Vergeben, wie mir vergeben wurde

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Transkript:

Vergeben, wie mir vergeben wurde Predigt von Pfarrer Oliver Dürksen Heiden, 7. Juni 2015 Matthäus 18,21-35 28 Jener Knecht aber ging hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Und er ergriff und würgte ihn und sprach: Bezahle, wenn du etwas schuldig bist! 29 Sein Mitknecht nun fiel nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, und ich will dir bezahlen. 30 Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe. 31 Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. 32 Da rief ihn sein Herr herbei und spricht zu ihm: Böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. 33 Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe? 34 Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. 35 So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt. Kurz zuvor hatte Jesus mit seinen Jüngern über das Verhalten gegen einen sündigenden Bruder gesprochen. 1 Was sollen wir tun, wenn wir einen Glaubensbruder oder eine Glaubensschwester sündigen sehen? Jesus sagt: 1. Wir sollen hingehen und diese Person ermahnen. 2. Wenn sie nicht auf uns hört, sollen wir sie in Begleitung von zwei oder drei weiteren Glaubensgeschwistern erneut ermahnen. 3. Hört sie immer noch nicht auf uns, sollen wir es der Gemeinde sagen. Hört die Person auch nicht auf die Gemeinde, soll sie für uns wie ein Heide und Zöllner sein, also eine Person, mit der wir nichts zu tun haben. Dem Petrus sind diese Ausführungen zu ungenau. Er hakt nach und fragt (paraphrasiert): Herr, wie oft soll ich denn meinem Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben? Bis siebenmal? Jesus erwidert (paraphrasiert): Nein, sondern 70 mal 7 mal! Also sehr oft! Jesus erkennt, dass Petrus die Tragweite der Vergebung noch nicht verstanden hat. Denn nicht nur Menschen werden an uns schuldig, sondern wir sind zunächst einmal alle vor Gott schuldig. Wir sind diejenigen, die zuallererst Vergebung von Gott nötig haben. Wenn wir uns der ungeheuren Größe unserer Schuld vor Gott bewusst werden, wird uns das Vergeben unseren Mitmenschen gegenüber wesentlich leichter fallen. Und damit es Petrus und uns allen ein für allemal klar ist, dass Vergebung untereinander nicht Konjunktiv, sondern Imperativ, nicht Möglichkeit, sondern Befehl ist, sagt er (paraphrasiert): Wer nicht seinem Mitmenschen vergibt, dem wird Gott auch nicht vergeben! 2 Mit anderen Worten: Wenn ich nicht bereit bin, demjenigen zu vergeben, der an mir schuldig geworden ist, wird Gott mir auch meine Sünden nicht vergeben. Und wenn Gott mir nicht vergibt, erwartet mich nach dem Tod der Zorn Gottes und die ewige Verdammnis. 3 Allein das zeigt die Wichtigkeit dieses Themas auf. Wir wollen nun in zwei Schritten das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht näher anschauen und daraus Konsequenzen für unser persönliches Leben ziehen. 1 Vgl. Mt 18,15-20. 2 Vgl. Mt 18,35; 6,14f. 3 Vgl. Mt 8,12; 13,50; 24,51; 25,30; Lk 13,28.

Mt 18,21-35: Vergeben, wie mir vergeben wurde 2 1. Mir muss vergeben werden In der Frage, die Petrus dem Herrn stellt, Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben? steckt Arroganz. Diese besteht darin, dass Petrus damit sagt: Ich bin gut, und mein Nächster ist böse. Ich bin nicht schuldig geworden, der andere ist an mir schuldig geworden. Jesus dreht den Spieß um. Er sagt indirekt: Zuerst einmal brauchst du Vergebung und zwar von Gott. Denn an ihm bist du schuldig geworden. Jesus veranschaulicht diesen Sachverhalt mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen will. Es wird ein Knecht zu ihm gebracht, der ihm zehntausend 4 Talente schuldet. Um ein Talent zu verdienen, musste ein Arbeiter damals 6000 Tage arbeiten (rund 16,5 Jahre). Um zehntausend Talente zu verdienen hätte dieser Knecht 60.000.000 Tage arbeiten müssen; 60 Millionen Tage sind rund 164 00Jahre. Welcher Mensch lebt schon 164 00Jahre, dass er seine Schuld abarbeiten könnte? Niemand! Mit anderen Worten: Dieser Knecht ist grenzenlos verschuldet. Der Schuldenberg ist unüberschaubar. Nie im Leben wird er seine Schuld dem König zurückzahlen können. Deshalb befiehlt der König ihn, seine Familie und alles was er hat, zu verkaufen. Doch der Knecht fällt auf seine Knie und fleht: Herr, habe Geduld mit mir. Ich will dir alles bezahlen! 5 Der Knecht will alles bezahlen, aber kann er es auch? Aus menschlicher Sicht nicht. Die Demut, das Eingeständnis und der Wille bewegen den König innerlich so, dass er seinem Knecht das gesamte Darlehen erlässt. Er ist schuldenfrei. Er ist ein freier Mann. Er hat eine zweite Chance erhalten. Was will Gott uns damit sagen? Der König in diesem Gleichnis ist Gott. Der haushoch verschuldete Knecht bist du und ich, sind wir. Dieser erste Teil des Gleichnisses beinhaltet somit zwei schlechte Nachrichten und eine gute. Die erste schlechte Nachricht ist, dass wir alle ohne Ausnahme vor Gott schuldig sind. 6 Schuldig sind wir nicht nur dann, wenn wir gerade jemanden umgebracht, eine Bank ausgeraubt oder Ehebruch begangen haben. Schuldig werden wir immer dann, wenn wir Gottes Maßstäbe und Gebote übertreten, und sei es nur das kleinste Gebot. 7 Ja, wie war das in der vergangenen Woche, liebe Ehemänner? Sind wir unseren Frauen immer mit Liebe, Respekt und Selbstlosigkeit begegnet? Oder hatte unsere Frau eher den Eindruck, in einem Löwengehege zu sein und rechnete damit, in jedem Augenblick von einem hungrigen Löwen namens Ehemann angebrüllt oder sogar aufgefressen zu werden? Oder wie war das in der vergangenen Woche mit der Reinheit unserer Gedanken? Das warme Wetter veranlasst viele Menschen, sich so spärlich zu kleiden, dass man meinen könnte, es gebe schweizweit nicht genügend Stoff, um anständige Kleider zu nähen. Es geht mir aber nicht nur um die aufreizende Kleidung unserer heutigen Gesellschaft. Die Frage ist vielmehr: Bin ich in der vergangenen Woche in meinen Gedanken rein geblieben, oder habe ich meinen sexuellen Fantasien freien Lauf gelassen? Wir regen uns schnell über Salomo auf, der insgesamt 1000 Frauen hatte. 8 Wir selbst aber begehen in Gedanken ebenfalls Ehebruch mit jeder Frau oder jedem Mann, die uns über den Weg laufen. Oder wie sieht es in unserem Leben mit Geiz, Neid, Lieblosigkeit oder Jähzorn aus? Seien wir vor Gott und uns ehrlich! Es gibt so viele Dinge in unserem Leben, die nicht mit dem Willen Gottes übereinstimmen. Genau deshalb sind wir vor Gott schuldig und zwar in der Form, wie es dieser Knecht war. Unsere Sündenschuld wiegt vor Gott so schwer, dass wir sie nie bezahlen können. Das ist die zweite schlechte Nachricht. Deine und meine Sündenlast wiegen vor Gott so schwer, dass sie für uns unbezahlbar ist. Es gibt nichts, womit wir sie bezahlen könnten. Kein Geld in der Welt besitzt den Wert, diese Schuld zu begleichen. Auch gute Werke reichen nicht 4 Im Griechischen kann zehntausend auch unzählig bedeuten. Vgl. Whittaker, Griechisch, 150. 5 Vgl. Mt 18,26. 6 Vgl. Röm 3,23; Pred 7,20. 7 Vgl. Jak 2,10. 8 Vgl. 1 Kön 11,3.

Mt 18,21-35: Vergeben, wie mir vergeben wurde 3 aus, um diese Schuld zu begleichen. Die Folgen unserer Schuldhaftigkeit vor Gott sind ewige Verdammnis und Trennung von Gott. Aber jeder und das ist die überaus gute Nachricht der seine Schuld vor Gott eingesteht und reuevoll um Vergebung bittet, erhält Schuldenerlass. Es gibt also Sündenvergebung und die Möglichkeit, die Ewigkeit in der Herrlichkeit bei Gott zu verbringen. Dadurch, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, am Kreuz von Golgatha gestorben ist, hat er für die Sünden aller Menschen bezahlt. Damit liegt die Möglichkeit der Vergebung deiner und meiner Schuld nicht in unserer, sondern in Jesu Hand. Er kann Vergebung schenken, wem er will. Das Überwältigende ist, dass er es jedem schenken will. Er will einem jeden einzelnen von uns die Sünden erlassen und uns vor der ewigen Verdammnis retten. Aber dies geschieht nicht automatisch. Es ist an die Bedingung geknüpft, dass wir uns, wie der Knecht in unserem Gleichnis, vor Gott beugen, unsere Schuld eingestehen und ihn um Vergebung bitten. Mehr als bitten können wir nicht. Aber mehr als das ist auch nicht notwendig. Die Bitte um Vergebung unserer Sünden ist die Voraussetzung, dass Jesus Christus uns mit seinem Blut aus den Fesseln der Sünde und der Macht des Satans erkauft. Als Erkaufte sind wir Eigentum Jesu. Wir gehören nicht mehr uns selbst. Wir haben damit den Herrschaftsanspruch über unser Leben in Gottes Hand gelegt. Gott hat uns vor der ewigen Verdammnis mit dem teuren Blut seines Sohnes erkauft. Deshalb hat er von diesem Moment an auch den vollen Herrschaftsanspruch in unserem Leben. Das Leben als Christ selber in die Hand nehmen zu wollen, heißt, uns in Angelegenheiten Gottes einzumischen, die uns nichts mehr angehen. Stellt euch mal vor, ihr hättet einen Gebrauchtwagen gekauft und der vorige Eigentümer würde immer wieder vorbeikommen und meinen, er habe immer noch ein Recht darauf, mit dem Auto zu fahren. Ich glaube, niemand von uns würde dieses Spielchen mitspielen. So ist es auch, wenn man Christ wird. Wer Sündenvergebung und Errettung vor der Hölle haben will, aber nicht bereit ist, als Konsequenz daraus sein Leben ganz unter die Herrschaft Gottes zu stellen, wird von Gott nicht akzeptiert. Wer nicht für Gott ist, ist gegen ihn. 9 Entweder lassen wir uns Vergebung und ewiges Leben schenken und sind dazu bereit, ihm treu und konsequent nachzufolgen, oder wir lassen es ganz sein. Bei Gott gibt es keine halben Sachen. 10 Sein Leben halbherzig Gott zu übergeben, heißt ganz in die Hölle zu gehen. Wie entscheidest du dich heute? 2. Vergeben, wie mir vergeben wurde Unser Gleichnis geht noch weiter. Der Knecht, dessen gesamte, für ihn unbezahlbare Schuld vom König erlassen wurde, geht hinaus und trifft einen seiner Mitknechte, der ihm 100 Denare schuldete. Ein Denar entsprach damals dem Tageslohn eines Arbeiters. D.h. mit hundert Tagen Arbeit hätte dieser Mitknecht seine Schulden bezahlen können. Hundert Tage sind etwas mehr als drei Monate. Was ist schon eine Schuld im Wert von rund 3 Monatsgehältern im Vergleich zu einer Schuld im Wert von 164 00 Arbeitsjahren? Absolut gar nichts! Die drei Monatsgehälter sind gar nicht der Rede wert. Doch der Knecht, dem zuvor seine gesamte Schuld erlassen wurde, ergreift seinen Mitknecht, würgt ihn und fordert von ihm sein Geld. Darauf fällt sein Mitknecht vor ihm nieder und bittet: Habe Geduld mit mir. Ich will dir alles bezahlen. Der Knecht geht jedoch nicht auf die Bitte seines Mitknechtes ein, sondern lässt ihn ins Gefängnis werfen. Diese Bosheit kam dem König zu Ohren. Der lässt den bösen Knecht rufen und stellt ihn zur Rede. Für seine Unbarmherzigkeit wird ihm alle seine Schuld wieder angerechnet, und der König übergibt ihn den Folterknechten. Jesus schließt dieses Gleichnis in Vers 35 mit dem Satz: So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt. Ähnlich hatte es 9 Vgl. Mt 12,30; 1 Kön 18,21. 10 Vgl. Off 3,16.

Mt 18,21-35: Vergeben, wie mir vergeben wurde 4 Jesus bereits im Anschluss an das Vaterunser gesagt, wo es heißt: Denn wenn ihr den Menschen ihre Vergehungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Vergehungen nicht vergebt, so wird euer Vater auch eure Vergehungen nicht vergeben. 11 Aber Moment mal, sagst du, was ist denn mit meinen Eltern? Vielleicht war dein Vater Alkoholiker und hat euch mit seiner Alkoholsucht finanziell in den Ruin getrieben hat. Vielleicht war deine Mutter jähzornig und hat dich in ihren Wutausbrüchen körperlich zusammengeschlagen. Vielleicht hat dich dein Vater sexuell missbraucht. Oder dein ganzes Leben ist von der Scheidung deiner Eltern gezeichnet, denen du noch nicht verziehen hast. Oder wie ist das mit deinem Lehrer, der dich damals vor der ganzen Schule bloßgestellt hat? Dieser eine Satz: Aus dir wird nie etwas werden, hat dich so tief verletzt. Gilt auch hier das Gebot der Vergebung? Oder da war dein Schulkamerad, der dich ständig provoziert hat oder die Clique aus deiner Schulklasse, die sich regelmäßig über dich lustig gemacht hat. Vielleicht hattest du auch einen guten Freund, dem du eine für dich ungeheuer wichtige Sache anvertraut hast. Er hat dir versprochen, es niemandem zu sagen, und dann merkst du auf einmal, wie die ganze Welt darüber Bescheid weiß. Muss ich diesen Menschen auch vergeben? Oder da ist dein Geschäftspartner, der dich jahrelang hinter deinem Rücken finanziell hintergangen hat. Oder da ist dein Ehepartner, der dich mehr als einmal mit einem anderen Mann oder mit einer anderen Frau betrogen hat. Muss ich auch diesen Personen vergeben? Und was ist mit dem Glaubensbruder hier in der Versammlung, der dich mit einem Satz tief verletzt hat oder mit seiner Art und Weise, wie er sich verhält, nur Antipathie hervorruft? Du meinst, aus biblischer Sicht, im Recht zu sein. Er sieht das jedoch anders. Muss ich auch all diesen Menschen vergeben? Ja! Muss ich vergeben, auch wenn sie sich nicht bei mir entschuldigt haben? Ja! Die Bedingung wenn ihr euren Mitmenschen nicht vergebt, werde ich euch auch nicht vergeben macht Jesus nicht an der Quantität der Vergehen, die an uns begangen wurden, abhängig. Er sagt nicht: Wenn dein Ehepartner dich zehnmal verletzt hat, dann brauchst du ihm nicht mehr zu vergeben. Jesus macht das Vergeben auch nicht von der Qualität der Vergehen gegen uns abhängig. Er sagt nicht: Wenn jemand dir CHF 100.00 stiehlt, sollst du ihm vergeben. Wenn er dir aber dein Auto stiehlt, brauchst du ihm nicht zu vergeben. Nicht die Quantität und auch nicht die Qualität der Vergehen gegen uns spielen eine Rolle. Einzig und allein das zählt, dass wir vergeben. Jesus sagt sogar, dass wir von Herzen vergeben sollen, nicht mit knirschenden Zähnen und einem mürrischen Unterton: Na, gut, dann vergebe ich dir halt! Unsere Reaktionen werden nachher zeigen, ob wir wirklich vergeben haben, ob wir dieser Person wieder in die Augen schauen können oder nicht. Aber wie ist das möglich? Erstens, indem ich mich daran erinnere, was Jesus mir alles vergeben hat. Wer anderen nicht vergeben kann, der hat noch nicht über die Tragweite der eigenen Sünden und die Größe der Liebe Gottes in Christus nachgedacht. Du und ich hätten für ewig verdammt werden müssen. Doch Gott hat uns durch das Blut seines Sohnes errettet. Nicht weil wir es verdient hätten, sondern weil er es so gut mit uns meinte. Zweitens kann es sein, dass du derart verletzt wurdest, dass du nicht vergeben kannst. Aber Jesus will dir helfen. Jesus sagt: Ohne mich könnt ihr nichts tun. 12 Das gilt auch für das Vergeben. Aus eigener Kraft scheint Vergebung unmöglich zu sein, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Er möchte uns helfen den Menschen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind. 11 Vgl. Mt 6,14f. 12 Vgl. Joh 15,5

Mt 18,21-35: Vergeben, wie mir vergeben wurde 5 Und drittens müssen wir zwischen Vergebung und Heilung unterscheiden. Vergebung ist ein Entschluss, Heilung ein Prozess. Natürlich kann es auch eine Weile dauern, bis ich mich überwunden habe, meinen Mitmenschen zu vergeben. Aber es ist dennoch ein Entschluss. Dieser Entschluss ist der Beginn des Heilungsprozesses in unserem Leben. Je nachdem wie schwer wir verletzt wurden, kann der Heilungsprozess Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Es kann sogar sein, dass wir den Entschluss zu vergeben, in schwachen Momenten wieder in Frage stellen. Wisst ihr, der Satan macht gerade in den schlaflosen Nächten Überstunden und führt uns alle Personen der Reihe nach vor, die uns in unserem Leben verletzt haben. Wenn wir dann völlig angespannt im Bett liegen, unser Puls mit 200 Schlägem pro Minute rast und wir den Entschluss, denjenigen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind, in Frage stellen, hat er erreicht, was er will. Ich weiß, wovon ich spreche. In solchen Momenten gilt es dann, vor Gott den Entschluss zu vergeben, neu zu bestätigen und den Satan im Namen Jesu fortzuschicken. Wer verletzt wurde, aber nicht vergeben möchte, wird zunächst unter Wut und Trauer leiden. Allmählich wird er dann die Lebensfreude verlieren, und Hass und Verbitterung werden sein Leben prägen. Abgesehen davon, dass unser irdisches Leben durch die fehlende Vergebungsbereitschaft völlig ruiniert wird, bleibt auch unsere Schuld vor Gott bestehen. Für diejenigen, die an uns schuldig geworden sind, gilt, dass sie Buße tun und bei Gott und den entsprechenden Menschen um Vergebung bitten müssen. Das beinhaltet gleichermaßen auch die Wiedergutmachung, sofern sie überhaupt möglich ist. Ohne Buße und Reue bleibt auch ihre Schuld vor Gott bestehen. Zusammenfassung Ich möchte die Predigt mit einer wahren, etwas längeren Geschichte schließen. Sie trägt den Titel: Ich habe dem Mörder meiner Tochter vergeben Gott gibt Kraft zum scheinbar Unmöglichen. 13 In der Neujahrsnacht 2000 kam meine Tochter Steffi, 16 Jahre alt, von einer Feier nicht mehr nach Hause. Sie wurde auf brutalste Weise ermordet. Ein Mann, der zur Sadomaso-Szene gehörte, stach sie mit einem Messer nieder. Er entblößte sie dann, missbrauchte sie mit dem Messer und schnitt ihr am Ende den gesamten Bauchraum auf. Für meine jüngere Tochter Nadine (damals 14 Jahre alt) und mich war das Leben danach furchtbar und unerträglich. Seit 1992 war ich alleinerziehend und hatte mit dem Glauben nicht viel zu tun. Ein Jahr nach diesem Ereignis unternahm Nadine einen Selbstmordversuch, weil sie das Geschehene nicht mehr ertragen konnte. Sie wurde gerettet, verbrachte dann einige Zeit in der Jugendpsychiatrie und begann aus ihrer großen seelischen Not heraus, sich selbst mit Rasierklingen zu verletzen. Wenn das Blut floss, ging es ihr vorübergehend besser. Im November 2002 waren wir beide an einem Punkt tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit und gingen zu einer Freundin, weil wir einfach nicht mehr weiterwussten. Sie sagte uns: Ich weiß nicht, wie ich euch helfen kann, aber ich kenne jemanden, der es kann. Dann erzählte sie uns von Jesus Christus. An diesem Tag übergaben Nadine und ich unser Leben Jesus. Er schenkte uns dann Begegnungen mit vielen gläubigen Christen, die uns in unserer Not beistanden, von Gottes Liebe erzählten und mit uns über die Bibel sprachen. Es ging uns von Tag zu Tag und von Woche zu Woche besser. Ich wurde von schwersten Depressionen geheilt und bekam wieder Lebensmut; auch Nadine erholte sich langsam. Jetzt waren Nadine und ich errettet doch was war mit Steffi? Sie muss doch auch errettet sein sonst hat das alles keinen Sinn! Als ich einmal die Kirche besucht hatte, waren in mir das tiefe Gefühl und der Friede gewesen, dass Stephanie jetzt ganz nahe bei Gott ist. Aber ich kannte auch den Bibelvers, der sagt: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so 13 Vgl. Wendel, Ich habe dem Mörder meiner Tochter vergeben, 11-14.

Mt 18,21-35: Vergeben, wie mir vergeben wurde 6 kann er das Reich Gottes nicht sehen. 14 Ich durchlebte einen schweren inneren Konflikt bezüglich meiner Liebe zu Jesus und der Ungewissheit, ob Steffi gerettet ist. Nach Steffis Tod war irgendwann der Zeitpunkt gekommen, ihr Zimmer aufzuräumen und ihre Sachen zu sortieren. Dabei war mir eine kleine Bibel mit grünem Kunststoffeinband in die Hände gefallen. Da wir bereits einige Bibeln zu Hause hatten, sah ich eigentlich keinen Bedarf mehr; trotzdem legte ich sie im Wohnzimmer ins Regal. Kurz vor meiner Taufe durchlebte ich wieder ein ganz tiefes Loch wegen dieser Ungewissheit über Steffis Errettung. Auf einmal ging ich ohne zu denken ans Regal, nahm diese grüne Bibel heraus und öffnete sie. Damals geschah es ganz ohne Grund; heute weiß ich, dass Jesus mich geführt hat. Ich schlug sofort die letzte Seite mit dem Übergabegebet auf und dort hatte Steffi mit Datum unterschrieben, als sie 11 Jahre alt gewesen war. Da heißt es: Mein Entschluss, Jesus Christus als meinen Erretter anzunehmen: Ich bekenne, dass ich ein Sünder bin, und ich glaube, dass der Herr Jesus Christus für meine Sünden am Kreuz gestorben und zu meiner Rechtfertigung auferstanden ist. Ihn nehme ich jetzt an und bekenne ihn als meinen persönlichen Erretter. Ich kann nicht beschreiben, wie überschwänglich meine Gefühle angesichts der großen Gnade waren, die Jesus mir geschenkt hatte! Ich bin so dankbar, dass ich Gewissheit haben darf, dass Steffi nun bei Jesus Christus in der Ewigkeit lebt. Seither ist mir diese kleine Bibel so kostbar geworden. Ein Jahr nach mir ließ auch Nadine sich taufen. Wir beide erfuhren sehr viel innere Heilung. Jesus hat uns ein ganz neues Leben mit viel Liebe und Freude geschenkt. Der Mörder meiner Tochter war nach dem Verbrechen schnell gefasst worden. Aufgrund der Grausamkeit der Tat wurde er zu lebenslänglicher Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. In einem langsamen inneren Prozess, der Jahre dauerte, machte Jesus mir deutlich, wie wichtig es ist zu vergeben. Eines Tages war ich so weit, dass ich sagen konnte: Herr Jesus, ich vergebe diesem Mann aus vollem und ganzem Herzen. In diesem Moment durfte ich erfahren, dass ich noch einmal freier und heiler an meiner Seele wurde. Im Februar 2009 besuchte ich den Mörder meiner Tochter im Gefängnis. Er war schwer an Krebs erkrankt. Ich konnte ihm sagen, dass ich ihm vergeben habe und dass auch Gott ihm vergeben möchte. Der Mann bat mich darum, mit ihm zu beten, was ich dann auch tat. Unter Tränen übergab er sein Leben Jesus Christus. 14 Tage später starb er. Amen! 14 Vgl. Joh 3,3.