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Transkript:

Vorwort Über Mobbing ist in den letzten Jahren sehr viel geschrieben worden. Das Phänomen ist gut erforscht und es liegen gesicherte Erkenntnisse vor. Mobbing umfasst alle Bereiche des täglichen Lebens. Es beginnt bereits im Kindergarten, durchzieht alle Schularten und hat sich auch in der Arbeitswelt gut etabliert. Der Begriff geht zurück auf Konrad Lorenz (1903-1989). Er war Zoologe und Verhaltensforscher bei Tier und Mensch. Während seiner Studien beobachtete er das Verhalten von Wildgänsen und stellte fest, dass diese sich lärmend zusammenrotten, wenn sie ein schwächeres Tier loswerden oder vertreiben wollen. (Lorenz, 2007) Ähnlich verfahren Gänse mit einem ihnen überlegenen Tier. Um einen stärkeren Gegner vertreiben zu können, z. B. einen Fuchs, starten Sie einen Gruppenangriff. Dieses Verhalten nannte Lorenz Mobbing und er zeigt damit gleichzeitig auf, dass es sich um einen gruppendynamischen Prozess handelt. Bei Menschen hat Mobbing offensichtlich dieselbe evolutionäre Wurzel (Eibl-Eibesfeldt, 1986). Jeder, der auffällig ist, hat ein erheblich erhöhtes Risiko, gemobbt zu werden: So werden Männer in Frauenberufen, Frauen in Männerberufen, Behinderte und Menschen mit Migrationshintergrund deutlich häufiger gemobbt als der Durchschnitt der Bevölkerung (Dambach, 2009). Tiere, die Artgenossen ausgrenzen verhalten sich nahezu genauso wie Menschen, die mobben (Dröscher, 1989). Die Bezeichnung Mobbing wird vor allem im deutschsprachigen Raum verwendet. Im englischsprachigen Raum spricht man von bullying, abgeleitet von dem Wort bully, was so viel wie brutaler Mensch, Tyrann, Despot bedeutet. Mobbing durch Vorgesetzte bezeichnet man als Bossing. 5

Dieser Ratgeber beschäftigt sich mit Mobbing an Schulen. Mobbing geht Schüler, Eltern und Lehrer an und ist keineswegs eine Angelegenheit zwischen einem Täter und dessen Opfer. Deswegen müssen sich auch alle an der Lösung beteiligen, wenn dauerhafte Lösungen gefunden werden sollen. In meiner langjährigen Beratungs- und Fortbildungstätigkeit sind mir immer wieder diesselben Irrtümer bei den Beteiligten aufgefallen, die zu falschen Reaktionen führen und somit Mobbing eher verstärken, anstatt es zu beenden. In diesem Ratgeber wird aufgezeigt und begründet, welche Aussagen im Zusammenhang mit Mobbing sich als Irrtum erweisen und welche Verhaltensweisen und Maßnahmen keine Veränderung bringen oder Mobbing noch verstärken. Ich stütze mich dabei auf vorhandene Studien 1, auf Erkenntnisse aus meiner Mobbingberatung 2, der Schulpraxis, Beiträgen aus Weblogs 3 und Foren 4, sowie auf eigene online Mitgliederbefragungen über das Portal http://www.schueler-mobbing.de. Ich möchte vor allem Eltern ermutigen, sehr kritisch dem entgegenzustehen, was ihnen von der Schule erzählt wird. Beenden Sie ihre Vorstellung, dass ihr Kind schikaniert wird, wenn sie nachhaltig von Lehrern Veränderung verlangen. Wenn sie immer noch der Meinung sind, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, dann stellen Sie sich einfach vor, Sie sind eine Krähe und die Lehrkraft die andere. Zur Kritik gehört auch selbstkritisch zu sein. Überdenken Sie ihre Ansprüche an die Schule, denn nicht alles was Sie als Mob 1 http://www.mobbingleaks.de/blog3.php 2 http://www.mobbing-help-desk.de 3 http://www.mobbingleaks.de und http://blog.schueler-mobbing.de 4 http://www.schueler-mobbing.de/mobb/modules/newbb/ 6

bing einstufen ist es auch. Da Mobbing vorwiegend in der Schule stattfindet, haben es Eltern besonders schwer herauszufinden, was mit ihrem Kind los ist. Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, die sicher einmal ihre Berechtigung hatten, wirken nicht mehr und müssen überdacht werden. Gerade Mobbing zeigt sich sehr resistent gegenüber den Standardmaßnahmen von Schulen, wie noch wird. Die häufige Erstreaktion, das Opfer los zu werden im Glauben, dass dann Ruhe einkehrt erweist sich rasch als Irrtum. Besser wäre es darüber nachzudenken, wie man auch im Sinne einer Schulentwicklung ein Kollegium weiter qualifizieren und die Maßnahme auch durchführen kann. Unsere Gesellschaft ist einem sehr schnellen Wandel unterzogen. Einen großen Einfluss haben das Fernsehen, Computer, die sog. Neuen Medien. Schule muss sich an die Veränderungen flexibel anpassen, auch wenn die Lehrpläne hinterherhinken. Jeder Lehrer hat im Rahmen seiner pädagogischen Freiheit genug Möglichkeiten dafür. Es gibt gute Präventions- und Interventionsansätze, die erfolgreich an Schulen eingesetzt werden. Diese Ansätze werden hier nicht diskutiert. Ich verweise an entsprechenden Stelle auf Studien, Bücher, Konzepte der Kultusministerien. Zur Vereinfachung und aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird jeweils die männliche Form gewählt. Selbstverständlich sind Frauen bei allen männlichen Bezeichnungen mitbedacht und mögen sich bitte in gleicher Weise angesprochen fühlen. Werner Ebner April 2014 7

Inhaltsverzeichnis 1. Wie kann ich erkennen, dass ein Kind gemobbt wird?... 11 1.1 Streitschlichter, Konfliktlotsen, Peacemaker, Mediatoren, Klassenrat in der Abgrenzung zu Mobbing... 17 2. Was kann ich als Eltern tun?... 21 2.1 Das Schulgespräch... 23 3. Die Mobbingirrtümer... 26 3.1 Mobbing ist ein Problem zwischen 2 Schülern.... 28 3.3 Die Mobbinghandlungen sind völlig normal... 35 3.4 Mobbing ist eine Erscheinung in der Pubertät... 39 3.5 Mobbing geht wieder alleine vorbei... 41 3.6 Mobbing gibt es nur an Hauptschulen... 43 3.7 Irrtümer im Lehrerverhalten... 45 3.8 Die Lehrperson redet mit der Klasse und versucht Verständnis für das Opfer zu gewinnen... 47 3.9 Der Lehrer droht Konsequenzen an, wenn das Mobbing nicht aufhört... 49 3.10 Der Täter bekommt einen Eintrag, Tadel, Verweis... 52 3.11 Das Opfer wird aus der Klasse genommen... 54 3.12 Aussehen, Kleidung bestimmen, ob ein Schüler gemobbt wird.... 54 3.13 Das Opfer ist selbst schuld... 57 3.14 Was geschieht, wenn Opfereltern mit dem Täter reden?... 60 3.15 Was geschieht, wenn Opfereltern mit der Klasse reden?... 62 3.16 Was geschieht, wenn Opfereltern mit den Eltern des Täters reden?... 63 4. Weitere Faktoren die Mobbing begünstigen!... 66 5. Schulgesetze der Bundesländer... 71 6. Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen... 74 7. Welche Faktoren führen zu einem Mobbing begünstigenden Klima in der Schule?... 76 8. Das Lernklima... 82 9. Die kindgerechte Schule... 85 8

10. Schlusswort... 89 11. Literaturliste... 90 12 Anhang... 99 A1. Fragebogen... 100 A2. Auswertung der Umfrage... 103 A3. Die persönlichen Bemerkungen der Befragten... 107 A4. Der Mobbingtest- Schüler... 130 A5. Der Mobbingtest- Eltern... 132 A6. Die Mobbinghandlungen... 134 A7. Auszug aus der UN-Kinderrechtskonvention... 137 A8 Mobbingdefinitionen... 139 Copyright... 142 9

Das Abbildungsverzeichnis Abb.1: Mobbing ist ein Problem zwischen 2 Schülern S29 Abb.2: Mobbing dient der Positionierung S32 Abb.3: Die Mobbinghandlungen sind völlig normal S38 Abb.4: Mobbing ist eine Erscheinung in der Pubertät S40 Abb.5: Mobbing geht wieder alleine vorbei S42 Abb.6: Mobbing gibt es nur an Hauptschulen S43 Abb.7: Die Lehrperson diskutiert allgemein über Mobbing S46 Abb.8: Die Lehrperson redet mit der Klasse und versucht Verständnis für das Opfer zu gewinnen S48 Abb.9: Der Lehrer droht Konsequenzen an, wenn das Mobbing nicht aufhört S51 Abb.10: Der Täter bekommt einen Eintrag, Tadel, Verweis S53 Abb.11: Das Opfer wird aus der Klasse genommen S54 Abb.12: Aussehen, Kleidung bestimmen, ob ein Schüler gemobbt wird. S56 Abb.13: Das Opfer ist selbst schuld S59 Abb.14: Was geschieht, wenn Opfereltern mit dem Täter reden? S61 Abb.15: Was geschieht, wenn Opfereltern mit der Klasse reden? S62 Abb.16: Was geschieht, wenn Opfereltern mit den Eltern des Täters reden? S64 10

1. Wie kann ich erkennen, dass ein Kind gemobbt wird? Leymann in Psychoterror am Arbeitsplatz, 1993 und Olweus in Gewalt in der Schule, 2006 beschreiben Mobbing als Phasenverlauf, dessen Ursache ein nicht gelöster oder unbefriedigend gelöster Konflikt ist. Dem Konflikt liegt ein Kommunikationsproblem zugrunde. Das Bedürfnis nach Mitteilung ist menschlich und zeugt von sozialem Verhalten. Das ist einerseits die Voraussetzung für eine gute Verständigung, andereseits beinhaltet es das Risiko der Entstehung von Missverständnissen und Konflikten. Konflikte gehören zu unserem Mensch - Sein. (Bäuerle, 1985) Bei den Konflikten handelt es sich um Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten um Einfluss und Macht, oder es handelt sich einfach um Ungerechtigkeiten. Konflikte sind deswegen nötig, weil ohne konstruktive Konflikte Veränderungen kaum möglich sind. (Leymann, 1993) Deswegen wird es auch keine Erziehung ohne Konflikte geben können. Unsere Wahrnehmung von Konflikten ist entscheidend für ein konstruktives oder destruktives Verhalten. Die Konfliktparteien bemühen sich meistens um eine Lösung, wobei ein Kräftegleichgewicht Voraussetzung ist. Nur ein geringer Teil weitet sich zu Psychoterror und Mobbing aus. Bei Konflikten, die wenige Tage bestehen, werden Lösungen angestrebt oder sie enden, wenn sie ausgetragen worden sind. Der größte Teil tritt nur einmalig oder für kurze Zeit auf. Als Maßnahmen eigenen sich in dieser frühen Phase Gespräche mit den Beteiligten, Streitschlichter Konzepte, Mediation, Klassenrat. Wenn ein Konflikt nicht ausreichend gelöst wurde, verlagert er sich von der Sachebene auf die Beziehungsebene (Watzlawick, 11

2005) und wird zu einem personifizierten Konflikt. Psychoterror und Mobbing konzentrieren sich auf eine Person, das Opfer. Der ursprüngliche Auslöser tritt immer mehr in den Hintergrund und wird zur persönlichen Auseinandersetzung. Die dadurch entstandenen Spannungen bleiben bestehen und werden am Verhalten der Konfliktpartner sichtbar. Sie zeigen Abneigung und Widerstand gegeneinander, geben sich aggressiv, uneinsichtig und stur oder beharren auf Formalitäten, deren Erfüllung nahezu unmöglich erscheint. Eine aggressive, gereizte Stimmung führt zur Bildung von Täter- und Opferrollen. Der Betroffene - das Opfer - ist irritiert, einseitig argumentierend, verunsichert und ängstlich. Das Mobbing beginnt! (Ebner, Mobbe und herrsche!, 2012) Sobald ein Ungleichgewicht zwischen den Streitenden festgestellt wird, muss der Konflikt von außen gelöst werden. Täter und Opfer sind bereits jetzt nicht mehr in der Lage, die Situation selbst zu lösen. Ein Konflikt kann deswegen zu Mobbing werden, weil er sich dazu entwickeln darf. Irgendeine Anhäufung von Persönlichkeitsmerkmalen führt aber nicht zu Mobbing! (Watzlawick, Bavelas and Jackson, 2011) Wenn sich zwei ungefähr gleich starke Schüler bekämpfen oder streiten, handelt es sich nicht um Mobbing, sondern es besteht ein Konflikt. (Hanewinkel & Knaack, 1997) Auch die üblichen Streiche wie Mäppchen, Schulranzen, Hefte verstecken oder gelegentliche Beschimpfungen und Beleidigungen sind noch kein Mobbing, obwohl es sich dabei um die typischen Mobbinghandlungen handelt (Anhang III, Mobbinghandlungen). Im Falle von Mobbing sind die Täter nicht an einer Lösung interessiert. Auch wenn das Opfer längst aufgegeben hat, setzen die Täter ihre 12

3.5 Mobbing geht wieder alleine vorbei Mobbing geht nicht vorbei, es nimmt kein Ende, wenn nichts unternommen wird, weder Eltern noch das Opfer können das abstellen. Die Obhuts- und Fürsorgepflicht sowie die Amtspflicht der Lehrer (Artikel 34 Satz 1 GG) regelt die Primärverantwortung: Lehrer haben die Pflicht, Schulkinder vor Schäden in Gesundheit und Vermögen, wie auch vor Verletzung anderer grundrechtlich geschützter Güter (OLG-Zweibrücken, Beschluss vom 05.06.97, 6 U 1/97) zu bewahren. Die Amtspflicht besagt weiter, dass sich jeder Lehrer bei seiner Amtsausübung sämtlicher Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten hat. Das schließt das bürgerliche Recht ( 823 Abs. 1 BGB), welches die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Kinder enthält, mit ein (OLG-Zweibrücken, Beschluss vom 05.06.97, 6 U 1/97). Wenn also Mobbing passiert, so liegt die primäre Verantwortung für die Erziehungsarbeit eindeutig beim Klassenlehrer (LDO, 6). Der Schulleiter ist der Vorgesetzte der Lehrer und übt qua Position die Dienstaufsicht aus ( 41 Abs. 2 SchG BW). Somit hat er für die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu sorgen (LDO, 24 Baden Württemberg). Lehrer und Schulleitungen können nicht mehr wegschauen. Immer mehr Eltern lassen sich das nicht mehr gefallen und die Bereitschaft zu Zivilklagen wächst. Sie wächst vor allem deswegen, weil die Eltern erkennen, dass das System Schule mauert 41

und lieber ein Opfer entfernt wird, um sich des Problems nicht annehmen zu müssen. Die Mehrheit der Schulen hat sich auf den Weg gemacht, doch es braucht noch viele Weiterqualifizierungsmaßnahmen und Bereitschaft. 5,2% der Befragten glauben, dass Mobbing von alleine vorbei geht. Zu diesen 5,2 % gehören Eltern und ehemalige Schüler, die das vielleicht so erlebt haben. 82,40% kommen zur eindeutigen Aussage, dass Mobbing nicht von alleine vorbeigeht. Das deckt sich mit vielen anderen Untersuchungen. Abb.5 Hinweis: Die Nennung von in Frage kommenden Paragrafen ist keine juristische Beratung. Grundsätzlich ist bei einer solchen Vorgehensweise ein Anwalt zu konsultieren. 42

3.7 Irrtümer im Lehrerverhalten Warum auch immer - Lehrer glauben, wenn sie einen Mobbingfall mit der Klasse bereden, könnten sie dadurch die Situation lösen. Erkennt die Lehrkraft, dass mehr als 2 Schüler (Täter/Opfer) beteiligt sind, erfolgt beispielsweise die Androhung von Klassensanktionen (wir fahren nicht zum Schlittschulaufen, ins Schullandheim u.ä.). Das sind Kollektivstrafen, die durch das Schulgesetz verboten sind. War bisher Mobbing eine Angelegenheit von einem Teil der Klasse, wird jetzt die ganze Klasse gegen das Opfer aufgebracht und es muss bestraft werden. Massive Angriffe und Ausgrenzung sind die Folge und keineswegs Einsicht, Rücksichtnahme oder gar Mitgefühl. 64,71% der Befragten machte die Erfahrung, dass sich nichts verändert hatte, 31,51% stellten eine kurze Zeit der Besserung fest, danach verstärkten sich die Mobbinghandlungen. Die Lehrer Erstreaktion, ich rede mit der Klasse hat also in keinem Fall zu einer dauerhaften Beendigung von Mobbing geführt. Meistens bleibt die Situation wie sie ist oder es kommt nach einer kurzen Zeit der Besserung zur Verschlimmerung. Hinter dieser Verstärkungsrteaktion steckt der Glaube, dass das Opfer gepetzt hat und das muss bestraft werden. Dabei werden von Mal zu Mal die angewandten Methoden feiner und raffinierter, so dass sich Lehrer mit dem Erkennen der tatsächlichen Vorgänge schwer tun. Natürlich muss mit den Schülern darüber geredet werden. Sie müssen wissen, dass Mobbing ein nicht geduldetes inakzeptables Verhalten ist. 45

Abb.7 Wenn eine positive Veränderung erreicht werden soll müssen weitere Konsequenzen folgen. Im Falle von Mobbing bedeutet das, dass eine aktive Intervention stattfinden muss, die pädagogisch ausgerichtet ist. 46

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