstmals zum fab kam, standen gerade acht Restaurants auf der Liste. Heute füllen sie anderthalb Seiten. Der Stammtisch, den sie bei der fab leitet, trifft sich einmal monatlich. Mit dabei sind vor allem Menschen mit Handicap, oft mit ihren Partnern, auch andere Interessierte können kommen. Bei den Treffen in unterschiedlichen Restaurants tauschen sich die Teilnehmenden aus, es wird geredet und gelacht, sagt die Leiterin. Ü Für seine Rechte kämpfen Wer Denise Schäfer sieht und hört, wenn sie von ihrer Rheumaerkrankung erzählt, ist erstaunt was sie schon erlebt hat. Sie hat beide Hüft-, beide Kniegelenke und die rechte Schulter ersetzen müssen. Die Schulterprothese ist aufgrund ihrer Größe ein Problem und sie hofft auf die 3D Technik, mit deren Hilfe vielleicht irgendwann die Herstellung individueller Gelenke kostengünstig möglich wird. Wie gelingt es ihr, trotz der Krankheit so aktiv zu sein? Ich bin ein fröhlicher und offener Mensch, 13 erzählt Denise Schäfer, der auch andere eine positive Ausstrahlung attestieren. Ihre Eltern und Geschwister unterstützen sie schon von Kindheit an und dann sind da, genau, die sozialen Kontakte. Aber sie hat auch gelernt, auf sich zu achten. Ein bis zwei Tage pro Woche nimmt sie sich eine Auszeit. Man sollte sein Leben so gestalten, wie man denkt und für seine Rechte kämpfen, fasst sie zusammen. Dazu gehört es, auch mal Nein zu sagen. Und dazu gehören andere Menschen, mit denen man sich austauschen und Spaß haben kann. Ü Information & Kontakt Junge Rheumatiker: Kontakt: Denise Schäfer, Tel.: 0157/7862882, E-Mail: jungerheumatiker-nh@ gmx.de. Stammtisch der Rheuma-Liga: jeden letzten Freitag im Monat, 18 Uhr. Restaurant DINEA Galeria Kaufhof, Obere Königsstraße 31, Kassel. Kontakt: Michaela Fritsch, Tel.: 05603/4851. Rheuma-Gymnastikgruppen: Jeden Donnerstag um 16 und 17 Uhr in der Orthopädischen Klinik in Kassel. Kontakt: Astrid Boll. Tel.: 0561/6305684. Weitere Infos: www.rheuma-liga.de Infos zum Stammtisch der fab: www.fab-kassel. de/aktuelles/offener Stammtisch. Um Anmeldung wird gebeten. 13

Migräne Migräne das Gewitter im Kopf Betroffene lernen in der Selbsthilfegruppe, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen Migräne wird als Krankheit noch immer nicht von allen ernst genommen. Doch die Erkrankung hat für die Betroffenen viele Konsequenzen. Wie man damit umgehen kann und welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt, sind Themen in der Selbsthilfegruppe für Migräne-Erkrankte. Ein Interview mit Gruppengründerin Anke Meyfarth. KISS-Magazin: Frau Meyfarth, seit wann haben Sie Migräne und wie ist diese diagnostiziert worden? Anke Meyfarth: Die manchmal auftretenden Kopfschmerzen kenne ich seit meiner Kindheit. Nach der Geburt meines zweiten Kindes wurden die Beschwerden immer stärker und ein Internist hat bei mir Migräne diagnostiziert. KISS-Magazin: Was ist Migräne eigentlich genau? Anke Meyfarth: Migräne haben etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Menschen mit Migräne leiden unter Anfällen von pulsierenden Kopfschmerzen, einer Art Gewitter im Kopf. Migräne ist eine ernstzunehmende neurologische Krankheit, die sehr individuell verläuft. Die Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt. Meistens dürften erbliche Veranlagungen eine Rolle spielen. Mein Vater beispielsweise hatte Migräne, noch bis ins hohe Alter. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Reize nicht richtig verarbeitet werden. Das Gehirn kommt nicht zur Ruhe. Dadurch haben Menschen mit Migräne häufiger als Menschen ohne Migräne ein Problem, abzuschalten und zu entspannen. KISS-Magazin: Was hilft denn bei Migräne? Anke Meyfarth: Man kann vorbeugend versuchen, sich gegen übermäßige Reize zu schützen und große körperliche oder psychische Belastungen zu vermeiden. Ein regelmäßiger Tagesablauf ist wichtig. Ich selbst versuche, einen klaren Rhythmus mit Schlafen, Essen und Bewegung einzuhalten. Meine Migräne ist chronisch und ziemlich schwer. Ich reagiere auf verschiedene Auslöser, doch das kann bei anderen Betroffenen ganz unterschiedlich sein. Wetter, Nahrungsmittel, Gerüche und vieles mehr können eine Rolle spielen. Bei einem Anfall gilt es, Reize zu vermeiden und in einem abgedunkelten Raum Ruhe zu suchen. Ansonsten gibt es verschiedene Therapien, manchen helfen auch nichtmedikamentöse Maßnahmen, andere sind auf Medikamente wie Schmerzmittel angewiesen. Jeder muss für sich testen, was ihm oder ihr gut tut. KISS-Magazin: Wie wirkt sich die Krankheit auf das Leben aus? Anke Meyfarth: Ein Migräneanfall bedeutet extreme Kopfschmerzen, je nachdem begleitet von Übelkeit, Erbrechen, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Aura, sogar Gesichtslähmungen oder motorische Störungen können auftreten. Die Krankheit belastet psychisch, sie führt zu Ängsten im Alltag, Sorgen um den Arbeitsplatz und vielem mehr. Zuletzt habe ich als Erzieherin mitbedingt durch die Migräne nur mit reduzierter Stundenzahl arbeiten können. Die vielen Reize durch diese Arbeit vertrage ich nicht, deshalb musste ich aufhören. Die Migräne ist nicht immer sichtbar, im Gegensatz zu einem gebrochenen 14

Migräne Arm, deshalb treffen Betroffene am Arbeitsplatz oft auf Unverständnis. Mancher quält sich lieber durch den Alltag, nur um nicht unglaubwürdig zu wirken. KISS-Magazin: Sie haben eine Selbsthilfegruppe gegründet beziehungsweise sie wiederbelebt wie kam es dazu? Anke Meyfarth: Ich fand es wichtig, dass von Migräne betroffene Menschen einen Raum finden, um sich über ihre Krankheit auszutauschen. In unserer Gesellschaft ist Migräne immer noch nicht als ernstzunehmende Krankheit anerkannt. Insofern brauchen Migräniker Hilfe, Verständnis und Unterstützung, die sie im Kreis der Betroffenen finden. KISS-Magazin: Was sind wichtige Themen in der Gruppe? Anke Meyfarth: Wir treffen uns einmal monatlich und tauschen uns über die unterschiedlichen Krankheitsbilder, die verschiedenen Auslöser der Migräne aus. Wir sprechen über Möglichkeiten der Behandlung, sowohl schulmedizinische als auch alternative Methoden. Neueste Ergebnisse der Forschung sind Thema und natürlich die Konsequenzen, die Migräne im Alltag mit sich bringt. Wir laden externe Referenten/ innen wie Ärzte, Ernährungswissenschaftler, Heilpraktiker in die Gruppe ein. Oder wir machen Achtsamkeitsübungen, Yoga und verschiedene Entspannungstechniken. Die Gruppe war unter anderem bei den Gesundheitstagen mit einem Infostand vertreten und wird auch beim Selbsthilfetag und beim Aktionstag gegen Schmerz im Rot-Kreuz- Krankenhaus dabei sein, um Betroffene anzusprechen und zu informieren. Hilfreiche Broschüren dafür bekommen wir von der Deutschen Migräneliga, ein Dachverband und Forum für den Austausch von Informationen und Erfahrungen. Als Gruppenleiterin nehme ich auch an Fortbildungen und Seminaren der Deutschen Migräneliga teil, auch die KISS bietet Supervision und Coachings an. KISS-Magazin: Wie hilft Selbsthilfe bei Migräne? Anke Meyfarth: Zunächst einmal lernen die Teilnehmenden sich selbst und die Krankheit in der Begegnung mit anderen Menschen besser kennen. Die Gruppe hilft dabei, neuen Mut zu fassen, neue Perspektiven und Methoden zu finden und sich einen selbstsicheren Umgang mit Therapeuten und Ärzten zu erarbeiten. Ganz wichtig ist es auch, die Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die einem Freude machen. KISS-Magazin: Wie reagieren Angehörige und Freunde auf die Krankheit? 15 Anke Meyfarth Anke Meyfarth: Die unvorhersehbaren Anfälle beeinträchtigen auch das Leben der Angehörigen. Das Berufsleben fast aller Betroffenen ist eingeschränkt, in Einzelfällen sind sie nicht mehr berufstätig. Das ist oft schwer, da Migränepatienten eher die Macher sind. Ich selbst war immer aktiv und habe früher sehr viel gemacht. Mittlerweile bin ich aus dem Berufsleben ausgeschieden. Ich musste lernen, Schritt für Schritt zu gehen. Freunde und Bekannte reagieren oft mit Unverständnis, jeder hat schließlich mal Kopfschmerzen, meinen sie. Der Ernst der Krankheit wird nicht erkannt. Als Betroffener fängt man dann leicht an, sich dauernd zu rechtfertigen. Deshalb ist es wichtig, dass Angehörige, Partner, Freunde, Bekannte, aber auch Arbeitsgeber und Kollegen, ausreichend über Migräne und die Folgen informiert sind. KISS-Magazin: Wie gelingt es, Lebensfreude und Lebensqualität nicht zu verlieren? Anke Meyfarth: Idealerweise gelingt es, die Migräne anzunehmen und mit ihr zu leben. Die Selbsthilfegruppe zeigt den Betroffenen, dass sie mit ihr Krankheit nicht allein sind. Wichtig für Migräniker ist es, achtsamer durch das Leben zu gehen. Auch mal Nein zu sagen. Und neue Kraft und Energie aus Dingen zu ziehen, die Spaß machen und Freude bereiten. Ü Information & Kontakt Ü Information & Kontakt Die Gruppe trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat, um 18.30 Uhr, im Selbsthilfetreffpunkt der KISS, 3. Stock, Wilhelmshöher Allee 32A, 34117 Kassel. Voranmeldung ist nicht notwendig. Kontakt: Anke Meyfarth, Tel. 0172/1976436, E-Mail: migraene-kassel@web.de 15

Patientenrechte Fortbildungsgruppe der AG Patientenrechte bei KISS zur Klaren Patienten-Arzt- Kommunikation im Mai 2015. Selbsthilfe Vertreter für Patientenrechte Arbeitsgruppe bei der KISS sammelte Beispiele und bearbeitet Fülle von Themen Wo bleibt die Menschlichkeit? Wo wird der Mensch als Individuum respektiert? Wo ist der mündige Patient wirklich willkommen? Das bundesdeutsche Gesundheitssystem ist aufgrund des Kostendrucks hoch kompliziert geworden. Besonders Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen kämpfen mit Systemlücken und gegen Widerstände bei der Bewilligung von Leistungen. Kann man dagegen auf örtlicher Ebene etwas tun? Rund 90 Prozent der Deutschen geben an, sie seien mit ihrem Arzt zufrieden. Dennoch kommen bei der Kontakt- und Informationsstelle KISS und in den Selbsthilfegruppen immer wieder drastische Berichte an, die zeigen, dass die medizinische Behandlung nicht immer gut läuft. Auch Berichte über abgelehnte Anträge auf Hilfsmittel und Reha-Aufenthalte sind nicht selten. Die Selbsthilfeorganisationen und Wohlfahrtsverbände werden auf Bundesebene als Patientenvertreter in den Entscheidungsgremien beteiligt. Das sind langwierige Prozesse. Doch kann man auch vor Ort konkret etwas verbessern? Als sich zwölf Leiterinnen und Leiter aus Selbsthilfegruppen und die Leiterin der KISS zur ersten Sitzung der AG Patientenrechte trafen, wussten alle, dass die Materie medizinische Versorgung kompliziert sein würde. Trotzdem wagten sie sich an die Materie und suchten nach Möglichkeiten, in der Region etwas zu verbessern. Nach der Sammlung von schlechten Erfahrungen in der ersten Sitzung, waren alle beeindruckt von der Fülle der Themen. Diabetiker im Krankenhaus, bei denen die Blutzuckerwerte aus dem Ruder laufen, weil Mahlzeiten ausfallen; Nichtbeachtung eines vorgezeigten Allergieausweises bei der Medikamentengabe im Krankenhaus mit der Folge eines allergischen Schocks; mangelnde Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme im Krankenhaus, weil ein Patient sich nicht schnell genug bewegen kann; unterlassene Spritzengabe beim Hausbesuch wegen Bezahlungsstreits; halbjährige Wartezeiten auf einen Facharzttermin; geschlossene Facharztpraxen am Ende des Quartals; Verordnung von zu geringen Medikamentenmengen und Anwendungen mit Verweis auf das begrenzte Arztbudget (obwohl für chronisch Kranke Ausnahmen möglich sind); nicht behindertengerechte Zimmer und Toiletten im Krankenhaus; Ablehnung von wichtigem Zubehör zu einem Elektrorollstuhl; Reha-Aufenthalte in Kliniken, die auf die spezielle Erkrankung nicht eingestellt sind und vieles mehr. Aus mehr als einer Situation dieser Beispielliste entstand ein lebensbedrohlicher Zustand. Wenn man etwas bewegen will, muss man zuerst das System kennen lernen und die Stellschrauben finden, 16

Patientenrechte an denen man drehen kann. Die KISS organisierte einen Vortrag einer Unternehmensberaterin für Arztpraxen bei den Kasseler Gesundheitstagen. Die AG- Teilnehmer versuchten, das Abrechnungssystem von ambulanten Arztpraxen und das Fallpauschalen- System der Krankenhäuser zu verstehen. Häufig dominiert das Abrechnungssystem Art und Dauer der medizinischen Behandlung stärker, als für den Patienten gut ist, ambulant und stationär. Ein weiterer Vortrag befasste sich mit der Bedeutung von ärztlichen Leitlinien. Darin beschreiben ärztliche Fachgesellschaften, wie die optimale Behandlung bei einer bestimmten Erkrankung verlaufen sollte. Die Leitlinien sind im Internet veröffentlicht, einige sind zu Patientenleitlinien für Laien verständlich formuliert worden. Die AG-Teilnehmenden lernten, dass es keinen Sinn macht, seinen Arzt strikt auf eine Behandlung nach den Leitlinien zu verpflichten. Jeder Einzelfall muss individuell betrachtet werden. Für den Arzt sind die Leitlinien Richtlinien zur Orientierung, von denen er in begründeten Fällen abweichen kann. Für den Patienten können sie Grundlage für Fragen zur Behandlung sein. In Kassel müssen Patienten beim internistischen Rheumatologen länger als ein halbes Jahr auf einen Termin warten. Deshalb versuchte die AG den von der Rheuma Liga geforderten weiteren Facharztsitz voranzubringen. Die Verteilung der Arztsitze wird von der Kassenärztlichen Vereinigung gesteuert. Die Leiterin der KISS nimmt als Patientenvertreterin an der Gesundheitskonferenz Nordhessen teil und brachte dort das Anliegen vor. Ergebnis: Es wurde bereits versucht, einen weiteren Arztsitz für einen Internisten mit Schwerpunkt Rheumatologie auszuschreiben. Doch es fehlte an Bewerbern, da diese Fachausbildung besonders lang ist. Generell ist es ein Problem, Nachwuchsmediziner dorthin zu lenken, wo Ärztemangel herrscht. Anreizprogramme werden gerade entwickelt. Für Patienten bleibt derzeit der Weg über den Hausarzt. Handelt es sich um einen dringenden Fall, kann er beim Rheumatologen einen Termin innerhalb von zwei Wochen erhalten. Mehrere der in der AG gesammelten Negativ-Beispiele beziehen sich auf die Behandlung in einem Krankenhaus. Daraus entstand ein Schwerpunkt der AG, zu dem Vertreter des Klinikums Kassel eingeladen wurden. Der Leiter des Tumorzentrums, die Qualitätsmanagementbeauftragte und der Pflegedienstleiter erläuterten ihr Arbeitsumfeld. Bereits bei der Aufnahme eines Patienten starten über 100 Prozesse (Arbeitsabläufe). Die Koordination dieser Prozesse in 17 Ü Vorläufige Sammlung wichtiger Tipps: Sie als Patient treffen die Entscheidung für Ihren Körper. Informieren Sie sich umfassend über alle Behandlungsmöglichkeiten. Treffen Sie Ihre Entscheidung im Gespräch mit Ihrem Arzt. Ärztliche Leitlinien finden Sie im Internet auf: www.awmf.org/leitlinien.html Schreiben Sie sich vor einem wichtigen Arztgespräch ihre Fragen auf, notieren Sie die Antworten. Nehmen Sie zum Arztgespräch und ins Krankenhaus eine Person Ihres Vertrauens mit. Verfassen Sie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, damit diese Person im Notfall für Sie handeln kann. Nutzen Sie die Beschwerdesysteme im Krankenhaus zeitnah und konkret. Denken Sie bei Vertrauensverlust zu Ihrem Arzt über einen Arztwechsel nach. Spezialfällen, wie bei chronisch Kranken und behinderten Menschen, ist nicht immer optimal. Man nahm die gesammelten Beispiele der AG interessiert auf und versprach, sich damit zu beschäftigen. Dem Leiter der Diabetes Selbsthilfegruppe wurde die Mitwirkung an einem Modellprogramm zugesagt, das im Klinikum speziell für Diabetiker durchgeführt werden soll, die wegen anderer Erkrankungen behandelt werden. Eine wichtige Entdeckung der AG waren die Patientenfürsprecherinnen, die es in allen Krankenhäusern in Kassel gibt. Bei einem Treffen lernte man sich kennen. Sie sind ehrenamtlich tätig und unabhängig vom Krankenhaussystem. Sie haben direkten Zugang zur Krankenhausleitung und können Beschwerden dort vortragen. Zusätzlich hat jedes Haus ein eigenes Beschwerdemanagement, das man über die Stationsleitungen oder über Briefkästen auch anonym in Anspruch nehmen kann. Patienten erfahren davon in der Regel in den Begrüßungsmappen. Wichtig ist, dass die Beschwerden möglichst konkret und zeitnah abgegeben werden. Dann hat die Leitung eher eine Chance, etwaige Mängel abzustellen. Die AG Patientenrechte hat sich vorgenommen, die wertvollsten Tipps aus Ihrer Arbeit zu sammeln und in einer Broschüre zu veröffentlichen. Das braucht noch etwas Zeit. Derzeit werden die Ergebnisse eines Workshops zur Klaren Kommunikation beim Patienten-Arztgespräch ausgewertet. Carola Jantzen 17

Zwerchfell Wenn Atmen zum Problem wird Gruppe Zwerchfellhochstand gibt Betroffenen Hilfen an die Hand Wer einen Zwerchfellhochstand hat, leidet unter Kurzatmigkeit und Atemnot. Eine Therapie gibt es bisher nicht. Heinz Neumann hat mit Hilfe der KISS Kassel die vermutlich bundesweit erste Selbsthilfehilfegruppe für Betroffene ins Leben gerufen. Die Gruppe entwickelte nicht nur einen Flyer, vor allem der Erfahrungsaustausch und die Informationen über mögliche Hilfen unterstützen die Betroffenen darin, die Krankheit körperlich und psychisch zu bewältigen. Heinz Neumann hat acht Jahre lang an Halbmarathonund auch Marathonläufen teilgenommen. Ende 2012 musste er wegen eines starken Infekts eine Pause einlegen. Jedenfalls glaubte der sportliche Mann, dass es nur eine Pause sein würde. Die Antibiotika halfen gegen den Infekt. Doch dann hechelte er beim Schuhe binden, geriet auf dem Weg vom Büro zum Auto bereits in Atemnot. Seine Kurzatmigkeit verunsicherte ihn sehr. Der Arzt beruhigte, er habe eine kleine Lungenentzündung gehabt. Das dauert. Anfang 2014 kam Heinz Neumann schließlich in eine Lungenfachklinik, die Ärzte stellten die Diagnose Zwerchfellhochstand (siehe Kasten). Eine Krankheit, für die es bisher keine Therapie gibt. Ü Bundesweit einzige Gruppe Viele der Betroffenen erlebten dasselbe wie Heinz Neumann: Ärzte vertrösteten sie nach einer Operation oder einem Infekt, wenn sie den Ursachen ihrer Atemnot auf den Grund gehen wollten. Das gibt sich schon wieder, hieß es und auch das Umfeld nimmt die Beschwerden oft nicht richtig ernst. Das alles verzögert die richtige Diagnose. Heinz Neumann gab nach der Diagnose nicht auf. Er griff den Vorschlag des Sozialdienstes in einer Kur auf, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Die KISS Kassel stand ihm dabei mit Rat und Tat zur Seite. Zum ersten Treffen im Mai 2014 gab es 14 Anfragen von Interessierten, mittlerweile hat sich Ü Zwerchfellhochstand Beim Zwerchfellhochstand auch Zwerchfellparese genannt ist das Zwerchfell einseitig oder auch beidseitig gelähmt, es wölbt sich in den Brustkorb und engt die Lunge ein. Die Ursachen sind vielfältig, oft wird der Zwerchfellhochstand durch eine Schädigung des Nervs ausgelöst, der das Zwerchfell steuert. Zur Diagnose wird meist der Brustkorb geröngt. Wirksame Therapien gibt es noch nicht, Atem- und Bewegungstherapie kann hilfreich sein. 18

Zwerchfell ein harter Kern von fünf bis sechs Betroffenen herausgebildet. Neumann vermutet, dass es sich bundesweit um die bisher einzige Selbsthilfegruppe zum Zwerchfellhochstand handelt. Zumindest hat er bei seinen Recherchen noch keine weitere entdeckt. In der Gruppe tauschen sich die Betroffenen aus: Über die Folgen des Zwerchfellhochstandes, der ein- oder beidseitig auftreten kann; über eine morgendliche Schleimbildung, deren Ursache unklar ist; über Blähungen und vor allem über Kurzatmigkeit und Atembeschwerden, die sogar Staubsaugen und Fahrradfahren unmöglich machen können. Der Austausch über Möglichkeiten der Hilfe ist ein weiteres wichtiges Thema. Was kann ich tun, um die Krankheit besser zu bewältigen? Welche Atemtechniken helfen? Ist eine Operation notwendig und hilfreich? So erzählte ein Gruppenteilnehmer mit beidseitigem Zwerchfellhochstand, wie er mit der möglichen Lebensgefahr aufgrund eines zu stark gesunkenen Sauerstoffgehalts im Blut umgeht. Mit einem kleinen Gerät (Pulsoximeter) lässt sich der Sauerstoffgehalt ganz einfach messen. Wenn notwendig, hilft ihm ein Beatmungsgerät, den Sauerstoffgehalt im Blut auf ein notwendiges Maß zu erhöhen. Ü Eigenen Flyer entwickelt Neben dem Austausch sind fachliche Informationen über die Krankheit wichtig. Neumann plant, Fachleute für Vorträge einzuladen, vom Lungenfacharzt bis zum Gesangslehrer. Die Gruppe entwickelte selbst einen Flyer mit Informationen über Zwerchfellhochstand und Tipps und Tricks, was bei Atemnot hilft. Wir wollten Ü Tipps und Tricks bei Atemnot Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen. Richtiges Treppensteigen: Ein bis zwei Stufen einatmen (bis zwei zählen) und zwei bis drei Stufen ausatmen (bis vier zählen). Brustmuskulatur gezielt trainieren dabei helfen Stange, ein Kilo Hanteln oder das Terraband. Sich durch sportliche Aktivitäten immer wieder vorsichtig an die Belastungsgrenze bringen, so dass sie langsam erhöht wird. Lippenbremse üben und einsetzen: Beim Ausatmen die Lippen leicht zusammenpressen und die Luft ausstoßen, so dass die Lippen leicht vibrieren. (aus dem Flyer der Selbsthilfegruppe) Heinz Neumman im Herbst vergangenen Jahres beim Lungentag im Rathaus mitmachen und Interessierten etwas an die Hand geben, schildert der Gruppenleiter. So entwarf der ehemalige technische Redakteur einen Flyer, den die Gruppe diskutierte und ergänzte und der beim Lungenfachtag präsentiert wurde. Das Wissen über Zwerchfellhochstand ist nach Meinung von Neumann lückenhaft. Schon über die Häufigkeit existieren kaum Zahlen. Vielleicht können wir Forschung anregen oder einen Beitrag dazu leisten, sagt Neumann. Er hat sich selbst geholfen und wieder angefangen zu laufen. Anfangs sei das hart gewesen, seine Belastungsgrenze war ungewöhnlich weit unten, er schob sie mit seinem Training schrittweise nach oben. Heute sagen ihm Ärzte, er habe den Zwerchfellhochstand durch das Training seiner Brustatmung so gut wie kompensiert. Das dauert, sagt er und jeder müsse seine persönliche Belastungsgrenze finden. Heinz Neumann hat sich vorgenommen, dieses Jahr wieder beim Halbmarathon mitzulaufen. Ü Information & Kontakt Die Gruppe trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Monat, 16 Uhr, im KISS-Selbsthilfetreffpunkt, Wilhelmshöher Allee 32 A. Kontakt: Heinz Neumann, Tel.: 0173/3960181, E-Mail: heinz-d-neumann@web.de oder über die KISS, 0561/92005399. 19 19

Netzhaut Selbstständig und mobil trotz Sehbehinderung In der Gruppe unterstützen sich Menschen mit Netzhautdegeneration gegenseitig Menschen mit einer Netzhauterkrankung müssen sich in einer Welt zurechtfinden, in der das Sehen im Vordergrund steht. Für Betroffene, deren Netzhaut degeneriert ist, bietet die Gruppe der Selbsthilfevereinigung PRO RETINA Deutschland Hilfe und Austausch. Wladimir Göbel hat die Gruppe in Kassel neu belebt. Sehbehinderte Menschen legen großen Wert darauf, selbstständig zu leben, sagt der Gruppenleiter. Wenn in einer visuell ausgerichteten Gesellschaft das Sehvermögen verloren geht, stehen die Betroffenen vor einer immensen Umstellung. Die Mobilität spielt für sie eine große Rolle wie komme ich von einem Ort zum anderen? Wie kann ich den Haushalt weiter bewältigen, kochen und putzen oder lesen und schreiben? Bei älteren Menschen geht es eher um Themen wie Treffen und Reisen, für jüngere Betroffene stellt sich die Frage, wie sie künftig am Arbeitsplatz zurechtkommen, schildert Göbel. Zu solchen Themen kommen soziale, berufliche und private Fragen, über die sich die Gruppenteilnehmenden austauschen. Oft bekommen sie auch konkrete Antworten. Wie sieht es mit dem Schwerbehindertenausweis aus? Wie ist das mit der Kostenübernahme für Hilfsmittel? Welche Hilfsmittel gibt es überhaupt? Ü Hilfsmittel Tablet und Computer Als Wladimir Göbel in unserem Gespräch prüfen will, ob er den richtigen Flyer mitgebracht hat, zückt er ein kleines, rechteckiges Gerät, eine elektronische Lupe. Er hätte das Blatt mithilfe einer App auch auf dem Smartphone abfotografieren können, eine elektronische Stimme hätte den Wladimir Göbel Text vorgelesen. Um sich mit einer Sehbehinderung im Alltag zurechtzufinden, hält Wladimir Göbel die mobilen Geräte für ein sehr gutes Hilfsmittel. Smartphone oder Tablet seien wichtige Helfer für den Alltag so hat er auch für das Interview beides dabei. Die Kosten für die Geräte werden allerdings nicht übernommen. Es gebe mittlerweile Apps (eine Anwendung, ein kleines Programm für mobile Geräte) für Blinde, die beim Navigieren helfen. Und Apps, die einem Texte vorlesen, was er gleich an einem Beispiel demonstriert. Sogar Blindenschrift können die Apps bieten. Natürlich ist damit auch ein normaler Computer für Sehbehinderte ein wichtiges Hilfsmittel. Wladimir Göbel leidet an einer Netzhauterkrankung. Er kann für einen Betroffenen noch relativ gut sehen, aber ohne diese Geräte ginge Vieles nicht mehr. Seit 1992 ist er Mitglied beim Verein PRO RETINA Deutschland, einem bundesweit aktiven Selbsthilfeverein für Menschen mit Netzhautdegeneration mit rund 5000 Mitgliedern. Seit Juni 2014 leitet er die Selbsthilfegruppe in Kassel. Als er eine Gruppe in Kassel suchte, aber keine fand, übernahm Wladimir Göbel 20