Profitest Storck Scentron Storck Fascenario 0.6 Faszina Doppel Ein hochwertiger Carbon- Rahmen, eine elektronische Schaltgruppe fertig ist ein topaktueller Renner der Mittel- bis Oberklasse. Dass das Allerbeste nicht unbedingt Feind des ziemlich Guten sein muss, erfuhr Marcel Wüst bei seinen Testfahrten mit zwei sehr unterschiedlich positionierten Renn maschinen aus dem Hause Storck. Text Marcel Wüst Fotografie Marco Felgenhauer
tion im pack
Profitest Zwei Räder, zwei Locations und viele Gemeinsamkeiten, so könnte man das beschreiben, was ich auf zwei verschiedenen Testfahrten auf den Rennrädern des im hessischen Idstein beheimateten Radherstellers Storck erlebte. Storck Scentron: Fahrspaß mit Di2 Zunächst hatte ich im Juni, kurz vor dem Mondsee-Radmarathon, das Vergnügen mit der preislich erschwinglicheren Variante, nämlich dem Scentron mit Ultegra Di2. Wie immer, wenn man bei einem Storck-Renner ins Pedal einklickt, ging es sofort los mit dem Fahrspaß. Die Rohre am Hessen-Renner zeigten sich insgesamt eher großvolumig; wie das fette Steuerrohr schon optisch andeutete, war die Fahrstabilität überragend gut. Die neue Stiletto-340-Gabel stach zielsicher in die Kurven, und dank Mavics leichter R-Sys-Laufräder ließ sich das Gefährt enorm gut beschleunigen. Sogar im fast 15 Prozent steilen Anstieg am Ortsausgang von Fuschl am See spürte ich etwas wie Leichtigkeit beim Fahren im Wiegetritt was allerding auch der Kompakt- Kurbel und dem 25er Ritzel am Hinterrad geschuldet war. Dass die Bremsen ihre Antreten vor jeder Kulisse dazu verführt der steife und agile Rahmen des Storck. Als Mittelklasse- Renner darf das Scentron trotz der Ultegra eigentlich nicht bezeichnet werden dafür ist es zu gut und zu teuer... Die neue Stiletto-340-Gabel stach zielsicher in die Kurven, und dank Mavics leichter R-Sys liess sich das Gefährt gut beschleunigen. Arbeit mit einem lauten Pfeifgeräusch ankündigten, war mit weder neu noch störte es mich bei den für ihr geringes Gewicht auch ordentlich steifen R-Sys gehört das eben zum guten (?) Ton. Einige andere Kleinigkeiten verwunderten mich allerdings; gerade bei Storck ist man ja sehr durchdachte Lösungen gewohnt. Warum etwa muss der Akku so prominent-protzig auf dem Unterrohr positioniert sein? Da würde ich mir definitiv eine dezentere Positionierung wünschen. Ebenfalls verwunderlich war, dass der Bremszug für die Hinterradbremse, also bei den meisten Mitteleuropäern der rechte, auf der rechten Seite ins Oberrohr verschwand, anstatt den üblichen Bogen um das Steuerrohr herum zu machen. Hier wird es auf Dauer zu Abnutzungen am Lack kommen, es sei denn man macht es nach Motorradfahrer-Manier beziehungsweise so wie viele Rennfahrern von den Britischen Inseln: Die haben die Bremsen genau andersherum montiert. Wer weiß, vielleicht war mein Rahmen ja für den UK-Export bestimmt... Was die Schaltzüge beziehungsweise -kabel angeht, macht Storck keinerlei Kompromisse: Der Scentron ist ein reiner Di2/EPS-Rahmen; jeder, der ihn fahren will, muss auch auf die elektronischen Schaltungen zurückgreifen, denn mechanische Systeme können gar nicht an diesen Rahmen montiert werden. Die Farbgebung in Blau, Weiß und Schwarz, gepaart mit matten Finish, gefiel mir wirklich gut, und mit den blauen Applikationen am Sattel hat man auch hier die wichtige Liebe zum Detail nicht ver- 88 Procycling oktober 2012
Storck Scentron Storck Fascenario 0.6 Edel im Storck-typischen Look lehnt das Scentron abfahrbereit an der Holzwand. nachlässigt. Die weitere Ausstattung lag Storck-gemäß auf höchstem Niveau: Top war der so gut zu greifende Syntace-Racelite-Lenker, gepaart mit dem hauseigenen Vorbau und einer Sattelstütze, die dem ohnehin nicht steinharten Fahrwerk noch etwas mehr Komfort verschaffte. Da bleiben keine Wünsche offen! Vor allem auf den Abfahrten genoss ich die Laufruhe und Fahrstabilität, selbst in Extremsituationen, denn dieses Rad ist nur schwerlich aus der (Lauf-)Ruhe zu bringen. Ungewöhnlich ist, dass der Bremszug rechts ins Oberrohr eintritt das erfordert einen engeren Bogen. Fascenario 0.6: kaum zu toppen Umso gespannter war ich, als man mir nur zwei Wochen später das Flaggschiff des hessischen Herstellers mit nach Österreich brachte, das Fascenario 0.6. Am Rande des Radmarathons im Tannheimer Tal konnte ich nun selber herausfinden, ob das in verschiedenen Foren und Onlineshops als bestes Rennrad der Welt bezeichnete Highend-Bike hält, was Markus Storck und andere versprechen. Zunächst einmal muss man sagen, dass die Idee mit der Integration der Bremsen auch anderen Herstellern gelungen ist, und somit war es für mich keine große Überraschung, dass die Bremsleistung gigantisch gut war. Das lag sicher auch daran, dass an meinem Testrad Cosmic-Carbon-Laufräder mit Alu-Flanken montiert waren. Gerne hätte ich eine minimal schlechtere Bremsleistung auf Carbon in Kauf genommen, denn wer bitteschön fährt in einem siebeneinhalbtausend Euro teuren Rahmenset Alu-Clincher? Beim letzten Highend-Storck, das ich getestet Der große Material einsatz am Hinterbau macht das Storck keineswegs hart. XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX Unterm Unterrohr wäre der Akku besser aufgehoben; immerhin fällt die Alu-Befestigungsleiste weg. Technische Daten Scentron Rahmen Storck Carbon Gabel Storck Stiletto 340 Komponenten Shimano Ultegra Di2 LaufrÄder Mavic R-Sys SLR Bereifung Mavic Yksion Grip Link/Power Link LENKER/vorbau Syntace Racelite 2 Carbon/ Storck ST 139, Alu sattel Prologo Nago Evo, Titangestell stütze Storck 210 Comfort Gewicht 7,15 kg Preis 5.200 Kontakt www.storck-bicycle.de Procycling Oktober 2012 89
Profitest Kompromisslos vortriebsorientiert, dabei extrem leicht: Storcks Topmodell macht ambitionierte Fahrer glücklich. hatte, dem Fascenario 0.7 IS, waren exklusiv für Storck produzierte Zipp- Schlauchreifenfelgen montiert; im Gegensatz dazu waren die Cosmics sozu - sagen ein unerwünschtes Downgrade Die Fahreigenschaften an sich waren allerdings überragend. Bei dem geringen Gewicht des Rahmens mit seinen Integrationsteilen würde manch einer etwaige Abstriche bei der Kraftübertragung vermuten diese Annahme ist allerdings komplett unbegründet. Wie schon beim 0.7 haben es die Storck-Ingenieure verstanden, ein Rad zu konstruieren, welches so fahrstabil ist, dass es kein Straßenradsportler der Welt ans Limit bringen könnte. Die enorm dimensionierten runden Rohre weichen keinen Millimeter unter harten Antritten, und überhaupt ist die zwar ausgewogene, aber dennoch flinke Geometrie genau das, was ein ambitionierter Rennfahrer sucht. Wenn man bedenkt, dass beim angegebenen Gewicht von 1.700 Gramm Bremsen, Sattelstütze, die Powerarm- Kurbeln sowie Steuersatz und Gabel enthalten sind, kann man sich mit etwas Phantasie vorstellen, wie schwer beziehungsweise leicht der nackte Rahmen ist: Genau: Fascenario 0.6 Kilo! Die Scapula-Gabel, die die fast unsichtbar integrierte Vorderradbremse beheimatet, ist komfortabel und steif zugleich, und auch die Ästhetik lässt keine Wünsche offen: Hinten an der Gabel schauen die Bremsbeläge ein Stück weit heraus, der Rest ist total unsichtbar, wie es das Kürzel IBS (Invisible Brake System) zu Recht vorhersagt. Bei allen Menschen, die etwas über das Rad wissen wollten (denn mit dem 0.6 bleibt man am Rande eines Radmarathons nicht unbemerkt), kam die Frage nach der Bremswirkung auf. Vorne wie hinten kann ich nur die Note eins vergeben, denn Dosierbarkeit sowie Leistung zeigten sich auf allerhöchstem Niveau. Bei meiner ersten Proberunde fuhr ich natürlich auch ein paar Sprints, und hier gefiel mir vor allem, wie sich die Campagnolo EPS schalten ließ. Kompromisslos hart kloppte sie die Gänge rein, und durch die gigantische Steifigkeit in allen relevanten Bereichen gab es nichts als Vortrieb. Wäre jetzt noch ein Satz Lightweights oder ähnlich leichte Laufräder montiert gewesen, dann hätte man noch mehr das Gefühl gehabt zu fliegen. Aber das kann ja der Endkunde selbst richten, denn wer die knapp 12.000 Euro für den mit EPS bestückten Boliden inklusive Cosmics ausgibt, der kann sich sicher auch zusätzlich noch einen Satz exklusiver Laufräder leisten Die Schaltzüge, die an der Unterseite des Unterrohrs im Rahmen verschwinden, folgen zunächst dem Bremszug auf seinem Weg in die Gabel eine sehr Fast unsichtbar integriert und damit windschnittig und leicht sind die Bremsen am 0.6. Storck setzt durch die Bank auf die leichten, bewährten Syntace-Teile. schöne Variante, welche die klaren und dominanten Formen des Rahmens hervorhebt. Die Feineinstellung der Bremsen oder gar ein Schaltzugwechsel sind sicherlich nichts für ungeduldige Menschen das dürfte eine fummelige Aufgabe werden, aber auch hier gehe ich davon 90 Procycling oktober 2012
Storck Scentron Storck Fascenario 0.6 Campa EPS, ein extrem leichter Rahmen und integrierte Bremsen: Toppen ließe sich dieses Rad nur noch durch edlere Laufräder. aus, dass der gut betuchte Käufer eher seinen Fachhändler damit quälen wird. Der Gesamteindruck dieser atemberaubenden Kombination aus Leichtigkeit, Steifigkeit und ansprechendem Fahrverhalten machen aus dem Fascenario 0.6 eines der besten Räder, die je konzipiert worden sind ob es für den Titel bestes Fahrrad der Welt ausreicht, hängt auch immer ein wenig von der Person ab, die dieses Statement abgibt, und natürlich davon, ob der eigene Geschmack getroffen wird. Bei meinem Storck, das ja leider nicht meines war, hat mich, bis auf die schon erwähnte Wahl der Laufräder, vor allem das Gesamtpaket mit der superleichten Powerarm-Kurbel und den weiteren feinen Komponenten überzeugt. Die komfortable, hauseigene Sattelstütze sorgte im Übrigen dafür, dass der Ritt über teils noch wintergeschädigte Radwege nicht rockte, dafür aber rollte. Gehalten wurde die Stütze von einem Hauch von Klemme, und auch der Sattel überzeugte mich; schön am Prologo Nago war das Storck- Branding. Da wir ja seit Faust wissen, dass in mancher Brust zwei Seelen wohnen, ist bei den beiden Storck-Rädern jedoch eines ganz klar: Egal, wie super das Scentron auch sein mag, wir würden wohl alle das Fascenario haben wollen. Da dieses aber auch leider bezahlt werden muss, wird sich ersteres Modell weitaus größerer Beliebtheit erfreuen und für die, die es sich leisten können, wird es das beste Rad der Welt sein. Carbon-Kleinod mit elektronischem Innenleben: das wohl edelste Schaltwerk der Welt. Mit den neuen elektronischen Schaltkomponenten ist Campagnolo wieder mindestens auf Augenhöhe mit dem großen Konkurrenten. Auch der EPS-Akku könnte unauffälliger platziert sein. Technische Daten Fascenario 0.6 Rahmen Storck Fascenario 0.6 VVC Carbon Gabel Storck Scapula F Komponenten Campagnolo Super Record EPS Kurbelsatz Powerarms, mit Stronglight-Ketten blättern LaufrÄder Mavic Cosmic SL Bereifung Schwalbe Ultremo ZX LENKER/vorbau Syntace Racelite 2 Carbon/ Storck ST 139, Alu sattel Prologo Nago Evo, Carbongestell stütze Storck 210 Comfort Gewicht 6,30 kg Preis 11.938 Kontakt www.storck-bicycle.de Procycling Oktober 2012 91