Der Bürgerkrieg in Syrien: Ursachen, Hintergründe, Konfliktparteien. Danijel Benjamin Cubelic. Universität Heidelberg

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Transkript:

Der Bürgerkrieg in Syrien: Ursachen, Hintergründe, Konfliktparteien Danijel Benjamin Cubelic Universität Heidelberg

Überblick: 1. Syrien: Einführung in Land und Bewohner 2. Koexistenz und Konflikt: zur Religionsgeschichte Syriens 3. Panarabismus, Sozialismus, Islamismus: Syrien bis 2011 4. Vom Aufstand zum regionalen Stellvertreterkonflikt der syrische Bürgerkrieg seit 2011

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Bevölkerungszusammensetzung vor 2011 - ca. 22 Millionen Einwohner - davon über die Hälfte im Großraum der Städte Damaskus (ca. 6 Millionen), Aleppo (ca. 3 Millionen), Homs (ca. 1 Million), Latakia und Hama (jeweils ca. 500.000) - große soziale Unterschiede, die sich durch die neoliberalen Reformen Bashar al-assads verschärfen - rasch anwachsende, überdurchschnittlich junge Bevölkerung (Durchschnittsalter 21 Jahre)

Ethnische Gruppen: - ca. 85% Araber - ca. 10% Kurden - daneben Armenier, Turkmenen, Tscherkessen, Aramäer und Assyrer Religiöse Strömungen: - ca. 75% Sunniten - ca. 6% Alawiten - ca. 5% andere schiitisch-islamische Konfessionen (Drusen, Ismaeliten u.a.) - ca. 15% Christen verschiedener Konfessionen

17.04.13 1024 768 - flickriver.com

Religiöse Pluralität im Osmanischen Reich: - Die absolutistisch herrschenden osmanischen Sultane stützen ihre Macht in Syrien auf eine Schicht sunnitischer Religionsgelehrter, Händler und Notabeln. - Christliche und jüdische Minderheiten sind zwar Bürger 2. Klasse, genießen aber einen - gerade im Vergleich mit religiösen Minderheiten in Europa - sicheren Rechtsstatus. Schlechter sind heterodoxe islamische Gruppierungen gestellt. - Die verarmten, agrarisch geprägten Regionen sind für die osmanischen Sultane nicht von herausragendem Interesse. Gerade diese Regionen werden zu Rückzugsorten von islamischen Strömungen wie Alawiten und Drusen. - Fazit: Der sunnitische Islam dominiert das öffentliche Leben, es finden aber keine großen religiösen Verfolgungen von Minderheiten statt, die deren Existenz bedrohen.

Syrische Geschichte im 20. Jh. - Zusammenbruch des Osmanischen Reichs im 1. Weltkrieg: der Genozid an den Armeniern und Massenvertreibung von Muslimen und Christen aus den Nachfolgestaaten des Reichs leiten das Ende religiöser und ethnischer Pluralität ein. - Das Sykes-Picot-Abkommen zwischen Frankreich und England zieht künstliche Grenzen im Nahen Osten, die bis heute von vielen nicht anerkannt werden. - Mit der Unabhängigkeit 1946 tritt Syrien in eine Phase politischer Instabilität ein: verschiedene politische Strömungen, die zwischen Sozialismus/Kommunismus, Nationalismus, Panarabismus und Liberalismus changieren, kämpfen um Vorherrschaft. - Nach der Staatsgründung Israels kommt es zu massiven Pogromen gegenüber der jüdischen Bevölkerung, die meisten Juden verlassen das Land.

Baathismus und Diktatur: Syrien 1963 2000-1963 kommt die Baath-Partei (Arabisch-Sozialistische Baath-Partei), die bis heute Syrien regiert, durch einen Putsch an die Macht. Ihre Parole lautet "Einheit, Freiheit, Sozialismus. - In Partei und Militär sind die religiösen Minderheiten des Landes überrepräsentiert, da sie sich Aufstiegschancen versprechen. - Die Partei reformiert Syrien mittels Landreformen und Verstaatlichungen, Ausbau von Infrastruktur und des Gesundheits- und Bildungswesens. Vor allem die Bauernbevölkerung und religiöse Minderheiten profitieren. - Gleichzeitig verliert der sunnitische Islam an Bedeutung: säkulare Rechts-, Bildungs- und Wissenseinrichtungen lösen die alten Medresen und Gelehrten ab. - Ausdruck des neuen Wohlstands ist das Bevölkerungswachstum, das für den

Baathismus und Diktatur: Syrien 1963 2000 - Mit der Machtübernahme von Hafiz al-assad wird Syrien zur Diktatur umgebaut und jegliche Opposition unterdrückt. - Teile der alten sunnitischen Stadtelite in Aleppo und Hama organisieren sich in der islamistischen Muslimbruderschaft und wagen den Aufstand, der grausam niedergeschlagen wird. Allein beim Massaker von Hama 1982 kommen ca. zehn- bis zwanzigtausend Menschen ums Leben. - Nach der Niederschlagung geht Assad auf die verbliebenen sunnitischen Eliten zu und fördert das Unternehmertum: es entsteht eine neue Allianz zwischen wirtschaftlichen und politischen Eliten, Nepotismus, Klientilismus und Korruption prägen das Staatswesen. - Seine Macht sichert der Diktator nicht nur über Beziehungsnetzwerke, sondern auch mittels eines mächtigen Geheimdienstapparats und eines ausgeprägten Personenkults.

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Krise und neoliberale Reform: Syrien 1963 2011 - Seit den 1980er Jahren verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum. Korruption und Nepotismus verhindern sozialen Aufstieg. - Die enorm hohe Arbeitslosigkeit junger Menschen und die fehlende Möglichkeit, Familien zu gründen, wird zur gesellschaftlichen Belastung. - Nach dem Tod seines Vaters versucht sich Bashar al-assad mit neoliberalen Reformen die Wirtschaft anzukurbeln: wohlhabende Schichten profitieren, die Schere sowohl zwischen Arm und Reich als auch Stadt und Land wird größer, soziale Spannungen und Unzufriedenheit nehmen zu. - Bashar al-assad geht weiter auf die wohlhabenden Teile der sunnitischen Bevölkerung und erweitert die Religionsfreiheit von Sunniten: so wird das Kopftuch an Universitäten nach Jahren des Verbots wieder erlaubt. - Gleichzeitig tritt der Herrscher als Schutzherr religiöser Minderheiten und

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Probleme für den Frieden: Konfliktherde des Syrischen Bürgerkriegs 1. Die Frage nach dem Gesellschaftsmodell des Landes: Säkularismus, moderater Islamismus oder Islamisches Kalifat? 2. Kriegswirtschaft und Milizen 3. Ethnisch-religiöse Konfliktlinien zwischen Sunniten und Schiiten, die dem Konflikt eine regionale Dimension geben 4. Der Kampf um die regionale Vorherrschaft zwischen Iran und Saudi- Arabien, Katar und der Türkei auf der anderen Seite 5. Der Kurdenkonflikt 6. Globale Rivalitäten zwischen Russland und den USA/Europa. Inwieweit sich dies ändern wird, bleibt abzuwarten 7. Die Flüchtlingskrise

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