Schulversäumnisse reduzieren - Anregungen für die Praxis

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Transkript:

1 Referat Veranstaltung "Schulverweigerung/Schulabsentismus" in Marburg 28.09.04 Folie 1 Schulversäumnisse reduzieren - Anregungen für die Praxis Kos Sie wundern sich sicher, wieso unser Thema nicht mit dem in der Einladung übereinstimmt. Da Referate halten nicht unser Tagesgeschäft ist, sondern eine Aufgabe, die wir gelegentlich nach unserer eigentlichen Arbeit erledigen, haben wir bei der konkreten Ausarbeitung festgestellt, dass dieses Thema zu kurz greift. Deshalb haben wir das Thema etwas modifiziert. Bei der Vorbereitung haben uns noch zwei Lehrkräfte unserer Schule unterstützt, Frau Brüning und Herr Weitlauff. Unsere eigentliche Arbeit ist die Leitung der Schule am Geisberg, einer Schule für Erziehungshilfe, und ein Beratungs- und Förderzentrum. Herr Kopplow ist der Schulleiter, ich bin seine Stellvertreterin. Einleitung Damit Sie unseren Beitrag einordnen können, wollen wir zu Beginn erläutern, wie wir zu unseren Vorschlägen gekommen sind. Wir haben in unserer täglichen Arbeit Erfahrungen mit Schulverweigerern auf unterschiedlichen Gebieten sammeln können: - durch unser spezielles schulisches Angebot für diese Schülergruppe in der Erz.-Hilfe- Schule - durch Beratung in allen Schulformen, deren Ziel es ist, einen Wiedereinstieg in den regelmäßigen Schulbesuch nach längeren Fehlzeiten zu erreichen - durch eine biographische Datenerhebung in einzelnen Wiesbadener Schulen, bei der versucht wurde nachzuvollziehen, ab wann man hätte tätig werden müssen, um Einfluss zu nehmen, bevor die Fehlzeiten zu einem großen Problem werden - durch die enge Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in Wiesbaden u.a. speziell bei Schulverweigerern, die uns oft zuerst über das Jugendamt bekannt werden und nicht durch die Schulen - durch unsere intensive Zusammenarbeit mit den allgemeinen Schulen, sind uns sowohl die Schwierigkeiten als auch die Einwirkungsmöglichkeiten bekannt, die auftauchen, wenn eine Schule sich dem Problem Schulverweigerung zuwendet Wenn man das Problem der Schulverweigerung aktiv bearbeiten will, muss man sich klar darüber sein, dass - die Verringerung von Schulverweigerung in einer Schule immer eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Lehrkräfte bedeutet - die Verringerung von Schulverweigerung Maßnahmen auf allen schulischen Ebenen erfordert, deshalb ist es wichtig, dass die Schulleitung notwendige Veränderungen unterstützt bzw. initiiert.

2 - Schulverweigerung in vielen Fällen nicht nur durch Maßnahmen der Schule wirkungsvoll verändert werden kann, da sie stark von außerschulischen Faktoren beeinflusst wird. Deshalb muss auch die Jugendhilfe bereit sein, sich auf die Bearbeitung dieses Feldes gemeinsam mit der Schule einzulassen. Damit wir uns ein Bild machen können, wie viele Teilnehmer der o.g. Gruppen hier sind, bitten wir Sie, dass Sich alle Lehrkräfte melden Sich alle Lehrkräfte melden, die eine Klassenführung haben Sich alle Schulleitungen melden Sich alle Jugendamtsmitarbeiter melden Im Laufe unseres Vortrages werden Sie merken, an welchen Stellen mehr Arbeit auf jeden von Ihnen zu kommt. Wobei es alle treffen wird, aber in unterschiedlicher Intensität. In unserem Vortrag versuchen wir, sehr nah an der Praxis zu bleiben. Wir werden im Verlauf unseres Vortrags immer wieder deutlich darauf hinweisen, wann man bewusst die Entscheidung treffen muss, ob man das Ziel, die Fehlzeiten in der Schule zu verringern verfolgen will und was dies konkret bedeutet. Folie 2 Das Ziel heißt: Reduzierung der Fehltage und Fehlstunden in unserer Schule. Erläuterungen KOS Erläuterungen Folie 1 Auch wenn es selbstverständlich erscheint: Bevor man sich dem Thema Schulverweigerung zuwendet, sollte man sich vergewissern, warum Fehlzeiten in der Schule überhaupt ein Problem sind und warum es notwendig erscheint, dass man dieses Problem bearbeitet. Schließlich bedeuteten Fehlzeiten auch, dass die Klasse kleiner und das Unterrichten vielleicht angenehmer ist. Wir nennen beispielhaft drei Gründe, die dafür sprechen, Schulversäumnisse zu verringern. Es gibt noch eine Reihe anderer, die hier aus Zeitgründen nicht angesprochen werden, die aber ebenso wichtig sind. - Hohe Schulversäumnisse führen zu Lücken im Schulstoff - Eine erfolgreiche Mitarbeit im Unterricht wird nach längeren Fehlzeiten immer seltener möglich - Die Einübung von im Arbeitsleben notwendigen Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein usw. findet nicht statt.

3 Es ist wichtig sich klar zu machen, dass ein Schüler oder eine Schülerin, die in jedem Schuljahr 20 Tage fehlt (das sind 10 Tage pro Halbjahr) während einer 10-jährigen Schulzeit ein ganzes Schuljahr versäumt hat. Wir denken, dass jede Schule, die sich dem Thema Schulverweigerung zuwendet, das Ziel und die Gründe, warum sie dieses Ziel verfolgt, schriftlich festhalten sollte. Dies kann im Rahmen des Schulprogramms oder einer anderen Form der Projektbeschreibung geschehen. Wichtig ist, dass der erklärte Wille aller Beteiligten zum Ausdruck kommt, das formulierte Ziel ernsthaft zu verfolgen. Kopplow Wir betonen diesen ersten Punkt das Ziel zu definieren so deutlich, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Diskussion um das Ziel auch eine Diskussion um die unterschiedliche Sichtweise zur Sache selbst ist. Auf Grund der vielen Diskussionen um Konzepte zur Verringerung von Schulversäumnissen, definieren wir das angestrebte Ziel anders. Für unsere Schule oder für Schulen, die wir beraten, definieren wir das Ziel so: Folie 3 Keine zweifelhaften Fehlzeiten mehr in unserer Schule. Erläuterung KOP Erläuterungen Folie 3: Ich will dieses Ziel erläutern. In den Schulen gibt es eine übliche Unterscheidung der Fehltage, nämlich die nach entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten. Jeder weiß, dass diese Differenzierung wenig aussagekräftig ist. Beim Reduzieren der Fehltage geht es sicher nicht nur darum, die unentschuldigten Fehltage zu reduzieren. Jeder weiß, dass bei vielen entschuldigten Fehltagen sehr zweifelhaft ist, ob der Schüler oder die Schülerin nicht in der Lage war, in die Schule zu gehen und ebenso gibt es unentschuldigte Fehltage, die eindeutig durch Krankheit verursacht waren und lediglich die schriftliche Entschuldigung fehlt. Wir mussten also ein anderes Kriterium finden, dass die zu reduzierenden Fehlzeiten definiert. Und wir kamen auf den Begriff Zweifelhafte Fehlzeiten, und zwar zweifelhaft aus Sicht der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers. Wir begeben uns damit bewusst auf die Ebene der subjektiven Einschätzung der Klassenlehrkraft. Wir denken, dass es kein objektives Kriterium gibt, dass angibt, ob eine Fehlzeit notwendig oder nicht notwendig war. Wir halten es für notwendig, dass die Lehrkraft die persönliche Situation des Schülers so gut kennen muss, dass sie einschätzen kann, ob die Fehlzeit notwendig war oder nicht. Wir machen einen Versuch: Erinnern Sie sich doch bitte mal an die Schüler, die gestern oder heute gefehlt haben. Versuchen Sie einzuschätzen, ob Sie wissen, ob die Fehlzeiten begründet

4 sind. Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt wissen, warum die Schüler gefehlt haben. Fragen Sie sich, ob Sie es wissen wollen, warum die Schüler fehlen. Oder ob Sie zufrieden sind, wenn die schriftliche Entschuldigung kommt. Und wenn Sie wissen, warum die Schüler fehlen: Fragen Sie sich, ob Sie Ihr eigenes Kind bei diesem Grund in die Schule geschickt hätten. Die Antwort kann sicherlich in zwei Richtungen gehen: Es gibt verantwortungslose Eltern, die ihr Kind in die Schule schicken, obwohl es krank ist und es gibt Eltern, die ihr Kind zuhause lassen und schriftlich entschuldigen, obwohl es in die Schule gehen könnte. Und das nicht nur einmal, sondern häufig. Wenn man diese Erfahrungen, die Sie alle kennen, zugrunde legt, müssen Fehlzeiten nicht nur objektiv erfasst, sondern durch die Lehrkraft interpretiert werden. Das bedeutet, die Lehrkraft muss ihre Schüler und Schülerinnen und deren Umfeld kennen, und zwar nicht erst, wenn sie fehlen. Und sie muss aus ihrer Verantwortung für die Entwicklung der Schülerin oder des Schülers initiativ werden, wenn sie Zweifel an der Begründung der Fehlzeit hat. Wir formulieren daher die These folgendermaßen: Folie 4 Zweifelhafte Fehlzeiten sind solche Zeiten, bei denen die Lehrkraft nach Kenntnis der Sachlage es nicht befürworten kann, dass der Schüler dem Unterricht fernbleibt. Oder anders formuliert: Unzweifelhafte Fehlzeiten sind solche Zeiten, bei denen die Lehrkraft es nachvollziehen kann, dass der Schüler oder die Schülerin nicht am Unterricht teilnimmt. Sie werden jetzt schon feststellen, dass unser Ziel hohe Anforderungen an die Lehrkräfte stellt. Wir haben Ihnen zu Beginn unseres Vortrages versprochen, dass wir Sie immer wieder darauf hinweisen, wann eine bewusste Entscheidung von Ihnen notwendig ist, bevor Sie sich weiter der Verwirklichung des Ziels Verringerung zweifelhafter Fehlzeiten - zuwenden. Hier ist eine solche Entscheidung gefordert! Folie 5 (wird mehrmals wiederholt) Entscheide ich mich immer noch dafür, dieses Ziel zu verfolgen? Wir fragen jetzt nicht nach, zu welchem Schluss Sie gekommen sind, sondern fahren in der Darstellung der Schritte fort, die unseres Erachtens notwendig sind, um zweifelhafte Schulversäumnisse zu vermeiden.

5 Kos Wir gehen davon aus, dass Sie sich für die Minimierung von Fehlzeiten in Ihrer Schule entschieden haben. Das bedeutet: Folie 6 Die Minimierung zweifelhafter Fehlzeiten setzt voraus, dass die Schulgemeinde sich bewusst diesem Ziel zuwendet. Erläuterung KOS Erläuterungen Folie 6: Diese These verweist auf die unterschiedlichen schulischen Ebenen, die geprüft und ggf. verändert werden müssen, wenn zweifelhafte Schulversäumnisse erkannt und verhindert werden sollen. Dabei geht es um folgende Aufgaben: - Aktuelle Fehlzeiten müssen genau und zuverlässig dokumentieren werden. - Jede Lehrkraft muss Entschuldigungen kritisch hinterfragen und auch bei geringen Zweifeln offen und deutlich mit den Eltern sprechen. - Die Klassenlehrkraft muss sehr aufmerksam registrieren, ob sich Fehlzeiten (Stunden und/oder Tage) häufen oder ob die vorgelegten Entschuldigungen glaubhaft sind. - Bei zweifelhaften Entschuldigungen müssen ärztliche Atteste verlangt werden. - Eine gründliche Diskussion und Einigung über die pädagogischen Maßnahmen, die bei zweifelhaften Fehlzeiten ergriffen werden sollen, ist erforderlich. - Eine Einigung muss im Kollegium darüber hergestellt werden, wann eine Lehrkraft verpflichtend aktiv werden muss. - Mit den Eltern müssen die geplanten pädagogischen Maßnahmen diskutiert werden, um eine offene Zusammenarbeit, Verständnis und aktive Unterstützung zu erreichen - Ordnungswidrigkeitsanzeigen müssen als pädagogische Maßnahme erkannt werden und es muss durch Absprachen mit dem SSA und den Eltern sicher gestellt werden, dass Bußgelder in Arbeitsstunden für die Jugendlichen umgewandelt werden. - Den Jugendlichen müssen Arbeitsmöglichkeiten in der Schule angeboten werden, damit sie die Möglichkeit haben, ihre Arbeitsstunden in ihrer Schule abzuleisten. - Das Projekt Reduzierung zweifelhafter Fehltage muss als regelmäßiges Thema im Team, Jahrgang, und Gesamtkonferenz verankert werden. Diese Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig, bzw. variiert in jeder Schule. Sie sollten sich aber unserer Erfahrung nach darauf einstellen, dass Sie eine ganze Reihe dieser Aktivitäten durchführen müssen, um die Vorraussetzungen zu schaffen, die zweifelhaften Fehlzeiten zu reduzieren. Und wieder müssen Sie sich fragen: Folie 7 (wird mehrmals wiederholt)

6 Entscheide ich mich immer noch dafür, dieses Ziel zu verfolgen? Kopplow Wir haben bisher erläutert, dass es sehr aufwändig ist, sich dem Prozess der Reduzierung der Fehlzeiten zu stellen. Das bedeutet aber nicht, dass eine Schule beim Punkt Null anfängt, wenn sie sich diesem Thema zuwendet, denn: Folie 8 Die in jeder Schule vorhandenen Daten reichen aus, um aussagekräftige Hinweise auf zweifelhafte Fehlzeiten zu erhalten. Erläuterungen KOP Erläuterungen Folie 8: Welche Daten liegen eigentlich in jeder Schule vor? - Die Fehlzeiten für jeden Schüler oder Schülerin stunden- und tageweise - Die Unterscheidung der Fehlzeiten in entschuldigte und unentschuldigte Fehlzeiten - Die Addition der Fehlzeiten für jede Schülerin oder Schüler pro Halbjahr für das Zeugnis Weitere Auswertungen der vorhandenen Daten werden in der Regel nicht vorgenommen. Die Daten bergen aber einen Schatz von Informationen, die die Schule nutzen könnte, um Interpretationen vorzunehmen und pädagogische Maßnahmen zu planen. Wir haben uns in Wiesbaden in einer AG des SSA die Mühe gemacht, die Fehlzeiten einzelner Schüler oder ganzer Klassen nach bestimmten Kriterien auszuwerten. Welche waren das, bzw. welche weiteren könnten das sein? Folgende Daten lassen sich aus den vorhandenen Zahlen ermitteln: - Biografie des Schülers ( Entwicklung der Fehlzeiten über mehrere Jahre) - Fehlzeiten bei bestimmten Lehrern - Fehlzeiten in bestimmten Fächern - Fehlzeiten in bestimmten Stunden des Tages - Fehlzeiten in unterschiedlichen Klassen - Fehlzeiten bestimmter Jahrgänge / Schulstufen / Schulformen - Fehlzeiten bestimmter Schulen Alle diese Daten lassen sich aus den vorhandenen Einträgen in den Klassenbüchern ermitteln. Aber die Schule muss sich entscheiden, ob sie die Informationen haben will, die diese Auswertungen liefern können. Die Ergebnisse können nämlich brisant werden. Es könnte sich herausstellen, dass bei gleicher Schülerklientel in verschiedenen Schulen und Klassen sehr unterschiedliche Fehltage vorliegen...

7 Sie müssen sich also wieder fragen: Folie 9 (wird mehrmals wiederholt) Entscheide ich mich immer noch dafür, dieses Ziel zu verfolgen? Und wenn Sie das immer noch wollen, ist es erforderlich, die pädagogischen Interventionen zu planen, die notwendig sind, um die zweifelhaften Fehlzeiten zu reduzieren. Kos Folie 10 Um die erfassten Fehlzeiten zu minimieren, bedarf es bewusst gestalteter Interventionen der gesamten Schulgemeinde. Erläuterungen KOS Erläuterungen Folie 10: Der Diskussionsprozess und die Umsetzung des Ziels: Keine zweifelhaften Fehltage!! bedarf eines bewusst gestalteten Prozesses. Dieser Prozess wird nur erfolgreich sein und sich zunehmend selbst steuern, wenn - Die Verantwortung für den Prozess eindeutig geklärt ist (z.b. Lehrkraft, Arbeitsgruppenleitung) (Prozesssteuerung) - Grundsätzliche Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen besteht (SL, Team, Jahrgang, Gesamtkollegium, Schulaufsicht) (Umsetzung) - Alle Veränderungsvorschläge mit dieser grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft geprüft und ggf. erprobt werden (Umsetzung) - In regelmäßigen Abständen alle ergriffenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden (Evaluation) Mögliche Veränderungen neben den pädagogischen Maßnahmen könnten sein: - Späterer Schulbeginn (Häufungen der Fehlzeiten in der ersten Std.) - Stundenplanveränderungen, z.b. Sport für Mädchen/Jungen getrennt (Häufungen der Fehlzeiten von Mädchen im Sport) - Methodische oder inhaltliche Veränderungen im Fachunterricht (Häufung der Fehlzeiten bei bestimmten Lehrkräften oder in bestimmten Fächern) - Individuelle Stundenplanveränderungen (Erleichterung des Schulbesuchs, Wiedereingewöhnung) - Individuelle Förderangebote für einzelne Schüler (erfolgreichere Mitarbeit) - Binnendifferenzierung (Erfolgserlebnisse im Unterricht auch bei schwachen Leistungen) - Nachmittagsangebote (Entwicklung positiver Beziehungen zur Schule) - Arbeitsangebote (Erfolgserlebnisse für schwierige oder schwache Schüler, Erfahrung von Schule als relevanter Lebensbereich)

8 - Einrichtung besonderer Klassen mit für diese Schüler oder Schülerinnen passenden Anforderungen - Einrichtung von Foren (Klasse, Jahrgang, Schule), die den Rahmen bieten, für die Information über individuelle, von den Regeln abweichenden pädagogischen Regelungen Es ist klar, dass hier nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten genannt werden kann, wichtig war uns dabei zu zeigen, dass nicht nur auf der Klassenebene Veränderungen oder Einwirkungen nötig sind, sondern dass wirklich das gesamte System Schule veränderungsbereit sein muss. Auch jetzt müssen Sie sich wieder fragen: Folie 11 Entscheide ich mich immer noch dafür, dieses Ziel zu verfolgen? Wenn Sie auch hier eine Entscheidung für eine Minimierung der zweifelhaften Fehlzeiten treffen, dann gibt es noch eine weitere Ebene, die bei der Bearbeitung dieser Aufgabe eine wichtige Funktion hat und nicht fehlen sollte: Kopplow Wenn die einzelnen Schulen ihre Aufgabe erledigt haben, und ein Programm zur Minimierung zweifelhafter Fehlzeiten erarbeitet ist und erprobt wird, kann man (sollte man oder muss man) dieselbe Frage für die gesamte Region stellen. Folie 12 Die Institutionen der Region haben die gemeinsame Verantwortung für eine möglichst hohe Bildungsbeteiligung aller schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen. Erläuterungen KOP Erläuterungen Folie 12: Alle Aussagen die wir in Bezug auf eine Schule getroffen haben, gelten im übertragenen Sinne natürlich auch für eine gesamte Region. Auch hier steht die Frage am Anfang: Können sich die zuständigen Behörden, Institutionen und Gremien auf ein gemeinsames Ziel einigen. Bezogen auf ihre Region lautet das zunächst: Kann sich das Staatliche Schulamt mit allen seinen Schulen darauf einigen, dass man sich das Ziel stellt, die Zahl der zweifelhaften Fehlzeiten zu reduzieren. Das würde bedeuten:

9 1. dass alle einverstanden sind, die aktuellen Zahlen in jeder Schule zu erheben und dem Schulamt oder einer zuständigen Projektgruppe zu melden 2. dass man sich das Ziel setzt, die Gesamtzahl der Fehltage zu reduzieren und dann unweigerlich in die Diskussion kommt, ob unterschiedliche Schulen dabei einen unterschiedlichen Beitrag leisten müssen 3. man sich starke Partner sucht, die das Ziel unterstützen, weil es auch ihr Ziel ist Hier meine ich natürlich das Jugendamt, aber nicht nur das. Das Ziel einer hohen Bildungsbeteiligung aller schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen haben sicher noch andere Institutionen in der Region. Es muss z. B auch ein Ziel des öffentlichen Schulträgers sein und es lassen sich sicher noch andere Partner finden, die dieses Ziel unterstützen (z. B. die Arbeitsämter oder Beschäftigungsagenturen, die Polizei und die Justiz und nicht zuletzt auch die privaten Wirtschaftsverbände). Um die Interessen dieser Institutionen zur Wirkung zu bringen, müsste man versuchen, sie in ein Aktionsbündnis zu bekommen. Das könnte bewirken, dass die einzelnen Lehrkräfte und Schulen sich in ihrem Bemühen, die Fehlzeiten zu reduzieren, ernst genommen fühlen. Sie sehen also, die Reduzierung der zweifelhaften Fehlzeiten ist nicht nur ein Problem der betroffenen Schülerinnen und Schüler, sondern aller Beteiligten, die für die Bildung Verantwortung tragen. Kos Wir hoffen, dass wir Sie jetzt ermutigt haben, sich der Aufgabe zu stellen, die hohe Zahl zweifelhafter Fehlzeiten zu reduzieren, auch wenn dies mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden ist, stellt man unserer Erfahrung nach im Laufe der Entwicklung und Durchführung von Programmen, von Vernetzung u.ä. fest, wie wandlungsfähig ehemals als unbeweglich erfahrene Institutionen bei kleinen aber wirkungsvollen Veränderungen sein können. Diese Erfahrung beflügelt und macht mutig. Je länger und ausdauernder man das Ziel Verringerung zweifelhafter Fehlzeiten verfolgt, um so erfolgreicher sind die Bemühungen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, Druchsetzungsvermögen und Ausdauer.