Predigten von Hauptpastor Alexander Röder Pfingstmontag 20. Mai 2013 Johannes 4, 19-26 Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist. Halleluja. Liebe Gemeinde, Jesus musste durch Samarien reisen, schreibt Johannes wenige Verse vor unserem Predigttext. Das ist eine jener kurzen Bemerkungen in den Evangelien, die wir leicht überlesen. Nicht so wichtig, mögen wir denken, aber solche Randnotizen sind wertvoll und nicht ohne Bedacht formuliert worden. Jesus hätte auch anders reisen können, und jeder Israelit zu seiner Zeit wäre anders gereist. Das Gebiet der verhassten Samaritaner hätte niemand freiwillig betreten. Sie waren nicht koscher. Ihre Religion war falsch, ihr Wesen war falsch, alles an ihnen war falsch und unrein und darum unbedingt zu meiden. Ein frommer Jude hatte keinen Kontakt zu diesen Menschen, die Nachfahren waren der wenigen nicht ins Exil nach Babylon verschleppten Israeliten und eines fremden Volkes, dass die Babylonier in Samarien angesiedelt hatten; die halsstarrig an ihren Heiligtümern festhielten, wo doch den Israeliten einzig der Tempel in Jerusalem als wahrer Ort der Anbetung Gottes galt. Jesus aber musste durch Samarien reisen. Nicht weil es diplomatisch angemessen oder politisch korrekt gewesen wäre, sondern weil auch dazu das Wort Fleisch geworden ist, wie es am Anfang des Johannesevangeliums heißt. Weil auch Samarien zu seinem Eigentum gehört, wo Menschen leben, die die Seinen sind und ihm gehören. Somit ist auch diese Reise Teil des göttlichen Ratschlusses, niemanden auszulassen bei der Verkündigung der Heilsbotschaft und niemanden einfach so nach der eigenen Façon selig werden zu lassen, ohne dass er zuvor Jesus begegnet wäre
Predigten von Hauptpastor Alexander Röder Seite 2 oder wenigstens von seinem Heilsangebot für die gesamte Menschheit gehörte hätte. Ohne Zwang, als Angebot Gottes! Darum ist Jesus nach Samarien gekommen. Zu dieser namenlose Frau, die er am Brunnen trifft. Eine Frau, die als Beispiel für viele steht, denen Jesus begegnen möchte im ganz normalen Alltag ihres Lebens, um diesen Alltag reicher, gefüllter und tiefer werden zu lassen durch den Glauben. Alles nur ein Zufall? Wohl kaum. Der Evangelist Johannes setzt vielmehr voraus, dass Jesus die Samaritanerin längst kennt. Im Heiligen Geist hat er in ihr Herz geschaut und kennt ihre Sehnsüchte und stillen Hoffnungen, weiß um ihre dunklen Geheimnisse, aber rührt nicht anklagend daran und verurteilt nicht, sondern wirbt um ihren Glauben und ihren Verstand und stellt sich ihr vor und stellt ihr Gott vor, wie er wirklich ist und nicht im Zerrbild menschlicher Vorstellungen. Diese Begegnung, die schon dadurch Grenzen sprengt, dass sie überhaupt stattfindet zwischen einem jüdischen Mann und einer samaritanischen Frau, wird am Ende zu einem Gespräch über den wahren Gottesdienst; einen geistvollen Gottesdienst, der sich nicht länger in Abgrenzung zu anderen definiert: Wir beten auf dem Garizim an, und das ist recht so; und nicht in Jerusalem, wie ihr. Wir nennen Rom unser Zentrum, ihr habt so etwas gar nicht; einen Gottesdienst, der nicht länger Kraft vergeudet, immer wieder das Eigene als wahr zu verteidigen und das Tun der Anderen zu verurteilen: Kantaten von Johann Sebastian Bach lassen sich nicht mit unserer Tradition des Gottesdienstes vereinbaren hier und Synodenentscheidungen, dass bei Trauungen kein Ave Maria gesungen werden darf, dort; einen Gottesdienst, der nicht allein Normen und Traditionen betont, sondern der offen ist oder offen wird für das, was Gott wirken will. Also gerade nicht beliebig und in jeder Form richtig, die Menschen für richtig oder angemessen erklären. Eben nicht im aufgeklärten Blick des Menschen auf seine religiösen Gemütlichkeiten und Annahmen allein, sondern im Blick darauf, wie Gott sich in der Geschichte offenbart hat und in dieser Form der Offenbarung eine Freiheit schenkt, die vom Menschen erst entdeckt werden soll und immer wieder neu entdeckt werden muss. Die fremde samaritanische Frau hört durch Jesus vom Heilswillen Gottes, der alle Menschen einschließt, alle Menschen einlädt und doch niemanden zwingt. Jesu Herz ist voll von seiner Mission, Menschen zu gewinnen für Gott. Menschen zu gewinnen für einen Gott in der Geschichte. Jesus ist hineingeboren worden in Gottes erwähltes
Predigten von Hauptpastor Alexander Röder Seite 3 Volk, doch seine Mission ist viel größer, ohne dass sie jemals ihre Wurzeln verschweigen würde: Das Heil kommt von den Juden. Ein bemerkenswerter Satz, insbesondere im Johannesevangelium, dem man in der jüngeren Geschichte immer wieder antisemitische Züge vorgeworfen hat. Auch dieser Satz des Evangeliums wurde gern überlesen und manche hätten ihn gern getilgt, weil er da steht wie ein Stachel im Fleische. Wohl eine Glosse, hat einer der großen Neutestamentler im 20. Jahrhundert geschrieben. Und viele sind ihm in dieser Einschätzung gern und vielleicht sogar ein wenig erleichtert gefolgt. Das Heil kommt von den Juden. Was sagt das anderes, als dass Gott treu bleibt und seine Verheißung nicht einfach zurückzieht oder wechselt wie ein Hemd. Dieses eine Volk hat er erwählt vor allen anderen, und durch einen Menschen aus diesem Volk bietet er nun allen Menschen das Heil an. Die Frau ist gekommen, um einfach nur Wasser zu schöpfen und ihren Durst zu löschen. Jesus aber lenkt das Gespräch mit ihr auf ihren Seelendurst, den sie bisher nicht hat löschen können. Ihren leeren Eimer hat sie immer wieder mit Wasser aus dem Brunnen gefüllt, ihr Herz hingegen ist leer geblieben und müsste viel dringender gefüllt werden. Jeden Tag geht diese Frau zum Brunnen. Jeder Tag hat seinen Rhythmus, seine Routine, seine Aufgaben. Wie bei uns. Routinen und Aufgaben fordern uns und beschäftigen uns. Wir tun sie gern oder pflichtgemäß, und tun sie oft so, als sei das unser Leben, als füllte diese Pflichterfüllung unser Leben wirklich aus. Jesus weist auf einen anderen, einen tieferen Sinn der Lebensfülle, der mit Gott zu tun hat, und die Frau merkt auf und spricht ein Wort der Bewunderung über diesen fremden Mann, der mit ihr redet: Du musst ein Prophet sein. Propheten aber waren von Gott gesandte Menschen, die nicht aus sich selbst heraus redeten. Diese Frau sucht die Wahrheit und bleibt doch in ihrem Denken und Fragen auf der Oberfläche der real existierenden Religionen ihrer Zeit: Juden hier, Samaritaner dort; Garizim hier, Tempel in Jerusalem dort. Jesus macht in seiner Antwort deutlich, dass sie diese Oberfläche verlassen muss, um in die Tiefe des wahren Gottesdienstes vorzudringen, um Gott wirklich Gott sein zu lassen. Darum seine Definition Gottes als Geist und des Gottesdienstes als einer Anbetung im Geist und in der Wahrheit.
Predigten von Hauptpastor Alexander Röder Seite 4 Wahrer Gottesdienst hängt nicht von einem Ort ab, sondern von einer Haltung. Und die wahre innere Haltung kann es auf dem Garizim geben, auf dem Tempelberg, auf der Zugspitze und dem Süllberg. Es ist müßig darüber zu streiten, wo Anbetung recht ist. Wohl aber sollte darüber gesprochen werden, wie Anbetung recht ist. Jesus bindet dieses Wie sehr deutlich an seine Person: noch ist meine Stunde nicht gekommen, in der das alles offenbar werden wird. Noch ist nicht vollbracht, woran deutlich wird, dass ausgerechnet Golgatha zum Ort der Verherrlichung werden wird und zur Erlösung für viele. Und doch ist schon jetzt die Zeit, dass Menschen sich durch Jesus öffnen für die wahre Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, dass sich Erlösung nicht erst in einer fernen Zukunft ereignen wird, sondern in diesem Moment das Leben der samaritanischen Frau verwandeln will: Ich bin s, der mit dir redet. Gott selbst, in diesem Menschen, redet mit der Frau im Geist und in der Wahrheit -, das Fleisch gewordene Wort. Aber was ist das: Geist und Wahrheit? Wahrheit ist die Wirklichkeit Gottes in unserem Leben, auf die wir es stützen und bauen, in der wir immer wieder Vertrauen gewinnen für jeden neuen Tag. Wahrheit ist mehr als das, was wir für wahr halten, was unserer subjektiven Empfindung entströmt. Wahrheit ist die Offenheit für die Liebe Gottes, die wie ein Schlüssel unser Herz aufschließt, damit Gott darin Wohnung nehmen kann. So hebt die Kantate an, die wir gerade gehört haben: Ich liebe dich, so muss ich hoffen: Dein Wort trat itzo bei mir ein. So erst kann ich in der Wahrheit sein, wenn ich Gott mein ganzes Leben öffne. Das kann ich nicht aus mir allein heraus. Dazu bin ich zu sehr befangen in meinen Angelegenheiten, zu sehr beschäftigt mit meinem Alltag, zu sehr in Anspruch genommen von meinen Sorgen und den Nöten meines Herzens und meiner Seele wie die samaritanische Frau, die Jesus am Brunnen trifft. Ich kann nicht aus mir heraus mein Leben für Gott öffnen. Gott selbst ist es, der durch seinen Geist dieses Werk vollbringen will. Der Geist, von dem Jesus der Frau am Brunnen spricht, ist so lebendig und erfrischend wie das Wasser aus dem Brunnen, aber seine Kraft kommt von Gott und so ist dieser Geist eine Quelle der Neuschöpfung des Menschen: Totes wird wieder lebendig, Lahmes kann wieder springen und Unbewegtes und scheinbar Unbewegliches in uns erhält neuen Schwung, ja wird geradezu getrieben wie von einem göttlichen Tanzwirbel des Lebens erfasst.
Predigten von Hauptpastor Alexander Röder Seite 5 Anbetung im Geist und in der Wahrheit geschieht nur durch diesen Geist. Anbetung im Geist und in der Wahrheit ist darum kein Pochen auf die eigene Wahrheit und irgendwelche Ansprüche, an diesem Ort oder mit diesen hohen geistlichen Würdenträgern Gott besonders nahe zu sein. Es ist einzig eine Antwort auf die Bewegung der göttlichen Liebe, die sich so tief herabgebeugt hat, um uns zu erreichen und zu umarmen und zu halten. Es ist ein Aufschwung des Vertrauens und der Hingabe an Gott, die sich erhebt, um Gott in Gebet und Lobgesang anzubeten. Kommt, eilet, stimmet Sait und Lieder in muntern und erfreuten Ton. Das ist Antwort im Geist und in der Wahrheit. Das ist Beten, das gründet im Heilswerk Gottes an mir und für mich. Und darin ist die vollkommene Freiheit, die aber, das macht Jesus ohne Einschränkungen deutlich, gebunden ist an ihn und seine Sendung: Ich bin es, der mit dir redet. Jetzt und hier. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. -.