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Transkript:

Erster Tag Während der Wintererstbegehung einer klassischen 800 m N-Wand. Trickreiches M7-Gelände mit spannender Absicherung verlangt volles Commitment. 86 bergundsteigen 2/13

Der Torre ist überall Haufenweise Menschen am Cerro Torre, Staus am Everest und Andrang auf den Nameless Tower. Schreib doch was über die aktuelle Leistungsexplosion im hochkarätigen Bergsteigen, meinte Kollege Haselböck. Mach ich gerne: Der bekannteste österreichische Bergsteiger ist Gerlinde Kaltenbrunner. Alle 14 Achttausender. Zwar Jahrzehnte zu spät um als Spitzenalpinismus zu gelten, aber: total fair und noch dazu Frau - meine Mutter ist begeistert. von Peter Plattner Kaltenbrunners letzter Achttausender war der K2. Dort vollbrachte sie als Mensch eine bergsteigerische Glanzleistung, welche ihr mehr Achtung eingebracht hat als das restliche Höchste-Gipfel-Sammeln zusammen: Nach mehreren Jahren der Vereinsamung wurde der höchste Punkt von ihr und ihrem Team erreicht. Trango & Chogolisa Um den K2 von der pakistanischen Seite aus zu erreichen, wandert man an den Trango-Türmen vorbei. Identifizieren die Augen altgewordener Bergsteiger in dieser Ansammlung an grandiosen Granitnadeln- und wänden den Nameless-Tower, werden Erinnerungen wach. Damals, 1989, eröffneten dort Wolfgang Güllich und Kurt Albert gemeinsam mit Milan Sykora und Christoph Stiegler die Route Eternal Flame. Kurz schweifen die Gedanken zum namensgebenden Schmalz-Hit der Bangles ab (Gott, müssen die damals einsam gewesen sein - nicht die Bangles, die Kletterer), dann kommen die Details dieses alpinen Marksteins: an die 24 Seillängen, IX+/X- in 6000 Meter Höhe. Güllich und Albert ernteten dafür Respekt und Hochachtung der Szene und das Silberne Lorbeerblatt der Bundesrepublik. Heute sind beide tot, gestorben bei einem Auto- und Klettersteigunfall. Im Gegensatz zu anderen Kletterern und Bergsteigern sind sie auch jetzt noch präsent, werden von der jungen Generation respektiert und Idole genannt. David Lama gehört dieser Generation an. Der 23-jährige Innsbrucker war und ist mit einem beneidenswerten Klettertalent ausgestattet und räumte im Wettkampfklettern so ziemlich alle Titel ab. Dann konzentrierte er sich auf seine Leidenschaft: Bergsteigen. Sehr alpin und sehr hart. Lama schätzt sich glücklich. Als einer der wenigen hauptberuflichen Alpinisten weltweit hat er - nicht zuletzt aufgrund auf seiner Sportkletterkarriere - sehr lässige Sponsorverträge (klar, mit der blauen Kuh und auch mit dem schwarzen Elefanten) und kann seiner Passion recht uneingeschränkt nachgehen. Das nehm ich ihm zu 99,97 % ab. So stattete er 2012 mit seinem kongenialen Osttiroler Seilpartner Peter Ortner dem Megaklassiker Eternal Flame einen Besuch ab. Sie schafften es nicht frei, wie bisher nur die Gebrüder Huber im Jahre 2009, hatten aber ihren Spaß. Allerdings nicht alleine: ein halbes Dutzend weiterer Seilschaften tummelte sich ebenfalls an dem Granitzapfen herum. Darunter auch Guido Unterwurzacher und Max Berger (die beiden treffen wir später wieder) gemeinsam mit fünf weiteren Österreichern. 87 bergundsteigen 2/13

Zweiter Tag Die letzte harte Seillänge nach einem harten Biwak. Diese erste Winterbegehung war die fünfte Wiederholung überhaupt - die vierte gelang vor 30 Jahren. 88 bergundsteigen 2/13

Nicht schlecht. So viele Kletterer versuchen sich an dieser anspruchsvollen Linie. Das Niveau muss in den letzten Jahren gewaltig gestiegen sein. Aber auch klar, immer mehr Menschen setzen ihr hohes technisches Können und ihr Training aus dem Sportklettern in den hohen Bergen der Welt um. Eine Leistungsexplosion! Das ist natürlich Blödsinn. Eine der oben erwähnten Seilschaften aus Südafrika imponierte durch das großzügige Installieren von Fixseilen in Kombination mit einem Klettertempo von mehreren Stunden pro Seillänge. Die Herausforderung für die anderen bestand darin, strategisch geschickt den damit programmierten Staus auszuweichen und die Nerven zu bewahren. Auch angesichts der eklatanten Defizite dieser Kameraden die grundlegende Seil- und Sicherungstechnik betreffend. Lama & Ortner wanderten nach der Eternal Flame weiter talein, um die Chogolisa zu besteigen. Jenen perfekt geformten, knapp 7.700 Meter hohen Schneeberg, auf dem Hermann Buhl mit einer Wechte abstürzte und der 1975 erstmals von den Österreichern Fred Pressl und Gustav Ammerer besteigen wurde (schrägerweise überlegte Expeditionsleiter Koblmüller dabei einen Wechtenbruch ). Die Chogolisa liegt nahe am Concordia Platz, wo der Baltoro- und der Godwin-Austen Gletscher spektakulär zusammenfließen. Egal ob Trekker oder Broad Peak-Besteiger: sie steht direkt vor der Nase von hunderten von Menschen, die in jeder Saison täglich ihre Eleganz bewundern. Also, die wievielte Besteigung dieser Schönheit gelang Lama/Ortner? Falsch, es war vermutlich die vierte. Sechsundzwanzig Jahre lang war niemand mehr dort oben. Die Chogolisa ist technisch einfach, sehr einfach. Und die Chogolisa ist anstrengend, lawinengefährlich und hart, sehr hart. Auch die beiden jungen Österreicher hätten sich an diesem Berg beinahe die Zähne ausgebissen. Ein zähes Luder, meinte schon Fred Pressl. Ist er das? Der Unterschied zwischen Bergsport und Alpinismus. Zwischen Spaß und nicht-mehr-lustig. Zwischen medienwirksam und interessiert-kein-schwein. Zwischen Fixseil und frei klettern. Zwischen Breitensport und Ausnahmeleistung. Zwischen Eternal Flame und Chogolisa. Von wegen Leistungsexplosion. Die alpine Spitzenleistung des Jahres wird ausgezeichnet mit dem Piolet d Or, dem goldenen Eispickel, dem einzigen und echten Bergsteigerpreis. Das stimmt nicht ganz: Die jährlich wechselnde Fachjury vergab die güldene Axt von 1992 bis 2007 jeweils für eine alpine Großtat; 2008 wurde die Veranstaltung nach gröberen Unstimmigkeiten ausgesetzt und danach wurden immer zwei oder drei der nominierten Seilschaften ausgezeichnet. Bis heuer, wo die Jury bestehend aus Venables/Kaltenbrunner/Yokoyama/Karo sich gar nicht entscheiden konnte - weil alle Projekte so was von kreativ, ästhetisch, inspirierend und mutig waren - und gleich alle sechs nominierten Teams prämiert wurden; und der Diemberger Kurt hat für sein Leben auch noch einen bekommen; und eine weitere besondere special mention gab es auch noch für Kennedy/Kruk, weil sie die Bolts in der Kompressorroute abgeschlagen haben; aber die bekamen sie gemeinsam mit Lama/Ortner, weil die wiederum ohne diese Bohrhaken die eh nicht mehr drinnen waren frei hinaufgekommen sind. Somit haben alle gewonnen. Super. Das Montagnes Magazin sowie die Zeitschrift Vertical haben sich wenige Tage nach der Preisverleihung aus dem Organisationskomitee verabschiedet. Sie haben das Ganze weniger super gefunden. Everest Eine Leistungsexplosion fand 2012 auch nicht am Everest statt. Dem feuchten Traum aller Bergsteiger. An die 300 Menschen drängten Ende Mai Richtung Gipfel. Alle in derselben Spur, alle an denselben Fixseilen - die meisten mit Sauerstoffflaschen (was für eine Frage). Stundenlange Staus. Und sechs Tote, wenn ich mich richtig erinnere; doch ob dort ein paar Leichen mehr oder weniger herumliegen, ist egal. Zumindest den meisten anderen Gipfelaspiranten die für einige zehntausend Dollar mit dabei sind. Wie jener Tiroler Geschäftsmann, der endlich, bei seinem xten Versuch, am höchsten Punkt der Erde stehen durfte. Warum er es geschafft hat, erklärte er in den Medien. Er war ständig beraten von den Wetterfröschen der ZAMG und während die Hundertschaften loszogen, blieb er als einziger im Basecamp zurück und er startete erst eine Woche später den Aufstieg. Bevor er mit 20 anderen endlich am Gipfel stand, ging er an den nur wenige Tage frischen Toten vorbei. Natürlich fand er das unvorstellbar (TT-online, 2.6.12). Leistungsexplosion? Wohl eher Tiefpunkt der Bergtourismusbranche. Und der richtige Zeitpunkt Herrn Messner zu zitieren: Der Alpinismus beginnt, wo der Tourismus aufhört. Touristen geraten auch gerne aneinander und werden handgreiflich, zb wenn es darum geht, wer mit seinem Handtuch als erster die Liege am Pool reserviert hat. Oder wer als erster einen Tiefschneehang im Außerfern fahren darf: da prügelten sich im vergangenen Jahr zwei fast 60-jährige Bergkameraden mit Stöcken und Schiern krankenhausreif. Und auch auf den Bergen der Welt wird geschlägert. Zuletzt vor wenigen Wochen sehr prominent auf Lager 2 am Everest. Zunächst klingt es ja recht amüsant, wenn drei westliche Topalpinisten von einigen Sherpas auf über 7000 Meter Höhe hergeschlagen werden. Doch Ueli Steck, Simone Moro und Jon Griffith fürchteten um ihr Leben, wurden verletzt und fanden das verständlicherweise gar nicht lustig. Aleister Crowley (vgl. 1902 am K2) hätte da schon seine Pistole gezogen Cerrro Torre Alpinismus in Reinkultur war und ist Patagonien. Die Granitnadeln im Chaltén Massiv sind seit jeher ein Lieblingsspielplatz der Kletterelite. Wunderbare Granitberge. Inklusive Gipfelpilze, welche durch die harschen klimatischen Bedingungen am Rande des Inlandeises entstehen. Deswegen sieht man ebendiese Gipfel blöderweise recht lange nicht. Und deswegen besteht die hiesige Elite vor allem aus Alpinisten mit Ausdauer und Leidensbereitschaft. Bergsteigen in Patagonien ist wie im Kühlschrank sitzen und Geldscheine verbrennen, meinte einst ein genervter Reinhard Karl. Und dann sind da noch die Geschichten rund um Fitz Roy und Cerro Torre. Bei den Besten spielen Toni Egger und Cesare Maestri die Hauptrolle - unbedingt nachlesen. Bergsteigen in Patagonien ist inzwischen schon fast so, wie nach Chamonix zum Klettern fahren, meint ein entspannter Max Berger. Der studierte Veterinär und Bergführer sollte seine Sturm- und Drangzeit hinter sich haben. Mitte vierzig, Familie, seriöser Job. Ab vierzig geht s erst richtig los, tröstete er mich vor kurzem. Tatsächlich ist er nach wie vor einer der bekannten unbekannten Topalpinisten. An den Wochenenden und in seinem Urlaub ist er mit Freunden, jüngst vor allem mit Guido Unterwurzacher, frech und erfolgreich unterwegs. Wie bereits erwähnt im Karakorum und 2012 wieder einmal in Patagonien. Den beiden gelang eine superelegante und flotte Begehung der Ragni-, besser bekannt als Ferrari-Route an der Cerro Torre Westwand. Ankunft, Zustieg, hinauf, hinunter, Rückmarsch (47 km). In drei Tagen während eines Schönwetterfensters, komplett alleine. Ja, das klingt nach großen Tagen am Berg. Bis dahin 89 bergundsteigen 2/13

Fotos: David Lama (2), Hansjörg Auer (li) hatte diese 1974 von Chiappa/Conti/Ferrari/Negri erstbegangene Route keine 30 Begehungen. Das änderte sich dann. Nur wenige Wochen später war der Andrang auf diesen Anstieg enorm. Innerhalb der nächsten drei Monate folgten über dreißig Begehungen. Das ist jetzt aber die Leistungsexplosion! Oder auch nicht. Ein herausragendes Ereignis gab es in Patagonien, am Cerro Torre im Jahr 2012. Lama & Ortner kletterten die Kompressorroute durch die O-Wand frei. Lama war dort zum dritten Mal unterwegs. Sein erster Versuch löste ob der medialen Begleitung von Hubschraubern und Bohrhaken emotionsgeladene Diskussionen der Locals aus (vgl. bergundsteigen 1/12). Selbst die heftigsten Kritiker erkannten seine Leistung 2012 an, als er seine Freiklettervariante mit einer Stelle 8a ohne die Verwendung neuer Bohrhaken schaffte. Lama & Ortner waren eine eingespielte Seilschaft, Wetter und Verhältnisse waren perfekt und David ist als Kletterer einfach saugut. Die Kompressorroute war bis dahin der leichteste Anstieg auf den Cerro Torre. Wenn das Wetter gepasst hat, hangelte man sich stellenweise von Bohrhaken zu Bohrhaken (nein, keine Normbohrhaken, sondern alte Spits von 1970) Richtung Gipfel. Wenige Tage vor Lamas Durchstieg beschlossen die Nordamerikaner Kennedy/Kruk, einige dieser Bohrhaken beim Abseilen abzuschlagen. Ihnen gelang nämlich - nach ihrer Definition - eine Begehung by fair means; soll heißen, sie haben im Aufstieg nicht alle, oder zumindest meistens nicht alle, Bohrhaken verwendet und sind neben der Originallinie teilweise Varianten gegangen, die sie nicht frei, aber immerhin nur mit selbst angebrachten Fixpunkten... Zusammengefasst: Die beiden sind auf eine Art und Weise hinaufgeklettert, die außerhalb der Kletterszene kein Mensch versteht. Da sie die Bohrhaken, in deren sicherer Reichweite sie hinaufgeklettert sind, beim Abseilen dann großzügig entfernt haben, verstehen auch viele innerhalb der Kletterszene nicht - und letztendlich interessiert es niemanden. Außer jenen, die gerne auf dem einfachsten Weg - eben der Kompressorroute inkl. Bohrhaken - auf den Cerro Torre geklettert wären. Keine Bohrhaken, keine Kompressorroute, keine Chance für den durchschnittlichen Patagoniakletterer à la Lama dort hinauf zu kommen. Was ist der zweitleichteste Anstieg? Die Ferrariroute. Deswegen sprach es sich dank www in Windeseile herum, dass dort gute Verhältnisse herrschen, dass das Wetter passt und dass dort mehrere Seilschaften unterwegs waren und sind. Das bedeutet wiederum: Pickellöcher im Eis, welche den Weg weisen, regelmäßig von den Vorgängern installierte Eissanduhren zum Sichern und vor allem Abseilen usw. Wer die Ferrariroute klettert, muss ein Spitzenalpinist sein. Doch Leistungsexplosion? Ich weiß nicht Daneben hat sich noch Weiteres geändert in Patagonien: Es gibt seit einigen Jahren Internetzugang und damit eine verlässliche Wetterprognose. Ebenso wird über das www sofort über Begehungen und Verhältnisse berichtet. Von Europa aus ist man in gut 24 Stunden vor Ort. Eben wie früher Chamonix: Wetterbericht checken und hinfahren. Überall Doch Patagonien ist überall. Im Karwendel gibt es eine sehr lässige, steile und anspruchsvolle Schitour. Früher wurde sie alle paar Jahre einmal als Saisonhöhepunkt von einigen wenigen Schialpinisten bestiegen und befahren. Neulich waren dort an einem Tag 20 Menschen anzutreffen. Leistungsexplosion? Wirklich nicht. Im Internet wurde gepostet, dass die Tour am Vortag begangen wurde und dass die Verhältnisse ideal seien. So machten sich technisch versierte Tourengeher auf die Suche nach der Aufstiegsspur, folgten dieser und erreichten problemlos den Gipfel. Ohne vorhandene Spur hätten sie sich nie dort hinaufgetraut bzw. den Weg gefunden. So ist es nun einmal und das gilt es ohne Wertung zu akzeptieren. So hat sich der Bergsport als Breitenphänomen entwickelt. Andererseits gibt es im Karwendel, den Alpen und weltweit noch unzählbar viele Berge, an denen Mann und Frau sich austoben kann. Abseits von www und Mainstream und Breitensport. Dort spielt sich seit Jahren Alpinismus ab. Meist unbeobachtet von den Medien klettern Menschen in ihrer Freizeit geniale Linien; und haben ihren Spaß dabei und leiden. So wie Bergsteigen eben ist. Leistungsexplosion gibt es keine. Doch immer dann, wenn Top- Spezialisten wie Sportkletterer, Eiskletterer oder Schifahrer beschließen, ins Gebirg zu ziehen, dann flackern die Blitzlichter auf. Selten aber immer wieder. Bei Güllich, bei Albert, bei den Hubers, bei denen, deren Namen wir uns nicht merken und bei Lama. Die ganze angehängte Ethikdiskussion wer, was, wie richtig macht, ist letztrangig. Leistung ist wichtig, aber nicht alles. Oder um Wolfgang Güllich zu zitieren: Man geht nicht nach dem Klettern zum Kaffeetrinken, Kaffeetrinken ist integraler Bestandteil des Kletterns. Nachtrag Sagzahn Haben Sie sich gefragt, wo die ganzen tollen Fotos gemacht wurden, welche diesen Beitrag illustrieren. Nein, an keinem für uns Normalkletterer geografisch und finanziell kaum erreichbaren Ort, sondern eine halbe Stunde südlich von Innsbruck an einer unbedeutenden Dreckswand in den Zillertaler Alpen. Dreckswand nehme ich zurück. Die Sagwandspitze ist mit ihrem Nordpfeiler immerhin eine Im extremen Fels - Pause-Führe. Auf den daneben liegenden Sagzahn gibt es eine anspruchsvolle Rebitsch Route durch die N-Wand namens Schiefer Riss (VI), erstbegangen 1947, erste Wiederholung fast 30 Jahre später. Drei Bergsteigern ist heuer am 11. März die erste Winterbegehung dieser Tour gelungen. Von dieser Begehung stammen die Fotos. Für einen war es der dritte Versuch. Nachdem das Trio nach zwei Tagen den Gipfel erreicht hat, waren sie sich einig, dass dies eine ihrer härtesten und besten Klettereien war 18 bis 20 Seillängen, irgendwas um M7 herum, schwer abzusichern und kalt und auf alle Fälle das grenzwertigste Biwak. Zusammengefasst eines ihres tollsten Bergabenteuer. Und das direkt um die Ecke bei der Wintererstbegehung einer klassischen Führe; nicht einmal besonders kreativ. Die drei wissen übrigens, wovon sie reden, sind sie doch alle etwas herumgekommen bei ihren Kletterausflügen. Ihre Namen: Peter Ortner, David Lama und Hansjörg Auer 90 bergundsteigen 2/13