BU DAP EST Arkaden und Türme hoch über der Donau Der Ausblick von der Fischerbastei ist phantastisch Im alten jüdischen Viertel Den Gozsdu-Hof erkunden
sehr schön neu gestaltet, und die Pester Redoute am Donaukorso erstrahlt wieder in altem Glanz. Das gilt auch für die prächtige Liszt-Ferenc-Musikakademie am Szeneplatz Liszt Ferenc tér. Budapest ist der Kopf, das Herz und die Seele des Landes 1,7 Mio. Menschen wohnen in der Hauptstadt. Schon diese Zahl steht für ihre Bedeutung. Debrecen, Ungarns zweitgrößte Stadt, bringt es nur auf 207 000 Einwohner. 17 Prozent aller Einwohner Ungarns leben in Budapest. Auf Berlin übertragen hieße das, die Stadt hätte nicht 3,4 Mio. Einwohner, sondern fast 14 Mio. Budapest ist die Inkarnation des ungarischen Nationalstolzes, ist der Kopf, das Herz und die Seele des Landes. Die Budapester sind eine besondere Spezies. Ein Beispiel ist Ilona: Die Kreditfachfrau hat den Sprung von der Provinz in die Hauptstadt geschafft. Sie verdient mit 200 000 Forint netto überdurchschnittlich gut und besitzt eine Eigentumswohnung. Wohnungseigentum ist für die Budapester, wie für alle Ungarn, das A und O. Ilonas Wohnung ist nur 40 m 2 groß, und trotzdem verschlingen der Kredit und die Nebenkosten mehr als die Hälfte des Einkommens. Bei dem, was übrig bleibt, ist an den Kauf eines Autos nicht zu denken. Zur Arbeit geht es mit Bus und Bahn auch das hat Ilona mit den meisten Budapestern gemein- Architektonisches Schmuckstück und Wahrzeichen Budapests: der Burgpalast 14 www.marcopolo.de/budapest
auftakt sam. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind die wichtigsten Fortbewegungsmittel und während des Berufsverkehrs regelrecht belagert. Nirgendwo sonst im Land wird so gut verdient wie in Budapest. Den Arbeitnehmern eröffnet ihre Arbeit aber kaum Chancen auf Wohlstand bei Lebenshaltungskosten, die weitgehend auf Westniveau liegen, ermöglichen die Löhne nur ein bescheidenes Dasein. Der Alltag ist für die meisten Budapester hart, und dennoch sind sie die größten Fans ihrer Stadt. Denn in Budapest spielt die Musik: Die Märkte haben ein Angebot, das es so nur in Budapest gibt, internationale Musikgrößen treten nur in der Hauptstadt auf, und nur hier laufen die großen Filme an, finden die großen Sportereignisse und Festivals statt. In den Sommermonaten ist Budapest ein einziges Open-Air-Eldorado. Donauufer und Margareteninsel, Stadtwäldchen, Im Sommer ist die Stadt ein einziges Open-Air-Eldorado Parks und Budaer Berge: Budapester machen die Stadt in jeder freien Minute zu ihrem Tummelplatz. Sie gehen raus und sie gehen aus. Das gilt auch für Familien: Lájos und Lydia wohnen mit ihren zwei Kindern in einem Plattenbauhochhaus auf der Budaer Seite. Das Budget ist knapp, aber am Freizeitvergnügen mit den Kindern wird nicht gespart. Zoo, Kindereisenbahn, Skaten auf der Margareteninsel, Ausflüge in die Shoppingcenter und in die Budaer Berge die Familie hat sich in Budapest einen bunten Lebens- und Erlebnisraum abgesteckt. Auch Essengehen gehört trotz knapper Kassen zum Leben wie die Luft zum Atmen. Bevorzugte Ziele sind die vielen preiswerten Restaurants. Die lassen in puncto Service und Sauberkeit zwar viele Wünsche offen, aber sie sind beliebte Treffpunkte. Man kann es sich dort bei ungarischer Kost stundenlang gut gehen lassen. Jugendliche finden McDonald s und Burger King schick, aber die meisten jungen Budapester sind weit weniger vom Familienleben abgenabelt als Gleichaltrige in westlichen Ländern. Das gemeinsame Essen mit der Familie ist heilig. Eine Vertreterin der älteren Generation ist Mártha: Sie wurde in Budapest geboren und ist der Stadt ihr Leben lang treu geblieben. Für die Rentnerin ist ein Besuch im Kaffeehaus der pure Luxus. Dort trifft sie sich mit ihren Freundinnen und das, sagt Mártha, muss sein, auch wenn die 80 000 Forint Rente das eigentlich nicht erlauben. Eine weitere Freude sind die Besuche im Thermalbad. Rentner können öffentliche Verkehrsmittel kostenlos benutzen, das macht mobil. Und therapeutische Anwendungen gibt s auf Krankenschein. Vor allem für ältere Menschen sind Budapests Thermalbäder mehr als nur Heilbäder, sie sind Kontaktbörse und Unterhaltung. Aus allem das Beste machen, darin sind alle Budapester geübt. Vor allem aber verbindet sie eines: Budapester sind Budapester. Gesegnet mit dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein, tempo- und tonangebend zu sein. Wochentags bevölkern sie ihren städtischen Kosmos, freitags beginnt im Sommer der Exodus. Bevorzugte 15
Ausflugsziele sind der nahe gelegene Velence-See, der Balaton (Plattensee) und das Donauknie. Zu den Stadtflüchtern gehören Budapester, die sich in den sozialistischen Jahren ein Ferienhäuschen zulegen konnten, oder die Freunde und Verwandte besuchen. Oder sie haben Ferienschecks im Gepäck, eine Art Urlaubsgeld von Betrieben. Budapester sind Großstädter einer etwas anderen, typisch ungarischen Art. Wichtiger als das Ich ist das Wir, familiäre Bande sind eine tragende Säule des Lebens. Familienmitglieder halten zusammen, feiern gemeinsam Geburtstage, Ostern und Weihnachten, sind die wichtigsten Unterstützer in der Not. Soziale Beziehungen prägen den Alltag in jedem Alter: In den Studentenwohnheimen werden Freundschaften fürs Leben geschlossen, es wird zusammen gefeiert und gekocht. Teure Kino- und Clubbesuche sind zwar die Ausnahme, aber reichlich Spaß ist trotzdem garantiert. Hunderttausende Budapester sind am wichtigsten Nationalfeiertag, dem Sankt- Stephans-Tag am 20. August, auf den Straßen, Plätzen und Brücken unterwegs. Geschichte ist in Budapest und in den Köpfen der Budapester allgegenwärtig. Die Geschichtsschreibung Ungarns beginnt 896 Am Sankt-Stephans-Tag wird auf Straßen und Plätzen gefeiert mit der Landnahme der sieben Magyarenstämme unter der Führung des Fürsten Árpád. Eine herausragende Stellung nimmt der erste ungarische König Stephan ein, der im Jahr 1000 gekrönt wurde. An ihn erinnert auch die Stephanskrone im Budapester Parlament. Nachdem die Mongolen 1241/ 42 das Land überrannt hatten, baute König Béla IV. auf dem Burgberg eine erste Burg. König Matthias (1458 90) ließ sie im Renaissancestil ausbauen. Dieser goldenen Ära folgte die 160 Jahre anhaltende Besetzung durch die Türken (1526 1668). Als der Kampf gegen die Besatzer erfolgreich endete, waren Buda und Pest vollkommen zerstört. 1941 trat Ungarn an der Seite Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion ein. Während der von den ungarischen Pfeilkreuzlern unterstützten Terrorherrschaft der Nazis wurde das Budapester jüdische Viertel zum Ghetto und für Tausende zum Grab. Am Ende des Kriegs lagen weite Teile der Stadt in Trümmern. 1947 kam die Kommunistische Partei an die Macht. Proteste von Budapester Studenten gaben 1956 den Anstoß zum Widerstand gegen das Regime; der Aufstand der Konterrevolutionäre wurde blutig niedergeschlagen. Jahrzehnte später, in der Nacht zum 11. September 1989, öffnete Ungarn seine Grenze und ermöglichte rund 100 000 DDR-Bürgern darunter vielen, die in einem Budapester Lager untergebracht waren, die Flucht. Am 23. Oktober, dem 33. Jahrestag des Aufstands von 1956, wurde von einem Fenster des Budapester Parlaments aus die Republik Ungarn ausgerufen. Damit war die sozialistische Volksrepublik Geschichte. In den letzten 25 Jahren waren die Scheinwerfer in Budapest vor allem auf die blühenden Stadtlandschaften gerichtet: auf die wunderbar restaurierten Glanzlichter des historischen Budapest, auf die gewaltigen internationalen Investitionen in Shoppingcenter und Luxusimmobilien, auf Großprojekte wie das Millenniumsviertel an der Rákóczi-Brücke. Ausgeblendet blieben die Schattenseiten des Fortschritts. Die 16 www.marcopolo.de/budapest
AUFTAKT jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Finanznot der öffentlichen Haushalte und die sozialen Spannungen verschärft. Selbst im liberalen Budapest hat das Wort international keinen guten Klang mehr. Stadt-am-Fluss-Magie der besonderen Art Es steht für die internationalen Konzerne hinter den massiv gestiegenen Rechnungen für Strom und Gas, für die Banken, bei denen viele Wohnungseigentümer in der Kreide stehen bedroht von der Gefahr, das Dach über dem Kopf zu verlieren, und es steht für die vielen Bestechungsskandale im Zusammenhang mit der Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen. Als wirtschaftliches und politisches Zentrum des Landes ist Budapest eine Art Brennglas, das alle Probleme bündelt. Musentempel des 21. Jhs.: Nationaltheater im Millenniumsviertel am Pester Donauufer In der Hauptstadt wird Bilanz gezogen. Die wichtigste Frage lautet: Was haben die vergangenen 25 Jahre den normalen Ungarn gebracht? Budapest besinnt sich mehr denn je auf die schwierigen Lebensbedingungen der meisten Menschen und auf die ureigene ungarische Identität der Stadt. Das Budapest von morgen soll ein anderes sein. Wie es aussehen soll? Die Antwort steht noch aus. Die Schönheit der Stadt ist von alledem unberührt. Wenn die Scheinwerfer die Sehenswürdigkeiten an der Donau allabendlich in ein magisch-schönes Licht rücken, kann sich niemand diesem Zauber entziehen. Budapest-Besucher erwartet eine Stadt-am-Fluss-Magie der besonderen Art, eine Metropole, die mehr ist als die Summe ihrer Schokoladenseiten. 17
Im Trend In Bewegung Moderner Tanz Die Ungarn haben ihr Faible für klassische Volkstänze in farbenfrohen Kostümen bewahrt. Doch auch zeitgenössische Tänze werden gern vorgeführt und ausprobiert. Beispielsweise auf der Bühne des Trafó Kortárs Művészetek Háza (Liliom utca 41 www.trafo.hu) (Foto). Das Kulturhaus ist für seine Experimentierfreudigkeit und seine modernen Interpretationen bekannt. Unbedingt sehenswert ist das alljährliche Tanzfestival Szóló Duó (www. szoloduo.com), das Anfang Januar die ganze Stadt zum Tanzen bringt. 2 Re-Fashion Originelle Zweitverwertung Es muss nicht immer brandneu sein! Für viele Dinge und Materialien von Textilien über PVC bis hin zu Papier findet sich oftmals eine zweite Nutzung mit Pfiff. So gibt es z. B. Brillen aus altem Vinyl und Filmstreifen bei Tipton Eyeworks (Belgrád rakpart 26 www.vinylize.com), während Karton Design (Szent István utca 102 Törökbálint www.kartondesign.com) vor den Toren der Stadt aus Pappe Möbel kreiert. 3 1 Schmückend Individuell und handgefertigt Die Bewohner Budapests schmücken sich mit Außergewöhnlichem. Hoch im Kurs stehen die tragbaren Kunstwerke von Goldschmiedin Márta Edőcs (www. martaedocs.hu) und die ungewöhnlichen Designs von Fanni Király (www.kiralyfanni.com) (Foto). Regina Kaintz (www.reginakaintz.com) setzt bei ihren Stücken vielfach auf Stahldraht in Kombination mit Edelsteinen. Die Top-Einkaufsadresse für Fans der kleinen Schmuckmanufakturen ist die Galerie Magma (Petőfi Sándor utca 11 www.magma.hu).