Werner Herzog Nosferatu [Nacht, im Bett, das Ehepaar schläft, die Frau träumt] J: Lucy, Lucy, beruhig dich doch. Lucy, sei doch ruhig. L: Ich sehe etwas grauenhaftes. J: Beruhig dich doch, Lucy; Lucy, sei ruhig; es ist ja gut. [am Tisch] L: Jonathan, du weißt doch, das tut dir nicht gut; immer das Frühstück in so einer Hast. - es ängstigt mich. J: Guten Morgen! [im Büro] R: Ah, Harker. bitte, kommen Sie näher. J: Ja, Herr Renfield? R: ich habe einen Auftrag für Sie. - etwas, das ich nur Ihnen ganz allein anvertrauen kann. J: Oh, das freut mich, Herr Renfield. R: Graf Dracula hat mir einen Brief aus Transylvanien geschickt. - Er schreibt, er möchte hier ein Haus kaufen. - ich weiß, es wird eine weite Reise werden. J: wo liegt das? Jenseits der Karpaten, wahrscheinlich? R: Ja, aber seien Sie versichert, die Kommision wird sich lohnen. J: Oh, dann könnte ich ein schöneres Haus für Lucy kaufen. - sie Nosferatu, Seite 1
verdient etwas besseres. R: Ja, aber glauben Sie nicht, es sei leicht. - sie brauchen viel Zeit dazu. - und es wird Sie einigen Schweiß kosten. - und vielleicht auch ein wenig Blut. J: es wäre gut, mal eine Weile aus der Stadt 'raus zu kommen. - mal weg von diesen Kanälen, die nirgendwo hin fließen als immer nur zu sich selbst. R: Transylvanien, da ist es, in mitten der Wälder. - ein wundervolles Land, düster aber aufregend zugleich. - Der Graf wünscht ein hübsches altes Haus hier zu kaufen. - ich habe mir gedacht, das Haus da unten, ganz in Ihrer Nähe. J: aber das ist doch halb verfallen, unbewohnbar seit Jahren. R: irgendwie wird er es schon wieder in Ordnung bringen lassen. - jedenfalls werden wir es ihm anbieten. - Sie werden sofort abreisen. J: Sofort? Heute noch? R: natürlich! - ich habe alle nötige Papiere. - wir sollten ihn nicht warten lassen. J: also gut, wenn Sie darauf bestehen. - dann heute, ich bin bereit. L: heute noch? [zu Hause bei dem Ehepaar] J: ja, nach Transylvanien. - ein Land wo es richtige Wölfe und richtige Gespenste gibt. L: Jonathan, fahr nicht! Ich habe ein Gefühl! J: ach, was! L: Du wirst in Gefahr sein. Fahr nicht! J: Wölfe, Banditen, und Geister! L: Du darfst nicht so gehen. Das lasse ich nicht zu. Ich will mit dir ans Nosferatu, Seite 2
Meer, dort, wo wir uns am liebsten getroffen haben. J: Lucy, ich weiß nicht, manchmal bin ich so blind. [am Strand] L: Jonathan, ich muß es sagen, auch wenn du meinst, es kommt aus dem schwachen, schutzlosen Herzen deiner Frau. J: Ja. L: Es kommt aus der Stärke meines Herzens, eine namenlose innere tötende Angst. [vor dem Haus] J: Ich lasse Lucy in ihrer Obhut. Sie ist das teuerste, was ich auf der Welt habe. Mina, sei wie eine Schwester zu ihr. M: Ja. J: Leb wohl. [im Gasthof] J: Herr Wirt, mein essen! Ich muß heute noch zu Graf Draculas Schloß. W: Müssen Sie wirklich dort hin fahren, junger Herr? J: Ja, warum? W: Wissen Sie denn überhaupt wohin Sie fahren? Wollen Sie sich freiwillig ins Unglück stürzen? Wissen Sie, daß um Mitternacht alle bösen Geister ihr Unwesen treiben? Die Menschen verschwinden ohne jede Spur. J: Das ist alles Aberglauben. W: Oh, nein, es tut mir leid, Sie werden auch keine Kutsche bekommen, Nosferatu, Seite 3
die Sie dorthin fährt. Und ihr eigenes Pferd müssen wir hier einige Tage in Pflege behalten. J: Ich werde ein anderes Pferd finden. W: Fahren Sie nicht, junger Herr! Die Zigeuner, einige von ihnen, waren schon auf der anderen Seite. Sie wissen mehr. [draußen bei den Zigeunern, Nacht, Lagefeuer] W: Er sagt, Sie sollen nicht dort hin gehen, junger Herr. Er sagt, auf dem Weg ist eine Schlucht, die erdrückt die Menschen, dann kommt ein Felsen- Feld, er sagt, am Paß, am Borgo Paß, scheidet sich das Licht, da ist ein Land, das... nie ist jemand von dort zurückgekommen. Die Zigeuner glauben auch, das Schloß gibt es nicht. Es wäre bloß in der Einbildung der Menschen. Es ist eine Ruine; ein Geister-Schloß. [Nacht, im Schlafzimmer] N: Verzeihen Sie, daß ich mich nicht angemeldet habe. Ich bin Graf Dracula. M: Ich weiß von Ihnen. Ich habe Jonathan s Tagebuch gelesen. Er ist zugrundegerichtet seitdem er bei Ihnen war. N: Er wird nicht sterben. M: Doch! Der Tod ist groß. Wir sind alle die seinen. Die Flüße fließen alle ohne uns. Die Zeit verringt. Und sehen Sie hinaus, die Sterne treiben uns verwirrt entgegen. Nur der Tod... grausam... N: Sterben ist Grausamkeit und ahnungslos, aber der Tod ist nicht alles. Es ist noch viel grausamer, nicht sterben zu können. Ich wünsche, ich könnte an der Liebe teilhaben, die zwischen Ihnen und Jonathan ist. M: Nichts auf der Welt, selbst Gott nicht, wird das antasten können. Auch wenn Jonathan mich nicht mehr erkennt, seit er zurück ist. N: Ich könnte alles ändern - Kommen Sie zu mir, seien Sie mit mir verbundet, - und für mich, das Fehlen der Liebe, wissen Sie, das ist ein solcher Schmerz - M: Die Rettung kommt nur aus uns selbst. - Und seien Sie sicher, ich Nosferatu, Seite 4
schrecke nicht davor zurück, selbst das unwahrscheinlichste zu denken. Gute Nacht! Nosferatu, Seite 5