KOMITEE GEGEN DEN VOGELMORD e.v. Aktionsgemeinschaft Tier- und Artenschutz Bundesgeschäftsstelle Auf dem Dransdorfer Berg 98 53121 Bonn Tel.: 0228/665521 Fax :0228/665280 e-mail: komitee@komitee.de www.komitee.de Faktisches Vogelschutzgebiet Zülpicher Börde Stellungnahme des Komitees gegen den Vogelmord e.v. zum Schutz von Offenland-Vogelarten im südlichen Rheinland 1. Einleitung 2. Relevante Vogelarten 3. Räumliche Abgrenzung des Gebietes 4. Schlussfolgerungen 1. Einleitung In der Zülpicher Börde bieten lössreiche Böden und ein trockenes Klima ideale Bedingungen für den Anbau von Getreide, Zuckerrüben und Raps. Dadurch hat sich hier über Jahrhunderte eine von Ackerbau geprägte Kulturlandschaft entwickelt. Aus der Eifel in den Rhein entwässernde Bäche, kleine Waldinseln und Baumreihen sorgen für bereichernde Strukturelemente. Im Vergleich zu den nah gelegenen Ballungsräumen des Rheinlandes sind Siedlungsdichte und Erholungsnutzung gering. Unter diesen Bedingungen hat sich im Bereich der Zülpicher Börde eine artenreiche Vogelwelt entwickeln und bis heute halten können. Insbesondere Offenlandarten, die die kulissenarme Landschaft bevorzugen, weisen hier noch nennenswerte Bestände auf. Alle bisher vorliegenden Untersuchungen und Beobachtungen deuten darauf hin, dass es sich bei der Zülpicher Börde um ein faktisches Vogelschutzgebiet im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie (79/409/ EWG) handelt. Insbesondere für Grauammer, Kornweihe, Merlin und Wiesenweihe ist das Gebiet von großer Bedeutung vermutlich trifft bei allen genannten Arten das Top 5-Kriterium (d.h. eines der fünf bedeutendsten Gebiete der jeweiligen Art im betroffenen Bundeslandland) zu. Weitere gefährdete Arten wie Turteltaube, Rebhuhn, Wachtel, Kiebitz, Rohrweihe, Baumfalke, Steinkauz, Feldlerche, Wiesenschafstelze, Schwarzkehlchen, Gelbspötter, Pirol und Nachtigall sind flächendeckend verbreitet und erreichen zum Teil hohe Bestandsdichten.
In den letzten Jahrzehnten wurden weitere Bereiche der Zülpicher Börde durch den Bau zahlreicher Umgehungsstraßen und Gewerbegebiete stark beeinträchtigt. Aktuell gibt es mehr als ein Dutzend Bauvorhaben, die den Erhalt dieses im Rheinland einzigartigen Naturraums ernstlich gefährden. Das Komitee gegen den Vogelmord fordert daher die Prüfung zur Nachmeldung der Zülpicher Börde als EU-Vogelschutzgebiet gemäß 33 des Bundesnaturschutzgesetzes an die EU-Kommission. Das Gebiet kann unseres Erachtens wie die Soester Hellwegbörde bewertet und behandelt werden diese ist wegen nahezu des gleichen Arteninventars im Jahr 2006 als Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden. 2. Relevante Arten 2.1. Grauammer (Emberiza calandra) Nach eigenen Beobachtungen und einer Erhebung des Landesamtes für Naturschutz und Verbraucherschutz NRW (LANUV) brüten in der Zülpicher Börde vermutlich um oder über 100 Paare der Grauammer. Nach dem Aussterben der Art in der Hellwegbörde handelt es sich damit um das letzte verbliebene zusammenhängende Vorkommen in NRW und beherbergt vermutlich über 75 % des Bestandes im Land. 2.2. Kornweihe (Circus cyaneus) Die Zülpicher Börde ist neben der Hellwegbörde das wichtigste Überwinterungsgebiet für Kornweihen in NRW. Das LANUV rechnet mit einem Mittwinterbestand der Art von 100 bis 200 Individuen im Land. Die bisherigen Untersuchungen des Komitees gegen den Vogelmord (Linientransekt- Kartierung) und Beobachtungen lokaler Ornithologen lassen alleine für den Bereich der Zülpicher Börde einen Winterbestand von über 40 Kornweihen vermuten. Zudem gibt es seit einigen Jahren regelmäßige Brutzeitbeobachtungen der Kornweihe - die Zülpicher Börde gilt als potentielles Brutgebiet für die Art. 2.3. Merlin (Falco columbarius) Nach Angaben der LANUV gilt der Merlin in NRW vor allem als Durchzügler und als seltener Wintergast. Unseren Beobachtungen zufolge muss im Bereich der Zülpicher Börde mit einen Winterbestand von etwa 30 Individuen gerechnet werden. Wir gehen davon aus, dass die Zülpicher Börde damit das Top 5-Kriterium deutlich erfüllt. 2.4. Wiesenweihe (Circus pygargus) In der Zülpicher Börde brüten jährlich zwischen einem und drei Paaren der Wiesenweihe. Seit dem Jahr 2005 hat sich der Bestand stabilisiert im Jahr 2007 flogen aus drei Nestern insgesamt 11 Jungvögel aus. Die Zülpicher Börde ist somit nach der Hellwegbörde das zweitwichtigste Brutgebiet dieser Art in NRW und zudem das einzige im Rheinland. Alle bislang nachgewiesenen Bruten fanden in Wintergetreide statt das betroffene Brutgebiet liegt im Zentrum der Börde nördlich von Zülpich, wobei ein Teil der Brutnachweise auch aus dem Dürener Eifelfuß stammen.
2.5. Schwarzkehlchen (Saxicola torquata) Je nach der räumlichen Abgrenzung des betroffenen Gebietes brüten am Südrand der Zülpicher Börde, wo die Ebene in den Eifelfuß übergeht, deutlich mehr als 100 Paare des Schwarzkehlchens. Auch in der Ebene selbst sind zahlreiche Paare nachgewiesen. Damit könnte das Areal ein Top 5-Gebiet für die Art in NRW sein. 2.6. Weitere gefährdete Arten Auf den ausgedehnten Feldfluren der Zülpicher Börde brüten nennenswerte Bestände von Kiebitz (Vanellus vanellus), Rebhuhn (Perdix perdix), Feldlerche (Alauda arvensis) und Wiesenschafstelze (Motacilla flava). Feldlerche und Wiesenschafstelze erreichen dabei Dichten, die wahrscheinlich deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen. Es gibt zudem zahlreiche Reviere der Wachtel (Coturnix coturnix) Brutnachweise fehlen derzeit noch. In den Galeriewäldern entlang der Bäche sowie in den Gehölzinseln und Hecken kommen Turteltaube (Streptopelia turtur), Gelbspötter (Hippolais icterina), Pirol (Oriolus oriolus) und Nachtigall (Luscinia megarhynchos) als verbreitete Brutvögel vor. Insbesondere die Bestände der Turteltaube mit vermutlich über 30 Paaren und des Baumfalkens (Falco subbuteo) mit bis zu 10 Paaren sind dabei bemerkenswert. Bruten des Schwarzmilans (Milvus migrans) werden regelmäßig nachgewiesen. In der Zülpicher Börde brüten zudem bis zu 10 Paare der Rohrweihe (Circus aeruginosus) in Kiesgruben und in der Ackerflur. Die verbliebenen Restbestände von dorfnahen Obstwiesen beherbergen einen Bestand des Steinkauzes (Athene noctua) von über 40 Paaren. Die Zülpicher Börde ist zudem ein wichtiges Rast- und Durchzugsgebiet. Während des Durchzuges rasten bis zu 16.000 Kiebitze (Vanellus vanellus) und bis zu 600 Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria) regelmäßig in der Börde. Insbesondere im Frühjahr ziehen Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), Braunkehlchen (Saxicula rubetra) und Brachpieper (Anthus campestris) in großen Zahlen durch. Im Spätsommer rasten zeitweise über 50 Rohrweihen (Circus aeruginosus) in der Zülpicher Börde. Im Winter gibt es neben den vorgenannten Kornweihen (Circus cyaneus) und Merlinen (Falco columbarius) nennenswerte Zahlen von Mäusebussarden (Buteo buteo), Turmfalken (Falco tinnunculus), Wanderfalken (Falco pereginus) Habichten (Accipiter gentilis), Sperbern (Accipiter nisus) sowie jährlich mehrere Nachweise des Rauhfußbussards (Buteo lagopus) und der Sumpfohreule (Asio flammeus). 3. Räumliche Abgrenzung des Gebietes Das potentielle faktische Vogelschutzgebiet deckt sich in etwa mit der naturräumlichen Ausdehnung der Zülpicher Börde und betrifft die Kreise Düren, Rhein-Erft, Rhein-Sieg und Euskirchen (siehe beiliegende Karte). Im Westen und Süden bildet der Eifelrand die Abgrenzung, im Osten der Verlauf der Autobahn A 61 (Koblenz-Venlo) und im Norden die Autobahn A 4 (Köln-Aachen). Es ergibt sich je nach Abgrenzung eine ungefähre Fläche von 350 bis 400 Quadratkilometern.
Falls der im Südwesten der Börde gelegene, ackerbaulich geprägte Eifelfuß aufgrund der Brutvorkommen von Schwarzkehlchen, Grauammer und Wiesenweihe sowie wegen überwinternder Kornweihen und Merline Teil des Vogelschutzgebietes sein soll, würde sich die Fläche damit um rund 50 bis 80 Qadratkilometer erhöhen. 4. Gefährdungen Trotz oder gerade wegen der geringen Siedlungsdichte hat es in den vergangenen Jahrzehnten einen erheblichen Flächenverbrauch in der Zülpicher Börde gegeben. Alleine seit Beginn der 1980er Jahre sind im Bereich des faktischen Vogelschutzgebietes rund 1.200 ha der besten Ackerböden durch den Bau von Wohn- und Gewerbegebieten dauerhaft zerstört worden. Dazu kommen mehr als 40 km Umgehungsstraßen und ein Dutzend größerer Windenergieanlagen. Der Flächenverbrauch in der Zülpicher Börde schreitet weiter voran. So sind der Ausund Neubau von Gewerbegebieten geplant und zum Teil bereits genehmigt (z.b. Ipas bei Weilerswist), neue Windenergieanlagen, Biogas-Anlagen und Tiermastbetriebe sind vorgesehen, und die Planungen zum Bau zahlreicher Umgehungsstraßen (z.b. Weiler in der Ebene und Vettweiß) sind weit verangeschritten. Große Straßenbauprojekte wie etwa der Ausbau der B 56 nördlich von Euskirchen oder eine Weiterführung der gleichen Straße zwischen Zülpich und der A 4 könnten das faktische Vogelschutzgebiet Zülpicher Börde in erheblichem Maße dauerhaft beeinträchtigen. Mit dem Bau von Biogas-Anlagen und weiteren Geflügelmastbetrieben ist darüber hinaus mit einem vermehrten Anbau von Mais zu rechen mit den bekannten negativen Auswirkungen auf Grundwasser, Bodenqualität und Brutvögel. Ganz aktuell hat die Aufhebung der obligatorischen Stilllegungsverpflichtung dazu geführt, dass die ohnehin nur wenigen Brachen im Bereich der Börde fast vollständig verschwunden sind. 5. Schlussfolgerungen Die bereits bei verschiedenen Stellen vor allem beim LANUV vorliegenden Informationen lassen den Schluss zu, dass es sich bei der Zülpicher Börde um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt. Um diese Aussage zu untermauern und um eine klare Abgrenzung des Schutzgebietes vornehmen zu können, sind allerdings weitere Untersuchungen notwendig. Das Komitee gegen den Vogelmord arbeitet bereits an einer Langzeituntersuchung zu überwinternden Greifvögeln in der Zülpicher Börde (Linientransekt-Kartierung) und wird die Ergebnisse zur Verfügung stellen. Eine Kartierung des aktuellen Brutbestandes der Grauammer wäre hilfreich, ebenso wie Untersuchungen zur Brutdichte anderer Offenlandarten, wie z.b. Feldlerche und Schwarzkehlchen. Bei den Biologischen Stationen der betroffenen Kreise liegen darüber z.t. umfangreiche Informationen vor. Um das Gebiet langfristig zu sichern, muss es als Vogelschutzgebiet an die EU- Kommission nachgemeldet werden. Im Bereich der Zülpicher Börde ist ein Vorranggebiet für die Landwirtschaft einzurichten, um einer weiteren Zersiedelung und
Zerschneidung der Landschaft Einhalt zu gebieten. Vor allem gilt es, den Aus- und Neubau von Straßen, Gewerbegebieten und Windkraftanlagen einzuschränken und gezielte Schutzmaßnahmen für Offenland-Vogelarten einzuleiten. Die Landwirtschaft als Garant für den Erhalt der Kulturlandschaft soll hierbei ausdrücklich nicht eingeschränkt und die Bewirtschafter in Naturschutzmaßnahmen eingebunden werden. Bonn, im August 2009 Alexander Heyd Axel Hirschfeld